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X. Helena a roma


Wichtiger Hinweis!: Aufgrund Korrektheit und Logik habe ich Marcus Atius' Rang zu dem eines Tribuns geändert, weil der der Beschreibung seines Standes gerechter wird. Ab diesem Kapitel wird er also als solcher bezeichnet. In den früheren Kapiteln werde ich das noch korrigieren. Das könnte aber ein Weilchen dauern. Ich will nicht, dass Kommentare, die auf spezielle Absätze bezogen waren, ihren Kontext verlieren, weil ich einfach den neuen Text reinkopiere, und überlege deshalb direkt im Kapitel zu korrigieren, was natürlich länger dauert. Vielleicht warte ich damit auch bis zu meiner größeren Überarbeitung. Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis. Viel Spaß beim Lesen! 

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X. Helena a Roma
Helena von Rom

» Verus amicus est tamquam alter idem «
- Marcus Tullius Cicero

Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Selbst

Runa saß zwischen eine Statue und einen Busch gekauert. Um sie herum schwirrten summend Insekten und die Hitze des Nachmittags hatte alle Bewohner des Hauses in ihre kühlen Zimmer getrieben. Nur sie selbst kümmerte das wenig – ebenso wie die Person, die sie suchte.

Nicht weit von ihr entfernt hörte sie Schritte auf den Steinstufen, die tiefer ins Innere des Gartens führten und damit zu ihr. Runas Herz setzte einen Schlag aus. Noch fester drückte sie ihren Körper gegen die marmorne Venus und bemühte sich, sich so klein wie möglich zu machen.

Doch es war zu spät. Ein Rascheln der Äste über ihr und schon blickte ein verwundertes blaues Augenpaar zu ihr hinab.

Erleichtert atmete Runa aus, als sie Eurykleia erkannte.
„Was tust du denn da?", fragte die Sklavin überrascht, das kleine Mädchen hinter der Skulptur gefunden zu haben.

Runa presste ihren Finger fest gegen die Lippen. „Psst. Vopiscus darf nicht wissen, dass ich hier bin. Hast du ihn gesehen?"

„Vorhin war er im Atrium." Eurykleia schüttelte amüsiert den Kopf. „Und ich hab mich noch gewundert, was er so angestrengt sucht."

Auch wenn Vopiscus ein echter Römer war und bestimmt einmal ein großer Politiker werden würde – da war sich Runa sicher, obwohl sie es nie ausgesprochen hätte – im Versteckspiel war er einfach furchtbar. Er gewann bloß, wenn sich andere erbarmten ihm unauffällig einen Hinweis zu geben, wo er nachsehen musste ...

Runa erschrak. „Du verrätst mich doch nicht, oder?"

Die andere Sklavin lächelte sie verschwörerisch an und legte einen Finger auf die Lippen. „Von mir erfährt der junge Herr nichts."

Sie war bereits verschwunden, als Runa Vopiscus' unverkennbare Schritte hörte. Erneut duckte sie sich tiefer in ihr Versteck, das zwar nicht besonders kreativ war, aber durch die vielen dichten Büsche guten Schutz bot. Auf den ersten Blick glaubte niemand, dass sich dazwischen eine Person verbergen konnte.

Langsam kam der Junge näher – und verharrte plötzlich an Ort und Stelle. Runa hielt den Atem an, als fürchtete sie, dass er sie verraten könnte, und doch grinste sie innerlich. Er würde sie hier nie entdecken.

Es blieb still. Auffällig lange. Zu lange. Verunsichert begann sie ihre lauten Herzschläge zu zählen. Bei 100 hörte sie auf, weil sie den Namen der nächsten Zahl nicht kannte. Und immer noch nichts. Keine sich entfernenden Schritte, nicht einmal Geräusche, die ihr zeigten, dass Vopiscus sich wieder entfernte.

Was tat er denn? Sollte sie es wagen, einen kleinen Blick an der Venus vorbei zu werfen? Nein! Vielleicht wollte er genau das. Aber darauf, dass sie sich selbst verriet, konnte er lange warten.

„Hab dich!"

Der siegessichere Ausruf ließ Runa mit einem spitzen Quieken einen Satz rückwärts machen und sie landete ungeschickt auf ihrem Hinterteil.

