... mit LARP!
Stellt euch folgende Situation vor: Erwachsene Leute verkleiden sich und fahren zu Veranstaltungen, um dort zu zelten und Mittelalter zu spielen. Sie führen heitere und ernste Gespräche über Orks und Untote, machen Feuer, beklauen einander... Manchmal kloppen sie sich auch mit relativ echt aussehenden Schaumstoffwaffen- und schlimmstenfalls heiraten sie sogar.
Das ist LARP.
Ihr fragt euch jetzt vielleicht: Aber was genau ist LARP? Was macht man da? Sind die alle verrückt? Wie funktioniert das und wie kann ich das ausprobieren? Die Antwort ist wie immer nicht so einfach, denn so wie RPGs auf Wattpad unterschiedlichen Konzepten folgen, gibt es auch ganz unterschiedliche LARPs. Daher führe ich euch Schritt für Schritt durch die Erlebnisse und Erkenntnisse, die ich bisher gesammelt habe.
Was ist LARP?
Live Action Roleplay wird häufig als eine Mischung aus Improvisationstheater, Pen-and-Paper und Videospiel beschrieben. Man spielt eine Rolle, die sich in einer fiktiven Welt befindet. Das kennt ihr ja schon aus RPGs. Nur kann man eben, statt seine Handlungen lediglich zu beschreiben, wirklich handeln- und statt sich online einzuloggen, trifft man sich in Echt, häufig auf einer großen Zeltwiese oder in einem Gebäude, und häufig gleich für mehrere Tage.
Ab jetzt kommen zwei Begrifflichkeiten ins Spiel: OT (Out-Time) und IT (In-Time). OT ist alles, was nichts mit dem Spiel zu tun hat, also zum Beispiel dein echter Name. Dinge, die OT sind, holen einen aus dem Spiel raus und erinnern uns an die Realität oder den Alltag. IT ist dementsprechend alles, was zur Spielwelt gehört: dein Charaktername, Monster, Spielwaffen...
Soweit ich das beurteilen kann, sind LARPs für gewöhnlich in zwei OT- und eine IT-Phase unterteilt:
Es beginnt mit der OT-Ankunft: Spieler reisen in Alltagskleidung an, bauen ihre Zelte auf, quatschen mit Bekannten, die sie vielleicht schon von andern LARPs kennen... kurz gesagt, man ist noch nicht in der Rolle und alle benehmen sich ‚normal'. Vielleicht werden auch nochmal die Regeln erklärt.
Ab einer bestimmten Uhrzeit beginnt das Spiel, also die IT-Phase: Jetzt sind spätestens alle verkleidet (oder gewandet, wie LARPer es nennen), Handys und andere nicht-spieltüchtige Gegenstände sind versteckt und plötzlich benehmen sich alle so als wären sie in der Spielwelt. Es wird gehandelt, gekämpft, geklaut und herumgealbert... Man ist nicht mehr man selbst, sondern seine Rolle. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr witzig. Allerdings kommt es wohl stark auf die Con* an, wie streng IT gespielt wird- schließlich sind viele Leute mit Freunden dort und besprechen zum Beispiel, falls sie sich unbeobachtet fühlen, ob sie noch kurz zum Supermarkt fahren. Davon fühlen sich einige stark gestört, für andere ist das okay. Die Regeln diesbezüglich variieren, aber zumeist werden Spieler gebeten, IT zu bleiben und nur in Notfällen aus der Rolle zu fallen. Diese Phase kann wenige Stunden bis mehrere Tage andauern.
Zu guter Letzt gibt es noch die dritte Phase, die wieder OT stattfindet: das Spiel ist vorbei, Zelte werden abgebaut, man macht sich zur Abreise bereit. Das ist genau so merkwürdig wie das Gefühl zu Beginn des Spiels. Eben waren andere Charaktere noch deine Freunde (oder Feinde), jetzt sind sie plötzlich ganz normale Personen mit einem ganz gewöhnlichem Alltag, in den sie zurückkehren. Vielleicht werden noch Nummern und Adressen ausgetauscht, aber dann ist die Con vorbei.
Was macht man auf einem LARP?
