5 Jade Parade der Verdammten
Ich werde beinahe geblendet von all den Farben, die plötzlich vor mir aufblitzen. Vor allem, da jede einzelne Farbe unglaublich grell ist. Als die Friedenswächter uns einen Weg durch die Menge bahnen, fühle ich mich stark versucht Stephens Hand zu ergreifen, als sie beginnen unsere Namen zu rufen. Doch ich tue es nicht. Denn diese Geste würde nur dazu führen, dass sie uns hier eine erfundene Liebesgeschichte anhängen. Ich meine, ich liebe Stephen. Aber eben auf dieselbe Art, wie ich auch Ethan liebe. Wie einen Bruder. Kurz frage ich mich, warum alle diese Leute unsere Namen schon so gut kennen, doch dann fällt mir wieder ein, dass unsere Eltern Sieger sind und ich erkenne, dass es eine dumme Frage ist. Jeder kennt meine Mutter. Und durch sie auch Stephens. Aus dem Gebäude, auf das wir gerade zugehen, kommt plötzlich eine Person auf uns zu. Eine Person mit langen blonden welligen Haaren und topasfarbenen Augen. Als ich sehe wie Mom zu lächeln beginnt und auf die etwas ältere Frau zugeht, erkenne ich sie. „Gwen.", begrüßt Mom sie, bevor sie die Frau überraschenderweise umarmt. Mom lässt sich von fast niemandem umarmen und aus eigenem Antrieb umarmt sie noch weniger Menschen. Sie muss diese Gwen sehr mögen. „Ruby. Schön dich zu sehen.", erwidert Gwen und wendet sich dann mir und Stephen zu. „Kommt schnell rein ihr zwei, dann können wir uns in Ruhe alle vorstellen.", erklärt sie und dreht sich um. „Ich kann nicht mit rein, aber ich werde bei dem Wagen auf euch warten. Gwen wird sich aber um euch kümmern, also macht euch keine Sorgen.", versichert Mom uns und ich sehe, wie sehr sie versucht, sich nicht vom Anblick des Kapitols und all dieser Menschen überwältigen zu lassen, wie sehr sie sich einfach nur in sich selbst zurückziehen will. Sie bekämpft das alles nur für mich und Stephen. Ich lächle ihr beruhigend zu und verabschiede mich dann von ihr und Leon und folge Steph in das Gebäude. Dort werden wir schon von Gwen erwartet. Ich weiß, dass die Tribute für gewöhnlich einfach in Räume verfrachtet und dort von ihrem Vorbereitungsteam gefoltert werden, doch aus irgendeinem Grund hat Gwen die Regeln für uns leicht abgeändert. Jetzt lächelt sie uns freundlich an. „Ihr müsst Jade und Stephen sein. Ruby hat mir von euch erzählt. Ich bin Gwendolyn, aber bitte nennt mich Gwen. Ich war Rubys Stylistin in ihren Spielen und bin eigentlich nicht mehr als Stylistin aktiv. Aber ich habe mich entschlossen für alle Spiele, in denen einer von euch beiden oder Rubys anderen Kindern gezogen werden könnten, als Stylistin für Distrikt 2 zurückzukommen. Ich werde nicht zulassen, dass ihr in irgendwelche komischen Kostüme gesteckt werdet. Und jetzt ab mit euch. Die Vorbereitungsteams warten schon. Stephen, dein Stylist Arian kommt bald vorbei. Er ist ein Freund von mir, also wird er mir das Kommando überlassen und einfach tun, was ich sage.", erklärt sie, bevor sie uns beide in getrennte Räume schiebt. Wenigstens um unsere Kleidung muss ich mir keine Sorgen mehr machen. Anscheinend hat meine Mutter mehr Freunde, als sie uns gegenüber zugibt. Als ich den Raum betrete, sehe ich darin viele kleine Gerätschaften und Tuben, aber auch eine Liege, auf welcher ich kurzerhand Platz nehme. Schon bald kommen drei bunte Vögel durch die Tür, die ich sofort Regenbogenbrigade taufe. Es sind zwei Männer und eine Frau. Die Frau