
3 - Die Eiskönigin (✔️)
Oben Bilder von den Mädchen :)
Mit schnellen Schritten verlasse ich das Schulgebäude und laufe quer über den Pausenhof, meine Schwester im Visier. Sie steht mit Jack, Malibu und Ryan zusammen an ein Metalltor gelehnt und raucht. Genau, was ich jetzt brauche.
Obwohl wir offiziell keine Pause haben, ist es unsere Tradition uns zwischen den Stunden auf eine schnelle Zigarette zu treffen und uns gegenseitig Kraft zu geben für die folgenden Stunden.
"Hey", brumme ich demotiviert und werde ebenso begeistert zurück gegrüßt.
Wir Alle haben nicht viel für die Schule übrig, immerhin sind wir die Außenseiter, die sich täglich dumme Sprüche von ihren Mitschülern anhören durften. Dass das auf Dauer keine sonderlich schöne Beschäftigung ist, werde ich wohl nicht extra erwähnen müssen.
"Steht für heute Abend irgendwas an?", fragt Ryan in die Runde und ich lege frustriert den Kopf in den Nacken. Es ist keine gute Idee, heute Abend wieder loszuziehen, andererseits habe ich keine Alternative.
"Unsere Mutter würde es nicht erlauben", gibt meine Schwester von sich und ich reiße erschrocken die Augen auf. Mutter? Das ist neu.
"Wieso bezeichnest du sie als Mutter?", will ich aufgebracht wissen und mustere meine Schwester eindringlich.
Judy, die Frau, die uns bei sich aufgenommen hat, ist alles Andere als eine Mutter. Diesen Titel hat sie nicht einmal verdient. Sie kümmert sich kaum um uns, bietet uns weder Rückhalt, noch Fürsorge und ist das wohl schlechteste Vorbild, dass ich je gesehen habe.
"Sie hat mich darum gebeten", antwortet Bacardi schulterzuckend.
Bacardi ist der Spitzname meiner Schwester Emily. Sowie Hannah, unsere gemeinsame Freundin, nur Malibu genannt wird.
Es ist eine Angewohnheit, basierend auf unseren liebsten alkoholischen Getränken. Auch wenn das traurig klingt, ist es das, was uns am meisten verbindet. Wenn wir die Welt nicht mehr ertragen, trinken wir gemeinsam, bis sie wieder erträglich ist.
Mein Name ist Tequila.
"Wie wäre es mit Freitag?", frage ich in die Runde und versuche nicht weiter darauf einzugehen, dass Bacardi scheinbar anfängt, Judy als eine Art Mutterersatz anzusehen.
Meine Schwester, die für mich wirklich wie eine leibliche Schwester ist und somit zugleich Alles, was ich an Familie habe, ist ein herzensguter Mensch. Selbst Judy, die uns alles Andere als gut behandelt, soll sich nicht wegen Bacardi schlecht fühlen müssen. Dabei sind wir Judy schlichtweg egal.
Meine Freunde stimmen meinem Vorschlag, erst am Freitag wieder los zu ziehen zu und wir beschließen, wenn auch widerwillig, zurück in den Unterricht zu gehen.
Nach der Schule beschließen meine Freundinnen und ich, in den Park zu gehen. Hier treiben wir uns oft rum, wenn wir noch nicht nach Hause gehen möchten.
Hin und wieder haben wir sogar schon eine Nacht hier verbracht, wenn wir es nicht mehr nach Hause geschafft hatten.
Wir sind ein wahrhaftes Super-Gespann. Wenn wir zusammen sind, fühlt es sich an, als wären wir unbesiegbar. Und wir verurteilen uns nicht gegenseitig, das ist Regel Nummer Eins unserer Freundschaft.
Wir haben Alle genug durchgemacht, um verstehen zu können, wenn wir über die Stränge schlagen und uns nicht mehr beherrschen können. Sie sind mein Rückhalt, Alles was ich brauche und Alles, was mich am Leben hält.
Wir sind keine coole, rebellische Clique, die sich am Wochenende betrinkt, um dazu zu gehören, um von ihren Mitschülern bewundert zu werden, wir sind das Gegenteil. Wir sind Alle zerstört genug, um gar nicht Anderes zu können, als uns zu betrinken und den Rest auch noch kaputt zu machen.
