8 · he doesn't know me
»Was?« Ich blinzelte verwirrt.
WAR das jetzt ein schlechter Witz?
Shane seufzte tief und fuhr sich durch die welligen, dunklen Haare. Er schaute zur Decke seines Wagens hoch. »Steig aus.«, meinte er dann schließlich.
»Willst du mich jetzt rauswerfen?«, fragte ich empört und starrte ihn erstaunt an.
Genervt antwortete Shane: »Was? Nein. Wir gehen zu Vincent.«
Mit einem Knall ließ er die Tür seines Wagens zu fallen und öffnete auch schon im nächsten Moment die Tür des Beifahrers.
»Steig aus.«, wiederholte er mit ein wenig mehr Druck.
Ich seufzte laut auf und schwang mich aus dem - zugegeben - gemütlichen Auto. Als ich mich aufgerappelt hatte, strich ich meinen viel zu großen Pulli glatt. Neugierig schaute ich Shane an.
Ich glaube, markant geschnittene Gesichter waren echt meine Schwäche. Und seine Gesichtszüge waren verdammt markant - und scharf.
»Was?«, blaffte er mich an und runzelte mit der Stirn.
»Deine Hose ist nass.«, verließen die Worte schneller als gedacht meinen Mund.
Ich weiß, eine total bescheuerte Antwort, aber was hätte ich denn bitte schön sagen sollen? Hey, Shane. Dein Gesicht zieht mich an und ich bin gerade dabei aus meinem linken Mundwinkel zu sabbern?
Automatisch fuhr ich mit der Hand über meinen Mund.
Okay, fantastisch. Alles sauber.
»Was laberst du eigentlich da?«, fragte er und blickte zu seiner Jeans runter.
»Kennst du den Spruch etwa nicht?«, gespielt schockiert hielt ich meine Hand vor dem Mund.
»Was? Deine Hose ist nass? Tomate, Tomate. Meine Oma kann Karate?«, fügte ich hinzu und hob abwartend eine Augenbraue.
Als Antwort begann sich Shane vorwärts zu bewegen, und entschied sich wohl dafür mir lieber keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken. Berechtigt.
Trödelnd folgte ich ihm und schlug kaum hörbar meine Hand gegen die Stirn.
Du bist wahnsinnig, Daya. Du bist wahnsinnig - einfach wahnsinnig.
»Du bist doch verrückt.«, hörte ich Shane's Grinsen raus.
Hab' ich's nicht gesagt?
»Ich weiß.«, erwiderte ich murrend.
Vor einer vertrauten Haustür blieb Shane dann stehen. Ich hatte im Bauch noch immer ein mulmiges Gefühl und mein Herz fing an wie wild zu schlagen. Wie sollte ich Vincent gegenübertreten? Würde er mich wirklich nicht mehr wieder erkennen?
Als er angeklingelt hatte, hörte ich das Knarren der Dielen von innen. Dann wurde die Tür geöffnet. Ich kniff die Augen fest zusammen, um Vincent - falls er es sein würde - nicht sehen zu müssen.
»Liebes, geht es dir nicht gut?«, hörte ich eine bekannte Frauenstimme fragen.
Ich atmete erleichtert auf, als ich meine Augen langsam wieder öffnete und Mrs. Sullivan sah. Stirnrunzelnd betrachtete sie mich, auch Shane schüttelte ungläubig mit dem Kopf.
»Äh - ja, Mrs. Sullivan. Alles in Ordnung.«, lächelte ich sie an und nickte wie wild mit dem Kopf.
Kurz schaute sie mich mit einem prüfenden Blick an, ehe sie fröhlich sagte: »Kommt doch rein. Ihr wollt sicherlich zu Vincent?«
»Ja, das wollen wir. Ist er in seinem Zimmer?«, fragte Shane höflich und setzte schon an die Treppen hochzusteigen. »Das ist er.«, erwiderte sie. Leicht schlurfend folgte ich ihm. Doch dann legte sich eine Hand auf meine Schulter und ich blickte unmittelbar auf.
»Wisst ihr vielleicht, ob Vince Probleme in der Schule hat? Er führt sich seit letzter Zeit ganz komisch auf.«, flüsterte Mrs. Sullivan besorgt und schaute Shane und mich abwechselnd prüfend an - als würde sie, wenn sie nur lange genug uns in die Augen blicken würde, eine Antwort finden.