Vopiscus schien mit seinem überraschenden Auftritt mehr als zufrieden, denn ein breites Grinsen hatte sich über seine Lippen ausgebreitet und seine braunen Augen blitzten. So schlecht er auch in diesem Spiel war, eines beherrschte er sehr gut: sich anzuschleichen.

„Du hättest dich sehen müssen!"

Nur unterbrochen von seinem eigenen Lachen äffte Vopiscus ihre Reaktion völlig überspitzt nach.

Wütend rappelte sich Runa auf und klopfte sich den Schmutz von ihrer Kleidung. „Das ist nicht witzig, du Schafskopf!"

„Doch, sehr sogar." Vopiscus lachte.

„Das zahl ich dir heim", verkündete Runa finster, ehe sie vorschnellte. Gerade noch rechtzeitig wich der Junge zurück und lief los, dicht gefolgt von der verna, die ihn quer durch den Garten jagte.

Die Sonne begann bereits hinter den Dächern der Villa zu versinken, als sie sich erschöpft vom Spielen ins Gras fallen ließen. Schwer atmend blickte Runa in den Himmel hoch. Irgendwo in ihrem Hinterkopf regte sich das schlechte Gewissen, denn ihr war klar, dass ihre Mutter nichts hiervon guthieß, auch wenn sie nicht begriff, weshalb.

„Wir sind nicht wie sie." Daran erinnerte sie Runa oft genug, als ob sie es selbst nicht wüsste.

Ihr Blick huschte zu dem Jungen neben ihr.

Vopiscus, eigentlich ein komischer Name, fand sie. Sie hatte von keinem anderen Römer gehört, der ihn trug, bloß von vielen, die man Gaius, Marcus oder Lucius nannte. Aber irgendwie mochte sie das. Damit war er auch anders und ähnelte vielleicht ein bisschen ihr.

Nein, er ist nicht so wie ich.

Er war frei. Nichts konnte diesen Unterschied ausgleichen.

„Vopiscus?", fragte sie vorsichtig.

Der Junge gab nur ein leises "hmm" zur Antwort.

Nervös kaute Runa auf ihrer Unterlippe. „Wir sind doch Freunde, oder?"

Dass sie Sklavin war und er Römer bedeutete schließlich nicht, dass sie nicht befreundet sein konnten oder? Ein paar Dinge hatten sie ja doch gemein. Runa hatte ihren Vater früh verloren, er seine Mutter ... Und sie konnten miteinander lachen.

So gut es im Liegen ging, zuckte Vopiscus mit den Schultern. „Ja."

„Und das bleiben wir auch?"

Er stützte sich auf einen Arm und sah sie mit einem verschmitzten Grinsen an.

„Natürlich. Und wenn ich erst einmal Konsul und großer Eroberer bin, nehme ich dich mit nach Rom, damit du meinen Triumphzug von den besten Plätzen aus sehen kannst", verkündete er stolz. Das Leuchten in seinen Augen verriet unmissverständlich, wie sehr er sich diesen Ruhm wirklich wünschte.
Ihre Mutter hatte ihr schon oft erzählt, dass Frauen in ihrer Heimat eine engere Verbindung zu den Göttern hatten und einige ganz besonders. Seherinnen nannte man sie. Für einen Augenblick fragte sie sich, ob das merkwürdige Gefühl, das sich in ihrem Brustkorb regte, ein Hinweis der Götter sein konnte.

Runa richtete sich ebenso ein wenig auf und legte in kindlichem Ernst die Stirn in Falten.

„Versprochen?"

„Versprochen."

Sie hatte gelächelt und keine Sekunde daran gezweifelt, dass das geschehen würde. Egal, ob ihr die Götter dieses Gefühl und ihre Träume von der Zukunft schickten oder nicht.

Vielleicht würde Vopiscus auch eines Tages all das erreichen. Doch wenn er das tat, sähe Runa seinen Triumphzug nicht. Denn der Stiefsohn ihrer alten Herrin hatte sie verraten, sie verkauft.

Er hatte sein Versprechen gebrochen.


