Kapitel 14
Währendessen im FlockenClan...
Die Dämmerung legte sich wie ein grauer Schleier über das Lager des FlockenClans. Doch die Ruhe, die sonst den Clan in den Abendstunden einhüllte, war verschwunden. Stattdessen herrschte ein Chaos aus aufgeregtem Stimmengewirr und nervösen Bewegungen. Katzen huschten zwischen den Bauten hin und her, ihre Schweife peitschten in unruhigen Zuckungen.
„Wie konnten sie einfach verschwinden?" fauchte Flammensprung und starrte Sturmfalke an, die vor der Ältestenhöhle saß. Die braun-weiße Älteste war ungewöhnlich still, ihr Blick in den Himmel gerichtet, als ob sie eine Antwort von den Sternen suchte.
„Bachfeder, Frostsee und Steppenfall... alle drei fort," murmelte Brombeerpfote, der junge Schüler, während er nervös mit den Pfoten scharrte. „Warum sind sie gegangen? Und ohne irgendjemandem Bescheid zu sagen?"
„Vielleicht sind sie geflohen," schlug Aschenstaub mit eisiger Stimme vor, was ein kollektives Keuchen unter den Anwesenden auslöste.
„Geflohen?" Flammensprung peitschte wütend mit dem Schweif. „Das ist unmöglich! Sie sind loyal zum Clan!"
„Loyalität hat ihre Grenzen," knurrte Wolkenwächter, der aus dem Schatten des Anführerbaus trat. Seine gelben Augen blitzten vor Zorn und Entschlossenheit. „Vielleicht haben sie den Clan verraten. Vielleicht planen sie, uns von außen zu schwächen. Wir müssen auf der Hut sein."
„Wolkenwächter, das sind absurde Anschuldigungen!" rief Sturmfalke und erhob sich schwerfällig auf die Pfoten. „Frostsee würde niemals den Clan verraten. Du kennst ihn besser als jeder andere."
Doch Wolkenwächter ließ sich nicht beirren. „Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er nie seine Grenzen kannte. Er hat immer Fragen gestellt, Zweifel gesät. Vielleicht hat er beschlossen, seinen eigenen Weg zu gehen."
In diesem Moment trat Felsenstern aus seinem Bau. Sein braungraues Fell wirkte matt im schwachen Licht, und seine Augen verrieten mehr Müdigkeit als Zorn. Doch sein Schweif war hoch erhoben, und als er sprach, legte sich eine unheimliche Stille über die Menge.
„Das reicht," begann er mit ruhiger, aber bestimmender Stimme. „Wir werden nicht spekulieren, warum sie gegangen sind. Wir haben größere Sorgen."
„Größere Sorgen?" Wolkenwächter schnaubte abfällig. „Größere Sorgen als drei Katzen, die vielleicht Verräter sind?"
„Ja," sagte Felsenstern und ließ seinen Blick über die versammelten Katzen schweifen. „Die Zweibeiner sind zurück."
Ein Raunen ging durch die Menge, und die Unruhe wuchs spürbar.
„Zweibeiner?" flüsterte Brombeerpfote erschrocken, während Flammensprung ihm beruhigend den Schweif auf die Schulter legte.
„Wir haben frische Spuren an der Grenze gefunden," erklärte Sommerranke. „Ihr Gestank war unverkennbar. Sie sind nahe, und das bedeutet nichts Gutes."
„Das Lager ist sicher!" fauchte Wolkenwächter. „Wir haben starke Katzen und strategisch platzierte Patrouillen. Solange wir uns an meine Anweisungen halten, wird uns nichts passieren."
„Und was genau sind deine Anweisungen?" fragte Sturmfalke, ihre Stimme vor Skepsis triefend.
Wolkenwächter fixierte sie mit einem durchdringenden Blick. „Niemand verlässt das Lager ohne meine ausdrückliche Erlaubnis. Die Patrouillen werden verdoppelt, und jede Katze, die ich verdächtig finde, wird überwacht. Wir können uns keine Schwächen leisten."
„Das ist Wahnsinn!" protestierte Flammensprung. „Wir können die Jagdpatrouillen nicht einschränken! Wir haben kaum genug Beute, um alle zu ernähren."
„Beute ist irrelevant, wenn der Clan nicht mehr existiert!" knurrte Wolkenwächter zurück.
„Genug!" Felsenstern hob die Stimme, und alle verstummten. „Ich werde diese Maßnahmen nicht unterstützen, Wolkenwächter. Wir sind ein Clan, kein Gefängnis. Unsere Stärke liegt im Zusammenhalt, nicht im Misstrauen."
Doch Wolkenwächter ließ sich nicht beirren. Er schritt vor Felsenstern und sprach leise, aber mit gefährlicher Intensität. „Vielleicht liegt unsere Schwäche genau in dieser Nachgiebigkeit. Du magst unser Anführer sein, aber ich werde nicht zusehen, wie dieser Clan zerfällt, nur weil du Angst hast, härtere Entscheidungen zu treffen."
Felsensterns Augen verengten sich, doch bevor er etwas erwidern konnte, erklang ein lautes Schreien vom Lagereingang. Alle Köpfe drehten sich, und der aufgeregte Schüler, Perlenpfote, trat hinein zusammen mit Nachtwind.
„Die Zweibeiner... sie sind näher als wir dachten!" rief er panisch. „Ich habe sie gesehen, keine halbe Fuchslänge vom Rand des Territoriums entfernt!"
Die Worte brachen wie ein Blitz in die Menge, und die Katzen fielen in hektisches Gemurmel.
„Das ist deine Schuld, Wolkenwächter!" fauchte Flammensprung. „Deine Angst und dein Misstrauen bringen uns nichts als Chaos!"
„Genug!" donnerte Wolkenwächter. „Ich werde nicht zulassen, dass diese Situation außer Kontrolle gerät." Er wandte sich an die Patrouillen. „Wir riegeln das Lager ab. Jede Katze, die sich meinen Befehlen widersetzt, wird es bereuen."
Felsenstern beobachtete schweigend, wie Wolkenwächter die Kontrolle übernahm. Sein Blick verriet weder Zustimmung noch Ablehnung, doch in seinen Augen lag ein Schatten, der nicht zu übersehen war.
Inmitten des Chaos saß Sturmfalke vor ihrem Bau und schüttelte langsam den Kopf. „Die Sterne mögen uns beistehen," murmelte sie leise. „Denn wenn wir so weitermachen, wird nicht Frostsee diesen Clan zerstören... sondern wir selbst."
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