Sam erinnert sich (6)
Max sieht wieder vom Buch auf und mir in die Augen, neugierig darüber, was ich über dieses Kapitel zu berichten habe. Ich lächle zurück und beschließe, zuerst einmal auf den letzten meiner Dads einzugehen und ihn ebenfalls vorzustellen. "In diesem Kapitel geht es um Vertrauen und wie ich eingangs schon erwähnt habe, ist Vertrauen ein rares Gut in den Außenlanden und nichts was leichtfertig verschenkt oder unüberlegt vergeben wird. Habbo van Dyke, der Diplomat und Fremdenflüsterer im Trupp, musste dies am eigenen Leib erfahren. Ihm habe ich lange nicht vertraut, weil er uns Kinder immer so genau beobachtete. Ich hatte immer das Gefühl, er würde all unsere Geheimnisse irgendwann aufdecken aber er blieb stets geduldig und gab die Versuche auf Freundschaft nie auf, egal wie abweisend ich zu ihm war."
Der rothaarige Soldat erhebt sich jetzt und sofort wird ihm das Mikrofon gereicht. Als seine Stimme durch die Lautsprecher erklingt entkommt Maxine ein überraschtes aufseufzen, weil sie so sanft und freundlich ist, wie man sie in einem Trupp voller harter Männer nie erwarten würde. "Ich weiß woher dein Misstrauen kam, Pepper ist ja selbst in den Außenlanden groß geworden und hat uns erklärt, was für ein wertvolles Gut selbst das kleinste Geheimnis dort sein kann. Aber seit ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe frage ich mich, ob es stimmt, dass du dich uns nur geöffnet hast, damit wir dich nach Europa bringen. War euer Ziel wirklich dein einziger Grund?" Ich kann spüren, dass ein ja von mir eine herbe Enttäuschung für ihn wäre aber ich habe am heutigen Tag auch nicht vor zu lügen. "Erinnerst du dich an den Tag, als Max mit der Schutzcreme herum ging, damit jeder von uns sich davon nehmen und sich einreiben konnte? Sie stand vor Mayhew und reichte ihm die Dose."
Ich verstelle meine Stimme im Versuch, den kindlichen und etwas schüchternen Tonfall meiner kleinen Schwester an diesem Abend, so gut wie möglich nachzumachen. "Amie, hier ist die Creme. Ich warte, bis du fertig bist, dann bring ich sie dem Boss!" Im Saal brandet leises Gelächter auf und Maxine errötet verlegen doch Habbos Stimme unterbricht das Gelächter heute wie damals. "Meine Kameraden haben sich damals lauthals über ihn und Damien lustig gemacht, weil es wie ein Mädchenname klang, und ich habe versucht euch zu erklären, warum es gerade bei unserem Späher so ein Gelächter hervorgerufen hat, oder?" Ich nicke und grinse. "Du hast uns damals erklärt, dass Damien keine Kosenamen und Verniedlichungen mag und normalerweise nicht darauf hört. Der beugte sich vor, nahm die Dose mit einem freundlichen Lächeln aus den kleinen Händen und sagte mit einem verschwörerischen Zwinkern: 'Danke Mäxchen' während du gerade dabei warst zu behaupten, dass er auch nie selbst welche vergeben oder nutzen würde. Das traurige Gesicht meiner Schwester verwandelte sich damals augenblicklich in ein strahlendes und das Gelächter der Anderen verwandelte sich in Beschwerden."
Habbo erinnert sich ebenfalls und seine Mundwinkel zucken fröhlich nach oben. "Stimmt, ich habe mich damals darüber beschwert, warum Max ihm einen Spitznamen geben darf und wir nicht." Ich nicke und sehe ihm ernst in die Augen damit er erkennt, wie wichtig das hier ist. "Du hast damit den kleinen Sprachfehler meiner Schwester in etwas besseres verwandelt und statt lachhaft war sie plötzlich etwas Besonderes und du hast es getan, indem du etwas ganz persönliches von eurem Trupp verraten hast. Ich war dir und Bassam damals unglaublich dankbar." Ich versuche die Szene, die Ciceron damals gemacht hat, ebenfalls nachzuspielen, lege meine Hände, wie er in meiner Erinnerung, theatralisch übers Herz und beschwere mich schmollend. "Und wieso bekommt er einen Kosenamen, und wir nicht?" Gelächter im Saal und die fröhlich funkelnden Blicke meiner Daddys bringen mich selbst zum lachen.
