Die Flucht der fetten Dame ✔
»Das Leben ist eine Wundertüte.«
Die Flucht der fetten Dame
,,Folgen Sie mir", sagte Snape und rauschte an Ruby vorbei, die kläglich versuchte mit seinen schnellen Schritten mitzuhalten, was sich als äußerst schwer erwies, da er nicht darauf Rücksicht nahm, dass Ruby kleiner war und somit kleinere Schritte machte.
Er öffnete die Tür des dunklen Klassenzimmers und ließ die Gryffindor zuerst eintreten. Als sie sich umblickte, bemerkte sie, dass auf einem Tisch ein, mit Wasser gefüllter, Kessel und einige Zutaten standen.
,,Kommen Sie her", sagte Professor Snape und winkte sie zu sich heran, ohne Ruby auch nur eines Blickes zu würdigen, sondern las aufmerksam eine Seite in einem Buch durch und blätterte um.
,,Hier", meinte er schließlich und deutete auf eine Seite, auf der das Bild eines Werwolfs abgebildet war. ,,Das ist der Trank." Ruby nahm sich das Buch zur Hand und bemerkte schon anhand der Zutatenliste, dass es nicht einfach werden würde, diesen Trank zu brauen.
,,Bevor Sie beginnen, Miss Clarke, muss ich Ihnen sagen, dass Sie äußerste Acht geben sollten, da ein Großteil dieser Zutaten nicht leicht zu kriegen sind und mir vom Ministerium zur Verfügung gestellt werden", erklärte Snape, ehe sich ein spöttisches Grinsen auf seine Lippen legte. ,,Außer natürlich, Sie wollen doch passen."
,,Nein."
,,Dann können Sie starten", erwiderte Snape und machte eine auffordernde Bewegung zu den Zutaten.
,,Zuerst brauchen wir Eisenhut", las Ruby vor und schob die Zutaten in die, im Buch vorgegebene, Reinfolge. ,,Auch Wolfswurz genannt; zwei kleine Alraunen; einen Tropfen Murtlap-Essenz; Feuersalamander-Blut, fünf Gramm einer Drachenschale und vier Lenkflaumen, da sie die geistige Aufnahmefähigkeit erweitern." Ruby blätterte weiter zu der Anleitung zum Brauen des Trankes, sowie zu einer Zusammenfassung.
»Der Wolfsbanntrank ist ein erst in jüngster Zeit entwickelter Zaubertrank für Werwölfe, der jedoch durch die Zugabe von Zucker seine Wirkung verliert. Wenn ein Werwolf, drei Tage vor Vollmond beginnend, täglich eine große Tasse dieses bitteren Gebräus heiß trinkt, verläuft seine Verwandlung in der Vollmondnacht relativ glimpflich: Er verwandelt sich zwar trotzdem unter Schmerzen in einen Wolf, behält dabei aber sein menschliches Bewusstsein. Statt sich gierig menschliche Beute zu suchen, kann er sich in seine Wolfsgestalt zurückziehen und die Rückverwandlung abwarten. Allerdings muss die tägliche Dosis während der vorgeschriebenen Tage unbedingt regelmäßig zu sich genommen werden.«
In Rubys Kopf begann es plötzlich zu rattern und sie schaute zu Snape, der sich über Pergamentblätter gebeugt hatte und mit einer Feder etwas durchstrich.
Nein, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Er ist kein Werwolf, auch wenn er einer Fledermaus ähnelt.
Rubys Gehirn ratterte. Wer könnte bloß dieser Werwolf sein? Doch dann bemerkte sie, dass es niemand auf Hogwarts sein konnte, denn schließlich würde Professor Dumbledore, der Schulleiter, so etwas nie zu lassen.
,,Ich beginne dann mal", sagte Ruby leise; Snape blickte auf, nickte rasch und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Mit einem einfachen ,,Incendio" entfachte Ruby das Feuer unter dem Kessel, und gab etwas Eisenhut hinzu, wodurch sich das Wasser grau färbte und zu blubbern begann. Während das Gebräu vor sich hin blubberte, schnitt die Brünette sorgsam die Alraunen in kleine Stücke und ließ sie in den Kessel fallen. Das Wasser färbte sich in einen dunklen Grünton, der der Hautfarbe eines Frosches ähnelte.
Ruby las sich noch einmal die Anleitung durch und entkorkte währenddessen das Fläschchen mit der Murtlap-Essenz und gab vorsichtig einen Tropfen hinzu.
In der Anleitung stand, dass man innerhalb von einer Minute das Salamander-Blut hinzugeben musste, doch egal, wie verzweifelt Ruby nach der Zutat suchte, sie wurde einfach nicht fündig.
