kapitel 8 : nicht bleiben sollen
Rosalie wälzte sich unruhig in ihrem Bett, während ihre Gedanken unaufhörlich zurück zu einer längst vergangenen Zeit in New Orleans wanderten – zu jenem Tag im Jahr 1830, an dem das Echo von Schwertern durch den Hof hallte und die Luft vor Leidenschaft, Zorn und unausgesprochener Liebe knisterte. Die Erinnerungen waren so lebendig, dass sie fast meinte, das metallische Klirren der Klingen wieder zu hören, das Trommeln ihres Herzens in der Brust zu spüren und die Hitze der Spannung, die wie ein Funke zwischen ihr und ihm loderte, zu empfinden. Ihr Körper spannte sich unwillkürlich an, als sie sich das lebhafte Bild vor Augen rief: der Hof der alten Villa, das gedämpfte Licht der Nachmittagssonne, das durch die Steingemäuer fiel, und Niklaus, ihr Bruder, der lässig an der Wand lehnte, die Arme verschränkt und mit einem belustigten Funkeln in den Augen das Duell beobachtete. Er hatte mit einem spöttischen Grinsen auf den Lippen Anweisungen gerufen, als würde er ein Theaterstück genießen.
Die Schwerter prallten aufeinander, und sie spürte wieder die Anstrengung, die jeder Schlag kostete, das Zittern ihrer Muskeln, das Brennen ihrer Lungen. Der kleine dunkelhäutige Junge, ihr Gegner, kämpfte mit erstaunlicher Entschlossenheit und einer Wildheit, die sie stets herausgefordert hatte. In diesem Moment hatte er fast wie ein Schatten ihrer selbst gewirkt – jung, ungestüm, voller Leidenschaft und Ehrgeiz. „Attaque au fer! Und Kontenparade!" hatte Niklaus begeistert gerufen. Seine Worte hallten in ihrem Kopf wider, und Rosalie konnte das Grinsen auf seinen Lippen fast wieder sehen, als die Spitze ihres Schwertes den Jungen beinahe traf. „Treffer! Ein spürbarer Treffer!" hatte er gelacht, und sie hatte den Helm abgenommen, ihr Haar fiel in wilden Locken über ihre Schultern, die Augen funkelten vor Siegeswillen.
Der kleine Junge hatte sie stolz und voller kindlicher Entschlossenheit angesehen und verkündet: „Ich werde dich später zur Frau nehmen." Sie hatte gelacht, ein warmes, verführerisches Lächeln auf den Lippen. „Nur derjenige, der mich besiegt, bekommt mich zur Frau... Noch eine Lektion?" Ihre Worte waren eine Mischung aus Herausforderung und einem Hauch von Zuneigung, die sie selbst vielleicht nicht einmal bewusst bemerkt hatte.
Doch die Lektionen hatten sich über die Jahre hinweg fortgesetzt, und mit jeder Trainingseinheit, mit jedem Schlag und jeder Parade, war der kleine Junge ein Stück mehr zu einem Mann geworden – ein Mann, dessen entschlossener Blick ihr Herz schneller schlagen ließ. Die Spannung zwischen ihnen hatte sich mit der Zeit verändert, war dichter, intensiver geworden, wie eine Flamme, die sich langsam entfacht und schließlich heiß und unbändig loderte. Und an jenem Tag im Hof, als er sie mit festem Griff am Handgelenk packte und gegen die kühle Steinwand drückte, hatte sie die Veränderung endgültig gespürt.
Das Herz pochte ihr bis zum Hals, als sie an diesen Moment dachte – die Sekunden, in denen er schwer atmend ihren Helm löste und sie sich ohne Worte tief in die Augen sahen. Sein Gesicht war so nah, dass sie seinen heißen Atem auf ihren Lippen spüren konnte, und ihr Körper schien wie von einem unsichtbaren Magneten zu ihm gezogen zu werden. Ihre Gedanken waren leer, nur das Dröhnen ihres Herzens und das Knistern des Augenblicks füllten ihr Bewusstsein. Der intensive Blick des jungen Mannes, der einst der kleine Junge gewesen war, durchbohrte sie und löste ein unstillbares Begehren in ihr aus, eine Sehnsucht, die sie kaum verstand und vor der sie gleichzeitig zurückschreckte.
Er hatte sich näher zu ihr geneigt, als wollte er den verbotenen Kuss stehlen, den er seit Jahren ersehnte – doch dann hatte sie, beinahe instinktiv, den Kopf gesenkt, als sie die Schritte ihres Bruders hörte, die den Hof erfüllten. Niklaus war da, sein missbilligender Blick ließ sie wie eine Flut von Schuldgefühlen und Verboten über sich hereinbrechen. Schnell hatte sie sich von der Wand gelöst, die brennende Sehnsucht im Herzen verdrängt, und war eilig davongeeilt, ohne zurückzublicken.
In der Dunkelheit ihres Zimmers zog sie die Decke enger um sich und spürte, wie die Erinnerungen an jene Tage sie fest umschlossen, wie ein unsichtbares Netz, das sie nicht losließ. Sie fühlte noch immer das Flattern in ihrem Bauch, die Kälte der Steinwand an ihrem Rücken und die heiße Nähe seines Atems. Es war eine Sehnsucht, die sie nie ganz hatte loslassen können, eine verbotene Begierde, die ihr wie eine alte Wunde immer wieder in die Seele schnitt.
„Was hätte sein können...", murmelte sie leise und strich gedankenverloren über die glatte Oberfläche der Bettdecke. Die Erinnerung an seine berührenden Worte und den intensiven Blick hatten sie immer wieder eingeholt, in ungezählten Nächten, in denen sie sich einsam in ihrem Bett hin und her gewälzt hatte, ihre Gedanken voller ungesagter Worte und ungelebter Momente. Rosalie schloss die Augen, ließ sich tiefer in das Kissen sinken, als könne sie dadurch die Gedanken fortschieben, die ihr keine Ruhe ließen. „Warum? Warum musste es so enden?" Die Frage hing schwer in der Stille des Zimmers, und sie wusste, dass sie selbst keine Antwort darauf hatte.
Rosalie wälzte sich heftiger im Bett, die Erinnerung drang unbarmherzig in ihren Schlaf, fesselte sie wie eine ewige Folter, aus der es kein Erwachen zu geben schien. Die lebendigen Bilder der vergangenen Nacht hallten in ihr wider – jede Berührung, jedes Wort, das berauschende Gefühl von Marcels Händen an ihren Hüften, das Feuer in ihren Adern, als seine Lippen ihre fanden. Und dann, das jähe Umschlagen der Leidenschaft in Schmerz und Schrecken, als ihr Bruder Klaus in den Raum trat, die Vernichtung in seinen Augen, und Marcel von ihr fortgerissen hatte.
„Wie war dein Bad?" hörte sie sich selbst leise sagen, und sie erinnerte sich an ihren eigenen Ton – vorsichtig, gehaucht, und doch voller Verlangen. Sie hatte Marcel bewundernd betrachtet, die Wassertropfen auf seiner dunklen Haut, die sich glitzernd und schwerfällig an seiner muskulösen Brust entlangschlängelten. Doch all das, die hitzigen Küsse und die unkontrollierbare Sehnsucht, hatten in einem brutalen Erwachen geendet. „Marcel..." murmelte sie im Schlaf und wand sich verzweifelt in den Laken, als die Erinnerung an Klaus' grauenhafte Rache ihren Geist heimsuchte. Sie spürte in der Erinnerung noch einmal den erbarmungslosen Griff ihres Bruders um ihren Hals, die gnadenlose Kälte, die jede Zärtlichkeit erstickte. „Nein..." Ein Klagelaut entrang sich ihr, verzweifelt, als sich die Szene in ihrem Kopf wiederholte. Sie konnte Klaus' glasigen, enttäuschten Blick sehen, seine Härte, die sie so sehr fürchtete und hasste.
„Klaus, bitte... Er ist anders... Er ist..." Ihre eigenen Worte aus der Vergangenheit kamen ihr im Schlaf über die Lippen, während sich ihr Körper verkrampfte. Der Druck um ihren Hals schien real, als würde sie unter der Last von Klaus' Wut tatsächlich ersticken. „Ich flehe dich an!" Ihr Klagelaut wurde lauter, schien fast das Zimmer zu erfüllen. Rosalie lag in tiefer Dunkelheit, die schweren Schatten ihrer Erinnerungen legten sich wie ein Schleier über ihr Bewusstsein. Sie sah Gesichter, alte Geschichten, eine Reihe von Stimmen, die sie in die Vergangenheit zogen, dort festhielten und sie ersticken ließen. Doch dann – als ob ein warmer Strahl Licht durch das Dunkel drang – fühlte sie plötzlich Hände, die ihre Schultern berührten. Zuerst war es nur ein flüchtiges Gefühl, als würde die Erinnerung selbst in die Realität eindringen. Doch dann war es da, eindeutig, warm, real.