stellt sich als Clio vor. Sie hat kurze stachelige Haare in den Farben Rot und Blau und in ihr Gesicht ist eindeutig zu viel Schminke in denselben Farben geklatscht worden. Der Name des ersten Mannes lautet Calix. Seine Haare sind orange und die Locken stehen merkwürdigerweise in alle Richtungen von seinem Kopf ab. Seine Haut ist ebenfalls orange, wenn auch ein hellerer Ton. Der dritte im Bunde ist Ivo. Seine Haare sind von einem dunklen Pink und kinnlang, während seine Haut komplett von grünen Tätowierungen bedeckt ist. Nach der kurzen Vorstellungsrunde machen sie sich sofort an die Arbeit und ich blende einfach alles aus, eine Fähigkeit, welche ich mir schon vor Jahren angeeignet habe, um im Notfall auch schmerzhafte Verletzungen während eines Kampfes ausblenden zu können. So vergeht die Zeit wie im Flug und bald bemerke ich, wie die drei den Raum wieder verlassen. Meine Haut fühlt sich am ganzen Körper wund an, doch ich ignoriere auch das und ziehe mir schnell etwas an, bevor Gwen in den Raum kommt. Sie lächelt mich sofort an, auch wenn ich überraschenderweise Traurigkeit in ihren Augen erkennen kann. „Jade Catherine Shine. Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel, dass ich gehofft habe, dich niemals persönlich kennenzulernen.", begrüßt sie mich erneut. Ich schüttle den Kopf und erwidere das Lächeln. Ich weiß, warum meine Mom sie mag. Sie benimmt sich nicht wie eine Kapitolbewohnerin, sondern einfach wie ein normaler Mensch. „Nein, ich kenne ja den Grund. Danke, dass du für uns zurückgekommen bist. Ich denke, damit hilfst du Mom genauso wie mir und Stephen.", bedanke ich mich schnell, da mir bewusst wird, dass ich das vorher vergessen habe. Sie winkt ab. „Nichts zu danken. Ich mochte Ruby schon immer und ich werde jede Gelegenheit ihr zu helfen, die sich mir bietet ergreifen. Dann wollen wir uns mal um dein Paradeoutfit kümmern.", verkündet Gwen und deutet auf einen Stuhl. Ich setze mich und sofort beginnt Gwen mit der Schminke. Meine Augenlider bedeckt sie mit Schminke in verschiedenen Grautönen, welche sich schuppenartig bis zu meinen Wangenknochen hinunterzieht. Meine Lippen schminkt sie in einem hellen Grün, passend zu meinem Namen. Dann flechtet sie meine dunkelbraunen Haare nach hinten und arbeitet mehrere flache münzgroße Steine in die Frisur ein. Als sie mit ihrem Werk zufrieden ist, holt sie das Kleid. Sie befiehlt mir die Augen zu schließen und ich folge ihrer Anweisung und steige blind in das Kleid. Als ich die Augen wieder öffne, bin ich positiv überrascht. Es ist knielang und eng anliegend und der gesamte Stoff ist bedeckt mit schuppenartig angeordneten flachen Steinen in den unterschiedlichsten Farben. Die Schuhe sind dazu passend ebenfalls mit Steinen verziert worden. Ich denke nicht, dass sonst jemand ein schönes Kleid aus Steinen herstellen könnte. Ich drehe mich dankbar lächelnd zu Gwen um. „Es sieht toll aus. Vielen Dank." Sie grinst mich nur an. „Das ist mein Job. Und jetzt ab mit dir. Deine Mutter und Stephen warten sicher schon auf dich. Kurzerhand umarme ich Gwen, was sie leicht überrumpelt, dann eile ich aus dem Raum. Auch wenn die Schuhe höher sind, als ich es gern hätte, sind sie überraschend bequem. Schon bald sehe ich die Paradewägen direkt vor mir. Ich muss an fast allen vorbei ehe ich an dem von Distrikt 2 angekommen bin. Dort warten schon Mom, Stephen und Leon auf