Als Runa die Augen aufschlug, verfluchte sie ihre Träume dafür, dass sie sie ausgerechnet daran erinnern mussten, wie schmerzhaft Verrat sein konnte. Nach all den Jahren, den vielen Sommern und Wintern, die Vopiscus entfernt verbracht hatte, um sich zu bilden, und schließlich erste Erfahrungen im Krieg zu sammeln, hätte es sie nicht weiter verwundert, wenn ihre kindliche Freundschaft das nicht überdauerte. Letztendlich war er ihr auch zum Fremden geworden. Runa hatte erwartet, dass er sie längst vergessen hätte, da sie sich wiederbegegnen würden. Doch dass ihm all das so wenig bedeutet haben konnte, dass er sie mit Genugtuung verkaufte, ließ sie zweifeln, ob sie ihn jemals gekannt hatte. Vopiscus war klar gewesen, welchem Schicksal er sie überließ und er hatte es nicht bedauert. Im Gegenteil.
In ihrer Magengrube sammelte sich heißer Zorn, ein vager Wunsch nach Rache.

Schnell schüttelte Runa die unliebsamen Erinnerungen ab, die sie ausgerechnet jetzt in den wenigen Momenten der Ruhe heimgesucht hatten, die man ihr gewehrte.

Das Abendmahl musste bald aufgetragen werden. Hastig strich sie ihre Tunika glatt, während sie die Sklavenunterkünfte verließ. Wieder ausgeruhter mutete die Villa sogar noch einladender an als zuvor. Über ihr lag nicht die unheilverkündende Stimmung, die in Calpurnius' Haus nahezu greifbar war.

Doch es blieb ihr wenig Zeit auf die Einzelheiten kunstvoller Malereien und Mosaike zu achten, denn sie wurde kurz später bereits von einer anderen Sklavin angewiesen, für die junge Herrin Wasser zu holen. Runas Gedanken huschten zu Annaea, wie sie im Circus Maximus mit leuchtenden Augen auf die Rennbahn geblickt hatte. In ihrer Stimme hatte so eine selbstverständliche Freundlichkeit gelegen, als spräche sie nicht mit einer fremden serva. Es schien sie überhaupt nicht zu kümmern, wer oder was Runa war. Alleine die Erinnerung erfüllte sie mit einer zarten Wärme, die allerdings sofort von Kälte erstickt wurde.

Ob es ihr gut ging? Zu gerne hätte sie sich selbst davon überzeugt, aber das stand ihr nicht zu.

Unwillkürlich beschleunigte sie ihren Schritt. Sie konnte bloß tun, was man ihr befahl.
Als sie mit dem schweren Krug das einsame Gartenperistyl durchquerte, verspürte die Sklavin zum ersten Mal, seit sie ihr Zuhause verlassen musste, keinen stillen Trotz in ihrer Magengrube. Bei jeder Bewegung gluckerte das Wasser geräuschvoll in dem Gefäß und sie gab sich die größte Mühe, nicht einen Tropfen davon zu verschütten, ohne dabei zu viel Zeit zu verlieren. Ihre Arme fühlten sich immer noch schwächer an als sonst und Runa war sich nicht sicher, ob sie ihnen vertrauen konnte, dass sie ihre Aufgabe erfüllten.

Im Vorübergehen streifte ihr Blick die Dianastatue, die ihr bei der Ankunft bereits aufgefallen war. In einer kunstvoll gearbeiteten Pose spannte sie einen Pfeil und richtete ihn gen Himmel. Jede einzelne der Proportionen ihres schlanken Körpers schien makellos. Wie von einem sanften Windhauch bewegt, umspielte die steinerne Kleidung ihre Gestalt und zu ihren Füßen, als wären sie nur dafür gewachsen, wanden sich Pflanzen. Aus der Nähe war die Diana noch schöner, als Runa vermutet hätte – niemand, der sie passierte, konnte der fesselnden Wirkung des Kunstwerks entgehen.

„Das sieht schwer aus", stellte eine samtige Stimme fest.

Erschrocken wich sie zurück, wobei die Amphore ihren Fingern entglitt. Noch während Runa reflexartig nach dem Gefäß griff, hörte sie es auf dem Boden zerspringen. Das Geräusch des berstenden Tons zerriss scheinbar ohrenbetäubend die Stille im Haus und drang durch jede Faser ihres Körpers. In einem Schwall ergoss sich das Wasser über den Steinboden und das Gras. Runa fühlte ihr Herz einen schmerzhaften Schlag lang aussetzen.