„Rosalie!" Klaus' Stimme brach durch die düstere Leere und zog sie zurück ins Hier und Jetzt. Ein scharfer Schmerz in ihrer Brust riss sie in die Gegenwart. Sie schnappte nach Luft, ihre Augen rissen sich auf, und ein Schrei entfloh ihrer Kehle, durchdrang die Stille des Raumes und hallte durch das dunkle Schlafzimmer. Ihre Brust hob und senkte sich hektisch, kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn, als ihre fieberhaften Augen den Raum absuchten. Alles schien vertraut und doch fremd, als würde sie durch ein verzerrtes Fenster in ein Zimmer blicken, das einst ihr Zuhause gewesen war. Doch das Zimmer um sie herum änderte sich, wurde zu etwas ganz anderem, Dunkles, Altes. Der Hauch von Nostalgie und verlorenen Tagen erfüllte die Luft. Da war ein Duft nach altertümlichem Holz und abgestandenem Parfum. Ihr Kopf dröhnte. Sie schluckte schwer. Plötzlich erkannte sie es: New Orleans, die Vergangenheit. Aber das konnte nicht sein, konnte es?
Verwirrt und noch in Trance hob sie den Kopf und sah ihn. Ihr Bruder Klaus saß neben ihrem Bett, sein Körper entspannt, der Blick jedoch voller Intensität. Ein verwirrendes Gefühl aus Wut und unerwarteter Erleichterung wallte in ihr auf. Ein Spott lag auf seinen Lippen, als er sie unverwandt ansah. „Das wurde langsam Zeit", sagte er schließlich, seine Stimme hatte diesen leicht provozierenden, arroganten Klang, der sie schon immer auf die Palme gebracht hatte. „Ich habe mich schon gelangweilt. Aber ich wollte dein Gesicht sehen – und dieser Anblick ist einmalig."
„Bastard", zischte sie, ihre Stimme war gereizt und angespannte, als wäre jeder Muskel ihres Körpers vor Spannung gespannt. „Was ist heute für ein Tag?" fragte sie scharf und versuchte, die Realität zu greifen, die sich ihr immer noch zu entziehen schien. „Sonntag", erwiderte er ruhig, beinahe beiläufig, doch sein Ton verriet eine tieferliegende Absicht. Ein eisiger Schauer durchlief sie, als die Zeitspanne plötzlich ihre volle Bedeutung bekam. „War ich... eine ganze Woche lang bewusstlos?" flüsterte sie ungläubig und blickte ihm in die Augen, die ihr schon so oft endlose Geheimnisse und Grausamkeiten offenbart hatten. „Marcel... was hast du ihm angetan?" Die Stille hing schwer zwischen ihnen, bevor Klaus sie durchbrach. „Es ist das Jahr 1887, Rosalie. Du warst 52 Jahre lang bewusstlos, und Rebekah... sie wurde erdolcht." Seine Worte fielen wie Steine in den Raum und ließen ihre eigenen Ängste und Schmerzen lautlos explodieren. Die ersten Tränen traten ihr in die Augen, bahnten sich stumm den Weg über ihre Wangen und nahmen die Last einer halben Ewigkeit mit sich.
Rosalie konnte nur schwer begreifen, was Klaus sagte, jede seiner Worte schlug tiefe Wunden in ihre Seele. Rebekah, die sanfte, starke Rebekah, war gestorben? Ihre Kehle schnürte sich zu, und sie kämpfte darum, die Fassung zu behalten. Doch Klaus war noch nicht fertig, und seine Worte bohrten sich weiter in ihr Herz. „Und mach dir keine Sorgen um Marcel", setzte er mit kaltem, kontrolliertem Ton fort. „Ich stellte ihn vor eine Wahl. Er konnte dich retten und Rebekah den Dolch entfernen und den Rest seines Lebens mit dir verbringen oder..." Klaus ließ einen Moment vergehen, genoss förmlich die Spannung, die seine Worte erzeugten.
„Nein", hauchte Rosalie, kaum hörbar, ihre Augen waren voller Angst. Ihre Stimme zitterte und brach, während sie Klaus' Blick standhielt, in der Hoffnung, dass dies alles nur ein grausamer Scherz war, eine Illusion. Doch Klaus sprach weiter, unnachgiebig, seine Worte wie ein scharfes Messer: „...ich würde ihn stattdessen verwandeln, so wie er es sich immer gewünscht hat, vorausgesetzt, er gibt dich im Gegenzug auf." Seine Worte hallten in Rosalies Kopf wider. Sie kämpfte gegen die aufsteigende Panik an und murmelte verzweifelt, als ob sie sich selbst und ihn gleichermaßen überzeugen wollte: „Er würde mich niemals aufgeben."
