6. Kapitel
Anya schritt auf und ab, der Umhang wehte hin und her, ihre rechte Hand am Kinn platziert - sie dachte nach. Lexa und ich standen vor dem Ausgang. Wir wagten es nicht, zu sprechen. Niemand würde je freiwillig den Zorn des Commanders auf sich hetzen.
»Die Ice Nation? Seid ihr euch da sicher?«, fragte Anya schließlich, ohne stehenzubleiben.
»Hundertprozentig, Heda«, antwortete ich. Ich warf einen kurzen Blick zu Lexa herüber. Sie hielt ihren Kopf gesenkt. Starr blickte sie zu Boden - sie trauerte oder versuchte ihre Wut zurückzuhalten.
»Dann herrscht Krieg!«, rief Anya und blieb stehen. Mit einem wutverzerrten Gesicht sah sie uns an.
»Seid Ihr Euch da sicher?«, fragte ich zweifelnd.
Die blonde Frau zog ihre Augenbrauen hoch. »Warum sollte ich es nicht sein?«
»Vielleicht können wir mit ihnen reden, ohne dass Blut vergossen wird -«
»Schweig, Rosana! Bevor noch mehr irres Zeug aus deinem Mund kommt!«, wies Anya mich zurecht. »Geht und sagt den Kriegern Bescheid. Verschickt Reiter, die andere Dörfer unseres Clans informieren sollen!« Mit einer Handbewegung scheuchte sie uns hinaus.
»Wir machen einen gewaltigen Fehler«, murmelte ich und Lexa wandte abrupt ihren Kopf zu mir.
»Das hast du nicht gesagt!«, brachte sie nach Luft schnappend hervor. »Sie haben Costia getötet!«
»Eventuell haben sie Costia getötet«, verbesserte ich. »Wir sind alle Menschen, Lexa. Wir können das nicht tun!«
»Das ist nicht dein Ernst!« Lexa schüttelte immer wieder den Kopf.
»Jemand muss versuchen, mit den zwölf Clans zu sprechen. Es muss ohne Blutvergießen gehen!«
»Du bist irre! Ja, genau wie Anya gesagt hat, aus deinem Mund kommt nur irres Zeug!«
»Lexa, versteh doch -«
»Nein! Ich gehe!« Wütend stapfte Lexa davon und ich konnte es ihr nicht verübeln; immerhin wurde ihre Freundin entführt.
Ahnungslos lief ich umher. Ich war mir sicher, dass Lexa den Kriegern Bescheid sagen würde und deswegen machte ich mir keine Mühe, es selber zu tun.
»Das kleine Vögelchen ist mit den Gedanken ganz woanders«, vernahm ich plötzlich eine vertraute Stimme.
Ich hob meinen Kopf und sah Mayk, der an einem Baumstamm lehnte und die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
Ich verdrehte die Augen. »Was willst du?«, fragte ich genervt und blieb stehen.
»Na, na. Erst noch solche Angst um mich haben und nun nicht einmal lächeln, wenn man mich sieht.« Er grinste breit und stellte sich aufrecht hin. Langsam schlenderte er zu mir herüber, bis er direkt vor mir stehenblieb.
»Ich hatte keine Angst um dich«, konterte ich und blickte zu ihm hoch. Er war einen ganzen Kopf größer als ich und seine braunen Augen musterten mich intensiv. Gekonnt hielt ich seinen Blick stand.
»Ach, sicher?« Er kam noch näher an mich heran und platzierte seine Hände auf meiner Hüfte.
»Lass mich los, Mayk!«, rief ich und wollte ihn an der Brust wegdrücken, jedoch war er zu stark.
Da vernahm ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung und sobald hörte ich einen dumpfen Schlag. Mayk taumelte augenblicklich zur Seite. Er hielt sich stöhnend das Gesicht, dort, wo Lincoln ihn geschlagen hatte.
»Fass noch einmal meine Schwester an und du bist tot!«, knurrte mein Bruder hinter zusammengebissenen Zähnen drohend. Schließlich wandte er sich mir zu. »Geht es dir gut?«
»Da hättest du nicht machen müssen. Ich wär alleine mit ihm fertig geworden!«, sagte ich leicht sauer und ging.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro