Kapitel 21b
Schließlich löste sich Flynn von ihr. Es fiel ihm genauso schwer wie Ruby. Sie konnte nicht fassen, dass dies das letzte Mal sein würde, dass sie sich beide sahen. Für eine lange Zeit, vielleicht für immer. Das trieb ihr schon wieder die Tränen in die Augen. Hatte sie heute nicht schon genug geweint?
Noch einmal sahen sie sich an. In diesem Blickkontakt stand so vieles. Ruby hatte das Gefühl, Flynn wolle noch etwas sagen, doch er tat es nicht. Stattdessen tastete er noch ein letztes Mal nach ihrer Hand. Seine Finger fühlten sich so vertraut in den ihren an. Er hielt sie, während sie drohte zu fallen. Sie wollte ihn nicht gehen lassen und er wollte nicht gehen. Doch es führte kein Weg daran vorbei.
Sie schauten sich einfach nur an und dennoch verstanden sie sich. Ohne Worte. Ruby hatte das Gefühl in seinen schwarzen Augen zu versinken. Sie hatte plötzlich keine Todesangst mehr. Für einen Moment gab es nur noch Flynn und sie. Niemand anderen. Doch dann hörten sie Stimmen. Sie waren viel zu nah. Erschrocken stoben sie auseinander.
Alarmiert schaute Flynn sich um. Ganz vorsichtig ging er aus dem Zelt heraus und schaute was draußen los war. Doch Ruby wusste es auch so. Es machten sich alle zum Essenszelt auf. Flynn musste gehen.
Als dieser wieder ins Zelt kam, war klar, dass ihm diese Erkenntnis auch nicht fern geblieben war. Man sah es daran, wie er sich bewegte. Man sah ihm diesen Zwiespalt an. Er wollte sie nicht allein lassen, aber er musste.
Noch ein letztes Mal prägte Ruby sich sein Gesicht ein. Wie schön die kleinen Fältchen um seinen Mund aussahen, wenn er lachte. Wie makellos seine Haut war und wie unfassbar tiefgründig seine Augen. Wie weich seine strubbeligen Haare auf seinem Kopf lagen. Sie sahen immer so unordentlich aus, aber gerade das passte einfach zu ihm.
Dann ging er. Er musste, es war Zeit.
Augenblicklich war Ruby allein. So Mutterseelenallein. Sie fühlte sich, als hätte gerade jemand ihr Herz genommen und es in tausend Teile zerbrochen. Es war, als ob alles unter ihr zusammenbrechen würde. Sie hatte jetzt niemanden mehr. Schon wieder hatte sie das verloren, was ihr am Wichtigsten war. Sie fühlte sich einfach nur elend. Sie war noch gar nicht fort und vermisste schon alles. Ihre Pritsche, die Abende mit ihren Freunden und in gewisser Weise auch das Training. Auch wenn es manchmal hart gewesen war. Doch am Meisten vermisste sie Kayra und Flynn. Ihre besten Freunde auf der ganzen Welt.
Sie fühlte sich einfach nur schlecht und doch durfte sie sich davon nicht aufhalten lassen. Denn wenn sie das tat, dann war sie tot. So weit durfte es nicht kommen. Dafür nahmen Flynn und Kayra mit diesem Ablenkungsmanöver zu viele Risiken auf sich. Sie musste jetzt einfach stark sein.
Sie konnte das! Sie musste einfach daran glauben und jetzt nicht in Selbstmitleid versinken. Dafür war nicht der richtige Augenblick. Mühsam schob sie alles beiseite. Versuchte einfach alle Gedanken auszublenden, nichts mehr zu fühlen, sondern einfach nur zu funktionieren. Leichter gesagt als getan.
Trotzdem musste sie darauf vertrauen, dass sie das konnte. Dass sie stark sein konnte. Sein würde. Denn das konnte jeder, wenn er es nur wirklich wollte. Egal, wie schwierig das eigene Leben war, gab es doch immer einen Grund es zu leben. Für Ruby war es einfach dieser unbändige Wille mal etwas großes zu erreichen. Die Welt zu erleben wie noch kein anderer. Sie wollte alles über Saghorya erfahren, die Natur weiter erforschen, die anderen Völker kennenlernen, ihre Schwertkunst perfektionieren. Es gab so vieles für was sich das Leben lohnte.
