Prolog - Jubiläumsfeier
"Hallo und willkommen auf unserer kleinen Feier, ich bin Samantha Jakobi und freue mich, sie hier begrüßen zu können." Vor einer Stunde habe ich diese Ansprache noch vor dem Spiegel trainiert und dabei begutachtet, wie ich auf meine Gäste wirken werde. Ich bin jetzt 33 Jahre alt, recht groß und habe eine schlanke durchtrainierte Figur, schwarze, mittellange, glatte Haare und silbergraue Augen. Als Scharfschützin und seit kurzem Leutnant in führender Position verstecke ich normalerweise meine Weiblichkeit lieber unter meinen maßgeschneiderten Uniformen und Kampfausrüstungen. Doch heute habe ich meine Familie und Freunde eingeladen, um mit mir und meiner Schwester den Jahrestag unserer Einbürgerung in Europa zu feiern und uns gemeinsam an damals zu erinnern. Deshalb trage ich ausnahmsweise ein hübsches Kleid und hochhackige Schuhe, die meine Reize ebenso betonen wie das dezent aufgelegte Make-Up. Nein, ich fühle mich nicht unwohl in dieser Aufmachung, im Gegenteil, ich mache mich gerne zurecht und liebe es, auszugehen, aber ich liebe auch meinen Job und die passende Kleidung zu jedem Anlass.
Weil meine Geschichte über meine Versetzung als Scharfschützin nach Britanika ziemliche Schlagzeilen gemacht hat, ist dieses Jahr sogar die Öffentlichkeit über einen Livestream zugeschaltet. Gerade habe ich die Gäste im Saal und alle Zuschauer an ihren Geräten begrüßt und ein paar freundliche Worte an besondere Fans gerichtet, wie zum Beispiel an StephanieWilhelm7 , die vor nicht allzu langer Zeit um die Geschichte gebeten hat, die ich heute zusammen mit meiner Schwester erzählen werde.
"Meine Schwester und ich wollen wieder einmal unsere Rettung feiern und dabei die Personen ehren, denen wir sie zu verdanken haben. Da Maxine sich aber so gut wie gar nicht mehr an diese Zeit erinnern kann, ich diese Geschichte aber auf keinen Fall ohne sie an meiner Seite erzählen will, haben wir beschlossen, einen Lese- und Erzählabend daraus zu machen." Neugieriges Gemurmel und zögernder Applaus ertönt, als Max zu mir auf die kleine Bühne kommt und mit einem Kinderbuch in ihrer Hand den Leuten im Saal zuwinkt. Meine kleine Schwester ist in allem das genaue Gegenteil von mir, weshalb man uns die Verwandtschaft nicht ansieht. Sie ist kleiner, hat blonde lockige Haare und himmelblaue Augen. Sie hat all die nötigen Rundungen, die ein weiblicher Körper haben sollte und sie liebt es, ihre weiblichen Reize auch zu zeigen. "Samantha hat mich überredet, dass ich die einzelnen Kapitel aus diesem Buch vorlese, die die Abenteuer von Sam & Max beschreiben. Sie wird die kindgerechte und so pädagogisch wertvolle Geschichte dann mit ihren Erinnerungen ergänzen."
Daraufhin geben wir allen die Gelegenheit, sich mit Getränken zu versorgen und den jeweiligen Vorlieben entsprechend in dem kleinen Festsaal nieder zu lassen. "Deine Mom ist nicht gekommen?", wende ich mich mitfühlend an Max die nur enttäuscht aufseufzt. "Du weißt doch wie sie ist, wenn es ums Militär geht. Ich habe sie trotzdem gebeten sich wenigstens die Online Show anzusehen." Ich nicke verständnisvoll und drücke meine kleine Schwester aufmunternd und tröstend an mich. "Es wäre nicht schlecht, wenn sie mal die ganze Geschichte hören würde. Aber dann müsste sie womöglich zugeben, dass wir sinnvoll sind."
Seit ich Maxine mit in meine gewalttätige Welt gezogen habe, indem ich sie mit einem Soldaten bekannt gemacht habe, will meine ehemalige Erzieherin nichts mehr von mir, ihrer anderen Ziehtochter, wissen. Doch das stört mich nicht im geringsten, denn mein Verhältnis zu der Frau die von meiner Schwester Mom genannt wird, war nie besonders innig.
Max schnaubt wütend zu meiner Einschätzung. "Ich habe ihr ein Ultimatum gestellt, weißt du? Wenn sie sich erneut weigert und nicht zu akzeptieren beginnt, dass Du die wichtigste Person in meinem Leben bist, dann werde ich endgültig die Entscheidung treffen, die sie in letzter Zeit so oft von mir gefordert hat." Erneut ziehe ich sie in meine Arme. "Sie ist dumm wenn sie dich aufgibt nur weil sie zu verbohrt ist um ihren alten Hass gegen Soldaten für dich zu begraben." Ich zweifele nicht eine Sekunde daran, das Mäxchen immer mich wählen würde, egal was sie dafür aufgeben müsste.