Ein düsteres Lächeln zuckte über Klaus' Lippen. „Oh, aber das hat er." Sein Blick war stählern, unbeugsam, und mit einem mühelosen Schwung öffnete er die schwere Holztür des Raumes. In der Stille trafen ihre blauen Augen auf die dunklen, unendlich traurigen Augen von Marcel. Es war, als ob die Zeit stillstand. Ein Zittern ergriff ihren Körper, als die Realität ihres Verlusts sie wie eine Welle überrollte. Ihre Stimme brach schließlich das Schweigen, ein erschüttertes Flüstern voller Schmerz und Unverständnis: „Du hast dich dafür entschieden, das zu werden, was ich am meisten verabscheue?" Ihre Worte ließen Marcel zusammenzucken, und in seinem Blick lag eine unbeschreibliche Schuld, eine verlorene Liebe, die nie wirklich gestorben war und doch nie gelebt werden konnte. Und in diesem Augenblick, da sie den Mann vor sich sah, den sie einst liebte, wusste Rosalie, dass der Schmerz der Vergangenheit nichts im Vergleich zu dem war, was die Zukunft noch für sie bereithalten würde.
Rosalie fuhr kerzengerade in ihrem Bett hoch, ihr Atem ging stoßweise, und der Raum um sie herum war still, nur das unheimliche Ticken einer alten Standuhr erfüllte die Luft. Der flackernde Schein einer Kerze auf ihrem Nachttisch erhellte nur schwach das schmale Schlafzimmer, doch ihre Gedanken waren erfüllt von grellen Bildern und Stimmen aus einer anderen Zeit. Ihre Hände zitterten leicht, als sie sich den Schweiß von der Stirn wischte, und leise, fast wie für sich selbst, murmelte sie: „Ich hätte niemals zurückkommen sollen... niemals. Dieser Ort bringt nur Dunkelheit." Ihre Worte hingen einen Moment in der Luft, klangen hohl und bedeutungsschwer. Ein bitteres Gefühl der Reue stieg in ihr auf, gemischt mit den Schatten längst vergangener Entscheidungen. Sie wusste, dass es eine dumme, gefährliche Entscheidung gewesen war, nach New Orleans zurückzukehren – zu diesen Erinnerungen, zu diesen Geistern, die sie nur allzu gut kannte. Sie hätte damals gehen, einfach weiterziehen sollen, als die Gelegenheit da war. Doch das Schicksal hatte sie zurückgeführt, hatte alte Wunden aufgerissen und sie in ein Netz aus Schuld und Verlust verstrickt, dem sie sich nun nicht mehr entziehen konnte.
Langsam schob Rosalie die Decke zur Seite, ihre nackten Füße berührten den kalten Holzboden, und das plötzliche Gefühl von Realität half ihr, den aufsteigenden Schmerz zu verdrängen. Sie drückte sich auf die Beine, ihre Knie fühlten sich schwach an, und die Leere der Nacht schien sich wie eine zweite Haut um sie zu legen, als sie sich in Richtung Tür bewegte. Jeder Schritt war behutsam, fast zaghaft, als müsste sie sich vergewissern, dass der Boden tatsächlich unter ihr existierte und sie nicht erneut in eine schmerzhafte Erinnerung fiel. Die Stille des Hauses, das in Dunkelheit gehüllt war, fühlte sich erdrückend an. Sie wusste, dass sie nicht allein war, dass die Geister der Vergangenheit immer noch durch die Schatten schlichen, aber sie musste sich sammeln, sich ordnen – und dafür brauchte sie die Ruhe der Küche. Diese vertraute Ecke, in der sie oft Stunden verbracht hatte, wenn die Unruhe in ihr zu stark wurde, würde ihr Trost spenden, so hoffte sie.
Als sie den Flur hinunterschritt, wichen die Schattengestalten in den Ecken zurück, und nur das sanfte Knarren des alten Holzes unter ihren Füßen begleitete sie. In der Küche angekommen, schob sie eine lose Strähne ihres roten Haars hinter ihr Ohr und ihre Hände waren kalt. "Ich hätte nicht bleiben sollen... nicht in New Orleans." Die Stadt mit all ihren verborgenen Geheimnissen, all ihren Lügen und Schmerzen, die sie wie ein Mantel umhüllte – sie hatte sie zu lange festgehalten, und jetzt wusste sie nicht mehr, wie sie wieder loslassen konnte.
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„Guten Morgen", begrüßte Klaus sie mit einer Leichtigkeit, die Rosalie nur allzu gut kannte, während sie nach ihrer Lieblingstasse im Schrank suchte. Sie hielt den Blick fest auf den Schrank gerichtet, als wäre es der einzige Ort, der ihr Sicherheit bieten konnte. „Ich werde dich jetzt nicht verärgern, okay?", sagte sie kühl, ohne ihn anzusehen. Die Wände schienen die Spannungen zwischen ihnen aufzusaugen, und das Gedöns ihrer Vergangenheit drückte schwer auf ihre Schultern. Klaus ließ sich von ihrer Abwehrhaltung nicht beirren. „Wie hast du das denn geschafft?" fragte er und lehnte sich lässig gegen die Arbeitsplatte, ein schelmisches Funkeln in seinen Augen. Seine Unbekümmertheit war frustrierend und beruhigend zugleich.
