V. De cladibus et victoriis
Gleich zu Beginn möchte ich mich entschuldigen, falls dieses Kapitel etwas schwer zu lesen sein wird. Wattpad hat die unangenehme Eigenschaft manchmal einfach Leerzeichen zu löschen und dieses Kapitel ist besonders hart davon betroffen. Ich hab mir Mühe gegeben, das Problem zu beheben, könnte aber etwas übersehen haben.
Weiß jemand woher das kommt und was man dagegen tun kann, außer mühsam alles zu korrigieren? Ich finde das, nämlich ganz schön nervig...
Trotzdem: viel Spaß beim Lesen!
V. De cladibus et victoriis
Von Niederlagen und Siegen
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- Publilius Syrus
Der Ruhm eines Hochmütigen wird schnell zur Schande
Eine Sekunde, nur eine einzige Sekunde der Unachtsamkeit, ein Augenblick, in dem sie es gewagt hatte, ihr Schild sinken zu lassen und sich erlaubte zu atmen würden ihr auf die denkbar schrecklichste Art zum Verhängnis werden, das wusste sie. Vielleicht lag es nicht alleine an seiner Selbstverliebtheit, dass Calpunius' Abbilder kalt und tot über jeden Fleck dieses Anwesens wachten, sondern war eine stille Warnung, die sich auch bewahrheiten sollte. Nichts entging seinem eisigen Blick - und wenn es die Augen anderer waren, derer er sich dafür bedienen musste.
Vergeblich versuchte Runa die Enge, die ihren Hals zuschnürte, hinunterzuschlucken, während sie langsam den Blick hob. Doch vor ihr stand nicht Calpurnius, nicht einmal einer seiner treuen Sklaven. Stattdessen traf sie auf ein Paar bernsteinfarbener Augen, die sie wachsam musterten. Der Centurio. Er war immer noch hier draußen?
Einige Schritte entfernt stand er an eine der Säulen gelehnt und selbst in dieser entspannten Haltung büßte er keinen Funken an Würde und Autorität ein, die ihn fast spürbar umgaben, sich im Raum ausbreiteten wie die Wärme eines Feuers, nur blieb unklar, ob es schützen oder unbarmherzig verbrennen würde. Die Flammen der Lampen zeichneten ein zitterndes Spiel aus Licht und Schatten in sein strenges Gesicht und ließen seine Narbe, die eine scharfe Linie über Wange und Lippen vollzog, immer wieder aufleuchten. Dabei spaltete sie auch ihn selbst in zwei, scheinbar völlig gegensätzliche, Hälften, die sich auf eine merkwürdige Art zu einem Ganzen zusammenfügten. Der eiskalte, harte Centurio traf auf einen gewandten, eleganten Mann, an dem Caesar selbst Gefallen zu finden schien.
Vergeblich versuchte sie abzuwiegen, ob er nun ein Freund oder Feind war. Er mochte Calpurnius zwar verachten, doch hielte ihn das davon zurück, ihn auf das Fehlverhalten seiner Sklaven hinzuweisen? Würde er dies nicht eher als ausgezeichnete Spitze gegen ihn willkommen heißen? Dem edlen Senator Parvus gelang es nicht einmal seine eigene serva richtig zu erziehen - das klang doch wirklich nach einem perfekten Affront. Welche Folgen ein kleiner Sieg für ihn und ein Zähneknirschen des Senators für eben jene Sklavin haben würden, musste ihn nicht weiter kümmern und würde es auch nicht.
Vermutlich sollte sie sich endgültig von dem Gedanken verabschieden, dass es in dieser ihrer neuen Welt auch nur in indirekter Weise so etwas wie Freunde gab. Entweder war ihr das Schicksal oder der Zufall gewogen oder nicht - und sie blieb dessen Spielball, der aus den unterschiedlichsten Motiven, die Menschen wie die in dem Haus versammelten bewegen mochten, hin und her gestoßen wurde. Wen diese Macht vor ein paar Augenblicken zu ihrem Freund gemacht hatte, konnte im nächsten bereits ihr Gegner sein. Hier waren alle ihre Feinde.
„Ave, Centurio. Mein Herr hat mir befohlen zu gehen‟, antwortete sie nach einigem Zögern. Allerdings war ihr bewusst, dass das nicht erklärte, wieso sie nicht in unmittelbarer Nähe auf neue Befehle wartete oder sich sonst nützlich machte.
„Ich habe nach dir gesucht‟, setzte sie also nach.
Kurz glaubte sie an den Schatten zu erkenne, wie sich eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen in seine Haut grub.
„Nach mir gesucht?‟, wiederholte er fragend.
„Meine Aufgabe ist es für die Zufriedenheit der Gäste zu sorgen, solange sie sich in diesem Haus befinden‟, antwortete sie, in der Hoffnung er würde ihr glauben. Natürlich hatte sie nicht nach ihm gesucht, hätte es nie, solange sie nicht den ausdrücklichen Befehl dazu erhielt. Für einen Herren wie Calpurnius würde sie nie mehr tun als das Nötigste. Sie war keine Olympias, der aus welchen Gründen auch immer, tatsächlich daran lag, dass er zufrieden war.
Nun löste sich sein Körper von der Säule und trat einen Schritt auf sie zu.