Aber am meisten wollte sie herausfinden, was sich hinter den großen Mauern befand. Hinter den Mauern, welche die ihr bekannte Welt umschlossen. Niemanden hinaus, geschweige denn hinein, ließen. Doch eigentlich wollte sie das alles auch mit jemandem teilen können. Nicht mit irgendjemandem, sondern mit Flynn und Kayra. Sie wollte das alles mit ihnen zusammen erleben, doch jetzt würde sie es alleine tun.
Trostlos setzte sie sich auf ihr Bett. Ein letztes mal legte sie die dünne Stoffdecke zusammen, bettete sie dann jedoch nicht etwa zurück auf ihre Pritsche, nein, sie behielt sie in ihrer Hand. Auch wenn es in Saghorya grundsätzlich immer sehr warm war, selbst im Winter, konnte sie die bestimmt gut gebrauchen. In den Bergen war es immer noch ein bisschen kühler und dort wollte sie schließlich hin.
Doch ihr schlechtes Gewissen begann sie sofort zu plagen. Sie wusste, dass es nicht richtig war zu stehlen, wusste allerdings auch nicht, wie sie sonst zurechtkommen sollte. Sie besaß ja fast nichts. Nur das, was sie gerade anhatte und ihre Waffen. Mehr nicht.
Die Ausbilder hingegen hatten definitiv genug wertvolle Sachen, die sie tauschen konnten. Wer nichts hatte, konnte auch nichts tauschen. Was gleich bedeutend war, mit, kann nichts neues bekommen, beziehungsweise sich somit auch nichts leisten. Denn Gegenstände waren die Währung. Die einzig gültige Währung hier.
Stillschweigend wartete sie also darauf, dass der Tumult beginnen würde. Dass sie aus dieser Hölle entkommen konnte. Draußen wurde es indes ungewöhnlich still. Jetzt, wo sich auch keine Trainingsgruppe mehr im Lager bekämpfte, konnte man sogar die leisen Schritte ihrer Wächter hören. Sie konnte die starren Blicke förmlich vor sich sehen.
Wie sie mit ihren schwarzen Sohlen achtlos über den Boden stapften und der Natur keinerlei Beachtung schenkten. Sie hingegen mochte es viel lieber Barfuß. Barfuß konnte man den Boden unter seinen Füßen spüren. Die verschiedenen Grashalme ausmachen. Man war viel verbundener mit der Natur, fühlte sich freier. Sie konnte nicht verstehen wie man seine Füße freiwillig in solche Dinger reinstecken konnte. Aber das musste sie schließlich auch nicht. Dennoch taten die ablehnenden Gedanken ihr gut, lenkten sie ein wenig ab.
Jedenfalls so lange, bis die gemütliche Ruhe gestört wurde und panische Schreie vom Essenszelt her zu hören waren. Das Ablenkungsmanöver begann. Nervös stand Ruby auf, versuchte draußen zu lauschen, ob sie es vagen konnte aus dem Zelt zu schlüpfen. Doch bei der Lautstärke konnte sie das nicht mit Sicherheit sagen.
Verzweifelt wartete sie, doch dadurch wurde ihre Lage auch nicht besser. Eher schlechter. Dessen war sie sich schmerzlich bewusst. Sie musste diesen Überraschungsmoment nutzen, bevor er vorüber war. Flink duckte sie sich gegen die Zeltwand. Ihr weißes Gewand war nun kaum noch von der Plane zu unterscheiden. Der Farbton war relativ gleich. Ihr Glück.
Geschickt duckte sie sich ein Stück aus dem Zelt hinaus. Sofort schaute sie sich wachsam um, ob sie einen Wächter entdecken konnte, sah aber keinen. Jetzt kam der schwierige Teil. Sie nahm all ihren Mut zusammen und preschte einmal quer durch das Lager. Sie spürte klar und deutlich den Wind der sie bei dem Tempo gehörig zu bremsen versuchte – wofür sie ihn später noch verfluchen würde, das nahm sie sich fest vor. Ihre Füße berührten nur kurz den Boden, bevor sie wieder in die Luft flogen.