Nach einem Moment fand Rosalie endlich ihre Tasse, die mit dem feinen, floralem Muster verziert war, das sie immer geliebt hatte. Sie füllte sie mit dampfendem Kaffee und nahm einen großen Schluck, während die Wärme des Getränks sich in ihrem Inneren ausbreitete und ihr eine flüchtige Beruhigung versprach. Schließlich wandte sie sich Klaus direkt zu und traf seinen Blick. „Weißt du, auch ich mache Fehler", antwortete sie, ihre Stimme klang klarer, und ein leichtes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, als sie hinzufügte: „Aber ich versuche, sie wieder geradezubiegen." Es war ein kleiner Moment des Verständnisses, und für einen flüchtigen Augenblick schien die Last der Vergangenheit etwas leichter zu werden. Sie griff nach einem Apfel, um sich noch eine kleine Stärkung mitzunehmen, bevor sie wieder die Küche verlassen wollte, aber in dem Moment packte Klaus sie am Handgelenk.
Rosalie erstarrte, als sein Griff sie aus ihren Gedanken riss. Ein kaltes Schaudern durchlief sie, und sie spürte, wie die Erinnerungen, die sie so tapfer zurückhalten wollte, wieder in ihr hochkamen. Klaus bemerkte sofort ihre Anspannung, und die unvermittelte Bewegung warf einen Schatten auf sein Gesicht. „Es tut mir leid", murmelte er hastig und ließ sie sofort los, als hätte er sich verbrannt. Sie zog den Arm zurück und betrachtete ihn, die Augen schmal. „Was sollte das?" fragte sie, die Stimme unbewusst schärfer als beabsichtigt. Doch in ihrem Inneren war die Mischung aus Angst und Verwirrung, die sie überkam, schwer zu ertragen. Klaus' Ausdruck verriet, dass auch er von dem plötzlichen Moment überrascht war. In seinen Augen lag ein Kampf zwischen Verständnis und einer schmerzhaften Realität.
„Ich wollte nur sicherstellen, dass du hier bleibst", erklärte er, und sein Ton war weniger spöttisch, mehr ernst. „Du wirkst so, als könntest du jeden Moment wieder verschwinden." Rosalie senkte den Blick auf den Apfel in ihrer Hand, seine Oberfläche glänzte im Licht der Lampe. „Ich bin nicht weggegangen, Klaus. Ich bin hier. Aber das bedeutet nicht, dass ich die Vergangenheit hinter mir lassen kann. Oder die Entscheidungen, die wir getroffen haben."
Rosalie schloss die Küchentür hinter sich und machte sich auf den Weg durch die vertrauten Flure der Familienvilla der Mikaelsons. Ihre Schritte führten sie in die Bibliothek, einen Raum, der die Geheimnisse ihrer Familie bewahrte. Hier hatte sie viele Stunden mit Lesen und Träumen verbracht, umgeben von den Geschichten, die in den alten Büchern auf den Regalen standen. Die Atmosphäre war gedämpft, und der Duft von alten Seiten und verblasstem Leder erfüllte die Luft. Sie fand Hayley, die bereits an einem Tisch saß, ein Lichtspiel aus Kerzen und dem warmen Schein einer Lampe schuf eine einladende Stimmung. Hayleys Gesicht war im Schatten verborgen, aber Rosalie erkannte sofort die Neugier in ihren Augen, als sie ihre Freundin bemerkte. „Was machst du hier?"
„Ich habe die alten Aufzeichnungen gefunden", antwortete Hayley und deutete auf einen Stapel Bücher. „Wir sollten uns die Memoiren von Elijah ansehen. Sie sind... faszinierend." Rosalie nickte und schaute auf die Reihe von verstaubten Kisten, die in einer Ecke des Raumes gestapelt waren. Eine Kiste zog ihre Aufmerksamkeit auf sich, und mit einer schnellen Bewegung zog sie sie aus dem Regal. „Hier sind noch mehr alte Bücher", sagte sie und öffnete die Kiste, die das sanfte Knarren von Holz entließ. Der Anblick der vergilbten Seiten und handgeschriebenen Notizen ließ ihre Vorfreude steigen. „Schau dir das an!" Hayley beugte sich vor, und zusammen durchblätterten sie die Bücher, während die Zeit stillzustehen schien. Schließlich hielten sie ein besonders altes, in Leder gebundenes Buch in den Händen. Rosalie schlug es auf und las laut vor, ihre Stimme hallte sanft in dem Raum wider.