„Calpurnius weiß es, für seine Gäste zu sorgen‟, sprach er voller Sarkasmus. „Nun, wenn du schon hier bist, bring mir noch ein Glas Wein.‟
Runa nickte und eilte davon. Letztendlich schenkte er ihr damit mehr Zeit, die sie nicht bei Calpurnius und seiner Gesellschaft verbringen musste, wofür sie mehr als dankbar war. Mit einem der ungewöhnlichen aus Spiegelstein gearbeiteten Kelche - ohne Frage eine Sonderanfertigung für den Senator - kehrte sie zu dem Centurio zurück, der sich nun auf einer Bank im Garten niedergelassen hatte. Sein Blick war zum dunkelnden Himmel gehoben, an dem sich ein noch zart leuchtender Halbmond abzeichnete. In Gedanken schien er, wie bereits zuvor im Saal, ganz woanders, an einem Ort, an den niemand anderes jemals gelangen könnte. Leise, um ihn nicht zu stören, trat Runa zu ihm und hielt ihm den Kelch entgegen.
„Ah, der Wein, wie schön‟, bemerkte er, bevor er das Gefäß umfasste und einen kräftigen Schluck daraus trank. Für einen kurzen Augenblick zuckten seine Lippen. „Calpurnius hatte immer schon einen eigenwilligen Geschmack‟, stellte er kritisch fest, ehe er den Kelch kopfschüttelnd neben sich auf der steinernen Bank abstellte.
„Sieh dir diesen Garten an‟, forderte er sie auf, „er wäre doch schön, oder nicht? Würde mir nicht von jeder Ecke eine seiner schrecklichen Skulpturen entgegensehen. Ich frage mich, wie er den Anblick seines eigenen Gesichts überhaupt noch ertragen kann.‟
Ein leises Lachen verließ ihre Lippen. Wie recht er doch hatte! Selbst auf der prächtigen Herkulesstatue prangten sein unverkennbarer Kopf. Es war geradezu lächerlich wie er sich selbst inszenierte, war er doch alles andere als ein kräftiger Krieger, sondern bloß ein schmächtiger alternder Mann, dessen Gesichtszüge wohl kaum etwas Erhabenes an sich hatten und der verzweifelt versuchte, die Spuren der Zeit unter allerlei Prunk zu verstecken, wo sie begannen langsam sein Haar zu verfärben und zu lichten, Falten in seine Haut gruben und ihn noch schwächlicher aussehen ließen.
Sofort bohrte sich sein Blick in sie und Runa traf das Bewusstsein, was sie soeben getan hatte, wie die Hitze tausender Flammen, die ihren Körper in Brand versetzten. Sie hatte über ihren Herren gelacht.
„Du hast gelogen, du hast nicht nach mir gesucht, sondern dich unerlaubt hier draußen herumgetrieben, während du noch bei Calpurnius sein solltest‟ , stellte er nach einer Zeit, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, nüchtern fest.
„Solltest du nicht bei meinem Herren und deiner Frau sein, Centurio?‟, folgte ihre Gegenfrage mit zitternder Stimme. Sie hatte sich ohnehin in ihrer Gedankenlosigkeit in eine Lage manövriert, in der sie auf verlorenem Posten kämpfte. Genüsslich würde Atius dem Senator erzählen, wie unerzogen und respektlos doch seine Sklaven - oder eher, seine so stolz als „Prachtstück‟ betitelte Sklavin - doch waren und in der Demütigung, der er Calpurnius damit aussetzte, in vollen Zügen schwelgen. Sie dagegen würde eine Strafe erhalten, die nicht so gnädig verlaufen würde, wie seine letzte. Nichts, was sie nun sagte oder tat, würde daran noch etwas ändern können.
„Darüber steht dir kein Urteil zu. Halte deine Zunge im Zaum, serva. Für ein loses Mundwerk wie deines würden die meisten Sklaven mit der Peitsche bestraft werden‟, erwiderte er scharf. Aufmerksam musterte er sie, ehe seine Blicke an ihren Augen hängen blieben. „Sag mir, bist du auch so vorlaut, wenn du deinem Herren gegenüberstehst oder bloß hinter seinem Rücken?‟ In seiner dunklen Stimme lag ein merkwürdiger Unterton, den Runa nicht zu deuten vermochte, doch etwas daran beunruhigte sie.
Unschlüssig, was sie darauf antworten sollte, entschied sie sich zu schweigen, oder vielmehr weigerte sich jeder Ton ihre Lippen zu verlassen.
„Brauchst du plötzlich seine Erlaubnis, um zu sprechen? Antworte.‟ Anders als bei ihrem tatsächlichen Herren lag keinerlei Zorn in seinen Worten, sie waren so ruhig wie alle jene, die er jemals zu ihr gesprochen hatte, und eben das, diese Undurchschaubarkeit, weckte ihre Besorgnis umso mehr.
„Am Tag, an dem er mich erworben hat, habe ich von ihm losgerissen und versucht zu fliehen‟, antwortete sie zögerlich.
„Du hast dich von ihm losgerissen? Wie?‟, fragte er verwundert. Noch immer brannte sich sein Blick in ihre Augen. Irgendetwas sagte ihr, dass er nun auch mit ihr ein Spiel trieb, wie mit Calpurnius auf dem Markt, bloß wusste sie diesmal nicht welches das sein mochte und wie - oder ob - es ihr möglich war zu gewinnen.
Zitternd atmete sie ein. „Ich habe ihn getreten‟, gab sie kaum hörbar zu.
Völlig unerwartet stieg ein warmes, dunkles Lachen in seiner Kehle auf. „Der ehrenwerte Senator Calpurnius Parvus, getreten von seiner eigenen Sklavin - zu schade, dass ich das nicht gesehen habe! Ich dachte schon, der sündhaft hohe Preis für dich wäre Strafe genug gewesen, und jetzt hat er sich doch tatsächlich statt einer zahmen Dienerin eine kleine Wildkatze ins Haus geholt, die ihm bereits am ersten Tag ihre Krallen zeigt. Oh ja, das ist viel besser als bloß die paar zusätzlichen Denare, die er an Claudius verloren hat.‟ Ein amüsiertes Blitzen huschte durch seine Augen. Nach einiger Zeit ebbte sein Lachen ab und er griff wieder nach seinem Kelch Wein, blickte für einen Moment in die blutrote Flüssigkeit, durch die die Bewegung kleine Wellen geschickt hatte. Mit wenig Begeisterung trank er einen Schluck.