Noch eine halbe Minute, und wenn sie das Salamander-Blut nicht finden würde, könnte sie den Trank von neuem brauen.
Schließlich, als sie schon dachte, dass sie von vorne beginnen dürfte, sah sie das Reagenzglas, entfernte mit einer geübten Bewegung den Korken und goss den Inhalt in das Gebräu, welchen etwas weniger blubberte.
Auf einer Messingwaage wog sie fünf Gramm der Drachenschale ab und schmiss sie in den Kessel.
Nun rührte sie zwei Minuten im Uhrzeigersinn, und danach drei in die Gegenrichtung.
,,Wie weit sind Sie?", fragte Professor Snape und beäugte misstrauisch Ruby, die sich damit abquälte, die Lenkflaumen zu zerschneiden, was sich jedoch als durchaus schwerer erwies, als gedacht, da ihr die schleimigen lilanen Flaumen dauernd aus der Hand rutschten. Schließlich gelang es ihr, sie zu zerschneiden und in den Trank zu werfen.
,,Fertig", sagte Ruby und klopfte die Hände an ihrem Umhang aus.
,,Ach ja?", fragte Snape noch immer misstrauisch. ,,In der Anleitung steht, dass weißer Dampf aufsteigen solle." Wie auf Knopfdruck stieg eben genannter Dampf auf, dass Snape stutzte.
,,Oh", sagte er schlicht. ,,Ähm ja... - gut gemacht, zehn Punkte für... Ihr Haus... wären Sie so freundlich und würden den Trank Lupin bringen? Er wird ihn dann dem Werwolf überreichen."
,,Natürlich", erwiderte Ruby, füllte den Trank in mehrere Phiolen, säuberte den Kessel und rauschte davon.
Auf dem Weg in die Große Halle begegntete sie zu ihrem Glück auch Professor Lupin.
,,Professor!", rief Ruby und rannte ihm Hals über Kopf hinterher. ,,Warten Sie!"
Professor Lupin drehte sich um und Ruby drückte ihm die Flaschen in die Hand.
,,Das soll ich Ihnen geben - Auftrag von Professor Snape", sagte sie freundlich lächelnd und wartete auf seine Reaktion.
Jedoch beäugte er eine der Phiolen misstrauisch und sah dann zu Ruby. ,,Was ist das?", fragte Professor Lupin und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den weißen Trank.
,,Wolfsbanntrank", erwiderte Ruby stolz. ,,Ich habe ihn gebraut."
,,Ähm ja... - danke", sagte Professor Lupin und rauschte davon.
Ruby kratze sich am Kopf. Was war das denn bitte?
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Im Handumdrehen wurde Verteidigung gegen die dunklen Künste das Lieblingsfach aller Schüler geworden. Nur Adrian Pucey und Marcus Flint ließen sich gehässig über Professor Lupin aus.
,,Schaut euch doch mal seine Umhänge an", sagte Pucey unüberhörbar flüsternd, als Professor Lupin vorbeiging. ,,Der zieht sich ja an wie unser alter Hauself."
Doch niemanden sonst kümmerte es, dass Professor Lupin geflickte und ausgefranste Umhänge trug. Die weiteren Unterrichtsstunden bei ihm waren nicht weniger spannend als die erste.
Nach den Irrwichten lernten sie die Rotkappen kennen, fiese kleine koboldartige Kreaturen, die überall dort herumlungerten, wo Blut vergossen war: Sie versteckten sich in den Kerkern von Schlössern und in den Sprenglöcherm verlassener Schlachtfelder und verprügelten alle, die sich dorthin verirrten. Nach den Rotkappen kamen die Kappas, grausige Wasserbewohner, die wie schuppige Affen aussahen und Hände mit Schwimmhäuten hatten, die sich nur danach juckten, diejenigen zu erwürgen, die in ihrem Tümpel umherwateten.
Ruby wäre glücklich gewesen, wenn es ihr in den anderen Fächern ebenso gut gefallen hätte. Am schlimmsten war Zaubertränke. Snape war diese Tage ausgesprochen rachsüchtig gelaunt, und der Grund dafür war kein Geheimnis. Die Geschichte mit dem Irrwicht, dass er Snapes Gestalt angenommen hatte und von Katie in die Sachen ihrer Tante gesteckt worden war, hatte sich wie ein Lauffeuer am Schloss verbreitet. Der einzige, der das nicht komisch fand, was Snape. Seinen Augen blitzten drohend auf bei jeder Erwähnung von Professor Lupin, und Katie drangsalierte er schlimmer denn je.
Seit das mit Malfoy und Seidenschnabel passiert war, mochte keiner Pflege magischer Geschöpfe mehr. Hagrid schien sein Selbstvertrauen verloren zu haben. Stunden um Stunde verbrachten sie jetzt damit, Flubberwürmer zu pflegen, die zu den fadesten Geschöpfen überhaupt zählen und mussten.
