kapitel 5 : nicht einfach loslassen
Rosalie spürte, wie die Energie der Nacht sich veränderte, als sie sich der Party näherte. Die Musik war wie ein Pulsschlag, der durch die Luft vibrierte, begleitet von Lachen, Gesprächen und dem leisen Klirren von Gläsern. Die Lichter, die von den Fenstern und Türen strahlten, tanzten in bunten Farben auf dem Kopfsteinpflaster, während die Schatten sich flüssig bewegten wie ein lebendiges Wesen. Sie konnte das Feuer der Nacht spüren, die Spannung, die in der Luft lag – ein Hauch von Gefahr, aber auch das Versprechen einer unvergesslichen Nacht. Als Rosalie das alte Gebäude betrat, das im Zentrum dieser pulsierenden Party stand, wurde sie von einer Welle von Wärme und Gerüchen begrüßt – Alkohol, Parfüm und der unverkennbare Duft von Vampiren und Menschen, die in einem dunstigen Nebel der Nacht vereint waren. Ihr rotes Haar glühte im Scheinwerferlicht, als sie durch die Menge schritt, und viele Blicke folgten ihr, neugierig und bewundernd zugleich.
Am Eingang wurden ihre Hände gestempelt – ein großes, geschwungenes „M" prangte auf ihrem Handrücken, das gleiche Monogramm, das sie auf der Einladung gesehen hatte. Es war das Zeichen, dass sie hierhergehörte, dass sie Teil dieses geheimen Spiels war, das hinter den Kulissen von New Orleans gespielt wurde. Sie betrachtete den Stempel kurz und ließ dann ihre Hand sinken, als sie weiter in die Menge eintauchte. Rosalie ließ ihre Augen über die Menschen gleiten, die sich im Raum bewegten. Viele waren Fremde, aber einige Gesichter erkannte sie – alte Bekannte, die in der Stadt schon lange ihre Spiele spielten. Vampiren, Hexen, Menschen, alle in dieser Nacht vereint, um zu feiern, zu vergessen oder zu verhandeln. Sie wusste, dass hier mehr passierte als nur unschuldiger Spaß. Diese Partys waren immer voller Intrigen, Machtspiele und gefährlicher Allianzen.
Während sie tiefer in die Party vordrang, konnte sie spüren, wie sich ihre eigenen Gedanken an Marcel wieder in den Vordergrund drängten. Fast hätte sie ihn an diesem Tag getötet. Ihr Zorn war so tief, ihre Enttäuschung über seine Arroganz so groß gewesen, dass sie die Kontrolle verloren hatte. Doch sie wusste, dass es nicht nur Zorn war. Da war etwas anderes gewesen – eine dunkle, tief vergrabene Leidenschaft, die sie immer wieder zu ihm zog. Ein Spiel, das sie beide spielten, bei dem keiner von ihnen wirklich gewinnen konnte. Rosalie strich sich unbewusst über den Nacken, dort, wo Marcel sie zuletzt berührt hatte. Der Druck seiner Hand, die Wärme seiner Haut – sie konnte es noch immer spüren, wie eine unauslöschliche Erinnerung. Und doch hatte sie ihn weggestoßen, gebrochen, nicht nur körperlich, sondern auch in ihrem Herzen.
„Warum kann ich ihn nicht einfach loslassen?" dachte sie bei sich, während sie sich ein Glas von einem vorbeigehenden Kellner schnappte. Der Champagner prickelte auf ihrer Zunge, aber es war nicht genug, um die brennenden Gedanken in ihrem Kopf zu löschen. Sie wusste, dass sie ihn irgendwann wiedersehen würde. Das Spiel zwischen ihnen war noch lange nicht vorbei. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie sich in die Menge mischte, bereit, diese Nacht zu genießen, aber auch bereit, auf das Unerwartete zu warten. In dieser Stadt, auf dieser Party, konnte alles passieren. Und sie war bereit.
Rosalie stand mitten in der Menge der Feiernden, doch sie fühlte sich fremd in ihrer eigenen Haut. Ihr rotes Haar, das immer wie Feuer gebrannt hatte, war nun unter einer Perücke verborgen, die sie als "Polly Summers" ausgab – ein Name, der so belanglos und harmlos klang, dass niemand in der Menge ihre wahre Identität vermuten würde. Ihr Make-up war perfekt aufgetragen, die dunklen Schatten auf ihren Lidern verliehen ihr einen gefährlichen, verführerischen Ausdruck, und doch war es nicht sie. Sie war nicht Rosalie Mikaelson, die stolze Urhybridin. Heute Nacht war sie eine Maske, eine Zuschauerin in einem Spiel, das sie besser kannte als jeder andere.