„Mich überrascht nur, dass du nach so einem Ungehorsam noch hier vor mir stehst. Nachsicht und Güte zählen schließlich nicht zu Calpurnius' Eigenschaften. Dafür muss er dich doch bestimmt hart bestraft haben?‟
„Mit zehn Peitschenhieben‟, bestätigte Runa leise, was ihn aus irgendeinem Grund aufhören ließ. Für einen Moment verengten sich seine Augen zu Schlitzen und die kleine Falte, die sie schon einmal dort gesehen hatte, zeichnete sich erneut zwischen seinen Augenbrauen ab, ehe der Ausdruck ebenso schnell verschwand wie er in sein Gesicht getreten war, beinahe so als wäre er nie dort gewesen.
„Dein Herr wird nicht erfreut sein, wenn er erfährt, dass du durch seinen Garten wanderst, während er Gäste empfängt‟, stellte er dann schon nüchterner, aber doch noch ein klein wenig belustigt fest.
„Er wird auch nicht erfreut darüber sein, dass einer seiner Gäste lieber Zeit ohne ihn und die anderen verbringt und deine Frau wird dich an ihrer Seite vermissen‟, erwiderte sie ruhig. Was auch immer er nun mit ihr vorhatte, seine Entscheidung war bereits gefallen, dessen war sie sich sicher. Schweigen und Demut hätten ihr nichts genutzt, wieso also sollte sie nicht aussprechen, was sie tatsächlich dachte? Noch mehr Schaden anrichten konnten ihre Worte wohl kaum.
„Woher weißt du, dass sie meine Frau ist?‟
„Ich habe es bloß vermutet.‟
„Du bist ziemlich dreist für eine Sklavin. Vermutlich ist nichts von dem, das der Händler behauptet, wahr. Wie lange bist du wirklich schon hier? Ein Jahr? Ein paar Monate? Dafür wäre dein Latein allerdings beinahe zu gut.‟ Atius mochte Menschenkenntnis besitzen, zumindest glaubte Runa das, nachdem sie ihn einen mächtigen Mann wie Augustus hatte überzeugen sehen. Doch diesmal lag er mit seinen Vermutungen völlig falsch.
„Ich wurde in Rom geboren‟, antwortete sie.
„Als Sklavin?‟, fragte er ungläubig.
Runa nickte. „Ja. Das meiste, das Claudius erzählt hat, ist wahr.‟
„Also bist du tatsächlich die Tochter einer germanischen Sklavin und eines Griechen? Und doch benimmst du dich wie eine Wilde.‟ In seinen Augen lag unverhohlenes Interesse, als hätte er etwas vor sich, das er noch nie gesehen hatte.
Vermutlich hatte er in gewisser Weise recht. Diese Welt, in die sie nun so unerwartet geworfen worden war, war ihr fremd, völlig anders als ihre bisherige, in der sie zwar Sklavin gewesen war, doch eine, die in den Wänden ihrer Herrin von einer ihr am nächsten stehenden serva geboren worden war. Letzten Endes war sie dort sicher gewesen, nicht der Willkür und den Verlangen von Männern wie Calpurnius ausgesetzt. Stattdessen hatte ihre Anwesenheit die durch tragische Umstände kinderlose Herrin verzückt und ihr Freude bereitet. Das mochte zwar nicht ändern, dass sie auch Runa mit Strenge behandelt hatte, doch war sie nie so sehr Sklavin gewesen wie alle anderen.
„Meine alte Herrin, der ich gegen ihren Willen genommen wurde, hat mich gut erzogen, Centurio. Solange sie mich nicht verkauft, mich nicht mehr will, bleibt sie meine Herrin. Das war sie schon vor meinem ersten Atemzug und damit werde ich ihr bis zu meinem letzten loyal sein so gut ich kann. Der unrechtmäßige Handel, mit dem mich mein neuer Herr erworben hat, kann daran nichts ändern. Mir mag nicht freistehen zu wählen, wem ich diene, aber in welchem Sinne ich das tue.‟ Runa wählte ihre Worte mit Bedacht und war sich doch nicht ganz sicher, ob sie sich für die richtigen entschieden hatte.
Doch während sie sprach, wurde ihr eines deutlich bewusst, das sie die letzten Wochen strikt verdrängt hatte. Sie empfand Heimweh. Nach dem Haus, in dem sie aufgewachsen war, den anderen Sklaven, mit denen sie unzählige Stunden verbracht hatte, und nach ihrer Herrin, die ihr fast so etwas wie eine Mutter gewesen war. Selbst wenn Calpurnius ein Halbgott wäre, hätte das nicht ändern können, dass sie ihm nur diente, weil sie es musste, um in dieser Welt zu bestehen, nicht weil sie es wollte und schon gar nicht, weil sie ihm tatsächlich ergeben war.
Atius' Blick hatte sich in einen nachdenklichen verwandelt, der sie fast ein wenig geistesabwesend taxierte, während einer seiner Finger grüblerisch über seine Lippen strich.