Einmal in der Woche, am Wochenende, besuchte Ruby Sirius und unterhielt sich mit ihm. Er erzählte ihr, dass die Anschuldigung, er habe die Potters an Lord Voldemort verraten, eine reinste Lüge war. Laut ihm war es Peter Pettigrew, der die Potters verriet, sich einen Finger ab hackte - damit es so aussah, als seie er tot - und flüchtete.
Jedoch gab es auch etwas Spannendes, was Ruby den trocknen Unterricht vergessen ließ.
Die Quidditch-Saison stand bevor und Oliver Wood, der Kapitän des Gryffindor-Teams, rief sie eines Donnerstags zusammen, um die Taktik für die kommende Spielzeit zu erörtern.
Oliver Wood war ein stämmiger Siebzehnjähriger, inzwischen im siebten und letzten Schuljahr in Hogwarts. An jenem Donnerstagabend im kalten Umkleideraum draußen am Spielfeld, als er vor anderen sechs Spieler seines Teams trat, keine Spur von Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhören:
,,Das ist unsere letzte Chance - meine letzte Chance - den Quidditch-Pokal zu gewinnen", erklärte er, während er vor dem Team auf und ab schritt. ,,Ende des Jahres gehe ich von der Schule. Noch eine Gelegenheit kriege ich nicht. Gryffindor hat jetzt seit sieben Jahren nicht mehr gewonnen. Gut und schön, wir hatten tatsächlich schlimmes Pech - Verletzung, und dann ist das Turnier letztes Jahr auch noch abgeblasen worden..." Wood schluckte, als ob ihm die Erinnerung immer noch wie ein Klumpen im Hals steckte. ,,Aber wir wissen auch, dass wir verdammt - noch - mal - das - beste - Team - der - Schule - sind", sagte er. Dabei schlug er mit der rechten Faust in die linke Handfläche und in seinen Augen erschien wieder das alte, manische Glimmen.
,,Wir haben drei erstklassige Jägerinnen." Wood deutete auf Alicia Spinnet, Angelina Johnson und Ruby, die jüngste von den dreien.
,,Wir haben zwei unschlagbare Treiber."
,,Hör auf, Oliver, du machst uns ganz verlegen", sagten Fred und George und taten so, als würden sie sich schämen.
,,Und wir haben noch einen Sucher, der jedes Spiel für uns gewonnen hat!", donnerte Wood und starrte Harry mit einer Art grimmigem Stolz an. ,,Und mich", fügte er noch hinzu, als wäre es ihm gerade eingefallen.
,,Du bist auch toll Oliver, der beste Hüter den wir je hatten!", sagte Ruby, um ihn aufzumuntern, da er etwas niedergeschlagen wirkte.
,,Genau", sagte George.
,,Als Hüter ein Ass", sagte Fred.
,,Die Sache ist die", fuhr Oliver fort und fing wieder an, auf und ab zu schreiten, ,,der Quidditch-Pokal hätte in den letzten beiden Jahren unseren Namen tragen müssen. Seit Harry und Ruby dabei sind, denke ich immer, wir hätten das Ding eigentlich schon in der Tasche. Aber wir haben's nicht geschafft, und jetzt haben wir die letzte Chance, endlich unsere Namen auf diesem Pokal zu sehen..."
Wood schien so niedergeschlagen, dass selbst Fred und George in mitleidig ansahen.
,,Oliver, das ist unser Jahr", sagte Ruby.
,,Diesmal packen wir's, Oliver!", sagte Angelina.
,,Ganz klar", sagte Harry.
Voller Entschlossenheit begannen sie zu trainieren, drei Abende die Woche. Allmählich wurde es kälter und regnerischer und es wurde immer früher dunkel, doch weder Schlamm, Wind noch Regen konnten Ruby aus dem wunderbaren Traum reißen, endlich den riesigen silbernen Quidditch Pokal zu gewinnen.
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,,Kommst du dieses Jahr endlich mit nach Hogsmeade?", fragte Cormac, als Ruby sich total übermüdet und durchnässt auf die Couch im Gemeinschaftsraum fallen ließ. ,,Hat Miss Martins dir dieses Jahr die Einwilligung geschrieben?"
,,Natürlich", sagte Ruby sarkastisch und öffnete ihren Zopf. ,,Und sie hat mir direkt auch Geld mitgegeben." Grimmig zeigte sie ihm ihre leere Hand.
,,Du kannst doch McGonagall fragen", flüsterte er verschwörerisch zwinkernd.
,,Ich versuch's", gab Ruby sich schließlich geschlagen.
