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Der erste Tag der Studie war ein stürmischer, verregneter Tag, weshalb ich mich schon morgens beim Frühstück in eine Wolldecke einwickelte und dankbar an meinem heißen Tee nippte. Jacob hingegen saß mir nur stumm gegenüber und zog eine Miene, die dem Wetter draußen Konkurrenz machen konnte.
"Wenn du jetzt nicht weg müsstest, könnten wir den ganzen Tag Disneyfilme gucken und Kakao trinken", bemerkte er schließlich spitz, während er den Henkel seiner Kaffeetasse so fest umklammerte, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
"Ich weiß", murmelte ich, weil ich heute Morgen tatsächlich mit einem schlechten Wissen aufgewacht hatte und mich beim Weckerklingeln fast wieder umgedreht hätte. Dennoch schüttelte ich mich einmal, um die Bedenken von mir abzuschütteln, da ich dem Ganzen nun mal zugestimmt hatte und es die schnellste Art war, an Geld zu kommen. Außerdem bezweifelte ich insgeheim sowieso, dass die Studie in irgendeiner Weise funktionieren würde.
Garantiert würden mich die ersten verwirrten Blicke beim Hoseöffnen in der U-Bahn so sehr abschrecken, dass ich die Finger gänzlich von meinem Gegenüber lassen und stattdessen innerhalb kürzester Zeit die Flucht ergreifen würde. Wahrscheinlich würde ich heute Abend beim Essen Jacob verkünden, dass ich mich nach etwas anderem umsehen würde.
Somit küsste ich ihn extra lange zum Abschied und drückte noch einmal beruhigend seine Hand, bevor ich in meine Vans schlüpfte, mir meine gefütterte Jeansjacke überzog und anschließend die Wohnung verließ.
Glücklicherweise hatte es mittlerweile aufgehört zu regnen, wodurch ich mich gegen die U-Bahn entschied und dafür gemächlich zum Institut schlenderte. Dort angekommen stach mir sofort ein mattschwarzer BMW ins Auge, der direkt vor dem Eingang stand und dessen Besitzer sich mit vor der Brust verschränkten Armen gegen die Fahrertür gelehnt hatte.
Trotz des Wolken verhangenen Himmels, an dem auch nach wie vor kein einziges Fünkchen Sonne zu sehen war, trug er eine Sonnenbrille, die er allerdings abnahm, sobald ich an ihm vorbeilief. Zum Vorschein kamen strahlend grüne Augen, die mich aufmerksam musterten, ehe ihr Besitzer seine Lippen zu einem freundlichen Lächeln verzog und sich Grübchen in seine Wangen gruben.
"Du bist bestimmt Teilnehmer bei dieser Studie, oder?", fragte er, woraufhin ich abrupt stehen blieb und erst einmal verwirrt blinzelte. "Ähm ja", stammelte ich nach einigen Sekunden. "Woher wissen Sie das?"
"Das war geraten", verriet er verschmitzt, weswegen ich nur nervös lachen konnte, da der Typ, auch wenn er noch so attraktiv war, mir äußerst suspekt erschien. Ich zumindest quatschte keine fremden Leute von der Seite an.
"Ich hab bloß gefragt, weil ich auch teilnehme. Ich bin Harry", erklärte er schnell, ehe wir nebeinander das riesige Gebäude betraten. "Ich bin Louis", stellte ich mich ebenfalls vor, nun deutlich entspannter, und lächelte ihn sogar an. Wenn er so cool war, wie er aussah, würden wir uns garantiert gut verstehen - sofern ich nachher nicht schon schreiend davon rannte.
Wir nahmen den Fahrstuhl in die oberste Etage, wo die Professorin Smith, die für die Studie verantwortlich war, ihr Büro hatte. Dort angekommen wurden wir scheinbar bereits sehnlich erwartet, denn zwei Frauen, die wahrscheinlich die restlichen Probanten waren, saßen auf einer großen Eckcouch, während Mrs. Smith in der offenen Glastür ihres Zimmers stand und uns mit offenen Armen empfing.
"Mr. Tomlinson, Mr. Styles! Schön, dass Sie es auch geschafft haben", begrüßte sie uns mit einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr, die ihr bestimmt verriet, dass wir zu spät waren - ein Laster, das ich schon seit meiner Schulzeit mit mir trug und das mich auch meinen letzten Job gekündigt hatte.