Shane und ich wechselten kurz Blicke, doch dann schüttelte er seinen Kopf. »Es ist alles in Ordnung.«, antwortete er, während er sie ermutigend anlächelte. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
Mrs. Sullivan lächelte uns erneut an, doch ich bemerkte, dass das Lächeln nicht ganz ihre Augen erreichte.
»Gut. Ich gehe dann mal in die Küche. Harry kommt gleich nach Hause - und ich habe noch immer das Abendessen nicht gekocht.«, verabschiedete sie sich von uns und war schon dabei in die Richtung der Küche zulaufen.
Schweigend stiegen wir die Treppen hoch. Doch eine Frage umkreiste schon seit mehreren Tagen meine Gedanken. »Wieso hast du sie angelogen?«, wollte ich wissen.
Shane drehte sich um und zog verwirrt seine Augenbrauen zusammen. »Was meinst du?«
»Ich habe gehört, was Vincent und du letztens zu besprechen hattet. Er hätte einen Black-Out im Basketballspiel gehabt? Er hätte sich in der Schule verschlechtert?«, fragte ich, kreuzte die Arme vor der Brust und ging mit einem Bein einen Schritt schräg vor zu Shane.
Er zuckte kurz mit den Schultern und entfernte sich wieder um einige Schritte von mir. »Sowas kann ja wohl jedem passieren. Soll sie sich noch mehr Sorgen machen, als sie es jetzt schon tut?«
Ich strich mir paar Strähnen vom Gesicht und schüttelte mit meinem Kopf. Shane würde sich eh nichts von mir sagen lassen.
»Hey, Kumpel. Alles fit?«, rief eine fröhliche Stimme, die sich uns näherte. Shane's Blick war noch immer in meine Richtung gewendet. Bevor er sich umdrehte, hob er seine Augenbrauen und formte seine Lippen zu einem Lächeln.
»Ja und wie geht's dir, Vince?«, gab es er genauso fröhlich zurück.
Zagend blickte ich hoch. Vincent's Haare sahen strubbelig aus. Er hatte eine bequeme dunkle Jogginghose und ein weißes Shirt an. Er grinste breit, so dass man seine strahlend weiße Zähne sehen konnte.
Kurz schaute ich weg und kratzte mich nervös am Handgelenk.
Mist, ich hätte mich heute morgen einfach tot stellen sollen - Ich hätte es durchziehen müssen.
Shane griff nach meiner Hand und drehte mich zu sich herum. »Kennst du sie noch?«, wollte er von Vincent wissen, während er meine Hand noch immer hoch hielt.
Meine Wangen glühten. Ich hoffte, dass das alles schnell vorbei sein würde. Immer, wenn ich Vincent ansah, musste ich an den Kuss zurückdenken. Trotzdem atmete ich tief durch und blickte ihm direkt in die graugrünen Augen. Meine Lippen waren zu einem geraden Strich gekniffen.
Auch er starrte mich einige Momente an - und ich könnte schwören, dass sich in seinen Augen etwas regte.
»Na sicher doch.«, antwortete er schließlich, wand seinen Blick von mir ab und sah zu Shane.
Shane ließ meine Hand langsam fallen und blickte mit einem undefinierbaren Blick zu mir rüber. Natürlich wusste Vincent wer ich war - so schnell konnte er mich ja wohl nicht vergessen. Auch wenn ich nur eine von vielen war.
Genervt rollte ich mit den Augen und hob eine Augenbraue. Keine Ahnung was Shane damit bezwecken wollte, aber es ging mir höllisch auf die Nerven.
»Ist es nicht das Mädchen, auf das du ein Auge geworfen hattest?«, fragte Vincent neugierig und schaute mit einem Grinsen zwischen uns hin und her.
Shane quittierte seine Frage mit einem Husten und blickte mich mit großen Augen an. Ehe er sprach reichte mir Vincent schon seine Hand.
»Ich bin Vincent, du kannst mich ruhig Vince nennen. Und wer bist du?«
Ich fühlte einen Kloß im Hals, den ich herunterzuschlucken versuchte. Doch mein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
Vincent fixierte erwartungsvoll meine Augen.
Zitternd hob ich meine Hand und reichte sie ihm. Er drückte sie leicht.
»Daya.«, hauchte ich mit heiser Stimme.
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