„Marcus, hier bist du‟, durchdrang eine fremde Stimme die Stille. Überrascht wandte sich Runa um und erkannte den Mann, der zu ihnen trat, als einen der Gäste wieder. Dem verräterischen Funkeln in seinen grauen Augen konnte man entnehmen, dass er an diesem Abend wohl nicht wenig Wein getrunken hatte. Ein Lächeln zeichnete zarte Grübchen in seine Wangen und verformte seine stark geschwungenen Lippen, als er Atius erblickte. Wie auf dem der anderen Gäste thronte nun auch auf seinem Haupt ein Blumenkranz, unter dem ein paar tiefschwarze, leicht gelockte Haarsträhnen hervorlugten. Sein hübsches Gesicht hätte wesentlich besser auf die steinernen Abbilder von Göttern und Helden gepasst als Calpurnius', doch machte nicht das alleine seine unzweifelhafte Attraktivität aus. Viel mehr noch war diese der Aura verschuldet, die ihn umgab, und dafür sorgte, dass die weiblichen Gäste des Senators immer wieder verstohlen in seine Richtung blickten.
„Ich dachte schon, du wärst einfach über die Mauern geklettert und verschwunden‟, lachte er heiter, ohne Runa wirklich zu bemerken.
Auch ins Gesicht stahl sich ein kleines Lächeln. „Wie viel hast du getrunken, Appius?‟
„Nicht genug, um den letzten Dichter zu ertragen. Wenn du länger hier bleibst, wird deine Abwesenheit Missfallen erregen - und ich langweile mich dort drinnen ohne dich zu Tode‟, erwiderte er schmunzelnd.
„Ich komme gleich‟, versicherte der Centurio seufzend.
„Das will ich auch hoffen. Immerhin bin ich nur deinetwegen hergekommen.‟ Mit einem letzten Lächeln wandte er sich ab und wollte bereits wieder hinein gehen. In Atius' Stirn grub sich plötzlich eine tiefe Falte, während er seinem Freund hinterher sah.
„Warte... ist das etwa...?‟, fragte er verwundert, ließ seine Frage allerdings unvollendet.
Appius blickte über die Schulter zu ihm. „Was ist?‟
Als würde er damit auch seinen Gedanken vertreiben schüttelte der Centurio den Kopf. „Ach, gar nichts.‟
Zwar runzelte sein Freund kurz die Stirn, wandte sich dann jedoch ab und verschwand wieder im Haus. Noch einmal betrachtete Marcus Atius den Kelch Wein, stürzte einen kräftigen Schluck seine Kehle hinab und atmete schließlich tief auf, ehe er sich von der Bank erhob und ihn Runa wieder in die Hand drückte.
„Der Rest ist für dich. Dafür, dass du mich so gut unterhalten hast. Ich hatte ohnehin zu viel von diesem Gesöff‟, meinte er im Gehen und erst jetzt bemerkte sie, dass im Klang seiner Stimme bereits die Schwere des Weins mitschwang.
Verwundert betrachtete Runa das Gefäß in ihrer Hand, unsicher, ob sie gerade richtig verstanden hatte. Plötzlich verstummten seine Schritte hinter ihr und kurz kehrte Stille ein.
„Hätte ich dich gekauft, hättest du auch versucht mit Schlägen und Tritten zu entkommen?‟, drangen seine Worte zu ihr.
Obwohl sie die Antwort sofort wusste, zögerte sie. Von allen, die sie Tag für Tag angestarrt hatten, hätten die Blicke der meisten auch einem Tier oder einem Stück Fleisch gelten können. Nur wenige bildeten eine Ausnahme und der Centurio zählte dazu. Vielleicht mochte es eine Täuschung sein, die nur verbarg, was tatsächlich in ihm vorging, doch wem sollte sie etwas vormachen? Sie hatte sich gewünscht, er hätte sie gekauft, nicht Calpurnius, den sie von der ersten Sekunde an gefürchtet hatte. Sie wusste nicht, was sich hinter der Verschlossenheit Atius' verbarg, doch wie viel schlimmer hätte es sein können als das, was dem Senator so offensichtlich anzusehen war?
„Nein‟, hauchte sie leise, ohne sich zu ihm umzudrehen.
„Weshalb nicht?‟
„Vielleicht kann auch unter schmutziger Kleidung manchmal ein Funken Weisheit stecken‟, erklärte sie ebenso leise. Jedenfalls wollte sie glauben, in ihm einen freundlicheren Herren gesehen zu haben und dass sie sich getäuscht hätte, wäre wohl mehr Glück gewesen als Fortuna ihr zugestanden hätte.
„Eine Sklavin, die Cicero kennt?‟, fragte er verblüfft, die Anspielung auf dessen Worte erkennend.
Erst jetzt wandte sie sich langsam zu ihm um. „Meine Herrin hat mich in jedem Sinne gut erzogen.‟ Dass das ein Luxus war, den nicht viele - schon gar nicht weibliche - Sklaven genossen, war ihr bewusst, doch was nützte ihr Wissen ihr jetzt schon? Calpurnius würde sie kaum für etwas einsetzen, wofür sie irgendetwas davon brauchen würde.
Eine Weile ruhte sein im Licht des Feuers fast bronzener Blick auf ihr. „Ich rate dir, seine Worte nicht in den Mund zu nehmen, wenn dich jemand hören könnte. Dort drinnen sitzen Freunde Caesar Augustus', die nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen sein werden.‟ Damit verschwand er im Inneren das Hauses und ließ Runa in dem Bewusstsein zurück, dass ihr bald wirklich das nächste Unheil drohte. Der Centurio hätte schließlich keinen Grund ihr Fehlverhalten zu verschweigen. Mit zitternden Fingern führte sie den Kelch an ihre Lippen und trank den gesamten Wein in einem Zug, bevor sie zu Calpurnius und seinen Gästen zurückkehrte.
Caesar Augustus winkte den Mann neben sich näher zu sich. Ergeben neigte der den Kopf und lauschte dessen Frage.
„Was kannst du mir über diesen Scapula erzählen?