So sehr sie Artemisia auch glauben wollte, einen solchen Fehler durfte sie sich unmöglich an ihrem ersten Tag hier leisten. Womit hatte sie Fortunas Gunst derart verspielt, dass sie das Unglück auf jeden Schritt verfolgte? Diesmal in Form der für sie körperlosen Stimme, die sie so erschreckt hatte.

Wer war das?

Runas Blicke huschten durch das Gartenperistyl, das sie wenige Momente zuvor noch für verlassen gehalten hatte, um schließlich an der Gestalt hängen zu bleiben, die unscheinbar an eine der Säulen gelehnt stand.

Halb im Schatten trafen bloß einzelne Sonnenstrahlen auf das lockige schwarze Haar, unter dem ein Paar wachsamer grauer Augen hervorblickte, das sie musterte. Es lag unverkennbar ein amüsiertes Funkeln darin, das sich auch in dem Lächeln widerspiegelte, zu dem seine Lippen verzogen waren. Runa erkannte den attraktiven Mann sofort. Es war Marcus Atius' Freund Appius.

Ihre Fassung wiederfindend schlug sie höflich den Blick nieder, suchte allerdings vergeblich nach den richtigen Worten. Jene, die ihr auf der Zunge lagen, waren es nicht.

„Du musst vorsichtiger sein. Ich bezweifle, dass mein Freund es schätzt, wenn er in kürzester Zeit keine vollständigen Krüge mehr besitzt", stellte er immer noch ein wenig belustigt fest, was den Inhalt seiner Worte aber nicht des Ernstes beraubte. Ihre Bedeutung traf sie wie ein Schlag und vertrieben jeglichen Unmut in ihrem Inneren über Durios Verhalten.

Als wäre es ein stummer Befehl bückte sich die Sklavin hastig nach den Scherben, um sie einzusammeln. Sie durfte sich vor ihm nicht noch unfähiger anstellen, als sie es bisher ohnehin getan hatte.

„Verzeih, Herr...", flüsterte Runa mit zitternder Stimme.

Natürlich würde der Römer sie verraten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sich vor dem Tribun darüber lustig machen würde, welche ungeschickte Sklavin er sich durch seine Wette ins Haus geholt hatte. Warum sollte er es seinem Freund auch verschweigen? Der Tribun würde wütend sein und – was? Sie bestrafen? Wie hart? Sie vielleicht doch noch verkaufen? Wie streng konnte er wirklich sein?

Wenn sie daran dachte, wie er im Atrium mit ihr gesprochen hatte ...

Wie eine dunkle Vorahnung spürte sie das Brennen der Peitschenhiebe durch ihren Rücken zucken und Verzweiflung bohrte sich in ihr Herz. Würde es noch schlimmer werden als das letzte Mal? Unwillkürlich krampfte sich ihr Magen vor Übelkeit zusammen.

Dem Rascheln und den Schritten nach zu urteilen, löste sich der Mann von der Säule und trat auf sie zu.

„Ich wollte dich nicht erschrecken."

Runa wagte es nicht, zu Durio aufzuschauen, der dicht neben ihr stehen geblieben war. Sie erhaschte bloß einen Blick auf seine Füße.

Sie biss sich auf die zitternde Unterlippe.

„Nein, ich ... verzeih meine Ungeschicktheit. Ich ... Ich muss der jungen domina Wasser bringen. Wenn du etwas wünschst, Herr, werde ich dafür sorgen, dass sich sofort jemand darum kümmert", stotterte sie mit rauer Stimme. Dabei ließen ihre bebenden Hände die aufgesammelten Scherben beinahe wieder fallen, während sie nach weiteren griff.

Warum konnte Durio nicht einfach verschwinden? Wieso war er immer noch hier?

Eine warme Berührung an ihren Fingern ließ sie mitten in der Bewegung innehalten. Im letzten Moment unterdrückte sie den Reflex, zurückzuweichen. Allen besseren Wissens zuwider zuckte ihr Blick von der fremden Hand an ihrer hoch zu dem Römer, in dessen Gesicht nach wie vor dieselbe unbewegte Fröhlichkeit geschrieben stand. Allerdings wusste Runa nicht, ob ihr zu trauen war. Schließlich hatte sie Sempronius Durio nie anders gesehen und hätte darauf geschworen, dass er sich auf Calpurnius' Gastmahl gut amüsierte, bis er Atius im Garten das Gegenteil eröffnet hatte. Wahrscheinlich waren seine wahren Gedanken ebenso schwer zu lesen wie die des Tribuns, bloß verbarg er sie hinter mehr Charme und Frohsinn statt Nüchternheit. Einem, dem die meisten anscheinend nicht widerstehen konnten. Nicht einmal der Senator, der Appius unabhängig von seiner Freundschaft mit Scapula, unglaublich zu schätzen schien.

