Kapitel 24
"Das kann nicht sein", flüsterte ich fassungslos.
"Du kannst nicht ernsthaft diese Mörder unterstützen", stieß ich hervor.
Zafer sah mich nur ausdruckslos an.
"Verdammt sag was", fuhr ich ihn an.
Er trat auf mich zu.
"Ich gehöre zu den Rebellen. Das stimmt. Aber ich bin ganz sicher kein Mörder!"
Mit jedem Wort war er näher gekommen. Er ballte die Hände zur Faust. Ich sah ihn nur ungläubig an.
"Unter dem Kronleuchter wurden Menschen begraben. Meinst du sie haben das alle überlebt?"
Zum Ende meiner Frage schrie ich fast. Ich hatte das Bein von Leyna noch vor Augen. Sie hatte vergleichsweise Glück gehabt. Ich wollte mir nicht vorstellen wie es aussah, wenn der ganze Körper getroffen wurde.
"Das war ein Unfall", sagte Zafer mit rauer Stimme.
"Es waren keine Schüsse auf Menschen direkt vorgesehen. Wir wollten nur Panik verbreiten. Ein Schuss muss die Halterung des Kronleuchters getroffen haben."
Wütend funkelte ich ihn an.
"Ach ja und anstatt euch dann zurück zu ziehen, damit die Verletzten versorgt werden können, habt ihr weiter angegriffen. Hast du dafür auch eine Entschuldigung?"
Er biss die Zähne aufeinander.
"Ich habe den Befehl gegeben, aber es dauert eine Weile bis er alle erreicht."
Benommen sah ich ihn an.
"Den Befehl gegeben?", wiederholte ich fassungslos. "Sag nicht du bist der Anführer dieser Attentäter."
Er schüttelte denn Kopf.
"Wir haben keine Alleinherrschaft, wie dein Vater sie lebt. Ich bin nur einer von vielen Befehlshabern, die Aktionen planen und ausführen. Die Eskalation dieser Aktion geht auf meine Verantwortung. Aber ich war nie so naiv zu glauben, dass der Versuch etwas zu ändern ohne Opfer vonstatten gehen könnte."
Ich konnte nicht glauben, dass das der Zafer war, den ich kennen gelernt hatte. Ich hatte ihn als entschlossenen, gleichzeitig fürsorglichen und beschützerischen Menschen gesehen. Er hatte Kindern ein Zuhause gegeben und mir geholfen als ich in Schwierigkeiten geraten war. Dabei hatte er mich noch nicht einmal gekannt. Vermutlich hätte er das nicht getan, wenn er gewusst hätte, dass ich die Prinzessin war. Ich kannte diesen harten Zafer nicht, der nun vor mir stand.
"Du hast mich gewarnt auf diesen Ball zu gehen, weil du wusstest, was passieren würde? Warum hast du das getan?", wollte ich wissen.
Er trat noch näher und strich mir eine zerzauste Haarsträhne aus dem Gesicht, eine so vertraute Geste, dass ich erschauderte.
"Kannst du es dir nicht denken?", fragte er leise.
"Ich muss es hören", erwiderte ich.
Mein Herz schlug so stark in meiner Brust, dass ich es spüren konnte.
"Ich wurde von deiner inneren Stärke angezogen. Ich mochte deine Entschlossenheit zusammen mit einer Großzügigkeit, die ich nicht erwartet hatte. Es ist selten in dieser Welt solche Werte zu finden."
Mir war nicht entgangen, dass er in Vergangenheit sprach.
"Wolltest du mich irgendwann in dein Geheimnis einweihen?", fragt ich ihn.
Er griff nach meiner Hand und strich über den schweren Siegelring, der gleichzeitig Schmuck und Erkennungsmerkmal war.
"Und du?", fragte er sanft zurück. "Wann wolltest du es mir sagen?"
Ich schluckte schwer.
"Ich hatte Angst, dass du mich dann mit anderen Augen sehen würdest", flüsterte ich.
Er umfing mein Gesicht mit beiden Händen.
"Nein, Mira. Das tue ich nicht. Vieles wird mir nun klar. Ich bewundere deinen Mut deiner Familie zu trotzen."
Er strich unter meinem Auge entlang, dass vor nicht allzu langer Zeit verletzt gewesen war.
