1. A little too much
Genervt saß ich mit meiner Familie am Esstisch und versuchte halbherzig zuzuhören, doch ich hatte absolut andere Dinge im Kopf.
Zum Beispiel, dass es Vieles gibt, was meinen Abend schöner gestalten könnte als einer dieser blöden Familienabende.
Versteht mich nicht falsch, ich liebe meine Familie und ich verbringe absolut gerne Zeit mit ihnen, doch langsam sind sowohl meine Schwester als auch ich aus dem Alter raus, an dem man den Samstagabend mit seinen Eltern verbringt.
Zum Glück konnten wir sie noch dazu überreden es auf alle zwei Wochen zu beschränken, denn tut mir leid wenn ich das so sage, aber ich habe noch ein eigenes Leben.
Ich könnte jetzt in meinem Lieblingsrestaurant sitzen und den Geburtstag eines Kumpels feiern aber nein, Familie Mendes liebt Traditionen und das hier ist eine.
"Können wir nicht wenigstens Film schauen?" fragte Aaliyah genervt.
Für sie war es wahrscheinlich noch schlimmer, weil sie gerade erst in ein Alter gekommen ist, wo Mum und Dad es ihr erlauben auszugehen. Also mit Freunden, sicher nicht mit Jungs.
"Du kennst doch die Regeln, keine Technik beim Spieleabend." ermahnte sie Mum und Aaliyah verdrehte die Augen. Ein Hoch auf die Pubertät.
Und ich bin mir ziemlich sicher, bei ihr wird es noch schlimmer als bei mir.
"Großartig.." murmelte ich, nahm den Würfel und spielte somit weiter.
Nachdem Mum und Dad nach zwei qualvollen Stunden Monopoly und einer dadurch fast zerbrochenen Ehe endlich realisiert haben, dass es uns absolut keinen Spaß macht, bestellten wir Pizza und sahen uns doch einen Film an.
Auch davon war ich nicht wirklich begeistert, denn jeder Film, den ich ausgesucht hatte, wurde abgelehnt.
Doch zumindest konnte ich mich jetzt mit meinem Handy befassen ohne meine Eltern damit zu sehr aufzuregen.
Und es gab Pizza, ich meine.. hallo? Pizza.
Also legte ich mich aufs Sofa, aß nebenbei meine Pizza und versuchte der Liebeskomödie zu folgen, die auf dem Fernseher lief.
Schon allein beim Wort Liebeskomödie könnte ich kotzen.
Gab es ein Filmgenre, dass noch mehr mit Klischee vollgestopft ist?
Eine weitere Stunde später, merkte ich wie mein Handy vibrierte. Ich sah den Namen meiner besten Freundin aufleuchten und wusste, dass es wichtig sein muss, denn sie hasst telefonieren.
Ja, ziemlich komisch für ein Mädchen, aber sie würde nie freiwillig telefonieren, wenn sie es auch anders regeln könnte.
"Tut mir leid, ich muss da kurz rangehen." sagte ich beiläufig, als ich sowieso schon aufgestanden bin.
"Aber Shawn.." ich blendete die Stimme meiner Mutter aus und lief in den Flur um den Anruf entgegen zu nehmen.
"Hey, was gibt's?" fragte ich und lehnte mich an die Wand im Flur. Es dauerte einen Moment, bis ich eine Antwort bekam.
"Shawn?" fragte sie, was mich leicht zum Lächeln brachte.
Was ist das auch für eine Frage?
"Ja Dummerchen, wen erwartest du sonst, wenn du mich anrufst? Meine imaginäre Freundin?" scherzte ich und wartete darauf, dass Emily ebenfalls lachte, denn wir hatten den exakt selben Humor, doch nichts dergleichen passierte.
Im Gegenteil ich hörte plötzlich ein leichtes Schluchzen und mein Herz blieb augenblicklich stehen.
Em und weinen? Niemals. Irgendjemand Anderes muss an diesem Telefon sein.
Die Emily die ich kenne, würde nie vor mir oder sonst Jemandem weinen. Ich weiß nicht mal ob sie anatomisch gesehen dazu in der Lage ist.
"Shawn ich.." ihre Stimme brach ab und ich hörte sie entfernter vom Telefon weinen.
Und zwar ziemlich stark.
Was ist nur los mit ihr? Das passt überhaupt nicht.
Ich hörte im Hintergrund Autos, die vorbeifuhren und schloss darauf, dass sie nicht Zuhause war.
"Was ist passiert? Wo bist du?" fragte ich panisch, immerhin ist sie meine beste Freundin, seit ich denken kann.
"Es ist nicht deine Schuld Shawn, war es nie." murmelte sie und ich verstand die Welt nicht mehr.
Nie sprach sie in Rätseln, nie weinte sie, nicht Mal telefonieren gehörte zu ihren Lieblingsaufgaben.
"Wovon redest du? Was ist los?" meine Stimme wurde fordernder. Ich musste jetzt wissen was passiert ist, sonst würde ich wohl durchdrehen.
"Mum ist gegangen." sagte sie schließlich schluchzend.
Ich schloss die Augen und atmete tief aus.
