5 - Blitzlicht (✔️)
"Die Gerüchte sind also wahr, Kylie Dallas ist zurück." ertönte eine Stimme hinter mir und ich drehte mich verwirrt um, um meine beste Freundin Macey zu erkennen.
Ohne groß darüber nachzudenken fiel ich ihr um den Hals und drückte sie fest an mich. Ich hatte sie so schrecklich vermisst, sie war mein Sonnenschein.
"Wieso sehe ich dich erst jetzt?" wollte ich aufgebracht wissen. Es waren bereits 4 Stunden vergangen und ich hatte sie davor nicht gesehen.
"Ich weiß auch nicht." lachte sie glücklich und umarmte Shawn kurz, bevor sie sich wieder strahlend mir zuwendete.
Mit nur einem Augenblick brachte sie die Sonne zurück in mein Leben. Ihre orangenen Haare schimmerten intensiver denn je zuvor, die grünen Augen leuchteten und die Sommersprossen in ihrem Gesicht schienen wie perfekt in ihr Gesicht gezeichnet.
Das war, was ich als natürliche Schönheit bezeichnete. Macey.
"Du musst mir heute unbedingt Alles von Kalifornien erzählen!" forderte sie aufgeregt und versetzte meiner guten Laune damit gleich einen heftigen Dämpfer. Ich versuchte mir jedoch nichts anmerken zu lassen und lächelte schüchtern.
"So viel gibt es da gar nicht zu erzählen." log ich.
Es gab Einiges zu erzählen, ich wollte es nur nicht. Besser gesagt hatte ich mir geschworen, es Niemandem zu erzählen. Das könnte ich nicht.
"Na schön, wenn du das sagst." gab sie ironisch von sich und verdrehte schmunzelnd die Augen. Sie kannte mich gut genug um zu wissen, dass es sehr wohl mehr zu erzählen gab, sie aber keine Chance hatte, mich zum Reden zu bringen.
"Gehen wir zu den Anderen." schlug sie nun vor, doch als ich durch die Glasfront der Schule blickte, konnte ich direkt einige Kameras entdecken, die auf meinen Bruder und seine Freunde gerichtet waren.
Wie angewurzelt blieb ich stehen, realisierte das Zittern meiner Hände, versuchte es jedoch zu überspielen.
"Geht doch schon vor, ich warte lieber noch ein bisschen." entgegnete ich ruhig und zwängte mir ein Lächeln auf, doch Shawn sah mich durchdringlich an.
"Soll ich mit dir warten?" fragte er sanft, doch ich schüttelte sofort den Kopf.
"Die verschwinden doch nicht, bevor sie dich gesehen haben. Alles gut." gab ich so überzeugend wie möglich von mir und lächelte wieder stumpf.
Er musterte mich einen Moment bevor er die Hand hob, um ein Winken anzudeuten. Er drehte sich erst im Laufen von mir weg und trat mit Macey vor die Tür.
Sie störte all das Blitzlicht gar nicht, es schien als wäre sie dafür gemacht und manchmal wünschte ich mir, dass es mir genauso gehen würde. Sie war mit den Jungs in die Öffentlichkeit gewachsen, während in mir über die ganze Zeit nur die Angst vor der Öffentlichkeit wuchs.
Macey und ich waren die einzigen Freunde, die die Jungs hatten.
Natürlich wollte so gut wie Jeder mit ihnen befreundet sein, doch das hatte meistens einen anderen Hintergrund. Selten ging es Jemandem um die Charaktere unserer Freunde, mehr um die Reichweite und die Aufmerksamkeit, die sie hatten. Genau aus diesem Grund hielten sie ihren Freundeskreis klein. Und wir gehörten dazu, weil wir sie schon vor all dem kannten und liebten.
Ich konnte sie nur zu gut verstehen, immerhin wollte sich auch mit mir selten Jemand anfreunden, weil er mich interessant fand. Nein, all die Freundinnen der letzten Monate, waren lediglich an meinem Bruder interessiert.
Ich lehnte mich an die Spinde und beobachtete das Spektakel vor der Schule.
Mittlerweile waren die Gänge leer und auch meine Freunde gingen weiter, sodass die Kameraleute sich ebenfalls verzogen. Ich umfasste die Träger meines Rucksacks, den ich auf dem Rücken trug und verließ das Schulgelände, als mein Handy vibrierte.
"Ich warte dort, wo ich dich heute Morgen raus gelassen habe." stand in der Nachricht meines Bruders, weshalb ich kurz lächelte und mich dann zu seinem Auto begab. Schweigend stieg ich ein, schnallte mich an und Cameron fuhr los.
"Du weißt, es wird wieder nachlassen. Keine Sorge, Kyles." durchbrach er die Stille und ich nickte stumm.
Es bereitete mir keine Sorgen, im Gegenteil. Wenn es das ist, was Cameron möchte, akzeptiere ich das. Ich selbst würde es nur nie ertragen.
Damit war ich wohl ein ziemlicher Ausnahmefall in meiner Familie und mir stellte sich oft die Frage, was nicht mit mir stimmte.