"Max kicherte damals und alle Scham fiel sofort von ihr ab und ich war euch beiden so dankbar. An diesem Tag erkannte ich, wie aufgeschlossen ihr mit uns umgegangen seid und beschloss, diese Offenheit zu erwidern. Es war nicht der Deal damit wir nach Europa gebracht wurden, der mich euch gegenüber öffnete, es war die Tatsache, dass ihr uns mit offenen Armen aufgenommen habt und bei dir im Besonderen war es vor allem deine Bereitschaft, Max vor deinen eigenen Kameraden in Schutz zu nehmen, die dir meine ewige Freundschaft gesichert hat. Später habe ich dann auch verstanden, dass du mit deinen neugierigen Blicken nicht unsere Geheimnisse aufdecken wolltest sondern unsere Emotionen im Blick behalten. Du hast dich um uns gesorgt." Wir tauschen intensive Blicke aus und ich sehe Dankbarkeit aber auch Erleichterung in seinen. Es überrascht mich, dass selbst nach all diesen Jahren noch immer nicht alle Zweifel zwischen uns ausgeräumt wurden. Dann wende ich mich wieder den Kameras und Besuchern zu.
"Dies, meine lieben Gäste, ist der 6. meiner Dads, die ich heute vorstellen darf und möchte: Habbo van Dyke! Er erzählte mir genug von jedem Einzelnen im Trupp, damit ich immer wusste, welche Fragen ich wem stellen musste und wen ich wobei um Hilfe oder Training bitten konnte. Dank ihm lernte ich jede Kleinigkeit immer vom Besten." Er erhebt sich und nickt freundlich den Leuten zu, die ihm fröhlich applaudieren. "Er war es auch, der erkannte, dass es sich lohnt, meine Aussage darüber, dass ich diese Verbrecher gesehen hatte, zu hinterfragen." Wieder höre ich seine sanfte Stimme durch den Raum schallen. "Damien mag ein stiller Beobachter sein, doch wir beiden tauschen uns oft über das aus, was uns auffällt. Damals erkannten wir schnell, dass du eine besondere Gabe hast und mir waren deshalb sofort zwei Dinge klar. Erstens hättest du niemals von dem was du gesehen hast angefangen, wenn nicht mehr als diese Tatsache dahinter stecken würde und zweitens bestand eine gute Chance, dass du dich tatsächlich aufgrund nur eines Blickes an diese Männer erinnern konntest."
Ich sehe die Männer voller Zuneigung an als ich gestehe: "Ich habe von jedem Einzelnen von Euch so viel gelernt und es war mir wichtig, das auch in diesem Buch durchscheinen zu lassen." Ich gehe zu ihnen an den Tisch, nehme ihr Mikrofon und reiche jedem einzelnen von ihnen meine Hand, während ich über sie rede und lasse sie erst wieder los, kurz bevor ich zum Nächsten wechsle.
"Damien Mayhew, du lehrtest mich meine Sinne und Fähigkeiten zu nutzen und zu kombinieren.
Veliko Duayne, du hast mir geraten meinen Fähigkeiten zu vertrauen aber die der Anderen nicht zu vernachlässigen.
Bassam Ciceron, du warst nicht nur ein lustiger Koch der mir beigebracht hat, Humor als Ablenkung zu benutzen, sondern auch ein Kämpfer, den man besser nicht nur wegen seiner Größe und seiner Albernheiten unterschätzte. Von dir habe ich einige meiner besten Tricks, die ich bereits als Achtjährige gegen größere und stärkere Gegner anwenden konnte und noch heute in perfektionierter Form benutze.
