35. Kapitel: „Ich kann an nichts anderes mehr denken..."
35. Kapitel: „Ich kann an nichts anderes mehr denken…“
Kyle war stinkwütend. Wie konnte Sam ihm so etwas antun? Merkte sie denn nicht, dass es ihn irgendwie verletzte, wenn sie mit so einem Scheiß daher kam und dann auch noch aus dem beschissenen Grund, den sie angegeben hatte?
Sie wollte ihn tatsächlich loswerden, weil sie mit dem Kuss nicht zurecht kam. Oder vielleicht bereute sie es so sehr? Wie auch immer es war, sie müsste ihn nicht verkuppeln um ihn loszuwerden, das konnte sie auch so haben.
Obwohl er vor Wut beinahe schäumte, spürte er dennoch einen leichten Stich in seiner Brust als er daran dachte, dass er vielleicht nie wieder einfach so neben Sam auf seinem Sessel sitzen konnte und einfach nur Unsinn reden konnte. Oder sich mit ihr einen Film reinziehen konnte, den entweder sie, oder er selbst einfach nur scheußlich fand. Sie hatten einfach keinen gemeinsamen Filmgeschmack und trotzdem hatten sie einige Abende in den letzten Wochen damit verbracht gemeinsam Videoabende zu veranstalten.
Wieso nur, musste Sam stets alles kaputt machen? Sie bewegten sich zwei Schritte nach vorne und zehn wieder zurück. Wie sollten sie sich so jemals weiter entwickeln?
Kyle ging alleine durch die Straßen von Hilton und genoss die kühle Abendluft die ihm zumindest in einer Sache half, nämlich sich ein klein wenig abzureagieren.
Dieser Abend hätte entspannt und gemütlich werden können. Sie hätten noch weitere nette Anekdoten austauschen, gemeinsam lachen und Geschichten erzählen können, doch nein. Sam hatte es darauf ankommen lassen und es so gehörig versaut.
Wie war sie nur auf diese schwachsinnige Idee gekommen, ihn heute Abend verkuppeln zu wollen? Verstand sie denn nicht, dass Kyle kein Interesse an anderen Frauen mehr hatte? Dass er sich eine Pause gönnen wollte? Dass er endlich sehen wollte, was er tatsächlich brauchte, anstatt nur immer sinnlosen Sex mit irgendwelchen dahergelaufenen Frauen zu haben?
Aber das war nicht Sams Angelegenheit, das wollte und musste Kyle einfach selber herausfinden und es verletzte ihn, dass Sam es sich zur Aufgabe gemacht hatte, eine Frau für ihn zu finden die ihn glücklich machte. Wenn Kyle nämlich ganz ehrlich zu sich und ihr gewesen wäre, dann hätte er schon längst bemerkt, wer ihn im Moment glücklich machte: Nämlich die Frau, der er gerade die Freundschaft gekündigt hatte.
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„Was hast du angestellt?“, fragte Janine Sam am Telefon. Obwohl es schon nach zehn Uhr Abends war, hatte Sam dem Drang, Janine anzurufen, nicht wiederstehen können.
„Gar nichts, naja, ok vielleicht eine klitzekleine Kleinigkeit…“, gab Sam kleinlaut zu und dachte daran, wie sie Kyle an den Kopf geschmissen hatte, dass sie ihn tatsächlich wegen beiden Küssen loswerden wollte. Bis zu diesem Zeitpunkt, war ihr nicht bewusst gewesen, wie falsch sich dies anhörte, sie hatte nur an ihr eigenes Wohl gedacht. Sie hatte geglaubt, sie könne Kyle damit einen großen Gefallen tun. Ihr war nicht einmal im Traum eingefallen, dass er deswegen vielleicht wütend werden könnte.
„Was??“, fragte Janine und durchbrach damit ihre Gedanken.
„Naja, also, ich hab wohl vielleicht versucht, ihn mit ner anderen zu verkuppeln…“, murmelte Sam schon beinahe, doch Janine hatte sie sehr genau verstanden. Im Hintergrund hörte sie Henry, der gerade schockiert aufstöhnte.
„Sag mal, hast du etwa den Lautsprecher an??“, fragte Sam ihre Freundin etwas pikiert.
„Natürlich! Das ist für mich und Henry besser als jede Daily Soap!!“, entgegnete Janine, wurde jedoch von ihrem Verlobten unterbrochen.
„Sam, das war nicht sehr klug von dir, ehrlich!“, hörte sie ihn sagen.
„Eigentlich, sollte das ein Frauengespräch sein Henry…“, sagte sie trocken, doch der ließ sich gar nicht unterkriegen.
„Also, ich sage dir jetzt mal eine Sache. Du kannst nicht erwarten, dass ich Janine die ganze Zeit zuhöre ohne zu wissen, was tatsächlich abgeht. Wenn du uns schon beinahe mitten in der Nacht störst und anrufst, musst du damit zurechtkommen, das ich mithöre!“
„Ist ja ok, ich meinte ja nur!“, entgegnete Sam ein wenig eingeschüchtert und hoffte, dass Janine sich bald wieder zu Wort melden würde.
„Ok, also du hast versucht ihn zu verkuppeln und dann?“, fragte stattdessen Henry, der sich zu einer richtigen Tratschen entwickeln würde, wenn das so weiter ging.
„Naja, dann hat er gesagt, ich solle das bitte lassen.“, erklärte Sam und Henry vollendete ihren Satz.
„Aber du hast es nicht lassen können, oder?“
„Weißt du Henry, ich erinnere mich an eine Zeit, da warst du noch gar nicht da. Da habe ich mit meiner Freundin telefonieren können, wenn ich sie gebraucht habe…“, versuchte Sam erneut Henry klar zu machen, dass nicht ER derjenige war, mit dem sie gerne sprechen wollte.