mich. Als Mom mich erblickt beginnt sie zu lächeln. „Bin ich froh, dass Gwen beschlossen hat zurückzukommen. Du siehst wirklich hübsch aus.", kommentiert sie dann mein Outfit. Ich grinse nur und betrachte dann zum ersten Mal Stephens Kleidung. Er trägt einen Overall, der genau wie mein Kleid ärmellos ist, der jedoch eng an seinem Körper anliegt und genau wie mein Kleid mit Steinen bedeckt ist. In diesem Aufzug kann man die Muskeln an seinen Armen bestens erkennen. Ich hoffe, die Sponsoren können das auch. „Es geht los. Viel Glück euch beiden.", sagt Leon, Mom umarmt mich noch schnell und legt Steph eine Hand auf die Schulter, dann müssen wir auf den Wagen steigen und die beiden verschwinden Richtung Ausgang. Eine Weile stehen wir schweigend da und warten bis der Wagen vor uns sich in Bewegung setzt, dann laufen auch unsere Pferde los. Ich erhasche aus den Augenwinkeln eine Bewegung neben mir und erkenne, dass Stephen mir seine Hand hinstreckt. Nach kurzer Überlegung greife ich danach. Stephen macht mich stärker und sie können ruhig sehen, dass wir zusammenhalten werden. Kurz bevor unser Wagen in Sichtweite kommt, straffe ich mich und hebe meinen Kopf. Dann lege ich ein gewinnendes Lächeln auf mein Gesicht und ein schneller Blick auf meinen besten Freund zeigt mir, dass er meinem Beispiel folgt. Wir rollen über den Platz und sofort schreien uns unzählige Stimmen unsere Namen entgegen. Stephens und mein eigener werden wenig überraschend von den meisten gerufen. Unsere Familien bescheren uns jetzt schon große Aufmerksamkeit. Ich zwinge mich das Lächeln aufrecht zu erhalten. Die Begeisterung der Menschen hier widert mich an. Vor Anspannung drücke ich Stephens Hand so fest, dass ich Angst habe, sie zu zerquetschen. Doch als ich versuche sie zu lockern, hält Stephen meine Hand fest. Als ich unauffällig zu ihm hinübersehe, kann ich in seinen Augen sehen, dass er genauso mit seinen Gefühlen kämpft wie ich. Und genau wie ich weiß er auch genau, was die Spiele wirklich bedeuten. Ich lasse Stephens Hand nicht los, als die Wägen schließlich stehen bleiben und Präsident Snow den Balkon betritt. Er ist nur wenige Jahre jünger als meine eigene Mutter, doch er könnte ihr nicht unähnlicher sein. Seine schwarzen Haare sind sorgfältig zurückgekämmt worden, was sein kantiges Gesicht noch stärker betont. Als er seinen Blick auf mir verweilen lässt und lächelt, kann ich nur an eine Schlange denken, die einen Hasen fixiert. Und ich bin der Hase. Ich erwidere den Blick ohne zu blinzeln und er wendet sich schließlich der Menge zu, während ich unauffällig ausatme. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten habe. „Willkommen, Tribute.", schallt seine Stimme über den Platz. Sie jagt mir ein Frösteln über den gesamten Körper. „Willkommen zu den 38. alljährlichen Hungerspielen." Anstatt auf seine Worte versuche ich mich auf die Gesichter der Tribute in den Streitwägen neben mir zu konzentrieren. Die meisten wirken verängstigt, oder als würden sie krampfhaft versuchen ihre Angst zu verdrängen. Die beiden aus Distrikt 1 jedoch sehen zu Snow auf, als hätte er die Antworten auf alle Fragen, die jemals gestellt wurden und jemals gestellt werden würden. Als er die Rede endlich mit dem typischen „Möge das Glück stets mit euch sein." beendet, wechselt ihr Gesichtsausdruck zu hämischer Freude. Wenn ich vorher noch Zweifel über ein mögliches