16. Stitches
Wir fuhren nun schon eine ganze Weile geradeaus und ich hatte meine Orientierung verloren. Das passiert mir nicht sonderlich oft, doch diesmal hatte ich wirklich keine Ahnung mehr, wo wir uns befanden.
Ich kannte nicht mal dieses Viertel der Stadt und das muss schon etwas bedeuten.
"Und du bist sicher, du weißt, wo wir hin müssen?" fragte ich meine Freundin sicherheitshalber nochmal. Denn manchmal ist sie nicht unbedingt die Beste im Navigieren.
"Ich bin mir sicher Shawn, und jetzt fahr einfach, ich will das über die Bühne bringen." zickte sie mal wieder rum.
Aber ganz ehrlich? Es ist einfach nur heiß, wenn sie mich anzickt. Ich liebe es. Ich liebe sie.
"Kein Grund zu fauchen, Tiger." sagte ich belustigt und sah kurz zu ihr rüber. Sie verzog keine Miene.
Aber nicht mit mir, das Spiel kann ich auch spielen.
"Verhalte dich angemessen, ich bin hier der Boss." Ich spannte meinen Kiefer an und sah gefährlich zu ihr rüber.
"Hör auf damit." sie schüttelte grinsend den Kopf.
"Du hast angefangen." entgegnete ich.
"Kleinkind." sie verdrehte die Augen und ich konzentrierte mich wieder auf die Straße. Immerhin wird uns dieser Deal ziemlich viel Geld bringen und wenn ich jetzt sterbe, weil ich meine Freundin anstarre, bringt mir das Geld gar nichts mehr.
"Ich muss sagen, ich war ziemlich überrascht, dass du diesen Deal ermöglicht hast. Ich dachte, du möchtest nichts mit kriminellen Machenschaften zu tun haben?" fragte ich nun provokant. Denn wenn ich daran zurück denke, wie ich Deliah vor mehr als einem Jahr gefunden hatte, war es eine ziemliche Verwandlung.
Vom schüchternen Mauerblümchen, zur Freundin eines Gang Leaders. Da könnte man tatsächlich nen Film draus machen.
Ich weiß nicht, was mich von Beginn an so fasziniert hat an dieser Frau. Sie war so unschuldig, so unberührt und beeinflussbar. Nun ist sie der Idealtyp einer Frau, die ich mir an meiner Seite wünsche.
Leider ist sie dadurch meine einzige Schwachstelle. Ich habe keine Familie, keine Freunde die mir viel bedeuten, meine Gang ist natürlich wie meine Familie, doch hin und wieder muss man Verluste einstecken, so ist das in unserer Welt.
Aber Deliah ist meine Schwachstelle. Sie macht mich verwundbar. Trotzdem liebe ich sie über Alles und werde sie mit meinem Leben schützen.
"Wir müssen hier rechts. Und in ca.800 Metern sind wir da."
Nachdem wir rechts abgebogen sind, waren es noch mindestens 2 Kilometer anstatt 800 Meter, aber anstatt es ihr wie sonst vorzuhalten, hielt ich mich zurück und stieg einfach aus.
Ich nahm meine Waffe vom Rücksitz und gab meiner Freundin ebenfalls eine.
"Du kennst die Regeln Babe, nur im Notfall schießen. Aber wenn es sein muss, immer erst auf die Beine, okay? Vielleicht bekommen wir dann mehr Informationen." erklärte ich ihr, wie jedes Mal, wenn ich ihr eine Waffe in die Hand gab.
"Natürlich Schatz." sie lächelte mich an und ich zog mir meine Jacke über, bevor ich meiner Freundin zu der verlassenen Fabrik folgte, in der der Handel vollbracht werden sollte.
"Bereit?" fragte ich Deliah und sie nickte entschlossen.
"Ich liebe dich." sagte ich noch, bevor ich meine Waffe entsicherte.
"Ich dich auch." sie grinste mich an und wir betraten die Fabrik gemeinsam.
Und nein, wir schlichen uns nicht über eine Hintertür rein, wir stolzierten zur Vordertür hinein, um Jedem zu zeigen, dass wir keine Angst haben, sondern gefürchtet werden sollten.
