13 · guy under the night sky
ICH stieß die Tür, die zur Terrasse führte, auf und trat in die frische Nachtluft hinaus. Die kalte Luft streifte mir über das Gesicht, während ich die Tür wieder schloss. Dann sog ich sie tief ein. Eine Gänsehaut breitete sich in meinem ganzen Körper aus, reflexartig schlang ich meine Arme um meinen Körper.
Hier war es deutlich ruhiger, die Musik drang in den Garten nicht mehr vollkommen ein, und man hörte nur einen leisen Bass durch die kühle Nacht beben.
Obwohl hier weit und breit - im Gegensatz zur Küche - keine einzige Person zu sehen war, erweckte es irgendwie nicht den Anschein, als wäre ich alleine.
Auf der frisch gemähten Wiese ging ich in die Hocke und zog langsam meine Doc Martens wieder an. Sie, die ganze Zeit, rumzutragen, schien nicht eine gute Idee gewesen zu sein. Meine kniehohe Socken hatten sicherlich nahezu den ganzen Dreck des Hauses aufgenommen.
Ich wollte auf dem Absatz kehrt machen, da es so schien, dass ich weder Glen noch Vincent finden würde. Als ich mich umdrehte, hörte ich eine flüsternde, kratzige - fast jauchzende - Stimme.
»Hey, wie geht's?«
Ich zuckte zusammen.
Dann streifte ich, mit aufgerissenen Augen, meinen Blick durch die Dunkelheit um nichts mehr als . . mehr Dunkelheit zu sehen.
Ich erkannte einfach niemanden. Verdammt creepy.
»Hallo?«
Ich hatte mir die Stimme nicht eingebildet gehabt. Da war jemand. Ganz sicher. Mit hastigen Schritten lief ich auf die Terrasse zu.
»Einfach schnell weg und die Stimme ignorieren.«, murmelte ich mir leise mit gepresster Stimme zu.
»Du weißt schon, dass ich dich hören kann, oder?«
Ich hielt inne und schluckte hart, während ich starr zur Türklinke blickte.
»Ach, du bist es!«, rief ich eine Spur zu laut und drehte mich überrascht um. Vincent's Stimme hatte ich im nachhinein erst wieder erkannt. Sie klang mir eben so . . anders.
Ich versuchte ihn vergebens zu finden.
»Ich bin hier unten.«, rief er mir nach einer Weile zu. »Bei der Laterne.«
Mit zögernden Schritten lief ich in die Richtung und erkannte langsam eine, auf der Wiese, liegende Gestalt.
»Was machst du hier?«, wollte ich wissen und stand mit gekreuzten Armen vor ihm.
»Keine Ahnung, du?«
Seine Alkoholfahne konnte ich bis hierhin riechen. Ein mulmiges Gefühl verbreitete sich in meinem Bauch und ich ließ mich neben ihm auf den Boden nieder.
»Ich habe nach dir gesucht.«, antwortete ich ehrlich und rupfte Gras ab.
»Nach mir? Wieso?« Vincent blickte nachdenklich starr auf den Nachthimmel.
»Vince?«, fragte ich.
»Wer ist Vince?«, wollte er mit einem nervösen Lachen wissen und räusperte sich. Vincent's Blick war wie nach wie vor dem dem Himmel gerichtet, der von unzähligen, scheinenden Sternen beschmückt war.
Mein Herz pochte schmerzhaft und krampfte ruckartig in meiner Brust.
»Ich - Ich habe dich mit jemanden verwechselt.«, stotterte ich und beobachtete ihn weiterhin.
Wieso ich damals gelogen hatte, und Vincent nicht einfach erzählte, dass ich genau genommen nach ihn gesucht hatte, weiß ich bis jetzt noch nicht. Ich wollte ihn wahrscheinlich einfach nicht verwirren.
Doch ich bereute nichts davon, was in dieser Nacht geschah.
»Sehe ich dieser Person denn so ähnlich?«, fragte er ein wenig verwirrt.
Ich nickte langsam. Was hätte ich sonst sagen sollen? Hey, du weißt nicht wer du bist - das kommt öfter vor - aber ist nicht weiter schlimm.
»Also, um ehrlich zu sein, weiß ich gerade nicht mal mehr wer ich bin. Ich weiß auch nicht, wie ich hier plötzlich liegen konnte oder was ich an diesem Ort eigentlich machen wollte.«
Oh, wow. Konnte er Gedanken lesen?
Er lachte und schaute mich mit einem undefinierbaren Blick an. Dann sprach er wieder. »Komm, leg dich doch hin und schau mit mir die Sterne an, Fremde.«
Vincent klopfte leicht auf den Platz neben ihn und grinste mich an. »Ich beiß' schon nicht.«
Ich nickte und legte mich, stocksteif - total verkrampft - neben ihn, während er lässig seine Arme unter den Kopf legte.