Die Antwort auf diese Frage hängt wahrscheinlich stark davon ab, auf was für einem Event man sich befindet, aber es gibt ein paar "Standard"-Beschäftigungen, denen man häufig nachgehen kann:
- Rumsitzen: Nicht die spannendste Beschäftigung, aber wer nicht wild spielen will, muss das normalerweise auch nicht. Häufig gibt es bei größeren Cons Lager, in denen sich beispielsweise auch das eigene Schlafzelt befindet. Da kann man dann ganz wunderbar rumsitzen und in die Luft schauen, vielleicht mit anderen an einem Feuer kochen und essen oder sich ganz entspannt unterhalten. Manche bezeichnen das auch als Ambiente: Es droht keine Gefahr, sondern man genießt nur das Gefühl der Spielwelt (z.B. das mittelalterliche Setting).
- Arbeiten: Wer einen IT-Beruf hat, kann dem nachgehen. Vielleicht ist man Wirt oder Händlerin und verkauft mitgebrachte Ware, oder man beschäftigt sich als Barde, Diebin, Tagelöhner...
- Dienstleistungen in Anspruch nehmen: Andersherum kann man die Leute mit Berufen beschäftigen, in denen man ihnen Waren abkauft oder Aufträge gibt.
- Erkunden: Wenn man noch keine konkrete Beschäftigung hat, lohnt es sich vielleicht, einfach mal nachzusehen, was so um einen herum passiert und welche Orte es gibt. Gibt es vielleicht gefährliche Gegenden mit Monstern?
- Kämpfen: Auf einigen Cons finden richtige Schlachten statt, denen man sich anschließen kann. Andere veranstalten vielleicht Turniere. Inwiefern man sterben kann, ist sehr unterschiedlich geregelt.
- Intrigen: Wer andere Spieler/Charaktere ein bisschen besser kennt, kann sie mit kleinen Verschwörungen auf Trab halten- und selbst in Verschwörungen verwickelt werden. Ob Familienrivalitäten, kleine Machtkämpfe oder andere Intrigen, diese Art von Spiel ist besonders immersiv und aufregend- aber nicht jedermanns Sache.
- Veranstaltungen besuchen: Manchmal gibt es Veranstaltungen wie Bardenwettkämpfe, bei denen man zusehen oder teilnehmen kann.
- Plots folgen: Viele Cons bereiten Plots für die Spieler vor. So müssen oder können zum Beispiel Rätsel gelöst, Nachrichten überbracht und Artefakte gefunden werden, die dann eventuell weitere Geschehnisse in Gang setzen (oder verhindern). Plots können mit Kämpfen und Intrigen kombiniert werden.
- Feiern: Mit einem Getränk in der Hand, ein wenig Musik und einem knisternden Lagerfeuer oder Kerzenschein lässt es sich wunderbar sozialisieren und tanzen.
Je nach Con hat man sehr viel Freiraum, was die Beschäftigungen angeht, oder sehr enge Grenzen. Einige Cons erfordern, dass Plots gespielt werden, damit bestimmte Ereignisse (wie Endschlachten) stattfinden können. Andere überlassen es den Spielern komplett selbst, was sie tun und bieten eher Dinge wie Tavernen und optionale Wettkämpfe an.
Sind die alle verrückt?
Die Frage klärt sich wohl von selbst: Ja, offensichtlich. Aber sie sind auch richtig cool und lieb.
Wie funktioniert das?
So wie es in DnD einen Spielleiter gibt, der die NSCs spielt, gibt es bei LARP Organisatoren, die ausgewählten „Nicht-Spielern" (die natürlich irgendwie schon Spieler sind) kleinere oder größere Vorgaben machen- sodass diese die Handlung zumindest ein wenig steuern, beziehungsweise ankurbeln können. Wieso zum Beispiel sollte man in den finsteren Wald gehen, wo die Monster nur auf einen warten? Aus Spaß am Nervenkitzel vielleicht- oder weil so ein zerlumpter Bettler von einem Schatz erzählt hat, der zwischen den knorrigen Wurzeln eines Baumes liegen soll...
Angenommen, du befindest dich nun also auf Schatzsuche im Wald, und ein schreckliches Monster, sagen wir ein Ork, fällt über dich her. Sie brüllt und schwingt ihre riesige Axt nach dir. In einem Videospiel würdest du nun ganz sicher deine Lebensanzeige im Blick behalten, ebenso in einem Pen-and-Paper. In einem Theaterstück hättest du deinen Skript- aber was macht man beim LARP?