Wir standen in mitten eines großen Raumes, als ein Typ in meinem Alter lächelnd auf uns zu gelaufen kam.
"Schön dich wieder zu sehen, Mendes." er grinste nun noch breiter und ich versuchte mir meinen Schock nicht ansehen zu lassen. Denn ich war geschockt.
Er müsste tot sein, er dürfte nicht vor mir stehen.
"Du steckst also dahinter?" fragte ich spöttisch lachend. Ich starrte auf die große Narbe, die sein Gesicht zierte. Eine Narbe für die ich verantwortlich bin.
"Deliah, geh zum Auto, ich regel das hier." sagte ich zu meiner Freundin und hob meine Waffe um Rodriguez damit direkt ins Gesicht zu zielen. Niemand spielt mit mir. Merk dir das.
"Ist das denn so eine Überraschung? Hättest du dir nicht denken können, dass ich Rache will? Und ich werde mich rächen.
Für jeden Tag, den du mich rumgeschubst hast und mich deine Drecksarbeit hast machen lassen.
Für die Jahre, die du mich im Knast hast verrotten lassen, aber vor allem für meine Schwester, die wegen dir tot ist, Mendes." zischte er und wurde bei jedem Wort lauter.
"Das ist nicht meine Schuld und das weißt du!" verteidigte ich mich.
"Du hast ihr die Drogen verkauft!" schrie er.
"Ich wusste nicht, dass sie deine Schwester ist!"
Rodriguez zog plötzlich ein Messer aus seiner Jacke und lief damit auf mich zu. Ich ging einige Schritte rückwerts und merkte, dass Deliah noch immer tatenlos rumstand.
"Renn endlich weg, Deliah!" schrie ich ihr zu, bevor Rodriguez in ihre Richtung lief.
Nein, das wird er nicht tun.
"Fass sie nicht an!" sagte ich, doch er hielt ihr bereits das Messer an den Hals. Deliah sah mich verängstigt an.
"Alles wird gut, Babe." hauchte ich, zielte erneut mit meiner Waffe auf sein Gesicht und drückte ab.
Meine Pistole klackte, doch nichts geschah. Ich drückte wieder und wieder ab, doch sie war nicht geladen.
Das kann nicht sein, ich habe sie vorhin geladen, wie..
"Ups." sagte Deliah plötzlich und ein finsteres Lächeln zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.
Nun begann auch Rodriguez zu lachen und ließ meine Freundin los, die sich darauf hin zu ihm drehte und begann ihn zu küssen.
Ich glaub mir wird schlecht. Ich dachte, ich wäre schon oft verletzt gewesen, doch das hier übertrifft alles. Noch nie hat mich jemand so hintergangen.
"Es war alles gelogen?" fragte ich fassungslos und ließ meine Waffe sinken.
Es hatte keinen Sinn, sie könnte mir sowieso nicht helfen.
"Es war so schwer dir über ein Jahr vorzuspielen, ich würde etwas für dich empfinden." begann sie nun zu lachen.
"Tja, dein Spiel ist zuende Mendes." lachte Rodriguez und kam erneut mit seinem Messer auf mich zu, bevor er es mir zwei Mal in den Bauch und schließlich in die Schulter rammte.
Ich stöhnte auf vor Schmerz, doch am meisten schmerzte mein Herz. Ich stolpere nach vorne, beginne zu zittern und falle auf meine Knie. Direkt vor ihre Füße.
"Wie kannst du mir das antun? Du musst mir hier raus helfen." krächzte ich mit erstickerter Stimme und flehte sie an.
Irgendwo muss die Frau sein, die mich liebt. Doch sie blieb einfach stehen und beobachtete, wie zur Seite fiel und mein Blut sich auf dem Boden verteilte.
Ich kann nicht atmen, nichts fühlen außer diesen Schmerz. Ich hab das Gefühl, ich gehe unter. Wie konnte es so weit kommen? Ich dachte Deliah liebt mich. Ich habe sie geliebt. Mit Allem was ich hatte.
Und jetzt sieht sie dabei zu, wie ich verblute.
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