Bündnis mit ihnen gehabt hätte, wären diese spätestens jetzt ausgeräumt worden. Als die Streitwägen wieder wenden, nutze ich die Gelegenheit um Steph etwas ins Ohr zu flüstern. „Was immer wir tun, ich will mich auf keinen Fall mit denen von Distrikt 1 verbünden." Stephens sofortige überzeugte Zustimmung lässt ein Lächeln auf meinem Gesicht erscheinen. Wir sind nicht umsonst beinahe unser gesamtes Leben schon beste Freunde. Sobald der Wagen wieder hält löse ich meine Hand aus Stephens und springe auf den Boden. Sofort sehe ich Gwen auf uns zukommen und knapp hinter ihr ist ein hochgewachsener Mann mit schwarzen Haaren, in denen dunkelgrüne Strähnen leuchten und ebenso grünen Augen, welche nicht ganz echt aussehen. Aber er lächelt uns ebenso freundlich an wie Gwen also muss das wohl Stephens Stylist Arian sein. Mom und Leon jedoch kann ich nirgends entdecken. Als ich gerade beginne mir Sorgen zu machen, schenkt mir Gwen ein beruhigendes Lächeln. „Die Mentoren wurden zu einer kurzfristigen Besprechung gerufen. Es werden Änderungen im System besprochen.", erklärt sie schnell und ich atme erleichtert auf. „Ihr habt das wirklich gut gemacht.", schaltet sich nun auch Arian ein und ich bin überrascht wie warm und normal seine Stimme klingt. Abgesehen von Zoria werden unsere nächsten Tage getrennt von den Tributen also entspannt ablaufen. Wir bedanken uns bei Arian und folgen den beiden dann in die zweite Etage des Trainingscenters. Mom hat mir erzählt, dass es alle paar Jahre neu gebaut wird und letztes Jahr war dies der Fall. Eine Wand im Aufzug ist vollkommen aus Glas und man kann das Kapitol überblicken, wenn man weit genug hinauffährt. Leider sind wir nicht sonderlich hoch und die Fahrt dauert auch nicht lange. Ich zwinge mich nicht auf die Glaswand zu achten. Ich will nicht auf das Kapitol sehen. Es würde mich nur wütend machen. Und Wut ist etwas, das ich mir einfach nicht leisten kann. Ich habe fast etwas Angst davor wirklich wütend zu werden, hatte ich schon immer. Ich habe Angst, dass ich etwas von Moms hier fabrizierten Genen geerbt habe und mich dann nicht mehr unter Kontrolle habe. Das ist zwar noch nie passiert, aber ich war auch noch nie hier. Ich wusste nicht, ob es in den Spielen ein Problem werden könnte, aber ich kann mir darüber auch keine Sorgen machen. Endlich kommt der Aufzug an und unterbricht meinen Gedankengang. Als sich die Türen öffnen betreten wir einen weiten offenen Raum. Dort befindet sich der Essensbereich und auch der Fernsehbildschirm mit dem riesigen lila Sofa und weiteren bequemen Sesseln. Der ganze Raum ist in den Farben lila und orange gehalten und fast zu viel für meine Augen. Nach einer Weile wende ich mich ab und gehe den Gang zu meinem Zimmer hinunter. Stephen folgt mir schweigend. Als ich an meiner Tür angekommen bin, öffne ich die Tür. „Ich denke, wir sollten uns erst mal umziehen.", sage ich an Stephen gewandt ohne mich umzudrehen und betrete dann den Raum bevor er antworten kann. Schnell schließe ich die Tür und beginne dann sofort mich vorsichtig aus dem Kleid zu schälen, um keinen der Steine abzureißen. Als das geschafft ist, trete ich ins Bad und unter die Dusche und die Schminke abzuwaschen. Und erst da realisiere ich wirklich, dass es für mich kein Zurück mehr gibt. Die Parade hat die Spiele um ein Vielfaches realer werden lassen. Ich bin ein Tribut. Ich werde sterben. Oder ich