"Wollen wir dann meinen Dads Hallo sagen?", lenke ich das unschöne Gespräch auf etwas erfreuliches und Maxine nickt. Auch wenn sie nie eine so enge Beziehung zu den Soldaten aufgebaut hat wie ich, so ist ihr doch klar, was sie den Männern zu verdanken hat. Der Trupp aus Soldaten besteht aus Männern, die mittlerweile alle um die 60 herum aber immer noch fit und agil sind und bisher nicht bereit waren, sich hinter einen Schreibtisch versetzen zu lassen. Wir sehen sie von unserem Platz auf der Bühne aus rechts direkt davor an einem der 3 großen, halbrunden Tische sitzen, die mit der Schnittfläche auf das Geschehen ausgerichtet sind, damit jeder von ihnen uns später auch sehen kann.
Im Moment stecken sie noch ihre Köpfe zusammen doch als wir uns ihnen nähern werden wir sofort von zwei großen, goldbraunen Augen entdeckt die unserem Weg unter geschwungenen Augenbrauen folgen. Der Mann saß von Anfang an eher still an der Außenseite der Gruppe und beobachtete das Geschehen um sich herum. Damien Mayhew ist durch seine durchschnittliche Größe und Statur schon eher unauffällig, seine stille Art lässt ihn in einer Menge wie hier fast verschwinden. Seine einstmals mittelbraunen Haare sind dünn geworden, heute mehr grau als braun und einer hohen Stirn gewichen. Sein gestutzter Vollbart und die Brauen sind jetzt eher schwarzgrau, nur über der Oberlippe ist er noch immer dunkelbraun wie früher. Ich lächle ihn an und er zwinkert zurück.
Das erregt die Aufmerksamkeit des rothaarigen Kobolds neben ihm, der seinen Blicken folgt. Habbo van Dyke ist kleiner, wenn auch nicht der Kleinste in der Runde, seine Augenbrauen sind buschig, rot und wild wie seine nach allen Seiten abstehenden Haare. Sein Backenbart, der überraschenderweise geordnet und gepflegt ist und nicht auf die Mundpartie oder das Kinn übergreift, leuchtet in demselben Rot, auch wenn es heute blasser ist als früher. Das, und ein paar Fältchen an den Mund- und Augenwinkeln sind die einzigen Anzeichen seines Alters. Er war schon immer etwas kräftiger als seine Kameraden, hat eine spitze Hakennase in einem runden Gesicht und seine Pausbacken lassen ihn noch dicker aussehen als er wirklich ist und - wenn sie sich vor Aufregung röten - auch jünger. Große freundliche Augen sprühen grüne Funken der Freude zusammen mit einem blütenweißen Lächeln in unsere Richtung während er sich leicht zur Seite neigt, um einen anderen Soldaten am Tisch auf unser Ankommen aufmerksam zu machen.
Kommandant Veliko Duayne sieht sofort auf und seine Blicke treffen meine. Von all meinen Dads ist er meine Vaterfigur Nummer eins und das hat mehrere Gründe. Er ist ein ernster, dunkler Typ mit dunklen Haaren, dunklen Augen und einem dunklen Blick. Er ist sehr groß aber schlank, wenn auch muskulös. Mit seinen hohen Wangenknochen, einer großen Nase die an der Spitze leicht knubbelig ist, dem schwarzen Bart der kurz getrimmt ist und nur die Mundpartie und das Kinn bedeckt während seine Wangen und die Kieferpartie glatt rasiert sind, sowie den schmalen Augenbrauen, hat es immer etwas furchteinflößendes, wenn er auf einen herab sieht. Heute weichen graue Schläfen und vereinzelte graue Haare, die seine Frisur und seinen Bart sprenkeln, dieses gefährliche Bild etwas auf. Als Anführer der Truppe war er prädestiniert dafür, auch für mich ein Anführer zu sein und dass ich später oft für seine wirkliche Tochter gehalten wurde, weil wir beide groß, schlank und schwarzhaarig sind, hat dieses Gefühl ebenfalls verstärkt. Auch dass er am ehesten meinem echten Paps glich, half. Jetzt wird mir klar, dass er auch Ähnlichkeit mit Sebastian Winter hat, meinem jetzigen Kommandanten, wenn auch nicht in allen Belangen.