Der leckere Geruch nach Essen drang in ihre Nase, als sie am Essenszelt vorbei sprintete. Sogleich begann ihr Magen protestierend zu knurren. Sie hatte heute noch nichts gegessen. Dabei war der Nachmittag schon fast vorüber. Sie ignorierte es. Was blieb ihr auch anderes übrig? Wie der Wind flitzte sie, das Essen nicht beachtend, an dem mächtigen Zelt vorbei und hatte schon fast den Waldrand erreicht. Triumphierend wollte sie sich gerade in die rettenden Schatten stürzen, als ein wütend blitzendes Augenpaar ihr den Weg versperrte.
Ausbilder Yengon.
Wer auch sonst?! Wild entschlossen stellte sie sich ihm gegenüber und verdrängte sofort den Moment der Erschrockenheit, als der Muskelprotz sich plötzlich wie eine undurchdringliche Mauer vor ihr aufbaute.
„Du gehörst Tod, unreiner Dreck", spie er ihr zornig ins Gesicht. Kleine Spucketröpfchen flogen ihr entgegen, während sie in seine hässliche, wütend verzerrte Fratze blickte. Wie so oft, war Yengons Visage hochrot angelaufen. Stand ihm nicht besonders gut, wie Ruby fand.
Blitzschnell zückte sie ihr Schwert, vergaß gerade mal ihr Ritual und ging ohne großes Geschrei auf ihn los. Nun war es kein Trainingskampf mehr. Das hier war ein richtiger auf Leben und Tod. Er würde nicht zögern seine Waffe einzusetzen. Also durfte sie es auch nicht. Wilde Entschlossenheit füllte jede einzelne Ader ihres Körpers. Dafür hatte sie jahrelang trainiert.
Adrenalin schenkte ihr die nötige Kraft. Ihr Verstand schaltete auf Kampfmodus, ließ alle Abläufe wie von selbst vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Sie brauchte nicht nachzudenken. Ihr Verstand regelte das schon von selbst. Ihr Geist, so kam es ihr manchmal vor, war nur für das Kämpfen geschaffen. So, als wäre sie ihre eigene Marionette. Doch es störte sie nicht. Viel mehr versprach genau diese Eigenschaft ihr gerade das Leben zu retten.
Ohne große Hemmungen sprang sie in die Luft. Ihr Schwert hatte sie hoch erhoben und zielte damit auf den Arm des Ausbilders. Doch sie hatte ihn unterschätzt. Er blockte ihren Angriff, noch bevor sie überhaupt wusste wie ihr geschah, ab. Kurz taumelte sie rückwärts, fing sich allerdings schnell wieder.
Doch jetzt war Ausbilder Yengon mit Vorstoßen dran. Mit kurzen, schnell trippelnden Bewegungen machte er sie nervös, täuschte immer wieder einen Angriff vor. Er wusste ganz genau, dass er ihr Kräftemäßig überlegen war. Auch, was die Erfahrung anging. Dennoch sah man hin und wieder Unsicherheit in seinen eisigen Augen aufblitzen. Kein Wunder. Er hatte Angst vor ihr als Magierin. Ansonsten hätte er schon längst ein paar mal auf sie eingedroschen. Doch er schüttelte es ab. Führte einen sauberen Seitenhieb aus – und traf Ruby.
Schmerzhaft glitt die Klinge durch ihre Kleidung und hinterließ einen tiefen Schnitt in ihrer Haut. Blut sickerte daraus hervor und verschmutzte das blütenreine Weiß des Gewandes. Schmerzvoll presste Ruby die Lippen aufeinander, um nicht laut loszuschreien. Sie wollte nicht zeigen, dass es ihr weh tat. Und sie wollte genauso wenig Aufmerksamkeit auf sie beide erregen. Ebenso wie der Ausbilder. Diesen persönlichen Kampf wollte er alleine austragen. Er wollte sie selbst fertig machen.
Ruby presste eine Hand an ihre Seite. Hoffte, dass die Verletzung nicht allzu gefährlich war. Dass sie nicht zu viel Blut verlieren würde. Doch das musste jetzt erst einmal ignoriert werden. Das Adrenalin half ihr dabei. Dennoch schien der brennende Schmerz sie zu lähmen. Blind vor Qual stach sie auf den Ausbilder ein. Doch ging dabei nicht sehr überlegt vor. In Folge dessen war es für Yengon ein leichtes auszuweichen.