werde Stephen verlieren. Beides wird mit Sicherheit in den nächsten Tagen der Stoff meiner Albträume sein. Schnell steige ich aus der Dusche, um diesen Gedanken zu entkommen und lasse mich von dem Luftstrahl abtrocknen. Dann suche ich mir bequeme Kleidung in dem großen Schrank und lasse mich auf das übergroße Bett fallen. Und kann nicht anders, als mir meine Mom vorzustellen, wie sie in diesem Zimmer ist. Nicht als meine Mom, sondern als Tribut vor ihren eigenen Spielen. Wie sie herumläuft und ihre Strategie plant. Vielleicht hat sie das aber auch nicht getan. Vielleicht war sie hier mit Helen und die beiden haben geredet. Mom spricht nicht gerne von dieser Zeit. Sie und Dad haben uns zwar alles einmal erzählt, aber seitdem meidet Mom das Thema, außer sie hält die Details für nützlich für uns. Dad hingegen hat uns hin und wieder Geschichten erzählt. Geschichten über die drei Menschen, deren Namen ich und meine Geschwister tragen. Wann immer einer von uns Mom danach fragt, setzt sie zu einer Antwort an, bevor sie plötzlich Kopfschmerzen bekommt. Deswegen haben wir auch schon vor Jahren damit aufgehört, weil wir gemerkt haben, wie sehr ihr diese Fragen zusetzen. Dad bringt Mom aber jedes Jahr einmal dazu den Friedhof aufzusuchen, auf welchem Moms Familie begraben liegt. Und jedes Jahr wieder ist Mom danach unglaublich traurig, bis sie Ethan, Amy und mich wieder sieht. Ab diesem Zeitpunkt kann ich Hoffnung in ihren Augen sehen. Und genau diese Hoffnung will ihr Snow anscheinend jetzt wieder nehmen. Denn ich bezweifle, dass ich zufällig gezogen wurde. Und dasselbe gilt für meinen Bruder. Gäbe es drei Tribute, wäre vermutlich Amy auch noch ausgewählt worden. Ich schrecke plötzlich auf, als es an der Tür klopft. „Was ist?", rufe ich, ohne mir die Mühe zu machen an die Tür zu gehen. „Ich bin's.", antwortet eine mir wohlbekannte Stimme gedämpft durch die Tür. „Komm rein, Steph.", erwidere ich und setze mich dann auf. Als die Tür aufgeht, ziehe ich überrascht die Augenbrauen hoch. Denn Stephen trägt zwei bis obenhin gefüllte Teller und Besteck in mein Zimmer. „Ruby meinte, dass wir auch hier essen können. So können wenigstens wir Zoria und ihren endlosen Reden ausweichen.", erklärt er grinsend, während er die Teller auf dem kleinen Tisch in meinem Zimmer platziert. „Gute Idee.", stimme ich zu und lasse mich Stephen gegenüber auf den Stuhl fallen. „Also sind Mom und Leon wieder zurück?", will ich neugierig wissen. Stephen nickt nur, er hat sich gerade ein Stück von seinen Kartoffeln in den Mund gestopft. „Weißt du, welche Änderungen besprochen wurden?", frage ich weiter. Er muss eine Weile warten, bis er wieder sprechen kann. „Naja ich weiß nur, dass die Spielmacher jetzt schon von Anfang an beim Training zusehen. Und die Glücksbringer werden stärker durchsucht.", erklärt er. Ich stöhne auf. „Na toll. Jetzt werden wir also noch mehr beobachtet?", stoße ich genervt hervor. Steph zuckt mit den Achseln. „Ist ja nicht so, als wärst du nicht ohnehin schon gut genug, um sie am ersten Tag dazu zu bringen dir mindestens 11 Punkte zu geben.", neckt er mich grinsend. Ich schüttle grinsend den Kopf. „Nur weil meine Mutter 11 Punkte bekommen hat, heißt das nicht, dass ich ebenfalls 11 Punkte bekommen werde. Fast niemand bekommt 11 Punkte. Außerdem werden sie mich nach ganz anderen Maßstäben beurteilen eben weil ich Ruby Shines Tochter