„Nun, er ist ein ungewöhnlicher Mann. Er hätte alle Grundlagen gehabt, schnell hoch aufzusteigen, doch er hat sich keine einzige davon zu Nutzen gemacht, sondern darauf bestanden, sich wie jeder andere nur durch seine Fähigkeiten zu beweisen. Andernfalls wäre er vermutlich nicht mehr primus pilus. Trotzdem übersteigt sein Einfluss den dieses Ranges‟, begann der andere zu erklären, „so scheint es sich auch mit seinem Geld zu verhalten. Sein Vater war ein reicher Mann und hat ihm viel hinterlassen und doch macht er kaum davon Gebrauch.‟
Augustus nickte. Ja, das war nun wirklich ungewöhnlich. Beinahe erinnerte ihn der Mann, hinter dessen Charme sich ein tiefgründiger Charakter vermuten ließ, an einen seiner Freunde, der ebenso bescheiden war und bloß seinen hochgehaltenen Tugenden folgenden handelte. Ein Freund, der einzig in seiner Art und mit keinem anderen Römer, weder jetzt noch vor hunderten Jahren, zu vergleichen war. Vermutlich waren diese markanten Gemeinsamkeiten, die ihm sofort ins Auge gestochen waren, mitunter Gründe, wieso ihm der Mann sofort sympathisch gewesen war.
Zwar trat sein ernstes Gemüt in seiner Gegenwart ein wenig in den Hintergrund und wich einem wortgewandten, charmanten Mann mit dem Geschick eines Maecenas, aber doch sprach er aus tiefen, ehrenhaften Überzeugungen, nicht bloß auf irgendeinen Vorteil bedacht, wie der Senator, bei dem er soeben zu Gast war. Ja, er ist ein wenig wie mein Agrippa.
„Und woher stammt seine Rivalität mit Parvus?‟, fragte er weiter.
„Vor längerer Zeit soll Scapula ihn sehr gedemütigt haben. Er wurde als noch wesentlich unerfahrenerer Mann als Sohn des bedeutenden Mamercus Atius Scapula dazu aufgefordert von der Kriegslage zu berichten. Um welche Schlachten es sich handelte, weiß ich allerdings nicht mehr. Der Senator hatte jedenfalls seine eigenen Vorstellungen von der Lage, die aber ganz und gar dem Vortrag Scapulas zuwider liefen. Vielleicht handelte es sich um ein irgendwie geartetes persönliches Interesse, aus dem er sprach. Parvus setzte darauf, dass sich ein unerfahrener Jüngling kaum vor der Kurie verteidigen könnte, wenn er ihn diskreditierte. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass der junge Scapula nicht nur ein scharfes Schwert besitzt, sondern eine ebenso messerscharfe Zunge und Verstand, die er genauso gut einzusetzen weiß - und so war er es, der vor den Augen der anderen Parvus' Argumente in der Luft zerriss. Damit hat er ihn als erfahrenen Mann hohen Amtes vor versammelter Menge bloßgestellt. Das hat er ihm noch lange nachgetragen und seit dem tut er alles, was er kann, um es dem Centurio heimzuzahlen, der seinerseits von Zeit zu Zeit die Gelegenheit ergreift, ihn in seine Schranken zu weisen‟, erzählte der Mann mit gesenkter Stimme.
Gespannt lauschte Augustus, ehe er nachdenklich nickte. Dieser Scapula schien ein Mann mit vielen Talenten zu sein, die er sich allerdings zu wenig zu Nutzen machte. Aber dies ließe sich schließlich noch ändern, denn er witterte in ihm Potential, das zu verschwenden, zu bedauerlich gewesen wäre als dass er das zugelassen hätte.
Marcus Atius Scapula war sich sicher, bereits zu viel Wein getrunken zu haben, als er zu den anderen Gästen zurückkehrte. Jetzt führte er schon Gespräche mit den Sklaven anderer! Allerdings, wie er zugeben musste, hatte ihm die kleine Unterhaltung mit dem Germanenmädchen weitaus mehr Freude bereitet als die meisten, die er an diesem Tag geführt hatte, und zählte daher mit der mit Augustus und jener mit Appius zu den wenigen, kleinen Höhepunkten dieses Gastmahls. Verrückt, dass er damit eine Sklavin, seinen besten Freund und Caesar höchstpersönlich in einem Atemzug nennen musste. Allerdings wusste er nicht, ob das für seine eigene Trunkenheit sprach oder vielmehr ganz einfach gegen Calpurnius' Freunde.
Erst hatte ihn die Frechheit der Sklavin bloß amüsiert und er hatte sich im Stillen dafür beglückwünscht, dass sie dank ihm dem hochnäsigen Senator für viel Geld auf der Nase herumtanzte. Die Vorstellung war zu komisch! Einmal abgesehen davon, dass dieser eigennützige Schleimer und selbstverliebte Dilettant nichts anderes verdient hatte als das. Letztendlich hatte dieses Mädchen ihn aber doch überrascht. Für ihn war sie nur eine scheinbar gehorsame serva gewesen, hinter deren unschuldigem Gesicht sich trotz allem noch eine kleine wilde Barbarin verbarg, die nicht so leicht zu bändigen war. Doch dahinter steckte mehr...
Was für eine seltsame Sklavin - sie besaß ein loses Mundwerk, flüchtete, wurde sogar in ihrer unfassbaren Dreistigkeit handgreiflich gegenüber ihrem dominus und sprach im nächsten Augenblick von ihrer alten Herrin, der sie treu ergeben war, und bediente sich dann noch Ciceros Worten. So recht zusammenpassen wollten diese Dinge nicht. Offensichtlich war sie doch nicht nur eine ungezogene Germanin. Aber was dann?