"Also ändert sich nichts zwischen uns?"
Im selben Moment wusste ich, dass das Wunschdenken war. Zafer zog mich, eine Hand in meinen Nacken gelegt, näher zu sich.
"Doch Mira. Das ändert alles."
Und dann küsste er mich. Nichts an dem Kuss war sanft oder zärtlich. Unsere Situation hatte sich verändert, und das nicht zu unseren Gunsten. Die Erkenntnis war ernüchternd. Ich klammerte mich an seinen Schultern fest und erwiderte den Kuss so grob wie er. Der Kuss schmeckte nach Abschied. Ich verlor mich trotzdem in ihm. Meine Gedanken hörten auf sich zu drehen. Ich war ganz bei Zafer, atmete seinen Geruch, fühlte seinen Körper an meinen gepresst und schmeckte ihn auf meinen Lippen. Zafer löste sich von mir. Bedauern stand in seinem Blick.
"Du magst mit den Ansichten deines Vaters nicht einverstanden sein, seine Taten nicht gut heißen. Vielleicht hasst du ihn sogar. Aber du würdest mir nie verzeihen, wenn er im Kampf mit den Rebellen getötet werden würde."
Ich wollte protestieren, ihm versichern, dass das nicht so war. Zu oft hatte er meiner Mutter oder mir schon weh getan. Aber ich konnte nicht. Weil ich ihm niemals den Tod wünschen würde. Dann wäre ich schlimmer als er. Zafer hatte Recht. Ich würde es ihm nie verzeihen. Also trat ich einfach nur einen Schritt zurück. In mir breitete sich ein quälender Schmerz aus.
"Du solltest lernen dich zu verteidigen."
Zafers Stimme war eindringlich.
"Nichts kann die Folgen des heutigen Tages rückgängig machen. Der Kampf den die Rebellen, den wir führen, er wird weiter gehen. Ich will nicht, dass du ins Kreuzfeuer gerätst."
Ich sagte ihm nicht, dass ich dort schon längst war. Stattdessen nickte ich einfach nur. Ein hallender Ruf ertönte. Erschrocken drehte ich mich zu den Tunnelgängen um. Ich ging zu einem und lauschte. Tatsächlich erschallte der nächste Ruf. Es mussten Wachen sein. Sie riefen nach mir, waren ausgeschickt um mich zu suchen.
"Du musst fort", sagte ich zu Zafer und drehte mich zu ihm um.
Die Wachen konnten uns noch nicht hören, aber sie kamen näher.
"Nimm den anderen Weg, dann werden sie dich nicht erwischen", drängte ich ihn.
Er trat zu mir.
"Ich nehme an du kannst nicht schießen?"
Verständnislos schüttelte ich den Kopf.
"Dann wird ein Dolch das Beste sein."
Er löste etwas von seinem Gürtel und reichte es mir. Es war ein Dolch in einer Scheide.
"Trag ihn verdeckt immer bei dir. Es würde mich ein wenig beruhigen zu wissen, dass du dich verteidigen kannst. Zögere nicht ihn zu benutzen, wenn du musst. Versprich es mir!"
Er legte ihn in meine Hände und schloss sanft, aber bestimmt meine Finger um ihn. Als er sich umdrehte und ging, rollte mir ungesehen eine Träne aus dem Auge. Er drehte sich nicht noch einmal um, sondern verschwand einfach im zweiten Gang. Mit ihm verschwand auch noch der Rest meines gerade neu entdeckten Lebens. Die kurze Zeit der Freiheit war die schönste meines Lebens gewesen. Die Rufe der Wachen wurden lauter. Ich bückte mich und hob mein Kleid, um den Dolch an meinem Oberschenkel zu befestigen. Für den Moment würde er dort unentdeckt bleiben.
Als die Wachen mich erreichten, war ich innerlich ganz taub geworden. Jedes noch so schmerzhafte Gefühl wurde weg geschlossen. Das war nicht der richtige Augenblick, um zusammen zu brechen. Vermutlich dachten die Wachen ich stände unter Schock. Mit wenigen Worten versicherte ich ihnen, dass ich unverletzt war. Dann ließ ich mich von ihnen fort führen.
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