Mum war damals ein Model, bevor sie uns bekam. In diese Fußstapfen wird Cameron wohl nach und nach treten. Und Dad war Musiker, ein ziemlich begabter meiner Meinung nach. Das wäre er wohl immer noch, hätte er uns nicht verlassen.
"Ich habe seit Tagen nichts von ihm gehört, Luisa. Ich dachte nur, du hättest vielleicht.. nein?.. Okay." hörte ich die leise Stimme meiner Mutter. Schon seit über einer Stunde saß ich auf der Treppe und lauschte den Telefonaten meiner Mum, die mit all ihren Bekannten sprach um rauszufinden, wo Dad steckte.
Das Klingeln an der Tür unterbrach das Gespräch mit ihrer Freundin. Schnellen Schrittes ging sie auf die Haustür zu, weshalb ich einige Schritte zurückwich, um nicht entdeckt zu werden.
"Oh Hallo?" ertönte ihre Stimme unsicher und mein Kopf neigte sich wieder etwas nach vorne, um das Geschehen beobachten zu können. Zwei Männer in Uniform standen vor Mum.
"Wir haben ihren Mann gefunden, Mrs.Dallas." sprach einer der Beiden.
Dad, was hast du nur angestellt? Wieso hat die Polizei dich aufgegabelt? Panik stieg in mir auf. Was ist, wenn er etwas illegales getan hatte? Wenn er ins Gefängnis musste? Ich würde es nicht ohne ihn aushalten.
Hinter mir erschien Cameron, musterte mich fragend, ging jedoch weiter zu Mum, um ihr einen Arm um die Schulter zu legen. Die letzten Tage gab er sich die größte Mühe eine Stütze für sie zu sein, obwohl er doch selbst gerade erst 16 geworden ist.
Einer der beiden Polizisten nahm seine Kappe ab, bevor er wieder zu sprechen begann.
"Es tut mir schrecklich leid ihnen das mitteilen zu müssen Ma'am, aber ihr Mann hatte an der Grenze Kanadas einen schweren Autounfall. Er hat ihn nicht überlebt."
Mit einem Mal begann sich die Welt um mich herum zu drehen, während sie zeitlich stehen zu bleiben schien. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, versuchte zu atmen, scheiterte jedoch. In mir stieg eine unglaubliche Übelkeit auf.
Unfähig irgendetwas Anderes zu tun, taumelte ich ins Badezimmer und begann mich zu übergeben, bevor mein ganzer Körper auf den eiskalten Fliesenboden sank.
Auch nun stieg die Übelkeit in mir auf und ich versuchte hektisch die Tränen wegzublinzeln, die sich ihren Weg bahnen wollten. Zittrig krallte ich meine Hand in mein Shirt und biss die Zähne zusammen.
Ich versuchte mich mit den vorbeiziehenden Häusern und Bäumen abzulenken, doch die Bilder spielten sich viel zu realistisch vor meinem inneren Auge ab. Immer und immer wieder. Es waren seitdem 2 Jahre vergangen, doch die Wunde in meinem Inneren war so frisch, als wäre es erst gestern gewesen.
"Was meinst du?" riss Cameron mich aus den Gedanken, worüber ich ausnahmsweise froh war. Verwirrt musterte ich ihn.
"Hm?" fragend sah ich zu ihm rüber.
"Alles okay? Du bist ganz bleich im Gesicht." merkte er an und kniff besorgt die Augenbrauen zusammen, ich nickte jedoch nur und wendete den Blick ab.
"Also hast du Lust später mit zum See zu fahren?" fragte er nun, klang jedoch, als hätte er mir die Frage bereits gestellt.
"Denk schon, ja." antwortete ich gedankenverloren und versuchte meine Atmung zu kontrollieren.
Endlich Zuhause angekommen wartete Mum bereits mit einem leckeren Mittagessen auf uns. Wie hatte ich es ein halbes Jahr ohne ihre Kochkünste ausgehalten?
Das weißt du ganz genau.
Meine Kehle schnürte sich zu und ich atmete einmal tief durch, bevor ich mich mit an den Tisch setzte und mir eine Portion der Nudeln auf den Teller gab.
"Das ist wirklich lecker, Mum" schwärmte ich und zauberte meiner Mutter damit ein Lächeln ins Gesicht, was mein Herz ebenfalls erwärmte.
Seit dem Tod von Dad war auch sie nicht mehr die Alte, ihr fröhliches Wesen hatte einen Schlag abbekommen. Umso mehr versuchten Cam und ich, ihr im Alltag immer wieder kleine Freuden zu machen, um sie zum Lächeln zu bringen.
"Wir fahren später noch zum See, okay?" sprach Cameron und Mum nickte lächelnd.
"Natürlich, fahrt ihr nur. Ich treffe mich später mit Susan und Luisa in einem Cafe." antwortete sie und damit war die Sache wohl geklärt.
Nach dem Essen räumte ich meinen Teller auf und suchte mich schließlich die Sachen zusammen, die ich für den See brauchen würde.
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