Schließlich war da auch noch etwas anderes, das ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, ein Widerspruch, der ihn beschäftigte. Der Calpurnius, den Marcus kannte, wäre gnadenlos mit einer Sklavin wie ihr verfahren und hätte sie niemals mit zehn Hieben davonkommen lassen. Nicht nach dem, was sie sich geleistet hatte, denn nichts war gefährlicher und forderte mehr Tribut als der verletzte Stolz des Senators. Als wäre das nicht bereits seltsam genug gewesen, schien er jedoch selbst bei dieser für ihn ungewöhnlich milden Strafe vorsichtig gewesen zu sein. An ihrem Rücken hatte er keine einzige Wunde finden können. War das nicht merkwürdig?
„Marcus, wo warst du denn so lange?‟, hauchte ihm Livia halb verärgert und halb enttäuscht ins Ohr, als er sie wieder erreicht hatte und rückte sofort näher zu ihm.
„Tut mir leid, ich habe mich nicht wohl gefühlt‟, entschuldigte er sich mit gesenkter Stimme, „aber du hast dich bestimmt auch ohne mich gut amüsiert.‟
„Scapula! Du beehrst uns wieder mit deiner Anwesenheit?‟, rief Calpurnius aus und alleine an seinem merkwürdig fröhlichen Ton erkannte Marcus, dass der Senator sich beim Trinken nicht gerade zurückgehalten hatte.
„Bringt ihm Wein‟, befahl er den Mundschenken, allesamt ansehnliche junge Männer, und sofort wurde ihm jener gereicht und ein schwer duftender Kranz aus Blättern und Blüten auf den Kopf gesetzte.
Appius' Blumenkranz, erinnerte er sich an seinen Gedanken von zuvor. Er kam ihm seltsam bekannt vor und hätte er es nicht besser gewusst, hätte er ihn für denselben gehalten, den Annaea noch heute gebunden hatte. Doch natürlich war das Unsinn. Wie sollte Appius ihn auch bekommen haben? Letztendlich war es nur ein Kranz, der genauso gut jeder andere hätte sein können, der aus denselben Blumen gefertigt worden war. Vermutlich unterschieden sie sich kaum voneinander und wenn doch, wäre er wohl der letzte gewesen, der sich auf die feinen Unterschiede davon verstand.
Marcus nippte bloß an dem Wein, der zwar ohne Zweifel sehr teuer gewesen war, doch zu sehr Calpurnius' Geschmack traf - wie alles hier - und damit seinen eigenen nur in Maßen.
Der Senator beobachtete ihn amüsiert. „Ich bitte dich, du hast heute kaum etwas von meinem, dem besten Wein Roms getrunken. Das könnte man fast schon als Beleidigung auffassen. Im Feldlager wird doch auch nicht nur sparsam an den Kelchen genippt - und das trotz des billigen Gesöffs, mit dem man sich dort zufrieden geben muss. Hat das etwa deinen Gaumen verdorben?‟
Dunkel nahm Marcus das leise, deutlich angeheiterte Lachen und Raunen um sich wahr, das ihn nur wieder daran erinnerte, wie sehr er die meisten Menschen hier hasste. Wie es schien, legte es der durch den Alkohol übermütig gewordene Calpurnius auf eine Konfrontation an, in der er sich selbst bereits als Gewinner sah. Alleine das bewog den Centurio zu einem größeren Schluck des Alkohols, der würzig und kühl seine Kehle hinabfloss.
„Die Zeit im kalten Norden war ohne Zweifel hart. Hoffentlich haben die Germanen mit ihrem Barbarischen nicht auf dich abgefärbt‟, fuhr der Senator halb schockiert, halb abfällig fort. „Aber wenn dir der Wein zu edel ist, werde ich dich als meinen geschätzten Gast bestimmt nicht zwingen, ihn zu trinken.‟
Langsam wünschte Atius sich tatsächlich er hätte getan, was Appius vorhin scherzhaft erwähnt hatte und wäre ganz einfach über die Mauer geklettert und verschwunden, um sich den in Selbstgefälligkeit sonnenden Calpurnius nicht länger anhören zu müssen. Der Senator erfreute sich offensichtlich daran, sich Feinde zu machen, in der Annahme der Centurio wäre kein gefährlicher. Den Zwischenfall auf dem Markt trug er ihm, wie er ihn kannte, nach und würde die kleine Demütigung mit allen Mitteln übertrumpfen wollen - diesmal allerdings vor Publikum. Was für ein armseliges Spiel!
Appius' Blicke verfolgten mit einer gewissen Besorgnis das Geschehen, gespannt, was nun folgen würde. Im Zweifelsfall hätte er sich ohne Frage auf die Seite seines Freundes gestellt, nun wartete er aber schweigend ab, was diese pure Provokation noch auslösen würde.
Noch ehe Marcus etwas hätte erwidern können, fuhr Calpurnius fort: „Ich mag es nicht, wenn meine Gäste ihre Gläser nicht leeren, selbst meinem guten, alten Freund Atius Scapula würde ich das nicht so schnell verzeihen.‟ In seinem überschwänglichen Ton klang so eindeutig süffisanter Tadel mit, dass Marcus ihn am liebsten auf der Stelle erwürgt hätte.
„Lass uns doch ein kleines Spiel spielen, eine Wette abschließen‟, während er sprach verzog ein herausforderndes Lächeln seine Mundwinkel und in seinen dunklen Augen lag ein Funkeln, das mit Sicherheit nicht der Alkohol alleine aufflackern ließ, „leere deinen Kelch ohne den Wein zu trinken oder zu verschütten und du gewinnst.‟
Das Ganze war so albern, dass Marcus sich nun sicher war, dass der Senator völlig betrunken sein musste. Ein dummes Spiel, mit dem sich Calpurnius auf plumpe Art und Weise über ihn stellen und seinen Gegner lächerlich zu machen suchte. Dabei ließ er dem Centurio auch keine andere Wahl als diese Farce mitzumachen.