„Hol' das Wasser und gib die Scherben mir, serva", befahl er bestimmt, ohne die geringste Spur von Verärgerung. Doch es war auch nicht sein Besitz, der in die Brüche ging.

Runa schluckte schwer, gehorchte aber ohne zu zögern oder Fragen zu stellen.

„Das Chaos scheint mich zu verfolgen. Eigentlich wollte ich nur einen kleinen Blick auf Roms Helena werfen." In seinen Worten schwang unüberhörbar ein Hauch Spott mit.

„Aber ich werde doch hoffentlich keinen Krieg auslösen." Die Erwiderung war so schnell über ihre Lippen geschlüpft, dass sie nicht weiter darüber nachdenken hatte können.

Sei still!

Hatte sie denn gar nichts gelernt?

Appius schien zum Glück nicht verärgert, sondern zu ihrer eigenen Verwunderung erfreut, dass sie das Wort erhob. Unauffällig wieder zu ihm hochblickend erkannte sie für die wenigen Augenblicke, wie sich sein Lächeln verbreitete.
„Ich fürchte, dieser Krieg hat bereits vor einiger Zeit begonnen."
Runa horchte auf. Sie hätte zu gerne die ganze Geschichte von Calpurnius' und Atius' Hass füreinander gewusst, aber Durio sprach nicht weiter.
„Wichtig ist doch, dass er nicht wie in Ilion mit dem Tod seiner Helden endet."

„Eine gebildete Sklavin?" Appius lachte leise. „Wie ungewöhnlich."
Runa drängte sich die Vermutung auf, dass er sich über sie lustig machen wollte, sich über sie amüsierte wie über ein witziges Kuriosum – und letztendlich bloß mit ihr spielte wie eine Katze mit der Maus, bevor sie sie tötete. Ein unbehagliches Prickeln breitete sich auf ihrer Haut aus.
„Lernt man solche Dinge jetzt in Germanien?"

„Mir wurde von meiner alten domina erlaubt, viel zu lesen, Herr", murmelte Runa, ihre Finger im Stoff ihrer Tunika vergraben, nervös nach einer Beschäftigung suchend. Sie fragte sich, wann sie gehen durfte. Mittlerweile hätte sie längst mit dem Wasser zurück sein sollen ...
„Bemerkenswert. Zu schade, dass ich an dieser Wette nicht teilgenommen habe."
Ein scharfes Aufatmen unterbrach die Worte, die noch hätten folgen können. Verwundert hochblinzelnd bemerkte Runa den dünnen Faden Blut, der sich über Appius' Hand zog. Eine der Scherben hatte sich in seine Haut gebohrt und einen kleinen, aber tiefen Schnitt hinterlassen.
„Herr –", setzte Runa an, doch der Mann winkte bloß ab.
„Kümmere dich um deine Herrin, serva."
Sie zögerte.
„Und keine Sorge", ein Schmunzeln, das sie weder als bedrohlich noch als freundlich hätte bezeichnen können, breitete sich auf seinen Lippen aus, „ich werde dich nicht verraten."
Mit einem gehauchten „Danke" huschte Runa davon, unsicher, was sie darüber denken sollte, dass der Freund des Tribuns ihr Missgeschick für sich behalten wollte. Doch nun wusste sie, dass das einzig Richtige Misstrauen gegenüber dem Römer war.


Marcus war sich sicher, dass keine der erlesenen aufgetischten Speisen für den heutigen Abend vorgesehen gewesen wäre, ebenso wie er nicht daran zweifelte, dass seine Ehefrau dafür verantwortlich war. Wenn Livia eines war, dann eine hervorragende Gastgeberin. Sie wusste dafür zu sorgen, dass jeder Besucher sich bei ihm bestens aufgehoben fühlte, gerne kam und nur widerstrebend wieder ging, und der tribunus bewunderte es.