Das kommt drauf an! Bist du denn ein Krieger, der einem Ork etwas entgegensetzen kann? Dann ziehst du vielleicht deine Waffe. Meist sind Orks aber stärker als ein Krieger, also verteidigst du dich vielleicht eher. In einigen LARP-Systemen gibt es gekennzeichnete Spielleiter, die dir nun sagen, wie viel Schaden du machst, wie viel du nimmst und wann du tot bist. In anderen Systemen entscheidest du das selbst- so zum Beispiel habe ich das kennengelernt. In dem System, das ich ausprobiert habe, war niemand ein Krieger und ein Ork war immer stärker als du. Von daher waren die Optionen fliehen, verstecken oder vermöbelt werden- ob man an seinen Verletzungen stirbt, durfte man ebenfalls selbst entscheiden.
... und wie kann ich das ausprobieren?
Viele Leute organisieren große oder kleine Cons. Die Namen, die ich bisher am häufigsten gehört habe, sind das Drachenfest und Mythodea. Das sind die richtig großen Veranstaltungen mit tausenden Spielern, die jährlich stattfinden. Es gibt aber auch kleinere Cons, die man ebenfalls leicht im Internet findet, wenn man einfach nach „LARP Kalender" oder Ähnlichem sucht.
Zumeist reist man mit einem (mittelalterlichen) Zelt an, seltener gibt es eine Unterkunft. Das ist die erste Hürde, die man überwinden muss: ein ambientetaugliches Zelt. Ideal ist es, wenn man sich anfangs eins leihen kann. So ein Zelt ist nicht günstig, daher überlegt man vielleicht zweimal, wie dringend man das will.
Die zweite Hürde ist die Klamotte, also die Verkleidung. Schließlich muss man selbst auch ein bisschen mittelalterlich aussehen. Es gibt Leute, die schwere Rüstungen und riesige Waffen tragen, aber einfache Bauernhemden und -kleider tun es auch. Der Dresscode ist unterschiedlich streng, aber meistens muss man nicht super authentisch sein- und ob man nun eher wie ein Wikinger oder wie Aragorn aus Herr der Ringe aussieht, spielt für gewöhnlich keine Rolle. Wer gut nähen kann, ist klar im Vorteil.
Dann gibt es noch die Frage, mit wem man anreist. Selbstverständlich kann man ganz alleine auf einen Con gehen. Ich war zum Beispiel so halb alleine dort. Es gab zwar Leute, die ich kannte, doch die habe ich nur selten getroffen, weil die andere Pflichten hatten. Das war zuerst richtig unheimlich, aber umgeben von freundlichen Spielern habe ich mich dafür umso besser eingewöhnt (und eine Menge neue Leute getroffen). Bei vielen erfahrenen Spielern habe ich beobachtet, dass sie häufig mit den gleichen Leuten auf Cons gehen- ob nun als Gruppe, die aktiv zusammen spielt (z.B. als Verbrecherpack), oder nur als loses Netzwerk, das sich ab und an Bälle zuspielt und Intrigen strickt.
Die letzte Hürde ist man selbst. Man muss sich einfach überwinden und sich trauen. Wenn man zögert, verpasst man das Event und begreift im nächsten Jahr bitter, was man für einen Spaß gehabt hätte, wenn man bloß früher hingegangen wäre!
Ach ja, wer noch nicht 18 ist, muss eventuell mit Eltern anreisen und/oder eine Erlaubnis von selbigen mitbringen, dass man teilnehmen darf. Einige Cons sind auch erst ab 18.
Vielleicht konnte ich ja auch euer Interesse für dieses supernerdige Hobby wecken. Falls ihr noch Fragen habt, schreibt sie gerne in die Kommentare oder schickt mir einfach eine Privatnachricht! :)
Wart ihr schonmal auf einer Con? Wenn ja, auf welcher und was habt ihr gespielt? Wenn nein, könntet ihr euch das vorstellen?
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* Con: „Convention", auf Deutsch „Veranstaltung": Ein geplantes Treffen von Leuten mit einem gemeinsamen Ziel oder Interesse. Wird auch für Treffen von Fangemeinden, wie zum Beispiel Comic-Cons, verwendet. Ehrlich gesagt ist es aber nur eine Vermutung meinerseits, dass Con eine Abkürzung für Convention ist, da bei LARP-Veranstaltungen immer nur von Cons gesprochen wird.
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