„August 1359. Ich habe einen Unterschied bei meinen Geschwistern bemerkt. Unsere Verbindung leidet unter dem Druck unseres Lebens als Vampire. Jeder Tag entfernt sie weiter von der Menschlichkeit, die wir einst besaßen. Meine süße Schwester, Rebekah, ist der Brutalität gegenüber ziemlich gleichgültig geworden. Das wahre Problem bleibt jedoch mein Bruder Niklaus. Er versteckt seine Einsamkeit weiterhin mit Grausamkeit. Dennoch klammere ich mich an die Hoffnung, dass ich, als ihr ältester Bruder, sie auf den richtigen Weg führen kann, einen Weg, der mit der Kraft einer vereinten Familie aufgeladen ist. Denn wenn ich versage, wird das Vermächtnis unserer Familie in Dunkelheit enden."
Die Worte von Elijah umhüllten Rosalie wie ein schwerer Mantel, der sowohl die Tragik als auch die Hoffnung seiner Gedanken ausstrahlte. Während sie in die Tiefe seiner Worte eintauchte, spürte sie ein Ziehen in ihrem Herzen. Es war, als würde sich eine unsichtbare Schnur zwischen ihnen spannen, die all die Jahrhunderte und Kämpfe miteinander verband. „Es ist erstaunlich, wie ähnlich unsere Kämpfe heute noch sind", murmelte sie leise, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, während ihr Blick auf Hayley fiel. In den Augen der anderen Frau erkannte sie eine ähnliche Melancholie, eine gemeinsame Trauer, die sie beide trugen. „So viele Jahrhunderte sind vergangen, und doch fühlen wir uns oft so verloren."
Als sie Seite für Seite lasen, vermischten sich die Worte mit den Stimmen der anderen im Hintergrund. Rebekah betrat den Raum und ihre Stimme durchbrach die konzentrierte Stille: "Ich kann nicht fassen, dass du diese Vampire ohne mich losgeworden bist. Du weißt doch, wie gerne ich Dinge in Brand stecke." Rosalie rollte genervt mit den Augen und ein schalkhaftes Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht. "Sollte ich sie etwa dort verrotten lassen?" fragte sie scharf, der Kampfgeist in ihr erwachte, auch wenn sie wusste, dass Rebekah damit nur ihren Spaß hatte. Klaus, der ebenfalls im Raum war, schaltete sich mit einem sarkastischen Unterton ein. "Ja, das wäre meine Aufgabe gewesen. Sie hatten schließlich vor, das hilflose Mädchen zu töten, das mein Kind in sich trägt und meine Zwillingsschwester zu entführen." Es war eine Bemerkung, die sowohl Verwunderung als auch ein wenig Anklage in sich trug. Rebekah antwortete kühl: "Oh, wie entzückend, du zeigst plötzlich Fürsorge für die Werwölfin, die deinen kleinen Hybridenbraten in sich trägt."
Rosalie fühlte, wie sich die Spannung im Raum steigerte, und sie dachte an die Verantwortung, die sie alle trugen. Plötzlich kamen Hayley und sie mit jeweils einem Buch in den Händen auf Klaus und Rebekah zu. Hayley sprach mit fester Stimme: "Die Werwölfin und die Rose möchten gerne wissen, wie der Plan aussieht." Klaus sah die beiden Frauen an, sein Blick war spielerisch und scharf zugleich. "Das hängt davon ab, welchen Plan du meinst, Liebes. Meinen Plan, die Weltherrschaft an mich zu reißen, oder Rebekahs Plan, Liebe in einer grausamen Welt zu finden und Marcel für das zu bestrafen, was er meiner Zwillingsschwester angetan hat?"
Ein schüchternes Lächeln erschien auf Rebekahs Gesicht, und in einem Augenblick der Heiterkeit schleuderte sie eine Stricknadel nach Klaus, die er mit einer Leichtigkeit auffing, die ihre gemeinsamen Kindheitstage zurückbrachte. „Wir meinen den Plan, Elijah zu retten", betonte Rosalie scharf und ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. „Wenn hier jemand die Schuld für das trägt, was Marcel mir angetan hat, dann bist du es allein, Bruder." Es war mehr als ein Vorwurf; es war ein Ausdruck der Verzweiflung und der Wut, die in ihr brodelten.
