Kapitel 11
"Wie es aussieht seid ihr fertig, Schneider?", fragte mein Vater.
Dieser nickte eifrig.
"Aber ja Majestät, jetzt gilt es nur noch das Kleid anzufertigen."
"Dann geht. Euren Lohn bekommt ihr sobald ihr die Kleider liefert."
Der Schneider verabschiedete sich mit einem gemurmeltem Dank und einer Verbeugung. Seine Assistentinnen folgten ihm aus dem Raum.
"Du kannst auch gehen, Tochter", entließ mich mein Vater und ich folgte dem Schneider aus dem Raum.
Sobald sich die Tür hinter mir geschlossen hatte, wartete ich bis der Schneider und seine Gehilfinnen um die nächste Ecke verschwunden waren. Dann drehte ich mich wieder zur Tür um. Zögerlich legte ich mein Ohr daran. Aber sie war so dick, dass ich rein gar nichts verstand. Ich legte die Hand an den Türknauf und schaute mich noch einmal verstohlen nach rechts und links um. Niemand war zu sehen. Ich drückte die Tür leise auf und spähte in den Raum. Ich sah nur den Rücken meines Vaters.
"...schon verfällst du ihm", hörte ich meinen Vater gerade sagen.
"Das stimmt nicht", wiedersprach meine Mutter.
"Lüg nicht!", rief mein Vater und ich zuckte zusammen.
"Wahrscheinlich hast du ihn auch noch ermutigt und seine Avancen erwiedert."
Er hob den Arm und stieß meine Mutter zurück. Meine Mutter versuchte nicht sich zu verteidigen. Sie stand einfach nur hoch aufgerichtet da. Auf einmal holte mein Vater aus und rammte ihr die Faust in den Magen. Meine Mutter schrie auf und brach zusammen. Ich stürzte in den Raum.
"Aufhören!"
Ich packte den Arm meines Vaters. In seiner Wut riss er ihn zurück und ich bekam seinen Ellenbogen ins Auge gestoßen. Mein Kopf wurde zurück geschleudert und ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Kopf. Ich taumelte zurück.
"Was machst du hier?", herrschte mich mein Vater an.
Schützend hob ich die Hände und wich noch weiter zurück. Vor meinen Vater, der sich mit wütender Miene zu mir umgedreht hatte. Ich brachte vor Schreck kein Wort heraus. Verächtlich sah er mich an.
"Lass das behandeln! Bis zum Ball sollte nichts mehr davon zu sehen sein."
Dann drehte er sich um und verließ mit festen Schritten den Raum. Ich ballte ohnmächtig vor Wut meine Hände. Am liebsten hätte ich ihm hinterher geschrien, dass er mich dann nicht hätte schlagen dürfen. Aber in meiner Kehle steckte ein dicker Knoten gemischt mit Schreck und Angst. Mein Auge pochte vor Schmerz und ich sah nur noch verschwommen. Benommen drehte ich mich zu meiner Mutter um, die immer noch auf dem Boden hockte. Ich ging zu ihr.
"Mutter?"
Meine Stimme klang erstickt. Ich wollte ja für sie stark sein und ihr helfen. Nur sehnte ich mich in diesem Moment selber nach tröstenden Worten von ihr.
"Samira."
Meine Mutter blickte auf und ich erschrack über ihre harte Miene.
"Du hättest dich niemals einmischen dürfen."
Sie richtete sich auf.
"Was? Aber ich..."
Sie stand auf.
"Nun solltest du lieber schnell lernen dich daran zu gewöhnen."
Ihre Worte waren genauso eisig wie ihre Miene. Ich wich entsetzt zurück.
"Dann willst du nichts tun? Dich nicht wehren? Warum? Ich..."
"Samira!"
Sie unterbrach meinen Wortschwall.
"Wer sollte uns helfen. Er ist der König. Er besitzt alle Macht. Selbst wenn er uns öffentlich auspeitschen würde, könnte ihn keiner daran hindern. Also hör auf zu jammern und akzeptier es wie es ist."
Ich starrte sie einfach nur an. In wenigen Sekunden war meine Mutter für mich eine Fremde geworden. Als klar wurde, dass sie nicht mehr sagen würde, drehte ich mich um und floh. In meiner Hast rempelte ich einen Dienstboten an. Ich ignorierte seinen erschrockenen Schrei, rappelte mich auf und rannte weiter. Auf meinen einem Auge sah ich nichts mehr und auch vor meinem anderen verschwamm die Sicht. Tränen füllten meine Augen und ließen mich blind weiter stolpern. Ich hasste meine Eltern. Mein Vater, weil er meine Mutter gewissenlos schlug. Und meine Mutter, weil sie es zuließ. Ich erreichte mein Zimmer und stürzte hinein. Mit einem Knall schloss ich die Tür und verriegelte sie. Ich lehnte mich gegen die Tür und konnte meine Tränen nicht mehr aufhalten. Langsam rutschte ich an der Tür herunter und schluchzte hemmungslos. Hilflos ballte ich die Hände. Ich hätte etwas tun müssen. Meinen Vater anschreien, dass er uns so nicht behandeln durfte. Meiner Mutter einreden, dass nicht einfach hinzunehmen. Sie hatte gesagt ich dürfe mich nicht wehren, solle es akzeptieren. Es klang als würde sie schon länger in dieser Situation stecken. Aber ich hatte nicht vor schweigend dazu stehen, wenn mein Vater die Hand erhob. Der König, korrigierte ich mich. Er war nie mein Vater gewesen. Ich stand auf. In meinem Inneren brodelte Wut über meine eigene Hilflosigkeit. Mit wildem Blick durchsuchte ich den Raum. Und blieb an einer goldbemalten Vase hängen. Mit zwei Schritten war ich bei meiner Kommode und nahm die Vase in die Hand. Sie war hübsch und wahrscheinlich unbezahlbar. So wie alles in diesem Raum. Mit einem Wutschrei holte ich aus und warf sie gegen die Wand. Mit einem befriedigenden Knall zersplitterte sie in tausend Scherben. Es war befreiend und berauschend. Als nächstes schnappte ich mir die Teetasse aus feinstem Porzellan. Knirschend zerbrach sie auf dem Boden, die Untertasse ebenfalls. Ich riss an meinen Bettvorhängen bis sie zu Boden fielen. Ich zerriss mein Kissen und warf es in die Höhe. Ein Federregen ging auf mich hinunter. Ein irres Lachen brach aus mir heraus, dass gleich wieder von Schluchzern abgelöst wurde. Ich hatte diese glänzende Fassade so satt. Ich sank neben meinem Bett in die Knie und vergrub die Hände in meinen Haaren. Ich zerrte jede einzelne vergoldete Nadel heraus und warf sie fort. Bis mir meine Haare ungebändigt über die Schulter fielen. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Armen und stöhnte auf als ich mein verletztes Auge berührte. Ich wollte gar nicht wissen wie es aussah. Denn jetzt wo meine größte Zerstörungswut vorbei war, spürte ich es schmerzhaft Pochen. Dazu gesellte sich der seelische Schmerz und das Gefühl verraten worden zu sein. Immer wieder sah ich meinen Vater mit wütender Miene vor mir. Wenn ich dieses Bild aus meinem Kopf vertrieben hatte, tauchte die Stimme meiner Mutter und ihre harten Worte in meinem Kopf auf. Es war ein Segen als ich endlich erschöpft einschlief.
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