Auch die anderen am Tisch bemerken jetzt unsere Ankunft und natürlich ist es Bassam Ciceron, der als erstes den Mund aufreißt, noch bevor wir den Tisch ganz erreicht haben. "Na sieh mal an, die Stars der heutigen Show kommen an unseren Tisch." Er packt sich dramatisch ans Herz und schaut verträumt. "Ich fühle mich so geehrt." Dunkelblond und fast zierlich habe ich ihn nie anders als lustig erlebt. Er ist der Kobold, nach dem Habbo aussieht doch man sollte ihn besser nicht unterschätzen, denn trotz seiner geringen Größe und seines Humors ist er auch sehr wehrhaft. Seine hellbraunen Augen, aus denen immer der Schalk blitzt, haben einem dunkleren Rand um die Pupillen und stechen wie kleine Knöpfe aus seinem kleinen aber schlanken Gesicht hervor. Er ist nicht nur der Kleinste sondern auch der Jüngste im Trupp und hat mit seinen heute 57 Jahren noch immer kein graues Haar. Glattrasiert, hat sich die Fläche seines Gesichts allerdings über Geheimratsecken etwas ausgedehnt. "Das solltest du auch mein lieber Cicero," lache ich und erreiche endlich, mit Max im Schlepptau, den Tisch. "schließlich seid ihr hier, um von uns geehrt zu werden."
Die Männer erheben sich aber der Mann am anderen Ende der Reihe ist schneller aufgesprungen als der Rest und zieht erst die leicht verwirrte Maxine und dann mich in eine Umarmung, die ich lachend und gerne erwidere. "Ich freu mich, dass ihr dieses Jahr kommen konntet." Maxine kann die Blicke nicht von dem Mann nehmen. Sie hat nie viel Kontakt zu ihnen gehabt und vor einigen bis heute noch Angst, oder zumindest viel Respekt. Tassilo Tozzo jedoch löst in ihr scheinbar eher eine für sie sicher unerklärliche, freundschaftliche Regung aus, wenn ich ihren Gesichtsausdruck richtig deute. Er ist blond und die in seiner Paradeuniform versteckte Figur ähnelt ein wenig der meinen im Kampfanzug. Seine Haare sind zu einem strengen Zopf gebunden und man kann erkennen, dass sie gefärbt sind, vermutlich um die grauen Haare zu vertreiben. Seine glatte honigbraune Haut und die mandelförmigen, dunkelblauen Augen verleihen ihm etwas exotisches.
Der letzte Mann unter den sechs Soldaten hingegen, löst bei Maxine eher Ablehnung aus, und lässt sie wieder einen Schritt zurück machen. Er sieht mir jedoch direkt in die Augen und salutiert dann, woraufhin gleich der ganze Trupp mit macht. Ich erwidere den Gruß und muss dann lachen. "In einem Kleid zu salutieren ist eine ganz neue Erfahrung" grinse ich, und lasse mich dann auch von diesem Riesen umarmen, nachdem der von Tassilo durch einen Rippenstoß mit dem Ellenbogen dazu gebracht wurde. Armand Pepperell ist genauso groß wie sein Anführer aber doppelt so breit. Sein massiger, muskelbepackter Körper ist beängstigend und sein stets ernster Blick unter fast weißen Augenbrauen zusammen mit seinem knallharten Auftreten macht es nicht besser. Wo sein Kommandant durch das altersgrau heute etwas freundlicher aussieht, wirkt Armand mit Glatze, die er sich rasiert hat als er den Kampf gegen das schwindende Haar leid war, nur noch bedrohlicher.
Nachdem wir uns nach und nach alle begrüßt und umarmt haben lege ich ein Mikrofon zu den Männern auf den Tisch und schiebe es direkt und mit frechem Grinsen im Gesicht vor den Stillen der Truppe. "Ich lass euch das da, damit ihr uns korrigieren oder etwas ergänzen könnt, wenn ihr das wollt." Die anderen Lachen laut auf und der Lustige springt auf um sich das Mikro zu schnappen. "Ich kenne da einen Witz mit dem wir anfangen und die Stimmung auflockern können." Erklärt er dabei. Allerdings ist Pepperell schneller als man es ihm zutrauen würde und schnappt es ihm vor der Nase weg, nur um damit in seine Richtung zu drohen. "Auf keinen Fall." Erneutes Gelächter zieht die Aufmerksamkeit der anderen Tische auf uns.
"Als wenn es etwas gäbe, dass du vergessen oder falsch in Erinnerung haben könntest." Tozzo schüttelt nur den Kopf doch Habbos Augen funkeln, weil er meine Intention hinter diesem Angebot erahnt. "Es gibt auf jeden Fall Dinge, an die Sam sich nicht erinnern kann." Die meisten schauen ihn ungläubig an, nur ihr Anführer versteht sofort worauf sein Freund hinaus will. "Es gibt Dinge, von denen sie nie erfahren hat, Gedanken und Gespräche unter uns, an die wir uns erinnern und die wir einbringen können." Dann nickt er mir zu. "Du kannst auf uns zählen, Samantha." Ich strahle ihn dankbar an. "Danke, Dediko, so wie immer."
