„Du solltest mit ihr reden", meint Wolf, als er den Blick bemerkt, mit dem seine Kollegin Irmgard Große mustert.

„Was soll ich denn zu ihr sagen?", schnaubt die nur. „Sorry, Oma. Ich weiß, du leidest, aber es musste sein?" Marie schüttelt den Kopf. „Nein, Wolf. Das kann ich nicht machen."

„Aber vielleicht versteht sie es ja, wenn du ihr alles erklärst", versucht er es erneut. Doch wieder schüttelt Marie den Kopf. „Nach dem, was wir ihr angetan haben, wird sie mir nie verzeihen."

Das sieht Wolf ein bisschen anders. Er hat Maries Großmutter und die Betrügerin beobachtet. Er weiß, wie sehr sie sich nach ihrer Enkelin sehnt. „Du solltest es versuchen. Sie hat sich so gefreut, als sie dachte, dich endlich wiedergefunden zu haben."

„Aber ich habe mir das ausgedacht! Ich habe von meiner Mutter endlich die ganze Geschichte erfahren und nur gedacht: Super, ein toller Köder für Rotkäppchen!" Marie dreht sich weg und murmelt leise: „Was bin ich nur für ein Mensch, Wolf?"

Er legt eine Hand auf ihre Schulter und antwortet ehrlich: „Einer, der vielen anderen Großeltern Leid erspart hat. Außerdem war es meine Entscheidung, der Betrügerin eine Falle zu stellen. Du hast nur die Möglichkeit gesehen, alles ein bisschen authentischer zu machen. Das wird sie verstehen, wenn du es erklärst. Rede mit ihr!"

Marie sieht ihn zweifelnd an. „Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?"

„Willst du es denn?", fragt er nur.

„Ja, schon ..."

„Dann tu es auch." Aufmunternd nickt er seiner Kollegin zu und Marie atmet noch einmal tief durch. Dann drückt sie die Klinke herunter. „Hallo ... Großmutter. Ich bin die echte Marie. Vielleicht können wir reden ..."

Wolf lächelt zufrieden und verlässt pfeifend die Dienststelle. Seinen Feierabend hat er sich nun redlich verdient. Das lief doch wirklich gut!, denkt er noch, bevor er in seinen Wagen steigt und das Kapitel Rotkäppchen ein für allemal schließt.