Noch vor Kurzem nämlich hatte ich bei Hollister an der Kasse gearbeitet, aber weil ich permanent unpünktlich gewesen war, hatte man mich verständlicherweise irgendwann gefeuert. Gestört hatte es mich eigentlich nicht wirklich, da ich ohnehin geplant hatte, ein Praktikum in einem Verlag zu machen, damit ich danach eine Ausbildung zum Lektor machen konnte. Doch als mein Vater von dem Grund meines Rauswurfs Wind bekommen hatte, hatte er seinem besten Freund, bei dem ich das Praktikum und die Ausbildung begonnen hätte, abgesagt und mich somit quasi arbeitslos gemacht.
Also stand ich nun hier und hoffte, nicht von den beiden Mädels, die mich argwöhnisch beäugten, aufgefressen zu werden. Nachdem ich mich neben Harry niedergelassen hatte, lehnte er sich kichernd zu mir und flüsterte in mein Ohr: "Deshalb hab ich an meinem Auto gewartet und gebetet, dass noch ein Probant zu spät kommt und ich nicht allein in die Höhle des Löwen gehen muss."
Das brachte mich prompt zum Schmunzeln. Humor hatte er auf jeden Fall, was schon mal ein gutes Indiz war.
Jedoch kam ich gar nicht dazu, etwas zu erwidern, weil Mrs. Smith, die sich gegenüber von uns in einen Sessel gesetzt hatte, sich räusperte und gleichzeitig ihre schwarze Brille auf der Nase zurecht rückte.
"Ich freue mich, dass Sie alle dem Projekt zugestimmt haben und sich in den nächsten Wochen darauf einlassen wollen, ihren Trieben zu folgen. Sie werden alle einen Aufkleber bekommen, der Sie als Probant dieser Studie ausweist, damit Sie unter gar keinen Umständen in Schwierigkeiten kommen. Außerdem erhalten Sie jeder ein Tagebuch, in dem sie täglich ihre Gedanken und sexuellen Kontakte zueinander dokumentieren werden. "
Sie beugte sich vor, öffnete die Mappe, die vor ihr auf dem Glastisch zwischen uns lag, und schob jedem jeweils einen Aufkleber zu. Dann richtete sie sich wieder auf, schlug ihren kurzen Beine übereinander und betrachtete uns neugierig. "Ganz besonders freue ich mich darüber, dass Mr. Styles sich angemeldet hat, da er einer meiner Studenten ist und zu den Besten des Semesters zählt", meinte sie schließlich, was Harry schlagartig rot werden ließ.
Nervös spielte er mit den zahlreichen Ringen an seinen Fingern und sah verlegen zu Boden, bis seine Dozentin ihn aufforderte, sich vorzustellen.
"Na ja... Ich bin Harry, 23 Jahre alt und studiere Genderstudies im fünften Semester und stehe kurz davor, meine Bachelorarbeit zu schreiben. Und bevor ich mit dem Studium angefangen habe, war ich direkt nach der Schule für zwei Jahre in Afrika und habe in einem Kinderkrankenhaus gearbeitet, das meine Mutter dort leitet", erzählte er, woraufhin mir glatt die Kinnlade hinunterklappte. Dagegen fühlte mich als Exverkäufer bei Hollister ziemlich armselig vor.
Die beiden Frauen, die sich als Hunter und Eleanor vorstellten, berichteten nur davon, wie sie beide ihr Studium abgebrochen hatten und nun unter Geldnot litten - also quasi mein Schicksal teilten, im Anschluss ergriff Mrs. Smith wieder das Wort.
"Okay, ich weiß, dass Sie alle davon ausgehen, dass das Ganze hier nur drei Wochen dauert. Allerdings haben mein Kollege und ich in letzter Minute umgeplant und uns ein kleines Extra überlegt. Wenn wir Sie nun nämlich einfach in Ihr normales Leben zurückschicken würden, gehen wir davon aus, dass sie keine Zeit haben, eine Vertrauensbasis aufzubauen, auf der sie miteinander in aller Öffentlichkeit schlafen würden.
Deshalb wird das Institut Sie auf unsere Kosten gemeinsam für zehn Tage nach Hawaii schicken, wo Sie die Gelegenheit haben, einander ausgiebig kennenzulernen, bevor das Experiment hier in London richtig startet."
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