Irgendwie war mir klar, dass dieser Tag kommen würde. Immerhin kenne ich ihre Eltern nur als Streithähne, die ihre Wut immer auf ihre Tochter übertrugen. Und jetzt schien sie gegangen zu sein und Em allein bei ihrem Vater zurück gelassen zu haben.
"Wo bist du?" fragte ich ruhiger als zuvor.
"Carrier Lane." antworte meine beste Freundin leise und ich nahm den Autoschlüssel meines Vaters, der auf einem Sideboard im Flur lag.
"Gib mir ein paar Minuten." sagte ich schnell und legte danach auf. Ich lief ins Wohnzimmer und wurde von meiner Familie vorwurfsvoll angesehen.
"Ich muss los, Em geht's nicht gut." erklärte ich, doch meine Mutter schien nicht sonderlich überzeugt zu sein. Aber das war mir egal.
Wahrscheinlich könnte sie gerade Alles zu mir sagen und ich würde mich nicht aufhalten lassen.
Ich verließ das Haus, setzte mich ins Auto und fuhr so schnell ich konnte zu der Straße, die nur ein paar Fußminuten von ihrem Zuhause entfernt ist.
Dort angekommen saß ich sie hilflos an einer Mauer lehnen.
Ich stellte das Auto ab, stieg aus und rannte auf die andere Straßenseite um Emily in die Arme zu schließen.
Als das passierte, brach sie erneut in Tränen aus und alles an dieser Situation war ungewohnt und neu für mich.
Emily ist nicht dieser Typ Mädchen.
Sie würde nie Jemandem zeigen, dass sie verletzt ist oder vor etwas Angst hat.
Sie versucht alle ihre Situationen und Probleme allein durchzustehen. Hilfe anzunehmen wäre für sie das Schrecklichste. Dass sie mir so nah war lag auch nur daran, dass wir uns so lange kannten.
Andere würden ihr nicht so nahe kommen. Das ist ein Privileg auf das ich sehr stolz bin.
Und genau aus diesem Grund würde ich sie nicht einfach stehen lassen, wenn es ihr schlecht geht.
"Hey sieh mich an. Alles wird.." ich nahm ihr Gesicht in meine Hand, um ihr in die Augen sehen zu können, doch sofort hielt ich inne und erkannte ihr blau unterlaufenes Auge.
"Em..?" fragte ich ratlos und beobachtete wie sie ihren Kopf wieder senkte. Was zum Teufel ist vorgefallen!?
"Es gab einen riesen Streit. Mum hat ihre Sachen gepackt und ist einfach mit einem Taxi davon gefahren. Dann war ich allein mit Dad und er hat die Kontrolle verloren." erzählte sie ohne Punkt und Komma, bevor sie ihr Gesicht an meine Schulter drückte und erneut los weinte.
"Wie bitte? Dein Vater war das?" fragte ich verzweifelt.
Na schön, es war schon immer chaotisch und kompliziert in Emily's Familie, aber mit sowas hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
"Ich kann einfach nicht mehr Shawn." wimmerte sie und ich strich ihr sanft über den Rücken.
"Sag das nicht Em, manchmal wird einfach alles zu viel. So Zeiten kommen und gehen. Irgendwann wird es wieder besser werden." redete ich ihr ein, doch ich hatte das Gefühl es brache rein gar nichts.
"Nein. Sag nichts über Zeiten die Kommen und Gehen. Ich mache das Alles schon viel zu lang mit. Die Lügen, die Streitereien, die Gewalt in meiner Familie. Du denkst das ist das erste Mal? Nein! Und jetzt wo Mum weg ist, wird sicher überhaupt nichts besser werden!" sie war hysterisch und wich einen Schritt vor mir zurück.
"Vielleicht nicht allein, aber du bist nicht allein. Es gibt keinen Grund Angst davor zu haben, Hilfe anzunehmen. Wir sind alle nur Menschen und das bedeutet, dass es Jedem einmal schlecht geht."
Meine beste Freundin begann ironisch zu lachen und wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht.
Dieses starke Mädchen so zerbrochen zu sehen, jagte mir eine Gänsehaut ein.
"Was soll ich denn tun?" fragte sie hilflos.
"Zuerst kommst du mit zu mir. So lasse ich dich nicht nach Hause. Und wir werden zusammen eine Lösung finden.
Du bist meine beste Freundin, ich lasse dich doch jetzt nicht im Stich, nur weil du Schwäche zeigst. Du musst nicht immer stark sein Emily, das Leben wird Jedem mal zu viel.
Nimm einfach meine Hand und Alles wird gut werden." sagte ich und streckte ihr meine Hand entgegen.
Nun lag es an ihr zu entscheiden, ob sie sich endlich öffnen kann, um mit mir zusammen an ihren Problemen zu arbeiten oder ob sie weiter die kalte Hülle um sich trägt.
"Danke Shawn.." flüsterte sie und ergriff meine Hand.
++++
Einen wunderschönen ersten Dezember meine lieben Freunde <3 Endlich ist es so weit.
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich die Kapitel nach den Liedern benenne, oder ob ihr ab Morgen selbst raten könnte, um welches Lied es sich handelt. Lasst mir mal eure Meinung dazu da :)
Und wie hat euch die erste Kurzgeschichte gefallen? Wie würde es eurer Meinung nach weitergehen?
Bis morgen <3<3
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