Es ist einzig allein, um mich für einen Moment lang lebendig zu fühlen, möge er noch so kurz sein. Um für ein paar Stunden die Leere zu füllen, die in mir herrscht und die Stimmen in meinem Kopf stumm zu schalten, denn sie zerstören mich Stück für Stück.
Ein Schnippen vor meinem Gesicht reißt mich aus den Gedanken und ich sehe die beiden Mädchen fragend an.
"Was?", möchte ich wissen.
"Ob du Ärger bekommen hast, habe ich gefragt. Du weißt schon, weil du mal wieder zu spät warst", wiederholt sich meine Pflegeschwester und ich schüttele mit dem Kopf.
"Eigentlich nicht. Aber wenn Mrs.Asher rausfindet, dass ich nicht zu ihrer blöden Vertrauenslehrerin gegangen bin, wird es vermutlich Ärger geben", erzähle ich schulterzuckend und weiche dem Blick meiner Mädels aus, die aufgrund meiner Worte anfangen zu lachen. Und genau das denke ich doch auch.
Es ist lächerlich mich zu dieser Psychotante schicken zu wollen. Was soll mir das denn bringen?
Es ist doch Alles nach Plan gelaufen. Ich wurde im Krankenhaus aufgepeppt, bin in ein Waisenhaus gekommen und wurde trotz meiner verkorksten Art vermittelt. Und jetzt habe ich eine wunderbare Familie, die mir über die Vergangenheit hinweg hilft.
Bullshit.
So ist das vielleicht in all den Filmen, da wird schließlich immer Alles gut. Das misshandelte Kind findet eine liebende Familie. Aber das hier ist das wahre Leben, hier gibt es kein Happy End.
"Vielleicht solltest du ja wirklich mal dahin gehen", gibt Malibu ernst von sich und ich kneife meine Augen zu Schlitzen zusammen. Das kann doch unmöglich ihr Ernst sein.
Kurz darauf beginnt sie jedoch lauthals zu lachen und ich bin erleichtert, dass sie nicht plötzlich einen Sinneswandel durchlebt hat, sondern mich nur auf den Arm nehmen wollte.
Vertrauenslehrerin, was für ein Blödsinn.
"Gehen wir nach Hause?", fragt Bacardi in die Runde, als sie einige Zeit später, dem immer dunkler werdenden Himmel entgegen blickt. Skeptisch mustere ich sie.
"Ja", antwortet ihr Malibu und die Beiden stehen von der Bank auf, auf der wir die letzten zwei Stunden saßen und uns unterhalten haben.
"Geht ruhig schon mal vor, ich bleibe noch kurz und laufe dann die große Runde nach Hause", antworte ich nervös und hoffe, ich kann noch ein bisschen die Einsamkeit genießen, bevor ich wieder zurück in die Hölle muss, die sich mein Zuhause nennt.
"Typisch", murmelt Malibu lächelnd und wir verabschieden uns je mit einer kurzen Umarmung, bevor ich beobachte, wie die Beiden sich immer weiter von mir entfernen.
Ich sehe meiner Pflegeschwester noch eine ganze Weile hinterher, wünsche mir, ich könnte ein bisschen mehr sein, wie sie.
Von uns Allen, hat sie ihr Leben am besten unter Kontrolle. Sie hat einigermaßen gute Noten, sieht dem Leben recht positiv entgegen und hat immer aufmunternde Worte parat, dabei hat sie die Hölle durchlebt.
Ihre Kindheit war schon sehr früh von Gewalt geprägt. Sie musste mit ansehen, wie der Freund ihrer Mutter, diese immer wieder verprügelte. Und eines Tages, als dieser Mann auch Gefallen daran gefunden hatte, Emily dieselben Dinge anzutun, wie ihrer Mutter, beschloss diese, ihre Tochter in ein Heim abzugeben, um sie vor der Gewalt ihres Stiefvaters zu schützen.
Sie sagte ihr, dass sie sie zu sehr liebe, um ihr das Leben mit diesem Mann anzutun. Es war ein sehr trauriger Abschied aber immerhin weiß Bacardi, dass ihre Mutter sie liebt. Bacardi hingegen weiß noch nicht einmal, ob ihre Mutter noch am Leben ist oder ob ihr Stiefvater die Frau schon zu Tode geprügelt hat.
