70 - Verzeihen können
Der Glaskasten in mitten des Ganges weckte meine Aufmerksamkeit und ich lief hin um einige Pokale und Bilder zu sehen.
Ein leichtes Lächeln schlich sich in mein Gesicht, als ich Bilder von mir und meinem Team sah. Wir standen zusammen und lächelten in die Kamera.
Nebendran war ein Bild von mir allein in meinem Cheeroutfit. Wahrscheinlich weil wir zwei Mal die Meisterschaft gewonnen hatten, als ich Captain war.
"Wow.." murmelte Camila und betrachtete das Bild.
"Wieso steht der Pokal hier, der sollte doch dir gehören." bemerkte Jack und ich grinste leicht. So wichtig war es mir nicht einen Pokal zu besitzen.
"Ich dachte immer, ich hätte Alles. Ich dachte ich war glücklich. Ich war beliebt, mein Freund war der Spitzensportler der Schule, ich hatte gute Noten. Das klingt so perfekt." sagte ich abwertend und drehte mich von den Bildern weg.
"Aber?" fragte Shawn neugierig und ich sah lange in seine Augen.
Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. Ich konnte es doch selbst kaum erklären.
"Wenn ich jetzt daran zurück denke, dann vermisse ich es nicht. Ich war gemein und ignorant. Ich war wie Madison. Ich dachte die Welt würde mir gehören. Ich könnte mich ohrfeigen." ich lachte kurz auf und wischte mir eine Träne weg, die über meine Wange lief.
"Ich frag mich nur.." ich unterbrach mich selbst um mir auf die Lippe zu beißen, denn ich wollte nicht jetzt schon in Tränen ausbrechen.
"Ich frag mich.. wieso ausgerechnet Logan und Mum sterben mussten um mir zu zeigen, was für ein schrecklicher Mensch ich war.. Es war doch nicht ihre Schuld." brachte ich schweren Herzens heraus und sah in die Gesichter meiner Freunde als würde ich auf eine Erklärung warten, doch die konnten sie mir natürlich auch nicht geben.
"Es ist nicht deine Schuld. Und du bist oder warst auch kein schlechter Mensch. Wir machen Alle Fehler. Das bedeutet nicht, dass man diese Fehler nicht verzeihen kann." sagte Camila sanft.
Ich nickte.
"Aber ich kann mir selbst nicht verzeihen, verstehst du? Ich werde immer mit diesem Druck leben." murmelte ich.
"Es wird leichter werden, Livi. Es wird mit jedem Tag ein Stückchen besser." sagte nun Jack und sah mich ehrlich an.
"Er hat recht. Hättest du vor einem halben Jahr, als du zu uns kamst gedacht, heute hier zu stehen? All das durchzuziehen? Wieder zu reden?" fragte mich Shawn und ich schüttelte ehrlich den Kopf.
Nie hätte ich gedacht, dass ich das schaffen würde.
"Aber sieh dich um. Du bist hier. Und wir sind bei dir." flüsterte er und zog mich an sich.
Ein leichtes Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus und ich lehnte mich mehr an meinen Freund.
Plötzlich gingen die Lichter im Gang an und unsere Aufmerksamkeit wurde auf eine Person gelenkt, die den Flur entlang lief.
Sie hatte ein Klemmbrett in der Hand und eine Brille auf der Nase, weshalb ich sie kaum erkannt hatte.
Als sie mich sah blieb sie regungslos stehen. In ihren Augen war Angst abgezeichnet aber auch Reue und Traurigkeit. Wir starrten uns eine Weile an.
Sie hatte sich verändert. Aber auch ich hatte mich verändert.
"Livi?" fragte sie fassungslos und ich nickte, bevor ich einige Schritte auf sie zu ging.
"Was tust du hier?" fragte sie, während sie den Kopf schüttelte.
Vor mir stand Lauren.