„Und ich erinnere mich an eine Zeit, da warst du noch nicht auf den Kopf gefallen! Sam, der Kerl hat doch nur Augen für dich, weshalb zum Teufel sollte er sich dann bitte für ne andere interessieren?“, umging Henry ihre Anspielung und brachte Sam so kurz zum stocken.
„Schwachsinn, wer sagt denn bitte, dass er nur Augen für mich hat. So etwas lächerliches…“
„Im Gegensatz zu dir, habe ich Augen im Kopf!“, hörte sie Henry sagen und Janine pflichtete ihm schnell bei „Und ich auch, nur so nebenbei!“
Sam setzte sich entnervt hin, spürte wie sie langsam Kopfschmerzen bekam und verdrehte die Augen. Diese beiden Menschen waren sooo anstrengend im Doppelpack!
„Ok, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, also können wir die Schuldzuweisungen einfach lassen und überlegen, wie ich das wieder gut machen kann?“, umging sie die Anspielungen der beiden, denn für diese hatte sie heute definitiv nicht mehr die Kraft.
„Hmmm…gute Frage.“, hörte sie Janine murmeln. Einige Zeit lang sagte niemand etwas und beinahe dachte Sam schon, dass die beiden aufgelegt hatten, doch plötzlich ertönte Henrys Stimme.
„Naja, eine ernst gemeinte Entschuldigung wäre da doch mal ein Anfang, oder?“
Daran hatte Sam selber auch schon gedacht, nur war sie niemals gut darin gewesen, sich bei jemandem zu entschuldigen. Eigentlich, wenn sie es recht überlegte, hatte sie das auch noch niemals wirklich tun müssen.
Doch diesesmal würde sie wohl nicht drum herum kommen. Kyle war ihr wichtig und sie wollte ihn keinesfalls verlieren. Wenn er nicht wollte, dass sie für ihn eine Freundin fand, dann würde sie das eben lassen. Sie würde alles tun, nur um das was heute Abend geschehen war, ungeschehen zu machen.
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„Kyle, zum Teufel, was ist denn passiert??“, fragte Carly, als Kyle seine Wohnung betrat, in welcher Carly bereits auf heißen Kohlen saß und darauf wartete, dass ihr Bruder nach Hause kam.
„Gar nichts ist passiert…“, sagte er und ging direkt in die Küche, wo er sich aus dem Kühlschrank zwei Bier schnappte. Das eine öffnete er für sich, das andere stellte er seiner Schwester hin, als er im Wohnzimmer ankam, die ihn schon besorgt ansah.
„Kyle, komme schon. Ich kenne dich bereits seit zwanzig Jahren! Ich weiß doch, wenn etwas nicht stimmt. Ich hab dich noch nie so wütend abzischen gesehen, also erzähl!“, sagte Carly und verkreuzte ihre Beine auf dem Sofa, während sie ihren gesamten Körper zu Kyle wandte, der sich in einem der abgenutzten Sessel setzte, die in seinem Wohnzimmer standen.
„Ach, ich weiß doch auch nicht. Ich bin vollkommen ausgetickt, weil Sam mich mit irgendsoeiner Schnalle im Restaurant verkuppeln wollte.“, erklärte er und blickte nach draußen, anstatt Carly in die Augen zu sehen.
„Warum wollte sie das denn?“, fragte sie ihren Bruder und konnte sich nur im Entferntesten vorstellen, wie sich Kyle in diesem Moment fühlte.
„Naja, sie wollte mich wohl loswerden, weil ich sie geküsst habe. Zwei Mal. Was weiß ich, was in ihrem Kopf vor sich geht, ich dachte wir wären Freunde…“, sagte Kyle und Carly hörte aus seiner Stimme sehr genau heraus, dass ihn das was heute Abend geschehen war, ziemlich verletzt hatte.
„Ich weiß, dass es nicht die beste Entscheidung gewesen ist, Sam zu küssen, aber deswegen gleich eine Freundschaft beenden?“, bei diesen Worten wandte sich Kyle jetzt doch zu Carly und sah sie hoffnungsvoll an.
„Ich bin doch nicht bekloppt, oder? Das ist doch nicht in Ordnung?“
Carly überlegte sehr genau, was sie darauf erwidern wollte und auch sollte, doch sie wusste, dass sie ihm zumindest eine Sache begreiflich machen musste.
„Kyle, ich glaube nicht, dass Sam eure Freundschaft beenden wollte. Sie wollte, denke ich, auf ihre eigene Art und Weise etwas tun, bei dem sie hoffte es würde dich glücklich machen. Und obwohl ich nicht gutheiße, was und wie sie es getan hat, so glaube ich doch, dass ich sie ein wenig verstehen kann.“, Carly machte sich auf ein Donnerwetter gefasst, doch Kyle blieb überraschend ruhig und sah sie einfach nur an, bevor er weitersprach.
„Und wieso kannst du sie ein wenig verstehen?“, es schien ihn ehrlich zu interessieren.
„Naja, wenn man mal die Logik der Frauen ein wenig heranzieht, so glaubte sie vielleicht, dass sie dir dies schuldig wäre. Was ich jedoch für wesentlich naheliegender empfinde ist, dass sie vielleicht geglaubt hat, wenn sie dich mit einer anderen verkuppelt, so müsste sie vielleicht weniger an diesen Kuss denken…“
Carly kannte Sam erst sehr kurze Zeit, dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie einen Draht zueinander hatten.