Obwohl ihre Erinnerungen daran weit zurück liegen und immer mehr verblassen, spüre ich, dass sie meine Schwester belasten. Und ich wünschte, ich könnte es ihr irgendwie leichter machen, doch das kann ich nicht.
Wenn sie achtzehn wird, möchte sie nach ihrer Mutter suchen, denn vorher bekommt sie keine Informationen über ihre Familie vom Heim. Und ich werde ihr dabei helfen, koste es was es wolle.
Plötzlich erkenne ich, wie eine Gruppe Jugendlicher aus der Schule in meine Richtung kommt und ich beschließe, mich nun doch auf den Heimweg zu machen.
Noch bevor ich die Flucht ergreifen kann, werden meine Mitschüler auf mich aufmerksam, kommen auf mich zu und holen mich schnell ein. Ich bemühe mich möglichst schnell meine undurchdringliche Miene aufzusetzen und sehe sie fragend an, als sie sich mir in den Weg stellen.
"Sieh mal einer an, die Eiskönigin", gibt Derek, ein Idiot aus der Schule, von sich.
Letztes Jahr hatte ich Etwas mit ihm auf einer Party laufen, gab ihm jedoch schließlich einen Korb, als er etwas Ernsteres wollte. Ich bin einfach nicht gemacht für diese Art zwischenmenschlicher Beziehung. Er hat es nicht sonderlich gut aufgefasst und allen erzählt, ich sei eine Schlampe. Seitdem nutzt er jede Gelegenheit aus, mich dumm dastehen zu lassen.
"Du schaust eindeutig zu viele Disney Filme", antworte ich provokant grinsend und denke gar nicht daran, ihm meine Unsicherheit zu zeigen. Im Gegenteil, ich versuche mich an ihm vorbei zu schieben.
"Wer bist du eigentlich, so mit mir zu reden?", will er gekränkt wissen und versperrt mir erneut den Weg, weshalb ich genervt schnaube.
"Wenn du es wirklich provozierst, mein Lieber, kann ich zu deinem schlimmsten Albtraum werden", gebe ich zuckersüß von mir und lächele. Ich lasse mich doch von so Einem nicht klein kriegen.
"Lass sie doch in Ruhe", ertönt eine Stimme, die ich heute schon einmal gehört habe. Das ist ja wohl nicht wahr.
Shawn tritt aus dem Schatten der anderen Mitschüler und möchte Derek zurückhalten. Unglaublich, dass er sich jetzt schon mit Derek und seiner hohlen Gefolgschaft abgibt. Mein erster Eindruck von ihm hat mich scheinbar gar nicht getäuscht.
"Ich komme gut alleine klar, danke", pampe ich Shawn an, obwohl er mir offensichtlich nur helfen wollte.
"Im Bett bist du ja vielleicht ganz gut, aber menschlich bist du eine reine Null. Ist das der Grund, wieso Mummy und Daddy dich verprügelt haben?", will Derek wissen und in meinem Kopf beginnt augenblicklich eine Sicherrung durch zu knallen. Ich sehe nur noch rot und kann meine Wut nicht mehr zurück halten.
Mit einem großen Schritt gehe ich auf Derek zu und gebe ihm eine Ohrfeige.
Was er denkt, könnte mir gar nicht mehr egal sein, doch er soll seine verdammte Klappe halten, wenn er keine Ahnung hat, wovon er da spricht.
"Du hast keine Ahnung", zische ich und nutzte seine Überraschung aus, um mich endlich an ihm vorbei zu drücken und den Heimweg anzutreten.
Dieses miese, arrogante Arschloch! Was denkt er, wer er ist? Er hat keine Ahnung von meiner Vergangenheit!
Wie sollte er denn auch eine Ahnung haben? Schließlich habe ich sie nicht einmal selbst.
Ich hasse ihn. Ich hasse Menschen.
Du hasst dich doch bloß selbst..
+++
Es ist zu spät, ich weiß. Tut mir leid, ist grade ziemlich viel Stress hier..
Was denkt ihr, meinte Derek mit seinen Anspielungen? Ist es die Wahrheit? Und was haltet ihr bisher von Shawn?
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