23. Kapitel
Ehrfürchtig schaute ich auf den Bildschirm. Zwischen den ganzen unscheinbaren Formen mit denen ich nichts anfangen konnte, bemerkte ich eine Sache jedoch deutlich: Mein Baby.
Die Ärztin zeigte mir die einzelnen Finger an den Händen, die Füße mit den Zehen daran und den Kopf mit den Augen, den Ohren und der kleinen Nase. Es war wirklich schon alles dran und sah gesund aus. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich mir das Bild weiter anschaute. In meinen Ohren klopfte der schnelle Herzschlag des Babys, was wirklich beruhigend auf mich wirkte. Und es machte das alles so real. Ich konnte es nun wirklich nicht mehr verleugnen, ich war wirklich schwanger.
Zwar fühlte ich mich insgeheim schuldig, weil ich es so lange verdrängt hatte. Diese Tatsache bereitete mir ein schlechtes Gewissen und ich schwor mir, es nie wieder so weit kommen zu lassen. Insgeheim hatte ich das Baby schon vorher beschützt und ein bisschen geliebt. Aber nun, wo ich wusste, dass Tilo wirklich der Vater war, liebte ich dieses Kind mehr als alles andere auf dieser Welt. Ich spürte, dass ich alles dafür tun würde, damit es ihm gut ging. Und jetzt war ich auch wirklich stolz auf mich, dass mir die Flucht vor Drew gelungen war. Weil nur so konnte ich für die Sicherheit des Kindes sorgen und ihm einen wunderbaren Vater schenken.
Dieser atmete gerade schniefend ein und versuchte angestrengt, seinen Gefühlsausbruch wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich wollte meinen Blick gerade zu ihm wenden, als ich auf dem Bildschirm etwas bemerkte und fasziniert meine Luft anhielt.
"Es bewegt sich", stellte ich fest und schaute dabei zu, wie meine kleine Tochter leicht mit ihren Armen und Füßen strampelte.
"Ich seh nix", brummte Tilo hinter mir, was dazu führte, dass ich ihn doch ansah und hart schlucken musste.
"Das wundert mich um ehrlich zu sein nicht", antwortete ich trocken und fing mir einen vernichtenden Blick aus seinen roten, verquollenen Augen ein.
"Sehr lustig", meckerte er und ich nahm von der Ärztin ein paar Tücher entgegen. Eins davon drückte ich direkt Tilo in die Hand, welcher sich damit die Nase putzte, während ich mir mit den anderen das Gel vom Bauch wischte. Als ich damit fertig war, setzte ich mich auf der Liege auf.
Die Ärztin schrieb gerade noch etwas in meine Akte, dann gab sie mir einen Zettel mit Informationen und dem Termin, an dem die nächste Kontrolluntersuchung stattfinden würde. Bevor sie sich dann entgültig von uns verabschiedete, gab sie mir noch ein Bild von dem Ultraschall mit und wünschte mir alles Gute.
Mit dem Bild in der Hand platzte ich beinahe vor stolz, während ich darauf wartete, das Tilo fertig wurde. Dieser hatte die Schachtel mit den Tüchern für sich entdeckt und stand vor einem kleinen Waschbecken, über dem ein Spiegel hing und putzte sich das Gesicht sauber.
Amüsiert rutschte ich von der Liege runter und lief die paar Schritte zu ihm rüber. Wir waren alleine in dem Zimmer, schienen aber beide nicht sonderlich das Bedürfnis zu haben, es zu verlassen. Es fühlte sich gerade so schön hier drinnen an.
"Bin gleich fertig", teilte mir Tilo mit und musterte sein verheultes Gesicht missmutig im Spiegel. Seufzend schlang ich von hinten meine Arme um ihn und drückte ihn an mich. Er suchte mit Hilfe des Spiegels meinen Blickkontakt und lächelte leicht, als er ihn fand.
"Du hast gelogen", stellte ich dann nüchtern fest und er runzelte seine Stirn. "Wieso?", fragte er irritiert nach und ich seufzte.
"Du wärst nicht damit klargekommen, wenn es nicht deins gewesen wäre... Du wolltest nur stark für mich wirken, damit ich daran nicht kaputt gehe", erklärte ich dann leise und er runzelte leicht seine Stirn. Dann drehte er sich langsam in meinem Arm um, damit er mich besser ansehen konnte. "Wärst du denn damit klargekommen?", stellte er mir dann eine Gegenfrage.
Ohne darüber nachzudenken, schüttelte ich mit dem Kopf. "Nein ich denke nicht... Aber ich hätte es irgendwie tun müssen...Das sollte jetzt auch kein Vorwurf sein... Ich wollte nur sagen, dass du es nicht hättest tun müssen", sagte ich leise und er nickte leicht.
"Zum Glück müssen wir uns da beide keine Gedanken mehr drüber machen", fügte ich hinzu und streckte ihm das Bild leicht grinsend hin. "Vielleicht erkennst du hier drauf ja was", neckte ich ihn in dem Versuch, die Stimmung wieder etwas zu heben. Tatsächlich schaffte ich es damit, ihm ein kurzes Lachen zu entlocken. Ich konnte gar nicht beschreiben, wie gut es sich anfühlte, sein Lachen wieder zu hören.
Tilo nahm das Bild in seine Hand und musterte es mit einem glücklichen Grinsen auf dem Gesicht. "Ja darauf erkenne ich tatsächlich etwas", grinste er und streckte mir das Bild dann wieder hin. Abwehrend schüttelte ich mit dem Kopf und schob seine Hand wieder zu ihm herüber. "Behalt es", lächelte ich leicht und er grinste mich dankbar an und steckte das Bild sofort vorsichtig ein. Wahrscheinlich würde es im ersten Moment, in dem er sich unbeobachtet fühlte, wie automatisch zurück in seine Hand wandern, so stolz wie er darauf war.