Er zeigte keinerlei Angst oder Verwirrung, obwohl er wieder zu vergessen schien. Dieses Mal kam es sogar so weit, dass er nicht mal mehr seinen eigenen Namen wusste. Trotz all dem bewahrte er Ruhe - wenigstens schien es so.
Ich sah ihn an, betrachtete, wie viel zu oft, sein Seitenprofil. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig im Rhythmus mit seinem Atem. Ich erkannte, wie er immer wieder die Augen für längere Zeit schloss.
Vincent's feines Grübchen an der linken Wange zuckte leicht. Er schmunzelte. »Findest du mich etwa hübsch?«
Ich wendete hastig meinen Blick von Vincent ab und widmete mich dem Sternenhimmel. Auch wenn Vincent gerade nicht wusste, wer er wirklich war, war trotzdem eine seiner Eigenschaft noch immer geblieben: er war selbstverliebt.
Ich verdrehte die Augen und antworte nicht auf seine Frage. Stattdessen gähnte ich und versuchte in liegender Position genervt mein Kopf zu schütteln - was gar nicht Mal so leicht war, wie ich gedacht hatte.
»Hast du eigentlich gehört was ich gesagt habe?«, brach er die angenehme Stille und drehte seinen Kopf zu mir. Prüfend musterte er mich.
Ich runzelte mit der Stirn und murmelte: »Ist okay. Ja, ich finde dich gutaussehend.« Dann atmete ich genervt aus.
Er lachte los, viel zu sorglos und viel zu schön. Dann hob er eine Hand und strich sanft über meinem Kopf.
»Eigentlich meinte ich, dass du nichts gesagt hast, als ich sagte, dass ich nicht mal mehr weiß wer ich bin. Ich denke, andere würden mich als wahnsinnig abstempeln.«, erklärte er noch immer schelmisch grinsend.
»Wer hat gesagt, dass ich dich nicht wahnsinnig finde?«, antwortete ich und hob meine Augenbrauen an. Ein Schmunzeln konnte ich leider nicht verstecken.
»Wie heißt du eigentlich, Fremde?«
»Welcher Name würde denn am besten zu mir passen?«, wollte ich wissen.
Anstatt zu antworten, blickte er mir tief in die Augen, tiefer als ich es ertragen konnte. Ich versank beinahe in seinen grau grünen Augen und eine warme Welle durchflutete meinen Körper.
»Stupsnase.«
»Hm?«, hauchte ich verwirrt und blickte gespielt interessiert zu meinen Boots rüber.
»Ich würde dich Stupsnase nennen. Du hast eine süße, stupsige Nase.«, wiederholte er und folgte still meinem Blick zu meinen Schuhen.
Ich lächelte traurig. Manche Sachen änderten sich wohl nie.
»Wie würdest du mich nennen?«, fragte Vincent mich und fuhr sanft mit der Hand über meine Nase.
»Sadboy.«, hauchte ich mit heiserer Stimme.
»Sadboy? Wieso denn nicht Sunnyboy?«, fragte er überrascht mit zusammengezogenen Augenbrauen.
Ich räusperte mich und flüsterte beinahe: »Du kannst so viel lachen, wie du möchtest, deine fast unscheinbaren Grübchen zeigen, so oft du möchtest, doch deine Augen-«, ich fixierte sie, »- lügen nicht. Dein Lachen erreicht sie nie.«, meine Stimme wurde beinahe unhörbar.
Ich schluckte hart. »Man muss nur lange genug in deine Ozeanaugen blicken. Dann sieht man auch die Wahrheit.«
Dann blinzelte ich meine Tränen weg, welche drohten über mein Gesicht zu kullern, und formte meine Hände auf der kühlen Wiese zu zwei Fäusten.
Auf einmal hörte ich Vince laut lachen, er lachte und lachte bis ihm die Tränen kamen. Tränen, die gar nicht zu seinem Lachen passten.
»Wenn ich dich kennen würde, dann wäre ich sicherlich länger hoffnungslos in dich verliebt, Stupsnase.«, meinte er mit, überraschenderweise, kontrollierter Stimme.
Dann rollte er sich noch viel näher an mich, als er schon war. Sein Atem berührte sanft mein Ohr.
Eine Hand strich über meine Wange und fuhr in mein Haar. Ich schloss meine Augen und genoss seine zarten Berührungen.
»Ich auch, Sadboy. Ich wäre auch in dich verliebt.«, sagte ich und fuhr mit einer Fingerspitze über seine Lippen, die sich zu einem Lächeln geformt hatten.
Er zog mich in seine Arme, küsste meine Fingerknöchel und spielte mit meinen Haaren so lange, bis er irgendwann ruhig, mit glänzenden Tränen an den Wangen, einschlief.
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