„Was ist der Gewinn?‟
Erstaunt blickte Runain Atius' Richtung, als dieser ohne großes Zögern auf Calpurnius Wette einging.Viel eher hatte sie erwartet, er würde sich geschickt aus dieser völligabsurden Situation befreien, aber vielleicht bestand diese Chance gar nicht. Injedem Falle würde sich Calpurnius einen Spaß auf seine Kosten erlauben - wennder so hochgepriesene Centurio dann bereits vor einer kleinen Wettezurückschreckte, würde das bestimmt nicht dazu beitragen, dass man ihn ernstnahm.
„Alles, was du möchtest. Sieh dich in meinem bescheidenen Haus um und wähle direinen Preis. Nichts, was du aussuchst, könnte ich nicht ersetzen‟, antworteteCalpurnius scheinbar großzügig, während Runa sich sicher war, dass er es bloßgenoss seinen Reichtum zu demonstrieren. „Was mich betrifft, so gibt es nichts,wonach mir von dir belieben würde.‟
Erneut ein so dreister Angriff!
„Ich bin wunschlos glücklich‟, setzte er dann noch nach, um seine Worte einwenig zu entschärfen, doch jeder wusste, dass es nur dem Schein diente oder eherseinem Spiel. Wäre Runa selbst an Atius' Stelle gewesen, hätte sie vermutlichbereits zähneknirschend zurückgeschossen; er aber blieb die Ruhe selbst,während eine Menge amüsierter, gehässiger und eine siegessichere Miene auf ihn gerichtet waren. Alleine seine Gemahlin, die nun unruhig auf ihrer Liege hinund her rutschte und auffällig oft an ihrem Wein nippte, schien sich absolut nicht wohl mit der gesamten Situation zu fühlen. Welche Frau würde das schon,wenn die Gefahr einer Erniedrigung ihres Mannes bestand und das vielleicht von einer Gesellschaft, die sie selbst eigentlich zu schätzen wusste? Auch Caesar Augustus beobachtete das Geschehen eher interessiert und verwundert, denn wirklich begeistert.
„Tatsächlich? Ich dachte eher, mein lieber Freund, dass du mit deinen Sklaven nicht sonderlich zufrieden wärst. Es sei denn, dir gefällt, dass dein - wie sagtest du noch? - neues Prachtstück schrecklich unfügsam und respektlos ist‟, begann der Centurio und in jenem Moment war Runas Herz wohl nicht das einzige, das einen Schlag aussetzte.
Der Zug um Calpurnius' Mund verhärtete sich und die kleine, sichtbare Ader auf seiner Stirn begann merklich zu pochen, denn ihm war sofort bewusst, dass Atius von dem Zwischenfall zwischen ihm und Runa wissen musste. Immer wieder zuckte ein neugieriges Paar Augen zu ihr als wäre sie ein unbezähmbares Tier, das man fasziniert und zugleich abgestoßen von dessen Wildheit unbedingt genauer betrachtet haben musste. In Runas Magen bildete sich ein spürbarer Knoten. Siewar verloren. Langsam breitete sich eine gewisse Spannung im Raum aus, mit der das Geschehen beobachtet wurde. Bloß in Olympias' wachsamen Blick, der sich vom anderen Ende des Raums in das Mädchen brannte, glomm ein kleiner Funke auf, der etwas wie Freude hätte sein können.
„Nicht jedem gelingt es, wildes Blut zu bändigen. So etwas erfordert spezielle Fähigkeiten und viel Geschick, wenn man sich nicht selbst die Finger daran verbrennen möchte‟, sprach der Centurio mit dunkler Stimme und mit jedem Wort zeichnete sich der Zorn deutlicher in Calpurnius' Antlitz ab. „So wundervoll dein Besitz auch sein mag, ich möchte dir keines deiner teuren Stücke nehmen. Stattdessen tu eich dir sogar einen Gefallen. Wenn ich gewinne, gehört die Sklavin mir und du musst dir nicht weiter die Zähne an ihr ausbeißen.‟
Hatte sie gerade richtig gehört? Er wollte... sie?
Ein schmales, erzwungenes Lächeln quälte sich auf Calpurnius' Lippen, als er weitersprach: „So würde ich das nicht nennen. Ich weiß wildes Blut, wie du es nennst, zuschätzen. Nichts ist doch interessanter als es zu zähmen, aus einem Löwen ein gehorsames Kätzchen zu machen. Das ist mir noch bei jedem Sklaven gelungen.‟
„Du sagtest selbst, ihr Preis wäre gering gewesen. Eine billige, noch unerzogene Sklavin gegen edle, teure Kunstschätze - was hättest du damit schonzu verlieren? Es wäre mehr ein Gefallen meinerseits, Senator, und schließlich im Rahmen deines Vorschlags. Ich werde dich doch nicht an deine eigenen Worte erinnern müssen oder stehst du nicht zu ihnen? Dein Angebot lautete, ich solle mich in deinem Haus umsehen und wählen, was immer mir beliebt. Nun habe ich mich umgesehen und meine Wahl fällt auf deine Sklavin. Ich möchte sie.‟ Mit unbezwingbarer Entschlossenheit in den Augen fixierte Atius seinen Gegner; der Blick eines Mannes, der sich etwas in den Kopf gesetzt hatte und sich nun von nichts und niemandem würde abhalten lassen, es zu bekommen.
Nun kam Bewegung in seine Frau, die sich zu ihm beugte und ihm mit keiner sonderlich erfreuten Miene etwas ins Ohr flüsterte. Was auch immer es war, wiees schien, schenkte der Centurio dem keine Beachtung, sondern beschwichtigte sie bloß mit ein paar gehauchten Worten und einer flüchtigen, zarten Berührung ihrer Wange.
