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"Hey Mute, ich wollte mich entschuldigen für gestern. Ich hätte vielleicht nicht sagen sollen, dass du gestört bist. Tut mir leid." Mit diesen Worten tauchte Shawn vor meinem Gesicht auf und ich hielt die Luft an.

"Vielleicht hörst du dann auf sie Mute zu nennen, du Idiot." Camila schlug dem Braunhaarigen auf den Hinterkopf.

"Wieso? Ist doch ein cooler Spitzname und immerhin ist es doch die Wahrheit, sie ist eben stumm." wehrte sich Shawn.

"Sie ist nicht stumm, sie ist nur.." schnell hob ich die Hand um Camila auf mich aufmerksam zu machen. 

Sie sah mich verwirrt, mit offenem Mund an.

"Du willst nicht, dass ich es sage, hab ich recht?" fragte sie nun sanft und ich nickte. 

9 Sekunden Augenkontakt, das war ein neuer Rekord für mich.

"Sie hat eigentlich Recht, es geht dich nichts an Shawn, aber urteile nicht immer über Andere." sie hob ihren Finger warnend und sah dabei aus, als wäre sie seine Mutter. 

Die Beiden schienen eine Verbindung zu haben, wahrscheinlich waren sie gut befreundet, denn Shawn hielt auf ihre Anweisung hin wirklich die Klappe.

Ich biss mir auf die Lippe. Die Situation war mir einfach schrecklich unangenehm.

"Wir wollen uns heute Nachmittag in unserem Lieblingscafe treffen, hast du vielleicht Lust mitzukommen?" fragte Camila an mich gerichtet und hatte wieder ihr strahlendes Lächeln aufgesetzt.

Ehrlich gesagt verwunderte sie mich sehr. 

Sie war wirklich so unglaublich nett und trotzdem Schulsprecherin, was bedeutet, dass sie beliebt sein muss, sonst hätte sie die Wahl nicht gewonnen.

Aber war der Preis für Beliebtheit nicht, dass man sich selbst für etwas Besseres hielt?

Ein Schnippen vor meinem Gesicht holte mich zurück in die Realität. Ihre Frage. Das Cafe.
Kurz sah ich auf den Boden, doch dann schüttelte ich den Kopf und versuchte dabei leicht zu lächeln.

"Ich bin mir sicher, du hättest jetzt gesagt 'Vielleicht wann anders' und wenn nicht, lass mich in dem Glauben, ja?" fragte sie grinsend und ehrlich gesagt entlockte dies sogar mir ein kleines ehrliches Lächeln.

Schließlich nickte ich.

"Schön, dann sehen wir uns morgen in der Schule Livi." sagte sie und drehte sich um, um die Schule zu verlassen.

"Bis morgen, Mute!" rief Shawn noch und wieder schlug Camila ihm auf den Hinterkopf.

Die Menschen hier sind wirklich speziell und besonders.

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Das Abendessen stand an und ehrlich gesagt war das in den letzten Tagen zur Qual des Tages mutiert. Anscheinend konnte meine Tante nicht verstehen, dass ich nicht freiwillig schwieg, sondern dass mich innerlich etwas blockierte und ich das nicht aus Spaß machte.

Andauernd stellte sie mir sinnlose Fragen in Dauerschleife, weil sie sich daraus erhoffte endlich eine Antwort zu bekommen. 

Sie ist wirklich ein wahnsinnig liebevoller Mensch, doch ich bin auch ehrlich froh, wenn Dad und ich es schaffen eine eigene Wohnung zu finden und wieder unter uns sind.

Auch heute löcherte sie mich mit Fragen über die Schule, über die Therapie, sogar über Jungs fragte sie mich aus. 

Dass sie keine Antwort bekam störte sie nicht. Es war als würden wir uns ganz normal unterhalten, doch ohne Antworten von mir.

Bei der Frage nach Jungs musste ich unweigerlich an Mason denken. Wer weiß wo wir wären, wenn das Alles nicht passiert wäre?

Ob wir uns wieder vertragen hätten? Ob sich alles als großes Missverständnis entpuppt hätte?
Vielleicht wären wir in 20 Jahren dort, wo Tante Jane und ihr Mann heute sind.
Als glücklich verheiratetes Paar, das seit der Highschool zusammen ist.

Komischerweise wanderten meine Gedanken ebenfalls zu Shawn, dem Jungen aus der Schule. 

Seine Art und Weise verletzte mich. Ich fühlte mich, als würde er mich verachten und dann dieser Sptzname Mute.. Was soll das bedeuten? 

Ja, ich redete nicht, aber musste er denn darauf rumhacken, ohne den Grund dafür zu kennen?

Wieso ich Camila unterbrochen hatte? Ich hatte einfach Angst, wenn er den Grund für mein Schweigen erfuhr, würde er sich noch mehr darüber und über mich lustig machen. 