„Was ist das denn für eine beschissene Logik?“, fragte Kyle sie und stand anschließend auf.
„Ist ja auch egal, ich hab echt keinen Bock mehr auf diesen Scheiß. Ich geh jetzt pennen…“ und schon drehte er sich um und ging in sein Schlafzimmer, schloss die Tür und ließ Carly alleine im Wohnzimmer zurück.
Jamie hatte sie auf dem Nachhauseweg bei Cora abgeholt, dieser lag bereits im zweiten Schlafzimmer und schlief. Carly hingegen hatte das Gefühl, dass ihr alles langsam über den Kopf wuchs. Wie konnten zwei Menschen nur so dumm und so verbohrt sein?
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Als Sam am nächsten Morgen aufwachte, flutete das Sonnenlicht bereits in ihr Schlafzimmer hinein und als sie auf die Uhr sah bemerkte sie, dass es schon viel zu spät war. Sie hatte heute unbedingt in die Redaktion gewollt, da die nächsten Spielerportraits in der Ausgabe von übermorgen gedruckt werden sollten. Dieser Redaktionstag wäre eine willkommene Abwechslung, denn sie hatte keinen Nerv dafür, sich heute mit dem gestrigen Streit auseinander zu setzen.
Sie stand auf, ging direkt ins Badezimmer, wo sie ersteinmal eine Dusche nahm, dann gönnte sie sich noch eine Tasse Kaffee, bevor sie ihre gemütlichen Shorts gegen kurze Hosen und ihr Eminem Shirt, welches sie schon seit Jahren zum schlafen nutzte, gegen ein luftiges Top austauschte. Sie schnappte sich ihren Laptop, ihre Notizen und alles was sie noch benötigte, stopfte es in ihre Tasche und begab sich dann zu ihrer Wohnungstür.
Sie hätte auch gleich zu Kyle hinunter gehen können, um sich bei ihm zu entschuldigen, doch sie hielt es für besser, ihn ersteinmal in Ruhe zu lassen, damit er sich ein wenig beruhigen konnte. Vielleicht würde er dann selber einsehen, dass sie es doch eigentlich nicht so gemeint hatte. Er musste es einfach erkennen, denn Sam hätte es nicht ertragen, wenn er sie tatsächlich so, wie er gestern gesagt hatte, aus seinem Leben verbannt hätte. Er war zu einem zu großen Bestandteil des ihrigen geworden, als dass sie es verkraften könnte, es so zu beenden.
Sie ging langsam die Stufen hinab und blieb kurz stehen, als sie sah, wie Kyle vor seiner eigenen Wohnungstür stand und diese gerade öffnen wollte. Sie konnte sich mit einem Mal nicht mehr bewegen und beobachtete ihn stattdessen einfach nur. Seine Haut war braungebrannt vom Training, er trug ein normales weißes Shirt zu hellbraunen, kurzen Stoffhosen. Seine Haare standen zu allen Seiten weg, so als wäre er noch nicht einmal unter der Dusche gewesen, doch Sam wusste mittlerweile, dass Kyle stets sehr viel Energie in diese Frisur steckte. In diesem Moment, wünschte sie sich nichts sehnlicher als auf ihn zuzugehen, ihre Arme um seinen Nacken zu legen und ihn an sich zu ziehen. Ihm zu sagen, dass es leid täte, dass sie es nicht so gemeint hätte, doch das wäre eine Lüge gewesen. Sie hatte es genauso gemeint, sie hatte Kyle tatsächlich loswerden wollen. Nicht als Freund, aber sie hatte ihn aus ihren Gedanken verbannen wollen, indem sie ihm eine Frau suchte, die sie als würdig genug empfand, die Frau an seiner Seite zu sein.
Offenbar spürte Kyle die Blicke, denn plötzlich wandte er sich in ihre Richtung. Immernoch stand sie vollkommen ruhig da und in dem Moment, in dem sein Blick den ihren traf, setzte ihr Herz für einen kurzen Moment aus.
Ja es war immer stets sehr einfach, seine Zeit mit Kyle zu verbringen, doch mindestens genauso schwer war es, sich Worte zurecht zu legen, wenn er wütend auf sie war.
„Hey…“, war das Einzige, was ihr über die Lippen kam. Er hingegen blickte sie einfach nur ruhig an, bis seine Augen nach unten wanderten und auf ihrer riesigen Tasche hängen blieben.
„Ziehst du um oder was?“, fragte er und die Kälte in seiner Stimme ließ ihren Atem stocken.
„Was, äh nein. Ich bin heute in der Redaktion, hab noch einiges zu erledigen…“, antwortete sie schnell. Kyle nickte und wandte anschließend seinen Blick ab, schloss die Tür auf und betrat seine Wohnung.
„Viel Spaß dann…“, hörte sie ihn noch sagen, bevor die Tür zufiel und Sam wieder alleine im Gang stand, der plötzlich so viel kühler zu sein schien, als noch vor ein paar Minuten.
Sie klammerte sich an ihre Tasche und obwohl ihr niemand mehr gegenüber stand, konnte sie sich doch nicht dazu bringen, sich zu bewegen. Er war wütend, das verstand sie ja, aber wieso war er nur soo enttäuscht? Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und zwang sich dann, sich endlich zu bewegen. Sie würde doch nicht wie eine Irre in dem Gang stehen bleiben und darauf warten, ob die Tür sich nicht vielleicht doch noch öffnete. Mit Sicherheit nicht!