bin.", entgegne ich. „Trotzdem. Du bist gut genug um selbst als Ruby Shines Tochter eine wirklich hohe Wertung zu bekommen." Ich nehme sein Kompliment grinsend entgegen. „Du bist auch nicht schlecht.", kontere ich und werde seinerseits mit einem Grinsen belohnt. Danach essen wir schweigend. Jeder weitere Versuch eine Konversation in Gang zu bringen würde das Gespräch nur in Richtung Spiele lenken und daran wollen wir beide nicht denken. Als wir beide fertig sind und im ganzen Raum Stille herrscht wird diese nach kurzer Zeit schon durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnet meine Mutter die Tür und lächelt Stephen und mich an, doch ich kann den Schmerz in ihren Augen sehen. Ich weiß aber nicht, ob dieser Schmerz einfach nur ihre üblichen Kopfschmerzen sind oder ob es sie schmerzt uns hier zu sehen. „Hi, Mom.", begrüße ich sie im selben Moment wie Stephen, der jedoch „Hallo, Ruby." sagt. Mom will nicht, dass er Tante zu ihr sagt, genau wie ich zu Helen nicht Tante sage. „Ich wollte euch nur Bescheid sagen, dass ich jetzt schlafen gehen werde. Falls einer von euch etwas braucht, könnt ihr mich aber jederzeit aufwecken. Ich sehe euch dann morgen.", verabschiedet sich Mom, ehe sie die Tür wieder schließt und ich lausche, wie sich ihre leichten Schritte von der Tür entfernen. Ich lenke meine Aufmerksamkeit wieder auf Stephen und erkenne eine unausgesprochene Frage in seinen Augen. „Nein, du musst nicht gehen. Ich weiß, dass du auch Albträume bekommst. Du kannst hier übernachten, wenn du willst. Wie früher.", komme ich der Frage zuvor. Dankbar lächelt er mich an. Dann verlässt er den Raum, um das Geschirr zurückzubringen und sich umzuziehen. Mein Bett hier ist ja so groß, dass drei bis vier normal große Einzelbetten hineingepasst hätten, also würden Steph und ich eindeutig genug Platz haben. Es mag vielleicht merkwürdig wirken auf andere, dass wir im selben Bett schlafen wollen, wenn wir ja nur Freunde sind, aber wir veranstalten Übernachtungspartys dieser Art seit wir klein sind und Mom weiß das auch. Ich nutze die Zeit, während Stephen weg ist und ziehe mich ebenfalls um. Zum Schlafen wähle ich ein weites T-Shirt und eine knielange Hose. Als ich wieder aus dem Bad komme, sitzt Stephen schon wieder auf dem Bett und gähnt. Ich kann nicht anders als zu lachen. „Da ist aber jemand müde.", witzle ich und Stephen wirft mir einen gespielt bösen Blick zu, ehe er mit einem schelmischen Grinsen auf mich zukommt. Und ehe ich reagieren kann, beginnt er mich zu kitzeln. Ich versuche mich zu rächen und dasselbe zu tun, doch er blockiert mich sehr erfolgreich. Als ich vor lauter Kichern kaum noch Luft bekomme, kapituliere ich schließlich. „Ich gebe auf. Ich gebe auf.", schnaufe ich atemlos. Natürlich hört Stephen nicht sofort auf, doch als er es tut, lasse ich mich auf das Bett fallen, immer noch lachend. Das Bett wird neben mir erschüttert, als sich Steph ebenfalls darauf wirft und mir belustigte Blicke zuwirft. „Du magst zwar eine knallharte Kämpferin sein, aber diese Schlacht hast du verloren.", sagt er mit betont ernster Stimme, die mich nur noch mehr zum Lachen bringt. Es dauert noch eine Weile, bis ich mich endlich genug beruhigt habe, um zu Bett zu gehen, doch dann sinke ich immer noch mit einem breiten Lächeln auf den Lippen in einen tiefen traumlosen Schlaf.
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