Hayley, die sich der Dynamik zwischen den Geschwistern bewusst war, fügte sich ein: "Genau, der gute Bruder. Derjenige, der dich heimlich in den Rücken gestochen und dann an deinen Erzfeind ausgeliefert hat." Die Worte waren wie ein Schuss ins Herz, und Rosalie fühlte, wie die Anspannung im Raum erstickend wurde. Klaus grinste, seine Reaktion war jedoch nicht ausweichend, sondern eher provokant. "In die Brust, wenn wir genau sein wollen," bemerkte er mit einem scharfen Unterton, als wollte er die Diskussion anheizen. "Du hast gesagt, du würdest ihn befreien", fragte Hayley weiter:" Gibt es dafür einen Plan?" Klaus antwortete ruhig und gelassen, seine Miene blieb ungerührt. "Nun, zuerst einmal ist Marcel nicht mein Erzfeind. Er ist mein Freund, auch wenn er vielleicht nicht weiß, dass ich versuche, seinen Einfluss auf die übernatürliche Gemeinschaft im French Quarter zu sabotieren. Aber ein Freund ist er trotzdem." Rosalie spürte einen kurzen Anflug von Empörung, als Klaus das Wort „Freund" in den Mund nahm, während die Worte "Zwei Seiten einer Medaille" in ihrem Kopf widerhallten.
„Zweitens habe ich Elijah nur erdolcht, um Marcels Vertrauen zu gewinnen. Hätte ich gewusst, dass er meinen Bruder einfach an eine besonders fiese Teenagerhexe ausliefert, hätte ich definitiv andere Optionen gewählt." Rebekah schnitt ihm das Wort ab: "Und drittens, Schwester, bitte." Rosalie konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, denn in Rebekahs Worten steckte eine bittere Wahrheit, die sie alle nicht ignorieren konnten. Klaus wandte sich an Hayley, seine Stimme nahm einen ernsthaften Ton an. "Der Plan, den du meintest, besteht darin, dass Niklaus Marcel darum bittet, uns Elijah zurückzugeben." Rebekah beendete den Satz mit einer gewissen Schärfe in ihrer Stimme: "Aber das ist nicht der ganze Plan. Es gibt auch einen Plan B."
Hayley hob verwirrt die Augenbrauen und fragte: "Und was ist Plan B?" Obwohl sie die Antwort bereits ahnte, wollte sie Gewissheit. Klaus zuckte mit den Schultern und sagte schlicht: "Krieg." Die Worte hallten in der Luft nach und ließen die Anspannung im Raum spürbar steigen. Rosalie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, ihre Gedanken rasten. Die Vorstellung, dass sie sich auf einen Krieg vorbereiten mussten, machte ihr Angst. Sie fragte sich, was das alles für sie und Elijah bedeutete. Es war ein gewaltiger Schritt ins Unbekannte, und sie fühlte, wie das Adrenalin durch ihre Adern rauschte. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie für den Kampf bereit war, für die Menschen, die sie liebte. Die Gedanken wirbelten in ihrem Kopf, und der Druck der Verantwortung drückte auf ihre Schultern, während sie entschlossen war, alles zu tun, um Elijah zu retten und den Frieden wiederherzustellen.
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Die Sonne tauchte die Straßen des French Quarters in ein Licht, das die kopfsteingepflasterten Wege mit einem sanften Glanz überzog. Die schwüle, schwer zu greifende Luft war von einem betörenden Gemisch aus Jazzklängen, dem Duft von gebratenen Gewürzen und dem süßen Aroma von Bourbon durchzogen. Rosalie und Rebekah schritten nebeneinander durch diese Welt, die wie ein flüchtiger Traum zwischen Tag und Nacht schwebte, so mysteriös und voller Geheimnisse wie die beiden Frauen selbst.
Rosalie war ein Anblick für sich. Ihr langes, flammend rotes Haar fiel in wilden, glänzenden Wellen über ihre Schultern und umrahmte ein Gesicht, das zugleich weich und entschlossen wirkte. Ihre jadegrünen Augen funkelten im Licht des Tages, während sie schweigend an Rebekahs Seite ging. Das luftige Sommerkleid, das ihre schlanke, geschmeidige Figur betonte, flatterte leicht im warmen Wind. Doch so unbeschwert sie in diesem Moment erschien, war Rosalie innerlich alles andere als ruhig. Ihre Gedanken waren wie ein Sturm, der sie hin- und herwarf, zwischen Pflichterfüllung und den Schatten einer düsteren Vorahnung.
Neben ihr sprach Rebekah mit ihrem typischen, leicht spöttischen Ton in ihr Handy, wobei ihr blondes Haar in weichen Wellen im schwachen Licht schimmerte. Die Worte flossen flüssig von ihren Lippen, gespickt mit Sarkasmus und einem Hauch von kühler Gleichgültigkeit. Rosalie sah ihre Schwester an und musste, trotz der angespannten Situation, ein Lächeln unterdrücken. Diese Mischung aus Arroganz und Grazie, die Rebekah so mühelos zur Schau stellte, hatte sie schon immer beeindruckt. "Bei Maria Magdalena, Niklaus, wie lange braucht es, um eine einfache Frage zu stellen?" knurrte Rebekah ins Telefon, während sie mit einer Hand ihren Mantel enger um ihre Schultern zog.