Habbo van Dyke, du hast mich erkennen lassen, dass zu einem guten Diplomaten nicht nur das Reden gehört, sondern auch die Fähigkeit genau zuzuhören und du warst es auch der mir riet, meine eigenen Gefühle niemals wichtiger zu nehmen als die Anderer.
Armand Peperell, du hast verhindert, dass man uns zu sehr verhätschelte, weil du wusstest was es bedeutet, im Außenland aufzuwachsen. Von dir habe ich die Liebe für Waffen übernommen.
Und Tassilo Tozzo, du warst nicht nur derjenige, der Maxine eine weibliche Seite zugestand ohne ihr den Status als Junge zu nehmen sondern auch der, der mich mit seinen Fragen über unser Leben im Außenland fast in den Wahnsinn getrieben hat. Du hast mir den Satz: Das muss ich nicht wissen! schlichtweg mit der Erklärung verboten, dass er in meinem Wortschatz nichts zu suchen hätte. Heute versteh ich es besser denn je, denn um so Größer das eigene Wissen um so besser kann man die richtigen Entscheidungen treffen."
Die Männer erwidern meinen Händedruck jedes Mal herzlich und ich kann sehen, wie gerührt sie sind. Unter erneutem Applaus des Publikums gehe ich schließlich zurück auf die Bühne und sehe Maxine an. Erstaunt finde ich in ihren Blicken noch immer dieselbe Bewunderung und das gleiche Vertrauen, dass sie mir damals schon entgegen brachte. "Ich denke, jetzt ist jedem klar, wieso wir damals bereit waren, auch unsere Ressourcen in Form von Wissen und Vertrauen mit diesen Männern zu teilen und du musst wissen, dass auch du deinen Teil dazu beigetragen hast." Erkläre ich ihr mit einem Zwinkern. "Du warst damals so stolz, weil du etwas besser wusstest als diese Männer. Pilze waren irgendwie immer deine Leidenschaft und du kanntest jede Höhle im Umkreis von einer halben Tagesreise, in der es schmackhafte und essbare Pilze zu ernten gab. Mit deinen 4 Jahren konntest du mehr Pilze unterscheiden als die meisten Erwachsenen und wenn es um Hexeneier ging warst du ungeschlagen im Auffinden dieser seltenen Köstlichkeiten." Meine Schwester strahlt mich begeistert an. Es ist mir wichtig ihr zu zeigen, dass sie nicht nur eine Belastung war sondern auch eine große Hilfe und dieses Kapitel ist am allerbesten dafür geeignet.
Ich deute schließlich für Maxine auf den ersten Absatz des Buches und wende mich dann an die Zuschauer, um noch etwas zu erklären, bevor wir zum nächsten Kapitel übergehen können. "Eine der häufigsten Leseranfragen, die die Redaktion des Buches erreicht haben, war die Frage, woher diese Männer die Kinderserie kannten, auf die in diesem Buch Bezug genommen wurde. Wieso kannten unverheiratete Männer ohne eigene Kinder sowas? Dabei wäre die viel wichtigere Frage an dieser Stelle, woher wir beiden sie kannten. Immerhin hatten wir keinen Zugriff auf das Europa-Netz, in dem sie ausgestrahlt wurde. Allerdings ist das ein weiterer Beweis dafür, wie offen und freundlich wir von diesen Männern aufgenommen wurden. Damit wir abgelenkt waren während die Soldaten wichtige Dinge diskutierten die nicht für Kinderohren bestimmt waren, ließen sie uns hin und wieder Teile dieser Serie auf einem ihrer Tablets gucken und so bekamen sie selbst natürlich auch etwas davon mit." Einige Ahhhs aus dem Publikum zeigen mir an, dass es nicht verkehrt war, dies klar zu stellen. Dann endlich ist Maxine wieder an der Reihe und ich lausche ihrer ernster werdenden Stimme beim Vorlesen während ich mir einen tiefen Schluck aus dem bereitgestellten Wasserglas genehmige.
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