„Mehr hast du nicht drauf, was?“, stichelte er sie schadenfroh. Das hätte er allerdings lieber nicht tun sollen. Denn jetzt war Ruby wütend. Und zwar richtig wütend. Rücksichtslos sprintete sie zu ihm, zog ihre Klinge achtlos durch seinen Oberschenkel und sprang schnell wieder aus seiner Reichweite.
Ihre sonst so saubere, silbern blitzende Klinge war jetzt rot. Rot vom Blut ihres Widersachers. Zum ersten mal war dieses Schwert in Berührung mit dem kostbaren Lebenssaft gekommen und noch viel mehr davon sickerte aus ihrer beider Wunden. Doch keiner war gewillt aufzugeben. Für Ruby gab es auch gar keinen anderen Ausweg. Entweder sie starb hier in diesem Kampf oder später am Pfahl. Da war ihr dieser Tod deutlich lieber.
Obwohl der Ausbilder hinkte, gab er ebenfalls keinen Laut von sich. Einzig an seinem Gesicht konnte man seine Qualen erkennen. Für Ruby erstaunlicherweise ein schönes Gefühl. Endlich bekam der grausame Mann mal etwas von seiner eigenen Medizin, nachdem er so lange, so gerne die Auszubildenden schikaniert hatte. Vor allem sie. Noch entschlossener, als sie es je zuvor in ihrem Leben war, stieß sie noch einmal vor, diesmal zielte sie auf sein anderes Bein. Sie wollte ihn nicht töten. Nur zum Aufgeben zwingen. Doch er konnte sie erstaunlicherweise ziemlich gut abblocken. Dabei war er viel flinker, als sie aufgrund der Verletzung vermutet hatte.
Ruby bewegte sich nicht mehr so geschmeidig. Sie konnte sich nicht ohne Schmerzen auf die rechte Seite beugen und war eingeschränkt in ihren Schritten. Unsicher taumelte sie ein Stück zurück, während noch immer Blut aus ihrer Wunde sickerte. Mittlerweile war der Boden unter ihren Füßen scharlachrot.
Dennoch stellte sie sich schnell wieder sicher auf beide Beine, um den nächsten Angriff abblocken zu können. Der Ausbilder zielte diesmal direkt auf ihre Kehle. Wollte den Kampf ein für alle mal beenden. Ruby sah das prächtige Schwert vor sich, die Augen starr vor Schreck. Fast hatte es ihren Hals erreicht. Ihre letzten Sekunden waren gezählt, dachte sie zumindest. Doch dann übernahm ihr Überlebensinstinkt den Rest. Blitzartig hob sie ihr Schwert in die Höhe und stieß es gerade noch rechtzeitig gegen das seine.
Erleichterung durchfuhr sie, hielt allerdings nicht lange an. Der Kampf war noch nicht vorbei. Im Gegenteil, er war noch in vollem Gange. Bevor ihr Ausbilder sich von dem Gegenstoß erholen konnte, schoss sie vor und zog ihre Klinge durch sein anderes Bein. Knapp oberhalb der Kniescheibe. Nun sackte er auf der einen Seite ein. Das andere konnte sein Gewicht ebenfalls nicht mehr halten und er kippte nach vorne. Platt landete er mit dem Bauch voran auf dem Boden. Schwer atmend beugte sich Ruby über ihn und hielt dem Ausbilder ihr Schwert an seinen Nacken. Er konnte sich nicht mehr rühren.
Doch mittlerweile hatten viel zu viele sie bemerkt. Selbst in diesem versteckten Teil des Lagers. Die Wachen kamen in Scharren auf sie zu gerannt. Hektisch rappelte Ruby sich auf und rannte. Rannte in den Wald hinein. Einfach nur weg von alledem. Yengon musste diesmal verschont bleiben. Nicht, dass sie es wirklich über sich gebracht hätte, das Schwert durch seinen Hals zu ziehen. Zu sehen, wie die sonst so ausdrucksstarken Augen leer werden. Das hätte sie nicht tun können. So abgebrüht war sie dann doch nicht.