Eine kalte, zynische Stimme drang durch das Gerät. "Weitaus länger, als du denkst, Rebekah, besonders wenn die Antwort, wie erwartet, 'Nein' lautet. Marcels Mann Thierry ist misstrauisch. Er denkt, du hättest zehn Nachtwandler getötet." Ein kurzes, amüsiertes Lachen entwich Rebekah, so sanft und gezwungen, als hätte sie einen geschmacklosen Witz gehört. "Was für eine Lüge! Ich habe nur acht getötet. Soll ich Thierry den neunten machen?"
Rosalie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, doch sie merkte, wie sich in ihrer Brust ein beklemmendes Gefühl breitmachte. Es war dieses Gefühl, das stets zurückkam, sobald Klaus' Pläne und die ewigen Intrigen zur Sprache kamen. Die ständige Vorsicht, die Gefahr, die wie ein Schatten über ihnen lag. Sie spürte die Bedrohung, die in ihren Leben schwelte, so greifbar wie die heiße Luft um sie herum. Klaus' Stimme drang erneut durch das Telefon, warnend und schneidend. "Marcel spielt noch freundlich. Wir können seinen Lieblingsmann nicht einfach so beseitigen, sonst schöpft er Verdacht."
Rebekah verdrehte die Augen und ließ ein leises, feines Lächeln über ihre Lippen huschen, das einen Funken von Genuss verriet. "Also steht uns wohl ein Krieg bevor?" "Allerdings. Weißt du, was du mit der Hexe zu tun hast?" Klaus' Tonfall war kalt, unnachgiebig, und ließ keinen Widerspruch zu.
Rebekahs Gesicht wurde ernst, und sie nickte mit einem Ausdruck von Selbstsicherheit, der nicht nur Klaus, sondern auch Rosalie versichern sollte, dass sie die Kontrolle hatte. "Ich glaube, das tue ich." Ein scharfes Klicken beendete das Gespräch, und für einen Augenblick war zwischen den Schwestern nur das Echo der Straßenmusik und das ferne Lachen der Menschen zu hören, die an den beleuchteten Bars und Cafés saßen.
Rosalie brach schließlich das Schweigen, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, gefüllt mit einem Hauch von Besorgnis. "Du hast ihm nicht gesagt, dass ich Hayley allein zuhause gelassen habe." Rebekah blickte zu ihrer Schwester und hob leicht eine Braue. Ihre blauen Augen funkelten im schwachen Licht, kühl und gelassen. "Niklaus muss nicht alles wissen, Rosalie. Hayley wird sich schon nicht in ein weiteres Problem stürzen – jedenfalls hoffe ich das."
Rosalie schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab, ihre Gedanken wirbelten wie die Blätter im Wind. Sie konnte das Unbehagen nicht abstreifen, das sie verspürte, wenn sie an die junge Frau dachte, die sie allein zurückgelassen hatten. "Du weißt, wie besitzergreifend er ist, was alles angeht, das seine Pläne beeinflussen könnte. Hayley allein zu lassen – es fühlt sich an, als wäre das vielleicht ein Fehler gewesen." Rebekah trat näher an ihre Schwester heran und legte sanft eine Hand auf ihren Arm. Ihr Lächeln, so voller Wissen und Selbstsicherheit, beruhigte Rosalie nur kaum. "Hör zu, Rosalie. Du machst dir zu viele Gedanken. Klaus kann mit der Wahrheit umgehen, wenn sie auf ihn zukommt – oder auch nicht. Aber wir haben unsere eigene Aufgabe hier, und das lässt sich nicht ständig in Frage stellen."
Rosalie sah ihre Schwester an, ein Hauch von Zweifel in ihren grünen Augen. "Vielleicht hast du recht," murmelte sie, während sie tief Luft holte. Sie spürte die schwere Verantwortung, die auf ihr lastete, wie eine bleierne Last auf ihrer Brust. Doch in ihr pochte auch ein unbezähmbarer Wille, ihre eigene Freiheit zu finden, ihren eigenen Weg zu gehen – und vielleicht, irgendwann, dem endlosen Spiel aus Verrat und Macht zu entkommen, das sie als Familie so gnadenlos gefangen hielt. Einige Sekunden lang sah sie Rebekah still an, und beide Frauen wussten, dass Worte hier kaum noch etwas ausrichten konnten. Ihre Wege waren eng miteinander verbunden, doch jeder Schritt, den sie gingen, brachte sie tiefer in das Labyrinth aus Loyalität und Verrat, das ihr Leben ausmachte. Sie mussten weitergehen, denn Umkehren war keine Option.
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