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Den ganzen Tag schon wanderte Kyle unruhig in seiner Wohnung umher. Heute hatte er mit dem Arzt seiner Mutter telefoniert, der ihm bestätigt hatte, dass seine Mutter sich im Moment in einer Manischen Phase befand. Dies erklärte auch die Dinge, die ihm Carly bei ihrer Ankunft erzählt hatte. Er hatte sich bei dem Arzt vergewissert, dass es seiner Mutter jedoch soweit gut ginge und hatte dann aufgelegt. Dieses Gespräch hatte ihm klar gemacht, dass er dringend wieder einmal nach Hause fahren musste. Carly hatte ihm zwar versichert, dass im Moment ihre Tante auf ihre Mutter aufpasste, doch auch die würde, so wie Kyle sie kannte, schnell das Handtuch schmeißen.
Seine Mutter litt seit Jahren an einer Manischen Depression, die sich stets in sich abwechselnden Hoch und Tiefphasen, ausprägte. Im Moment befand sich seine Mutter in einer Hochphase was bedeutete, dass er sich weniger Sorgen um sie machen musste, auch wenn dies nicht bedeutete, dass sie sich selbst nicht gefährlich werden konnte.
Das was Carly ihm erzählt hatte, war nicht untypisch für seine Mom, wenn sie sich in einer solchen Phase befand und war noch dazu, nicht weniger anstrengend. Denn in dieser Phase würde sie sich zwar körperlich nichts antun, jedoch bestand die Gefahr, dass sie unvorhersehbare Dinge tat, die fatale Konsequenzen haben konnten.
Kyle war bewusst, dass er schon lange nicht mehr zuhause gewesen war, doch er hatte sehr viel mit sich und seinem Leben zu tun gehabt in den letzten Wochen. Er war immer für seine Mutter dagewesen, zumindest immer wenn es ihm möglich gewesen war. Sobald Carly sich entschied, wieder nachhause zu fahren, würde er sie begleiten und ein paar Tage in seinem Elternhaus verbringen. Dann hätte er auch die Chance, ein wenig Abstand von dem ganzen hier zu gewinnen. Doch hatte er Carly deutlich gesagt, dass er erst die Playoffs hinter sich bringen wollte, solange würde Carly wohl in der Stadt bleiben. Mit seiner Tante hatte er bereits vereinbart, dass sie solange bei seiner Mutter bleiben und auf sie achten würde. Für Jamie war dies nicht weiter schlimm, da er dann Zeit mit seinem Onkel verbringen konnte. Doch Carly machte sich Vorwürfe, dass sie die Flucht ergriffen hatte. Dies geschah jedes Jahr zumindest einmal und bisher hatten sie diese Zeit immer sehr gut durchgestanden.
Nach dem heutigen Gespräch, wäre Kyle gerne zu Sam nach oben gegangen, hätte sich mit ihr ein Bier und einen Film reingezogen und einfach über Gott und die Welt gesprochen, doch dies war nicht möglich.
In diesem Moment saß Kyle alleine in seinem Wohnzimmer und überlegte, was er nur tun sollte, damit alles wieder seine Richtigkeit hatte. Carly war mit Jamie unterwegs, sie hatte ihn zwar gefragt, ob er mitgehen wolle, doch er hatte verneint. Zum einen weil er mit dem Arzt hatte sprechen wollen, zum anderen, weil er endlich einen klaren Kopf brauchte. Er hatte über die Sache mit Sam gestern nachgedacht und ihm war klar geworden, was ihn neben der Tatsache, dass Sam ihn hatte loswerden wollen, am meisten störte. Er wollte nicht daran denken, dass es Sam vielleicht gleichgültig war, wenn er sich mit einer anderen einlassen würde. War er ihr denn tatsächlich so egal? Er war beinahe ausgeflippt, als sie sich nur unterhalten hatte mit diesem anderen Reporter, hatte sie beschimpft, als er geglaubt hatte, sie wäre mit Goalie im Bett gewesen, und Sam? Die wollte ihm noch dazu verhelfen?
Er war sich jedoch auch einer anderen Sache bewusst geworden: Ihr zu sagen, sie wären fertig miteinander, war ein Fehler gewesen, denn selbst wenn sie durchaus ohne ihn konnte, so war er noch nicht bereit ohne sie einfach weiter zu machen und so hatte er im Stillen einen Entschluss gefasst.
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Sam sortierte gerade die letzten Blätter und tackerte diese dann zusammen, um sie abheften zu können. Die Portraits hatte sie bereits ins Layout der Zeitung eingefügt, fehlte nur noch der Artikel für das morgige Spiel, dann wäre ihr Part für die Freitagsausgabe fertig.
Als Sam in der Redaktion angekommen war, hatte sie ersteinmal damit begonnen, ihren dortigen Schreibtisch aufzuräumen, dann hatte sie sich Kaffee gekocht. Danach hatte sie mindestens eine ganze Stunde damit vertrödelt, im Internet blöde Videos anzuklicken, anstatt sich auf die Portraits zu konzentrieren. Es fehlten nicht mehr viele Spieler, die Saison war beinahe zu Ende und Sam wurde dies immer mehr bewusst. Vielleicht musste mit der Saison auch die außergewöhnliche Freundschaft zwischen ihr und Kyle ihr Ende finden?
In diesem Moment holte sie ihren Ordner aus dem Schreibtisch und war gerade dabei, die fertigen Portraits einzuordnen, als sie hinter sich Schritte vernahm. Sie drehte sich um und als sie dort Kyle stehen sah, blieb ihr der Atem für einen kurzen Augenblick weg. Er stand lässig da, mal wieder die Hände in den Hosentaschen. Er trug immer noch dieselben Shorts, hatte über sein Shirt jedoch noch ein Hemd gezogen.
„Kyle? Was willst du hier?“, fragte sie überrascht und legte den Ordner auf ihren Tisch, ohne das was sie hatte tun wollen, fertig zu machen.
„Ich wollte mit dir reden…“, antwortete er auf ihre Frage und kam einige Schritte näher. Dann blickte er sich jedoch plötzlich in der Redaktion um und sagte „Wow, so habe ich mir eine Redaktion irgendwie nicht vorgestellt…“
„Naja, es ja auch nur eine Collegezeitung, da kann man nicht sonderlich viel erwarten oder?“, entgegnete sie auf seine Aussage und widerstand dem Drang zu fragen, über was er mit ihr sprechen wollte. Sie unterdrückte auch die Freude in ihrem Inneren darüber, dass er auf sie zugekommen war. Sie wollte sich jedoch einfach nicht zu früh freuen, denn vielleicht war er auch nur gekommen, um ihr erneut klar zu machen, dass sie von ihm nichts mehr zu erwarten hatte.
Statt etwas zu sagen, beobachtete sie Kyle einfach und einmal mehr wurde ihr bewusst, welch starke Anziehung er doch mittlerweile auf sie hatte. Sie wollte nichts lieber tun und auf ihn zugehen, ihn an sich ziehen, ihn küssen. Dies war genau der Grund gewesen, weshalb sie ihn verkuppeln hatte wollen, damit endlich diese Gedanken aus ihrem Kopf verschwanden. Denn ihr war bewusst, dass Kyle sie zwar zweimal geküsst hatte, seitdem machte er jedoch keinerlei Anstalten mehr ihr zu nahe zu kommen und so war Sam sich mittlerweile sicher, dass nur sie sich so verrückt machte. Das kam davon, wenn man sich auf solch ein Spielchen einließ, wenn man keinerlei Erfahrungen aufzuweisen hatte.
Die Anspannung in ihrem Inneren wuchs immer mehr und sie wusste nicht, ob sie was sagen sollte und wenn ja, was sie überhaupt sagen sollte. Sie hatte Mist gebaut, soviel stand fest. Vielleicht sollte sie genau das zugeben?
Sie wartete noch einige Sekunden, während Kyle in der Redaktion herumspazierte und sie sich genauer ansah. Eigentlich hatte er ja gesagt ER wolle mit IHR sprechen, aber es sah nicht danach aus, als würde er jeden Moment das von ihm gewünschte Thema anschneiden. Was war, wenn er sie einfach nur auf die Folter spannen wollte? Was war aber, wenn er ihr tatsächlich die Freundschaft kündigen wollte? Oder, vielleicht wollte er ihr was ganz anderes mitteilen? Vielleicht würde er ihr jeden Moment erzählen, dass er bereits seine Traumfrau gefunden hatte, die von der Carly gesprochen hatte. Vielleicht wollte er ihr aber auch einfach einen Arschtritt verpassen, für das was sie getan hatte, so wie sie es mit ihm gemacht hätte? Bevor sie sich jetzt noch weiter verrückt machte, entschied sie sich, doch einfach das Wort zu ergreifen, ansonsten wäre sie bereit für die Einweisung in eine Klinik, noch bevor er überhaupt nur ein Wort gesagt hatte!
„Kyle es tut mir wirklich leid, wegen gestern. Ich hab das irgendwie nicht so ganz durchdacht gehabt!“, sprudelte es aus ihr heraus. Nicht nur Männer taten sich schwer, die richtigen Worte in der jeweiligen Situation zu finden, sondern auch Frauen stellte Sam mit erschrecken fest. Das hatte man ihr bisher ganz anders vermittelt!
Kyle wandte seinen Kopf in ihre Richtung und sah sie mit einer hochgezogenen Augenbraue eindringlich an. Spielte da ein kleines Lächeln um seine Lippen? Oder war das vielleicht einfach nur eine Zuckung?
„Nicht ganz durchdacht?!“, sagte er trocken und Sam ließ sich gleichzeitig auf einem Stuhl nieder, da sie diese Unterhaltung, die doch bisher aus nicht mehr als 30 Worten bestanden hatte, noch den letzten Nerv kosten würde.
„Ja nicht ganz durchdacht, glaube ich. Ach Mann was weiß ich denn schon, du kennst mich. Ich bin manchmal nicht so ganz zurechnungsfähig!“, sagte sie verzweifelt. In dieser Gefühlsduselei war sie noch niemals gut gewesen, noch eine Sache die sie von einer typischen Frau unterschied.
„Nicht ganz zurechnungsfähig ist gar nicht so weit hergeholt…“, entgegnete Kyle und machte Sam damit langsam wütend. Wenn er nur die Dinge wiederholen wollte, die sie sagte, dann wäre das keine sonderlich vielversprechende Unterhaltung!
„Kyle, komm schon. Du bist hierhergekommen, nicht ich zu dir, also was willst du hier?“, fragte Sam jetzt gerade heraus und zauberte Kyle damit ein überraschtes Gesicht.
„Naja, das ist einer der Gründe. Weißt du, wenn ich Mist gebaut habe, dann bin ich bisher immer ziemlich schnell auf der Bildfläche erschienen um den Scheiß wieder gut zu machen, und du? Du nimmst dir einen Tag Auszeit in deiner Redaktion? Kannst du denn nicht einmal zu dem Scheiß stehen den du gebaut hast und deinen Arsch zu mir runter bewegen um dich zu entschuldigen?“, fragte er sie aufgebracht.
Nun, das was er da sagte, hatte schon irgendwie Sinn, aber Sam war einfach noch nicht bereit dazu gewesen. Ganz einfach aus dem Grund, weil sie sich noch keine Worte zurecht gelegt hatte, die das was sie angestellt hatte, irgendwie wieder hätten gut machen können.
„Ich wollte doch, ehrlich, aber ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich weiß jetzt, dass du wütend wegen der Aktion gestern bist, aber ich verstehe noch nicht so ganz den Grund! Ich meine klar, ich wäre wohl auch sauer, aber…“, Sam wollte die nächsten Worte nicht sagen, weil sie Angst hatte, sie würden zuviel von dem preisgeben, was in ihr vorging.
„Aber was?“, fragte Kyle nach und ließ sich jetzt ebenfalls auf einem Stuhl nieder, der in etwa drei Meter von ihrem eigenen entfernt war.
Sam sah ihm ins Gesicht, bemerkte die Spannung die darin lag, überlegte ob sie es wirklich sagen sollte.
„Sam, aber was??“, wiederholte Kyle seine Frage und Sam spürte, dass ihr Herz schneller zu schlagen anfing.
„Naja, also, ich meine…“, sie stotterte. Das konnte doch wohl nicht ihr Ernst sein!
„Ok, also ich dachte, du bräuchtest einfach eine Frau die deiner würdig ist. Und ja du hattest Recht, ich wollte dich damit loswerden. Aber nicht dich als Freund, sondern naja…“, schon wieder druckste sie um den Knackpunkt herum und sah, wie Kyle langsam die Geduld verlor. Er sah kurz zu beiden Seiten, bevor er sich zurücklehnte und dann den einen Fuß auf dem Knie des anderen Beines platzierte. Anschließend verschränkte er die Arme vor der Brust. Eine Abwehrhaltung.
„Als WAS wolltest du mich loswerden Sam? Wir sind doch Freunde, ich dachte du kennst mich mittlerweile so gut, dass du weißt, dass ich auf so einen Kram wütend reagiere. Also was hat dich dazu gebracht dein Hirn abzuschalten??“, in seiner Stimme lag etwas, was Sam so noch nicht kannte, naja obwohl, sie hatte es bereits einmal gehört. Als er sie als Schlampe bezeichnet hatte.
„Na DU hast mich dazu gebracht mein Hirn abzuschalten, verdammt!!“, sagte sie mit einem Mal und sprang aus ihrem Stuhl. Kyle folgte ihr mit seinen Augen, ohne sich zu bewegen.
„Ach ja, und wie soll ich das geschafft haben wenn ich fragen darf?“, fragte er stattdessen.
Sie drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an. Er ganz alleine war schuld an dieser ganzen behämmerten Situation! Wenn er sie nicht geküsst hätte, dann würden sie nicht ständig diese Bilder in ihrem Kopf verfolgen. Wenn er sie nicht geküsst hätte, dann würde sie nicht immer der Wunsch einholen, es wieder zu tun! Wenn er sie nicht geküsst hätte, DANN wäre alles noch beim alten!
„Ich wollte dich aus meinem Kopf heraus bekommen, ok?“, schnauzte Sam ihn an, als hätte er den Scheiß gestern gebaut. Gestern hatte er sich tadellos verhalten, die Wochen davor eher weniger!
Bei dieser Aussage schien Kyle jetzt doch überrascht zu sein und stellte sein Bein auf dem Boden ab, während er sich nach vorne beugte.
„Wieso aus deinem Kopf?“, fragte er.
„Dafür, dass du eigentlich mit mir sprechen wolltest, stellst du verdammt viele Fragen Kyle!“, giftete Sam ihn an. Sie war es nicht gewohnt das, was in ihrem Kopf vor sich ging, preis zu geben und wenn sie ganz ehrlich war, dann war es ihr auch einfach peinlich!
„Naja, die Antworten auf diese Fragen könnten das beeinflussen, was ich zu sagen habe…“, sagte er Schulterzuckend und blickte sie dann neugierig an. „Also, wieso aus deinem Kopf?“
„Wahh, du gehst mir ehrlich auf die Nerven!“, sagte Sam und kehrte ihm den Rücken zu, doch das reichte ihr nicht. Stattdessen begann sie durch den Raum zu wandern.
„Du hast mich geküsst Kyle und jetzt? Seit diesem bescheuerten Kuss kann ich beinahe an nichts anders mehr denken! Du machst mich ganz verrückt! Deswegen wollte ich dir eine andere suchen, damit du aus meinem Kopf verschwindest und nicht vollkommen aus meinem Leben. Ich meine, wir sind doch Freunde…Aber du tust jetzt irgendwie so, als hätte ich dein Leben zerstören wollen. Ich wollte doch nur alles wieder ins Lot bringen!“, bei den letzten Worten drehte sie sich doch zu ihm und sah ihn direkt an, obwohl sie spürte, wie das Blut ihr zu Kopf stieg und rote Wangen in ihrem Gesicht verursachte.
Diesen Moment nutzte Kyle, um aufzustehen.
„Willst du wissen, warum ich kein Interesse an der Frau gestern hatte?“, fragte er sie plötzlich und überraschte sie so mit seiner Reaktion. Sie hatte gedacht, dass er ihr mit mitfühlenden Worten begreiflich machen würde, dass sie sich da in etwas verrannte. Vielleicht hatte sie sogar eher erwartet, dass er sie auslachen und fragen würde, wie sie nur dazu kam, ständig an diesen Kuss zu denken, da dieser ein blöder Ausrutscher gewesen war. Naja, beide Male.
Als Antwort auf seine Frage, nickte sie und stützte sich dann an der Schreibtischkante hinter sich ab.
„Ich habe noch niemals Probleme gehabt, mir selber Frauen zu suchen. Das wäre der erste Grund, denn ich hasse es, wenn ich merke, dass sich jemand in mein Leben einmischt. Doch der wohl eigentliche Grund lautet, dass ich sowieso schon die ganze Zeit nur eine einzige Person im Kopf habe. Deswegen brauche ich keine andere.“, erklärte er ihr. Sam nickte einfach nur, obwohl sie nicht verstand, was er damit meinte. Ok, also gab es doch jemanden in seinem Leben, oder so ähnlich.
„Seit diesem ersten Kuss, kann ich an niemand anderen mehr denken, als an dich Sam. Doch wir sind Freunde, wie du stets so schön betonst, also halte ich mich einfach fern von dir, was mir verdammt schwer fällt nebenbei gesagt. Ich weiß, du hast in diesen Dingen noch keine Erfahrungen doch frage ich mich immer mehr, warum das ein Hindernis sein sollte. Ich fands einfach zum kotzen, dass du mich loswerden wolltest, weil du diesen Kuss, oder beide Male, nicht verkraften kannst. Ich fand es auch zum kotzen, dass du mich so einfach an eine andere Frau verscherbeln könntest, obwohl ich doch einen riesen Terror gemacht habe, als Derek aufgetaucht ist. Wieso kannst du dir noch nicht einmal im Ansatz vorstellen, dass wir beide vielleicht doch ein wenig mehr als nur Freunde sein könnten?“
Bei diesen Worten, war Sam ihr Herz immer mehr in die Hose gerutscht. Das war doch nicht Kyle der da vor ihr stand, verdammt. Der Typ den sie kannte, der würde solche Dinge niemals sagen! Ihr war selber bewusst, dass dies alles andere als eine Liebeserklärung war, da er selber Liebe wahrscheinlich gar nicht kannte. Aber es war eindeutige Einladung zu etwas, dass ihre Freundschaft kaputt machen würde.
„Kyle, aber, hä??“ sie verstand es nicht, oder sie wollte es nicht verstehen.
„Sam sag mir ehrlich, dir hat der Kuss in der Bar gefallen, oder? Auch du kannst ihn nicht mehr vergessen?“, fragte er und lächelte. Er lächelte tatsächlich!
Sam überlegte kurz einfach zu lügen, doch das würde nichts ändern, sondern alles nur schlimmer machen.
„Ich kann an nichts anderes mehr denken….“, antwortete sie und Kyle freute sich offensichtlich über diese Antwort.
„Aber trotzdem Kyle, wenn wir hier nicht aufhören, dann werden wir unsere Freundschaft noch zerstören!“, sagte Sam und fügte dann hinzu „Und ich will sie nicht kaputt machen!“
Kyle lächelte immer noch und entgegnete „Wenn wir mal ganz ehrlich sind, zerstören wir beide unsere Freundschaft so oder so. Einer von uns beiden baut immer Mist, egal ob wir nun miteinander schlafen oder nicht Sam. Das Einzige was ich weiß ist, dass meine Gedanken sich nur noch um dich drehen und dass ich gerne versuchen würde, ob daraus etwas werden könnte, weil der andere Weg ganz offensichtlich nicht funktioniert. Wir sind beide erwachsen, also wieso sollten wir es nicht einfach ausprobieren?“
„Ich verstehe nicht, warum du das willst…“, sagte Sam und blickte zu Boden. Sie konnte es einfach nicht nachvollziehen, wie so ein Kerl wie Kyle von jemandem wie ihr etwas wollen konnte, was auch nur annähernd mit Sex zu tun hatte. Wenn man Kyle betrachtete, dann war er, naja Kyle eben und sie? Sie war so gar nicht sein Typ.
„Die Frage lautet wohl eher, warum sollte ich es nicht wollen?“, konterte er und sie merkte, wie er ihr langsam näher kam.
Oh Gott, was sollte sie tun? Das konnte doch nicht sein ernst sein! Er dachte immer nur an sie? Hatte er irgendwas Falsches geraucht? Aber was war, wenn sie es tatsächlich einmal miteinander versuchten? Es bedeutete ja nicht, dass sie gleich ein Paar werden würden, es bedeutete lediglich, dass sie genau das tun würde, was Janine ihr von Anfang geraten hatte. Ihren Spaß haben! Aber sie war doch nicht der Typ, der sich einfach nur Spaß gönnte, oder etwa doch? Sie hatte es ja niemals ausprobiert, also woher sollte sie das wissen?
Kyle kam ihr immer näher, er schien sich in Zeitlupe zu bewegen und war doch gleichzeitig zu schnell. In Sams Kopf kreisten sämtliche Gedanken umher, aus denen sie auch sonst nicht schlau wurde, nur dass sie es alle gleichzeitig taten. War das wirklich sein Ernst oder erlaubte er sich einen bitterbösen Scherz mit ihr? Die wichtigste Frage, die stellte sie sich jedoch erst zum Schluss: Wollte sie das was jeden Moment geschehen würde?
„Was sagst du Sam? Wir haben im Grunde genommen nicht wirklich etwas zu verlieren, oder?“ hörte sie Kyle sagen, ihr fehlte jedoch die Kraft oder der Wille etwas zu entgegnen. Er war ihr mittlerweile ganz nah, doch sie schaffte es nicht ihn aus eigener Kraft anzusehen. Erst als er ihr einen Finger ans Kinn legte und so langsam ihren Kopf nach oben wandte, schaffte sie es ihm direkt in die Augen zu sehen. Sie hatte Scham erwartet, sie hatte erwartetet, dass sie rot anlief und ihr dieses Gespräch peinlich war, doch dieses Gefühl hatte sich nicht einstellen wollen. Stattdessen hatte sich in derselben Sekunde der Wunsch Kyle zu küssen eingestellt, als sie seine Augen erblickt hatte. Er stand ihr stumm gegenüber, sagte kein Wort mehr und auch Sam war noch nicht so ganz bereit etwas zu tun oder zu sagen.
Kyle hob einen Arm an und fuhr dann langsam mit seinen Fingern ihren Arm entlang, was an jeder einzelnen Faser ihres Körpers ein Kribbeln verursachte. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper und nur ganz knapp wiederstand sie dem Impuls ein zufriedenen Seufzer über ihre Lippen kommen zu lassen. Wieso nur, fühlte es sich so gut an wenn er sie berührte? Wieso nur fühlte es sich so normal an?
Sie beobachtete seine Hand, die immer noch ihren Arm entlang nach oben, dann wieder nach unten fuhr, dann wandte sie ihren Blick wieder auf sein Gesicht. Es war so perfekt. Wie von einem Dämon ergriffen, bewegte sie sich plötzlich auf ihn zu, kam ihm immer näher, bis ihre Brust nur noch Zentimeter von der seinen entfernt war. Sie sah, wie er langsam seinen Kopf senkte, wie er bereit war das zu tun, bei dem sie sich doch eigentlich noch nicht so sicher war. Doch ihr Körper selber war sich sicher, denn langsam erhob sie sich auf die Fußballen und näherte sich so Kyles wundervollen Lippen. Kein Zentimeter trennte sie noch voneinander, als sie plötzlich ein Räuspern und ein „Sorry!!“, hörte und wie von der Wespe gestochen zurückwich, wo sie dann gleichzeitig eine Schreibtischlampe umschmiss. Kyle trat seinerseits mehrere schnelle Schritte zurück, fasste sich zuerst an den Kopf, bevor ihm anscheinend der perfekte Einfall kam. Sam die versuchte, die kaputte Lampe zu richten, hörte nur mit einem Ohr hin, während ihr jetzt, da sie von irgendjemandem beinahe erwischt worden waren, die Schamesröte doch noch ins Gesicht stieg.
„Ich hab die Wimper rausbekommen!“, hörte sie Kyle hinter sich sagen, doch sogleich schwieg er wieder. Sie drehte sich, während sie in der Hocke auf dem Boden saß, zu ihm und folgte dann seinem Blick, wo sie ausgerechnet Danny erblickte, der dämlich vor sich hin grinste.
„Na Halleluja, ich dachte schon ich erblinde heute noch!“, zwang sie sich zu sagen und auf Kyles Ablenkungsmanöver einzusteigen. Sie hoffte, obwohl Dannys Blick mehr als nur eindeutig war, dass er ihnen dieses Schauspiel abnahm. Sie bezweifelte es.
„Ach du hattest eine Wimper im Auge Sam? Vielleicht helfe ja beim nächsten Mal ICH dir?!“, hörte sie Danny sagen und ignorierte ihn absichtlich. Sie war Tomatenrot im Gesicht, das wusste sie auch ohne in einen Spiegel zu sehen und sie wusste nicht was sie sagen sollte. Also packte sie sich die Lampe, deren Birne beim Aufprall zerschellt war, und stellte sie wieder auf den Schreibtisch. Dann drehte sie sich weg, eilte auf ihren eigenen Tisch zu, packte sich ihre Tasche und meinte „Ähm, hey Danny. Ja vielleicht. Also Jungs ich muss dann los, ich hab da noch was Wichtiges zu erledigen! Danke für deine Hilfe Kyle!“ und schnellstmöglich eilte sie an dem einen vorbei, der die Gefährliche Versuchung darstellte und demjenigen, den sie in diesem Moment wohl als ihren Schutzengel bezeichnen musste.
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„Alter, ich dachte ihr habt euch gestern gestritten??“, fragte Danny seinen Kumpel, der vollkommen perplex dastand und ausnahmsweise tatsächlich einmal sprachlos zu sein schien.
„Woher hast du denn den Mist?“, fragte Kyle Danny und setzte sich jetzt ebenfalls in Bewegung. Er stellte sich an die Fensterscheibe und blickte nach unten. War das gerade wirklich geschehen? Hatte er Sam tatsächlich eine Affäre vorgeschlagen?
„Ich hab da so meine Quellen…Was war hier los?“, fragte Danny und sah seinen Freund interessiert an. Obwohl er die Antwort doch schon kannte, so wollte er Kyle noch ein wenig aus der Reserve locken.
„Na, du hast es doch gehört. Ich hab ihr geholfen, eine Wimper aus dem Auge zu bekommen!“, sagte Kyle an seinen Freund gewandt, so als wäre dieser derjenige der Stuss laberte.
„Naja, ich bin nicht bescheuert, ich seh doch was hier abgeht!“, meinte Danny vorsichtig.
„Gar nichts geht hier ab.“, entgegnete Kyle und fragte sich, was ihn nur geritten hatte. Er war mit einem Plan hierhergekommen, ja. Er hatte Sam zur Rede stellen wollen und ihr klipp und klar sagen wollen, dass er nur an eine denken konnte. Dass es sich dabei um sie selbst handelte, hatte er ihr nicht mitteilen wollen, denn er hatte Sam damit irgendwie eifersüchtig machen wollen. Doch desto mehr Sam gesagt hatte, desto länger er sie beobachtet hatte, desto mehr hatte sich in seinem Kopf die Idee zusammengesponnen, die er schlussendlich auch noch ausgesprochen hatte. Das wirklich wundersame war doch, dass Sam nicht Nein gesagt hatte.
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