Ihre Verfolger waren ihr dicht auf den Fersen. Ratlosigkeit machte sich in ihr breit. Wie konnte sie die nur abschütteln? Hilflos rannte sie einfach immer weiter. Ihr Vorteil war, dass sie keine so schwere Rüstung trug, doch machte die Verletzung dies wieder wett.
Sie lief und lief. Lief bis sie dachte, ihre Lungen würden gleich explodieren. Ihre Muskeln drohten ihr langsam den Dienst zu versagen. Sie stolperte immer häufiger durch ihre Unachtsamkeit. Ziellos raste sie durch den Wald. Über Wurzeln hinweg, durch Gestrüpp hindurch, mit Dornen in den Füßen, die sich bei jedem Schritt weiter in ihre Sohle bohrten. Jetzt wären Schuhe doch ganz gut gewesen, dachte sie ironisch. Doch Wunschdenken brachte sie jetzt auch nicht weiter.
Auf einmal traf sie jedoch den Punkt, an dem sich der friedliche Wald in einen finsteren verwandelte. Der dunkle Wald. Auch genannt: Der Schrecken Saghoryas. Ehrfürchtig blieb sie stehen. Starrte geschockt auf die ewige Finsternis, die sich vor ihr auftat. Gleichzeitig wusste sie aber auch, dass ihre Verfolger sich höchstwahrscheinlich nicht hier herein vagen würden. Dazu waren sie gar nicht befugt. Mit einem tiefen Atemzug streckte sie erst einen Fuß über die Grenze, dann auch den anderen.
Hier musste sie kontrolliert durch gehen, wenn sie jemals wieder entkommen wollte. Sie hörte noch die ungläubigen, aufgebrachten Rufe hinter sich, dann drangen die Geräusche nur noch gedämpft zu ihr und sie trat vorsichtig gänzlich in den Wald hinein. Auf jegliche Gefahren gefasst.
Den Himmel konnte sie nun nicht mehr über sich strahlen sehen. Ein dichtes Blätterdach, das gut zwanzig Meter über ihr seinen Platz gefunden hatte, schloss sie hier drin ein. Die ersten Äste zu weit oben, als das sie hätte jemand erklimmen können. Doch im Moment war sie sowieso zu müde für alles. Ihre letzten Kraftreserven hatte sie in ihrem Sprint aufgebraucht.
Ängstlich warf sie einen Blick über ihre Schulter, konnte aber niemanden erkennen. Die Wächter mussten zurückgerannt sein, um Bericht zu erstatten.
Ich sollte weiter hinein. So nah an der Grenze ist es zu gefährlich, dachte sie bei sich und machte vorsichtig ein paar weitere Schritte über den kahlen Boden. Hier war es nicht freundlich bemoost, nein, die Erde war schwarz und von feinen Rissen durchzogen. Es war nicht mal richtige Erde, es war etwas, was sie nicht identifizieren konnte. Es fühlte sich ein wenig wie Gummi an, war dann aber doch ziemlich hart.
Die Bäume ragten wie verkohlt, pechschwarz neben ihr in die Höhe und die dunklen Blätter waren zu weit oben, als das sie hätten freundlich sein können. Ein verbrannter Geruch hing in der Luft. Beigemischt mit einem vermoderten. Ein paar faule Äste lagen auf dem komischartigen Boden herum. Sahen ein wenig trostlos aus. Zwangen sie jedoch auch zur Vorsicht. Doch sie hörte nichts sonderbares als sie angestrengt nach Gefahren lauschte.
Dabei hörte sie nichts und mit nichts ist wirklich gesagt nichts. Kein einziges Geräusch drang an ihre Ohren. Das beunruhigte sie. Sie fühlte sich nicht wohl. Vermisste das sonst so stetige Knacksen eines Astes, trällern eines Vogels. Oder auch nur den Wind, der in den Blättern rauschte. Hier war nichts. Absolut gar nichts. Sie hörte nur ihren Atem und ihren rasenden Herzschlag, der sich einfach nicht beruhigen wollte.
„Hallo", rief sie vorsichtig in die Stille. Ein wenig hallte ihr Ruf nach, doch sonst geschah nichts. Verloren stand sie in diesem riesigen Wald herum. Sah im Vergleich zu den Bäumen klein und unbedeutend aus. Genauso wie sie sich fühlte.
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