Zurück auf der Bühne sehen wir uns noch einmal im Saal um. Maxine hat gerade tausend Fragen zu den Dads, aber ich vertröste sie auf nach dem Vortrag und dass ist ihr recht. Statt dessen sucht sie den Blickkontakt mit ihrem Partner, der genauso neugierig auf die Geschichte ist, wie sie selbst. Er zwinkert seiner Angebeteten kurz zu und zeigt ihr einen Daumen hoch als er sieht, wie aufgeregt sie ist.
Meine Augen wandern jetzt über all die geladenen Gäste die mir fast alle auf die eine oder andere Weise nahe stehen. Hauptmann Fischer sitzt mit dem ebenfalls eingeladenen General Fischer und seinem Adjutanten am mittleren großen Tisch direkt vor uns und beantwortet die Fragen seines Vaters zu dem Kinderbuch, dass dieser scheinbar nicht kennt. "Verstehe ich das richtig? Das Buch handelt von zwei kleinen Jungen im Alter von acht und vier Jahren die Sam und Max heißen?" Ebenfalls mit am Tisch sitzen noch Oberst Bauer, führender Offizier der Armee im Hauptquartier in Europa und Oberst Winter, mein Kommandant und der von Nordwall.
Der Mitarbeiter des Generals ist noch jung und soweit ich weiß neu auf seiner Position als dessen Sekretär. Er hat wohl einen kleinen Höhenflug wegen seiner noch frischen Beförderung und legt einen unangemessenen Standesdünkel an den Tag in dem er den Wert dieser Veranstaltung gering redet. "Und die beiden auf der Bühne behaupten jetzt, dass das ihre Geschichte ist? Sehr unglaubwürdig. Aber selbst wenn es wahr ist, diese Frau wird sich doch kaum noch an das erinnern können was sie als Achtjährige erlebt hat, noch dazu wo das alles angeblich 25 Jahre her ist." Wenn er geglaubt hat, mit diesem arroganten Verhalten bei seinem Vorgesetzten und den anderen Anwesenden bei Tisch Eindruck zu schinden, wird er schnell eines besseren belehrt.
Oberst Bauer lacht den Mann stumpf aus wegen seiner Unwissenheit. "Oh, ich bitte sie unbedingt, das genau zu recherchieren und mir dann über die Fehler in Jakobis Geschichte Bericht zu erstatten." Der andere Oberst am Tisch starrt ihn eher an, als will er ihm am liebsten eins überziehen doch der Hauptmann, mit dem sich General Fischer unterhalten hat beruhigt ihn. "Schon gut, Seb, er weiß es ja nicht besser. Mein Vater hatte noch keine Zeit ihn zu briefen." Doch am Schlimmsten für den jungen Mann ist offensichtlich der wütende Befehl des Generals der seinen Adjutanten zur Zufriedenheit von Winter zur Ordnung ruft. "Sie ziehen hier über meine zukünftige Schwiegertochter her."
Ich verschlucke mich fast und der Hauptmann mit den warmen braunen Augen und für einen Soldaten etwas zu langen Haaren fährt mit einer Hand durch seine Frisur und stöhnt auf. "Dad, es wird keine Hochzeit geben, dass weißt du doch." Daraufhin zeigt der Oberst mit den schwarzen Haaren und den stechend grünen Augen zum ersten Mal ein Lächeln und offenbart damit ein paar niedliche Grübchen. "Und wenn doch wird sich noch zeigen, wen von uns sie heiraten wird." Daraufhin lachen alle und auch ich kichere leise vor mich hin. Nur dem Adjutanten ist das Lachen vergangen und er wird sehr still und versteht die Welt nicht mehr. Hoffen wir mal, dass ihm das für den Rest des Abends eine Lehre ist, sodass er sich weitere blöde Kommentare dieser Art verkneift.
Nachdem Mark mir zugezwinkert und Bastian mir aufmunternd zugenickt hat setzen wir uns auf der Bühne hinter einen Tisch. Als letztes bringt ein junger, blond gelockter, blauäugiger Leutnant Namens Alexander uns beiden noch etwas zu trinken und flüstert mir ein viel Erfolg ins Ohr. "Danke mein Engel," erwidere ich herzlich und schenke ihm ein liebevolles Lächeln. Dann setzt er sich zu den anderen Soldaten unserer Elitetruppe aus Nordwall an den Tisch, der dritte und letzte der drei großen, halbrunden Tische links von uns, um der Geschichte ebenfalls zu lauschen. Andere haben sich an Stehtische zurückgezogen oder an die Bar im Hintergrund gesetzt und langsam kehrt Ruhe ein. Schließlich schlägt Maxine das kleine Buch auf und beginnt zu lesen.
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