„Was gedenkst du jetzt zurück in Rom zu tun, Durio?", fragte Livia interessiert nach einem kleinen Schluck Wein, den die neue Sklavin soeben nachgeschenkt hatte. Zu Atius' Zufriedenheit machte sie ihre Aufgabe bisher gut und seine Frau würdigte sie, wie jede andere serva auch, keines Blickes, was ihn hoffen ließ, dass sie ihren Unmut über die Wette und seinen Gewinn bereits hinter sich gelassen hatte. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Livia sich leidenschaftlich über etwas empört hätte, ehe sie es letztendlich genauso schnell wieder vergaß.

Appius tat es ihr gleich, bevor er ihr antwortete, den Wein sichtlich genießend. „Ich wurde für die nächste Amtsperiode zum Ädil gewählt."

„Meine Gratulation", ein höfliches Lächeln hob Livias Mundwinkel ein wenig. „Marcus, du hast mir gar nicht davon erzählt. Ich kenne deine Freunde ja kaum."
Hinter dem scherzhaften, gespielten Tadel verbarg sich tatsächlicher, das wusste der Tribun. Sie schätzte es, zuvor alles über ihre Gäste zu wissen – ob zu ihrem Nutzen oder deren Schaden.
Flüchtig berührte er Livias Hand, ein Zeichen von Zuneigung, das sich fast fremd anfühlte. Es war wie sein sanfter Ton bloß aufgesetzt.

„Tut mir leid, meine Liebe, ich muss es vergessen haben."
Läge jetzt bei ihnen nicht ein Gast, hätte er sich nicht die Mühe gemacht, seine wahren Gefühle zu verbergen und seinen Unmut ungeschönt preisgegeben. Im Augenblick widerstrebten Marcus diese belanglosen Gespräche – selbst, wenn es um seinen engsten Freund ging – und am liebsten hätte er sich heute den restlichen Tag in sein Schlafzimmer zurückgezogen.

 Dementsprechend blieb der Tribun bei diesem Abendmahl noch schweigsamer als sonst. Immer wieder zuckten seine Blicke zu dem leeren Platz, an dem für gewöhnlich Annaea gelegen hätte. Sein reger Appetit, der erst langsam begonnen hatte zurückzukehren, hatte sich vollends verflüchtigt. Nur mühsam zwang sich Marcus, ein paar Bissen zu essen. Es wollte ihm nicht schmecken.

Wie um seine eigene Stille zu kompensieren, sprach Livia umso angeregter mit Appius, der all das einfach zur Kenntnis nahm und nicht versuchte, Atius aus seiner trüben Gedankenwelt zu reißen.

Erst nach der cena erhob der Tribun wieder das Wort: „Lässt du uns ein wenig alleine, carissima?"
Erneut bemühte er sich, nicht zu harsch zu klingen. Nicht nur, weil sie in Gesellschaft waren, sondern auch, weil Livia keine Schuld an seiner üblen Laune traf.
Ohne ein einziges Anzeichen von Widerwillen, obwohl sie sicherlich nicht gerade begeistert von Marcus' Wunsch war, erhob sie sich von ihrer Speiseliege.

„Natürlich, ihr wollt euch alleine unterhalten. Durio, du bist uns hier jederzeit willkommen."
Appius schmunzelte. „Ich wäre vorsichtig mit solchen Angeboten. So gut umsorgt, besteht die Gefahr, dass ich euch gar nicht mehr verlassen möchte."
Livia verabschiedete sich lächelnd von ihm und in dem Moment, da sie aus dem triclinium getreten war, rief Marcus die Germanin zurück.
„Du behauptetest, du könntest Lyra spielen?"

Den Blick höflich auf den Boden und sein Mosaik gesenkt, nickte sie. „Ja, Herr."
„Dann spiel."
Der Wunsch nach Musik war nicht der einzige Grund dafür – er wollte auch, dass sie sich unter die Worte der beiden mischte, sie überdeckte und für jeden, der zu lauschen wagte, unverständlich machte.

Appius musste das begriffen haben, denn über sein Gesicht huschte ein wissender Ausdruck, während er für einige Augenblicke wie versunken die Sklavin betrachtete und den Klängen lauschte, denen er selbst unter anderen Umständen auch ihre Schönheit zugestanden hätte.
„Es war Calpurnius", unterbrach Marcus schließlich die Melodie.