Ihr wisst schon Lauren.. meine beste Freundin. Das Mädchen mit dem mich mein Freund betrogen hatte. Das Mädchen das verantwortete, dass ich das Eis gegessen hatte.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten und ich vergaß zu Atmen. Plötzlich spürte ich den Arm meines Freundes, der sich um meine Taille legte. Plötzlich atmete ich wieder und sah Lauren in die Augen.
"Sie wollte uns ihre alte Schule zeigen." versuchte Shawn zu improvisieren, doch eigentlich sollte ich nicht verstecken, wieso ich hier war.
"Ich bin krank geworden nach dem Unfall und mein Therapeut meinte, ich sollte mich den vergangenen Situationen stellen." erzählte ich und Shawn sah mich schockiert an.
Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass ich ehrlich darüber sprach.
"Ja.. der Unfall.. hab dich seitdem nicht mehr gesehen." murmelte Lauren und ich erkannte, dass ihre Augen glänzten.
Vielleicht machte sie sich selbst Vorwürfe. Jeder hier kannte mittlerweile die Geschichte, wie meine halbe Familie ums Leben gekommen ist.
Wenn sie eins und eins zusammen zählen konnte, wusste sie dass sie und Mason der Auslöser für mein Verhalten waren.
Hätte nicht alles anders kommen können? Hätte ich nicht an besagtem Tag unvorsichtig vor ein Auto laufen können?
Besser als zwei anderen Menschen das Leben zu nehmen. Ich biss fest die Zähne zusammen.
Lauren lief eine Träne über die Wange. Es schien sie zu treffen.
Ich wollte sie anschreien, ihr ins Gesicht schlagen, sie verantwortlich machen. Doch dazu war ich nicht hier.
Stattdessen ging ich auf sie zu und schloss sie in eine Umarmung. Ich weiß wie verrückt das klingen mag aber das war das Richtige.
Nicht, was ich gerne tun wollte, aber das Richtige.
"Es tut mir so leid." weinte sie in meine Schulter.
Ich weiß, dass sie es nicht bereut hätte, etwas mit meinem Freund angefangen zu haben und das hätte ich ihr auch nicht verzeiht.
Doch ich weiß wie es ist mit der Schuld zu leben Jemanden auf dem Gewissen zu haben und diese Schuld wollte ich ihr abnehmen.
Es ist nicht ihre Schuld, genauso wenig ist es meine Schuld. Manchmal müssen schreckliche Dinge passieren. Das ist der Lauf der Zeit und es ist grausam.
Aber es ist die Realität und mit der müssen wir leben.
" Wir machen Alle Fehler. Das bedeutet nicht, dass man diese Fehler nicht verzeihen kann. Ich verzeihe dir, Lauren." murmelte ich und wiederholte damit die Worte, die Camila gerade noch zu mir gesagt hatte.
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"Können wir hier kurz halten?" fragte ich aus dem Nichts und Shawn blinkte, bevor er rechts ran fuhr.
Ich weiß nicht, wieso ich mich selbst quälen wollte, doch ich stieg aus und lehnte mich einen Moment an das Auto.
Jack hielt ebenfalls an, doch Shawn ging zu ihm und beredete etwas mit ihm, woraufhin er wieder einstieg und mit Camila weiter fuhr.
"Was hast du gesagt?" fragte ich, als Shawn zurück war. Er lehnte sich neben mich an das Auto.
"Dass sie schon Mal zum Hotel fahren sollen. Wo sind wir hier?" fragte er nun und beobachtete mich, wie ich auf ein Grundstück zusteuerte.
"Mute warte, du kannst nicht einfach auf fremde Grundstücke." rief mir Shawn hinterher und joggte schließlich über die Straße, bis er neben mir zum Stehen kam.
Er hielt mich am Arm fest, doch ich riss mich schnell los und sah ihm die Augen.
"Hier haben wir gewohnt." antwortete ich aufseine Frage und beobachtete das Haus, als könnte es sich jeden Moment in Luftauflösen.
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Oh Gott wir kommen dem Ende immer näher, ich könnte ja heulen :D Das ist so ein komisches Gefühl.
Kapitelfrage : Wer ist euer Lieblingscharakter in dieser Geschichte?
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