Da wir nun wirklich keinen Grund mehr hatten, noch länger in diesem Zimmer zu stehen, verließen wir es. Draußen auf dem Gang war es ruhig, schließlich war es mitten in der Nacht. Die Beleuchtung war gedämmt, nur eine Person saß in einer kleinen Sitzecke am Ende des Ganges. Mit den Augen musterte sie das Cover einer Zeitung und bemerkte uns somit nicht, als wir auf sie zu liefen. Bei näherem Hinschauen identifizierte ich die Person auf dem Cover als Megan Fox, welche auf dem Bild wirklich einen gewagten Ausschnitt zur Schau stellte. Der arme Mike hatte wirklich Schwierigkeiten, nicht völlig darin zu versinken. Und es fiel ihm sichtlich schwer, seinen Blick von Megan loszureißen, als Tilo sich räusperte.
Der sonst so souverän wirkende Polizist errötete leicht und schob die Zeitung schnell an die Seite.
"Fertig? Alles gut?", fragte er schnell, um von sich abzulenken und ich nickte. "Ja alles in Ordnung", lächelte ich leicht, was bei Mike dazu führte, dass er uns beiden höflich gratulierte. Auch ihm war die Erleichterung anzusehen, dass der ganze Fall für den er die Verantwortung trug, nun doch noch zu einem guten Ende führen würde.
"Ja dann also...", versuchte er seine Gedanken zu sammeln und sah mich dann wieder an. "Ich hab die ganzen Formulare, die wir als Beweismittel nehmen können bekommen... Du müsstest irgendwann in den nächsten Tagen noch einmal zum Revier kommen, um deine Anklage zu unterschreiben, die können wir dir vorformulieren... Dann hast du damit wirklich nichts mehr zu tun", klärte er mich dann über die nächsten Schritte auf und ich nickte erleichtert. In dieser Beziehung war die Polizei nun wirklich mal eine große Hilfe, ich wollte das nämlich nicht nochmal alles schriftlich durchkauen, was mir passiert war. Die Untersuchung der Ärztin hatte mir in gewisser Weise gereicht.
"Soll ich euch noch nach Hause bringen?", fragte Mike uns dann höflich und ich nickte sofort.
Ich konnte es kaum erwarten, endlich wieder nach Hause zu kommen. Mich in mein eigenes Bett zu legen, meine eigene Toilette zu benutzen. Endlich wieder in vertrauter Umgebung zu sein, mit der Person zusammen, die ich die letzten Wochen lang so sehr vermisst hatte. Das war das letzte, was mir gerade noch fehlte, um mich wirklich wieder glücklich zu machen.
Zwar wusste ich, das nicht alles wieder gut war. Ein weiterer Artikel, der über den Unfall meiner Mutter berichtete, sprang mir auf einmal ins Auge. Sofort breitete sich ein schlechtes Gewissen in mir aus.
Wie konnte ich mich über etwas freuen, wenn ich meine Mutter verloren hatte? Die Person, die immer für mich da gewesen war. Die mich mit aller Kraft aus dem was passiert war hätte herausgehalten, wenn sie gewusst hätte, was geschah und das es eigentlich gegen sie gerichtet war.
Die Ereignisse hatten sich so sehr überschlagen, das ich noch gar nicht dazu gekommen war, um meine Mutter zu trauern. Mit den Gedanken war ich ganz woanders gewesen, bei meinen eigenen Problemen und nicht bei ihr. Obwohl sie es verdient hätte, dass ich auch an sie dachte. Denn ich würde sie nie vergessen können.
"Nein", antwortete Tilo auf Mikes Frage laut und ich schaute ihn irritiert von der Seite aus an. Warum wollte er denn nicht nach Hause?
Innerlich kämpfte ich dagegen an, nicht ausgerechnet jetzt in Tränen auszubrechen. Schließlich hatte ich es so lange vor mir her geschoben, da würde ich auch noch eine Stunde standhaft bleiben können. Aber ich spürte, wie die Trauer und das Gefühl des Verlustes, an meiner Fassade kratzte. Sie bröckelt leicht und würde nicht mehr lange standhaft bleiben.
"Nein?", wiederholte Mike, der genauso verwirrt klang, wie ich mich fühlte.
"Nein", bestätigte Tilo seine Aussage. Wäre die Situation nicht so ernst und ich mit meinen Nerven am Ende, hätte ich über diese Konversation bestimmt lachen können. So aber entlockt sie mir nur ein schwaches Schmunzeln.
"Mary?", fragte Tilo, um wieder meine Aufmerksamkeit zu bekommen und ich schaute ihn fragend an. Ich wünschte mir gerade doch nichts mehr, als nur meine Ruhe zu haben und endlich nach Hause zu können. Meine Gedanken zu sortieren... Was sprach denn dagegen?
Tilo bemerkte an meinem Blick, wie wenig begeistert ich von seiner Idee war, noch nicht nach Hause zu fahren. Aber das schien ihn überhaupt nicht zu stören, denn er sah mich leicht wissend und lächelnd an. Und dann stellte er mir eine Frage, die alles über den Haufen schmiss. Die meine letzten Gedanken zerrissen, die mir etwas offenbarte, an das ich keine einzige Sekunde lang gedacht hatte.
Schließlich hatte ich sie abgeschrieben, seit dem ich den Artikel in der Zeitung gelesen hatte. Aber anscheinend hatte ich damit Unrecht gehabt.
"Möchtest du vorher noch zu deiner Mum?"
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