Der Blick seines Freundes zuckte zu ihm, plötzlich bar jeder Spur von Verträumtheit oder Heiterkeit. Es war ein Ernst, den man selten an ihm sah. Ohne, dass der tribunus näher ausführen musste, begriff er.
„Was macht dich dessen so sicher?"

„Weshalb sollte irgendein Fremder es ausgerechnet auf diese Sklavin abgesehen haben? Seine Aufgabe war, sie zu töten, wenn ich die Wette gewinne."
Nur für einen Moment schien das Spiel der Germanin etwas verzögert, doch Marcus nahm es bloß am Rande wahr.

Appius hatte die Finger ineinander verschränkt und blickte ihn darüber hinweg ernst an. „Es sähe ihm nicht unähnlich so etwas zu tun. Decimus war nie ein guter Verlierer. Doch letztendlich ist es ihm schließlich nicht geglückt."

„Er hat damit sein Wort gebrochen", warf Marcus sofort ein, „und hat mit dem ausgelösten Chaos das Leben meiner Nichte und Frau riskiert."
Marcus schluckte schwer, als der Zorn, der den ganzen Tag nicht hatte verrauchen wollen, nun wieder frisch in ihm aufloderte, gemeinsam mit der Angst, die ihn durchsetzte. 

„Annaea wäre beinahe gestorben", brachte er wesentlich gequälter hervor, als es ihm lieb war, und seine Hand strich fahrig über sein Gesicht. Aber vor Appius schämte er sich nicht, die Maske der Gefasstheit fallen zu lassen und seine waren Gefühle zu offenbaren. Zumal es wohl keinen Sinn gehabt hätte, sie vor ihm zu verbergen, kannte er sie doch vermutlich längst. Letztlich wäre es Atius sogar schändlich erschienen, ihre Freundschaft damit zu beschmutzen, Appius etwas vorzuspielen.
In dessen Blick schienen sich seine eigenen Sorgen widerzuspiegeln.

Der Tribun bemühte sich, sich schnell wieder zu fassen. „Unsere früheren Rivalitäten waren eine Sache; das hier ist eine andere. Ich gebe zu, ich habe unsere Fehde selbst nie ganz ernst genommen, aber hierfür lasse ich ihn bezahlen. Ab nun wird er erfahren müssen, was es bedeutet, mich tatsächlich zum Feind zu haben. Kann ich in dieser Sache auf dich zählen? Ich weiß, ihr seid Freunde –"

„Ich habe keine Freunde", erklärte Appius mit einem schiefen Lächeln, in dem etwas Durchtriebenes, Unheilverkündendes lag. „Ich habe einen einzigen."

Und für diesen hätte er keinen Augenblick gezögert, jene zu verraten, die sich lediglich in seiner Gunst wähnten. Viele mochten ihn für einen leichtlebigen, weitestgehend harmlosen Menschen halten, und ahnten nicht, welch hohes Gut wahrhaftige Freundschaft und Loyalität für ihn war – und er keinesfalls unterschätzt werden sollte.

Es war alles gesagt, die Nacht längst hereingebrochen und sein Freund hatte ihn schon vor einer Weile verlassen, da lag der Tribun noch an derselben Stelle, den Becher Wein in der Hand, den er vergessen zu haben schien, ebenso wie die Sklavin, die immer noch einige Schritte entfernt mit der Lyra saß und spielte. 

Plötzlich, als hätte ihn etwas wachgerüttelt, zuckte sein Blick von dem unbestimmten Punkt, auf den er gerichtet war, hoch und heftete sich an sie.

Ihr eigener sank sofort wieder auf den Boden, doch nicht schnell genug, dass Marcus nicht bemerkt hätte, dass sie ihn eben noch angesehen hatte. Ihre Finger zupften jedoch weiterhin geschickt an den Saiten des Instruments, ohne sich beirren zu lassen. 

Nun, den Kopf gesenkt, erinnerte ihre Pose an die einer Statue der Calliopa, die er aus Appius' Haus kannte. Bloß, dass das warme Licht von ihr nicht einfach zurückgeworfen wurde, sondern sich in ihrem Haar verfing und ihm einen ungewöhnlichen goldenen Glanz verlieh. In ihren tiefschwarzen Augen tanzten die Flammen der Lampe. Ja, so sah sie wirklich beinahe wie etwas Göttliches aus ...

„Komm her, serva."

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