Das komische an der Sache ist jedoch, dass ich Camila trotzdem glaube, dass er kein schlechter Mensch ist, denn sie scheint nicht so, als würde sie mir etwas vormachen.

Und tief in mir drinnen hatte ich das verlangen, den anderen Shawn auch kennen zu lernen.

Nach dem Essen stand ich auf und brachte meinen Teller in die Küche. Ich wollte wieder hochgehen, doch mein Vater hielt mich auf und rief mich ins Wohnzimmer.

"Livi, ich wollte dir etwas erzählen." begann er und ich setzte mich zu ihm auf das Sofa.

"Ich habe mit Mr.Harris geredet und er würde dir gerne die Chance geben in die Mannschaft der Cheerleader einzusteigen.
Die Saison ist zwar schon im vollen Gange, doch ich habe ihm gesagt, dass du der Kapitän deiner alten Mannschaft warst. Diese Position ist natürlich schon vergeben, doch er hat gesagt du kannst morgen nach der Schule zum Probetraining und mitmachen." erklärte mein Vater hoch begeistert und strahlte dabei leicht, während mein Gesicht immer mehr in sich zusammen fiel.

"Freust du dich denn gar nicht? Du hast es geliebt in der Mannschaft zu tanzen." 

Ja, das musste er mir nicht erzählen, ich war meistens dabei.

Dennoch konnte ich den Gedanken daran nicht ertragen. Ich stand auf und rannte die Treppen hinauf in mein Übergangszimmer.

Dort nahm ich den Koffer, den Dad gestern rein getragen hatte und öffnete ihn. 

Immer mehr Sachen zog ich raus und schmiss sie zu Boden, bis ich endlich fand wonach ich gesucht hatte. 

Ich zog die blau-weiße Cheerleader Uniform aus dem Koffer und dabei fiel mir das Bild von meiner besten Freundin Lauren und mir in die Hände. Wir hatten unsere Uniform an und waren unheimlich stolz es ins Team geschafft zu haben.

Das weiße Band, das wir immer als Schleife im Haar trugen lag auch dabei und ich tastete den Stoff genau ab.

Ich weiß genau was zu tun war.

Ich nahm all das Zeug mit und rannte die Treppen wieder runter um das Haus zu verlassen. Ich hatte Niemandem Bescheid gesagt aber.. wie auch?

Ich weiß, das ist nicht die sonderlich beste Ausrede, aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten.

Da ich mich in der Gegend nicht auskannte, irrte ich ziemlich umher. Es war mittlerweile dunkel geworden und ich wusste nicht mal wonach ich suchte. 

Letztendlich fand ich eine freie Fläche Land und ging einige Schritte über die Erde bevor ich mich dort auf meine Knie fallen ließ. 

Es war mir egal ob meine Hose dreckig werden würde oder mir ein Nagel abbrechen würde, das waren keine Dinge mehr, über die ich mir den Kopf zerbrach.

Ich schnappte mir einen Stein und begann damit, so komisch es auch ausgesehen haben mag, ein Loch in die Erde zu graben.

 Es tat unheimlich gut, ich konnte dabei sehr gut meine Wut auslassen und seit langem drangen endlich wieder Geräusche aus meinem Mund.

Dass es nur angestrengtes und wütendes Stöhnen war, war mir in dem Moment egal. Ich hörte meine eigene Stimme.

Als das Loch tief genug war, fuhr ich nochmal über mein Kostüm, bevor ich es in das Loch schmiss und die Erde wieder drüber warf.
Fest schlug ich mit der Faust auf die Erde, damit das Loch auch ja zu blieb und diese Uniform nie wieder Tageslicht erblicken würde. 

Ich strich mit den Schweiß von der Stirn und nahm einen Ast, den ich entdeckte. Ich steckte ihn an dem Ort, wo mein Outfit vergraben war in die Erde und band meine weiße Schleife darum.

Es war wie eine Beerdigung. Eine Beerdigung für mein altes Ich. Und gleichzeitig die Geburt meines neuen Ich.

Ich wischte mir einige Tränen aus dem Gesicht und blieb vor dem Stock.. dem "Grabstein" sitzen. 

Zittrig griff ich in meine Jackentasche, in die ich das Bild von Lauren und mir gesteckt hatte. Ich fuhr sanft darüber und erinnerte mich an diesen Augenblick.

Es war ein sehr schöner Moment in meinem Leben.

"Mute?" ertönte die besondere Stimme hinter mir. Shawn. Scheiße und jetzt?

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Ja, scheiße-- und jetzt ? :D Vielen Dank für euer liebes Feedback und die Kommentare, ich freue mich echt, dass so viele von euch hier dabei sind <3