„Wenn dieser Kelch leer ist, ohne dass ich den Wein getrunken oder verschüttet habe, bekomme ich die Sklavin, einverstanden?‟, fragte er nun wieder an den Senator gerichtet, in den nach einem weiteren Schluck Wein die Ruhe und Selbstsicherheit wieder zurückkehrte. Mit einem Lächeln, das sagte „Wie willst du das schon schaffen?‟ willigte er sich seines Sieges sicher ein. Vielleicht war es tatsächlich nur der in Mengen fließende Wein, der ihn so sicher daran glauben ließ und seinen Verstand benebelte, oder aber es war seine für ihn offensichtliche Überlegenheit, die ihn blind gegenüber allem anderen machte.
Die aufmerksamen Blicke der anderen Gäste, für die dank des Weins dieses Schauspiel umso unterhaltsamer schien, ruhten auf Marcus. Erst langsam kam Runa überhaupt zu Bewusstsein, was das bedeutete: Gewann er, war sie frei von Calpurnius - und damit im Besitz des Centurios. Wieso tat er das, wenn er dem Senator doch alles andere hätte nehmen können? War dies bloß eine Fortsetzung von ihrem Duell auf dem Sklavenmarkt und Atius wollte seinem Gegner eineweitere schmerzhafte Wunde zufügen, indem er ihm nun auch noch entriss, was dem anderen alleine dank ihm so viel gekostet hatte? Oder ging es ihm gar nicht um einen Sieg?
Wild pochte Runas Herz in ihrer Brust, in einer berauschenden Mischung aus Angst, Freude und purer Aufregung gefangen. Welchen Ausgang sie sich wünschte, wagte sie noch nicht einmal zu denken, konnte es auch nicht, denn alle ihrer Gedanken schwiegen, während sich ihre Blicke gespannt an den Centurio klammerten.
Mit einer undurchsichtig nüchternen Miene erhob sich dieser von seinem Platzund schritt verfolgt von den Augen der gesamten Menge zu einer der Lampen, deren gierige Flamme er an der Schale des Kelchs lecken ließ. Während es darin zu brodeln begann, hielt Runa den Atem an. Langsam verwandelte sich der würzige Wein vor aller Augen mehr und mehr in Dampf, der sich in der Luft verflüchtigte als wäre er nie hier gewesen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit, in der Runa sich fühlte als würde sie selbst auf glühenden Kohlen stehen, riss er den Kelch ausdem Feuer und ließ ihn mit einem geräuschvollen Laut direkt vor Calpurnius auf den Tisch knallen. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem kühlen Lächeln und durchbrachen somit den ungerührten Ausdruck, der die ganze Zeit davor darauf gelegen hatte, in seinen Augen schien ein gefährliches Feuer zu brennen, als er seine dunkle Stimme erhob.
„Jetzt bitte ich um meinen Gewinn.‟
Der Centurio hatte gewonnen. Sie war kaum frei von Calpurnius' Ketten, da schlangen sich auch bereits seine um sie, die sie in einem seltsamen Chaos aus Freude und Anspannung empfing. Konnte das sein? Waren ihr, an die sich in denletzten Wochen das Unglück wie ein dunkler unerwünschter Wegbegleiter gekrallt hatte, die Götter diesmal gewogen? Oder stießen sie sie in einen noch finstereren Abgrund?
Mit geweiteten Augen starrte Calpurnius auf den leeren Kelch, von seiner schmählichen Niederlage getroffen wie von einem harten Schlag, der ihm den Atem genommen hatte. Seine Mundwinkel zuckten als wären sie bereit in ein ungläubiges Lachen auszubrechen. Wie lächerlich einfach dieser Sieg doch gewesen und wie bereitwillig er mit einem gewinnenden Lächeln in seinen eigenen Verlust gestürzt war. Der Alkohol hatte ihn verleitet ein wenig mit dem Feuer zu spielen, sich gedankenlos in seiner eigenen Arroganz zu sonnen und seinen Feind zu reizen. Nun hatte er sich vor aller Augen daran gewaltig die Finger verbrannt. Allerdings gedachte Atius nicht, ihn mit diesem kleinen Schmerz davonkommen zu lassen, sondern stieß ihn weiter in die Flammen.
„Wieso so betrübt? Es hätte wesentlich Wertvolleres in deinem Besitz treffen können‟, begann der Centurio in gespielter Verwirrung.
„Oh, ich verstehe, dir liegt an der serva. Sie ist immerhin auch, wie du sagtest, ein Prachtstück. Das verliert man nicht gerne wegen einer solcher Albernheit. Ja, zu viel Wein macht schnell gedankenlos und verleitet die klügsten Männer zu schrecklich dummen Entscheidungen, nicht wahr?‟ Atius schenkte ihm ein aufgesetztes Lächeln, das mehr an einen Wolf erinnerte, der bedrohlich die Zähne bleckte.
„Ich mag es nicht meine Freunde so verstimmt zu sehen, also gewähre ich dir eine Revanche, bei der du deine - ich meinte, meine Sklavin zurückgewinnen kannst. Noch eine Wette, aber diesmal, wenn wir beide bei klarem Verstand sind - morgen im Circus Maximus.‟
Noch während Runa ungläubig seine Worte vernahm, fühlte sie die Taubheit, die sich in ihrem Körper ausbreitete. Nein, sie war Calpurnius' Ketten nicht los - stattdessen wanden sich nun lediglich die eines zweiten Herren um ihren Körper, rissen sie grob in zwei entgegengesetzte Richtungen und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Welche dieser eisernen, schweren Fesseln dort auch bleiben würden, entschied sich morgen.
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So treffen sich Runa und Marcus also wieder. Was haltet ihr von diesem Wiedersehen? :)
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