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Nach Verwandlung wartete Ruby, bis der Klassenraum fast leer war, und ging, hibbelig wie sie war, hinüber zu Professor McGonagall's Pult.
,,Ja, Miss Clarke?"
Ruby holte tief Luft. ,,Also - ähm - meinen Sie, es wäre möglich - das heißt, ist es in Ordnung, wenn ich - wenn ich dieses Jahr mitkomme nach Hogsmeade?"
Professor McGonagall senkte den Blick und begann die Papiere auf ihrem Pult zusammenzuräumen.
,,Ich fürchte, nein", sagte sie. ,,Sie haben gehört, was ich letztes Jahr gesagt habe. Keine Erlaubnis, kein Besuch im Dorf. So lautet die Regel."
,,Aber - Professor, meine Eltern sind tot und Miss Martins hat mich rausgeschmissen, als ich es dieses Jahr wieder versucht habe", sagte Ruby, während Cormac sie mit heftigem Kopfnicken anfeuerte. ,,Wenn Sie sagen würden, ich kann mitgehen -"
,,Aber das sage ich nicht", sagte Professor McGonagall, stand auf und verstaute die säuberlich gestapeltem Papiere in einer Schublade. ,,Auf dem Formblatt heißt es klar und deutlich, dass Eltern oder Vormünde die Erlaubnis geben müssen." Sie sah sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. Ruby konnte ihn nicht ganz zuordnen, doch eines stand fest: sie wusste etwas. ,,Können wir unter zwei Augen sprechen?"
,,Natürlich, Professor." Ruby bedeutete Cormac, sie alleine zu lassen, was er schließlich auch tat und leise die Tür hinter sich schloss.
,,Nun", sagte Professor McGonagall und blickte an Ruby vorbei, als wollte sie Augenkontakt vermeiden. ,,Ich weiß aus einer vertrauenswürdigen Quelle, dass Sie einen lebenden Vormund und einen Paten haben."
,,Wirklich?" Rubys Augen wurden groß. ,,Wer sind die beiden? Ich muss es unbedingt wissen."
,,Nun", sagte sie und blickte etwas traurig. Den Mitleid konnte Ruby sofort aus ihren Augen lesen. ,,Ihr Vater und Ihr Pate waren wirklich gut befreundet... bis Ihr Pate zu einem Verräter wurde... Ach, warum erzähle ich das, wobei es mir gar nicht gestattet ist? Gehen Sie in den Unterricht. Sofort." Unsanft schob die Professorin die verwirrte Ruby aus dem Klassenzimmer.
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Nach dem Festessen, und nachdem Cormac Ruby Süßigkeiten aus dem Honigtipf gebracht hatte, folgten die beiden den Gryffindors den vertrauten Weg zum Turm, wo es sich heftig staute.
,,Oh mein..." Ruby stockte der Atem.
Dumbledore eilte zum Portrait der fetten Dame und warf einen raschen Blick auf das ruinierte Gemälde und wandte sich dann mit düsteren Augen um; jetzt kamen die Professoren McGonagall, Lupin und Snape auf ihn zugerannt.
,,Wir müssen sie suchen", sagte Dumbledore. ,,Professor McGonagall, bitte gehen Sie sofort zu Mr Filch und sagen ihm, er soll jedes Gemälde im Schloss nach der fetten Dame absuchen."
,,Da werdet ihr kein Glück haben!", sagte eine glucksende Stimme.
Er war Peeves, der Poltergeist, der über ihre Köpfe hinweg hopste und, wie immer angesichts von Zerstörung oder Unruhe, ganz ausgelassen schien.
,,Was meinst du damit, Peeves?", sagte Dumbledore ruhig, und Peeves' Grinsen fror ein. Bei Dumbledore wagte er keine Mätzchen. Stattdessen legte er sich ein schleimenden Tonfall zu, der nicht besser war als sein Glucksen.
,,Sie geniert sich, Herr Oberschulleiter. Will nicht gesehen werden. Sieht fürchterlich aus. Habe sie durch das Landschaftsgemälde oben im vierten Stock rennen sehen, Sir, sie hat sich hinter den Bäumen versteckt. Hat etwas Schreckliches gerufen", sagte er glücklich. ,,Armes Ding", fügte er nicht ganz überzeugend hinzu.
,,Hat sie gesagt, wer es war?", fragte Dumbledore leise.
,,Oh, ja, Herr Professor Doktor Dumbledore", sagte Peeves mit der Miene dessen, der eine große Bombe unter dem Arm trägt. ,,Er wurde sehr zornig, als sie ihn nicht einlassen wollte, verstehen Sie.'' Peeves knickte in der Mitte durch und grinste Dumbledore durch seine Beine hindurch an. ,,Übles Temperament hat er, dieser Sirius Black."
Ruby fiel die Kinnlade runter.
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