Ihre Augen, die in der Menschenmenge nach nichts Bestimmtem suchten, fanden schnell das, wonach sie instinktiv Ausschau gehalten hatten. Auf dem Balkon, erhöht über den Feiernden, standen Klaus und Marcel – zwei Männer, deren Dynamik so tief verwurzelt war, dass die Feindseligkeit zwischen ihnen fast greifbar war. Von ihrem Platz aus konnte sie ihre Unterhaltungen beobachten, ohne bemerkt zu werden, und doch fühlte sie, wie die Spannung in der Luft zwischen den beiden sie beinahe erdrückte. Marcel war der erste, dessen Worte zu ihr durchdrangen, sein Tonfall selbstbewusst und zugleich ein wenig prahlerisch, wie immer, wenn er sich Klaus gegenüber behaupten wollte. „Die Stadt New Orleans...", begann er, und seine Stimme war durchdrungen von Stolz und Besitzanspruch. „Menschen aller Art und aus allen Ecken des Landes kommen hierher, um auf unseren Straßen zu feiern. Manche suchen nur nach Spaß... andere suchen nach etwas Düsterem, Gefährlicherem. Also laden wir sie in mein Haus ein und geben es ihnen."
Rosalie konnte sehen, wie Marcel den Flyer hochhielt, auf dem das markante, monogrammierte 'M' prangte, das Symbol für Marcels Macht in der Stadt. „Abattoir. Wo die Party nie endet", stand darunter. Ihr Blick folgte Diego, einem von Marcels loyalsten Vampiren, der einem Paar Touristen den Flyer zeigte. Die beiden, ein ahnungsloser Mann und eine Frau, ließen sich die Hände mit dem gleichen 'M'-Stempel versehen und betraten voller Aufregung die Party. Unwissend, dass sie sich in die Arme von hungrigen Raubtieren begaben. Marcel führte Klaus über den Balkon, und die beiden blickten auf die tobende Menge herab. Klaus war ruhig, aber Rosalie konnte die dunklen Schatten der Wut und des Misstrauens in seinem Gesicht sehen. Er beobachtete die Vampire, wie sie sich langsam unter die Menschen mischten, ihr Hunger sichtlich wachsend, die Vorfreude auf das baldige Festmahl in ihren Augen.
Marcel grinste selbstgefällig, während er sprach: „So halte ich meine Leute bei Laune: ab und zu ein All-you-can-eat-Buffet. Meine Nachtwandler lieben es. Sie arbeiten hart, um sich einen dieser Tageslichtringe zu verdienen. Da verdienen sie es, mal etwas Dampf abzulassen." Rosalie schluckte schwer, als sie die Worte hörte. Diese Party war nichts anderes als eine Falle, eine grausame Inszenierung für die Vampire, um sich an den Lebenden zu laben. Sie spürte die vertraute Mischung aus Ekel und Wut in sich aufsteigen. Der Anblick der unschuldigen Menschen, die nichtsahnend tanzten und lachten, während das Netz um sie enger gezogen wurde, brachte ihre dunklen Erinnerungen zurück. Erinnerungen an die Machtspiele, die sie und ihre Familie über Jahrhunderte hinweg gespielt hatten – und wie oft sie selbst ein Teil davon gewesen war.
Ihre Gedanken schweiften zu Marcel. Sie hatte ihn fast getötet. Der Moment, in dem sie ihm das Genick gebrochen hatte, blitzte vor ihrem inneren Auge auf – das Geräusch der brechenden Knochen, das Gefühl seiner Haut unter ihren Fingern. Sie wusste, dass er zurückkehren würde, dass er das überleben würde. Doch für diesen Augenblick hatte sie es genossen. Nicht, weil sie es wollte – sondern weil sie musste. Marcel war zu weit gegangen. Seine Macht, sein Stolz, seine ständige Herausforderung an Klaus und an sie selbst... es war zu viel gewesen. Aber es war mehr als das. Da war eine düstere, unausgesprochene Spannung zwischen ihnen, etwas, das über Zorn und Machtspiele hinausging. Etwas, das sie beide immer wieder zueinander zog, egal, wie sehr sie es verleugneten. Rosalie konnte diese Anziehungskraft spüren, immer wenn sie in seiner Nähe war. Und doch... hatte sie ihn weggestoßen, genauso wie sie alle, die ihr jemals zu nahe gekommen waren. Sie hatte ihn mit Gewalt aus ihrem Leben verbannt, und trotzdem wusste sie, dass dies nicht das Ende war. Marcel würde zurückkehren, genauso wie die Dunkelheit immer zurückkehrt.
Rosalies Blick wanderte wieder zu den Feiernden hinunter, zu den Menschen, die nichts ahnten und deren Schicksal in den Händen der Vampire lag. Bald würden sie von jenen Wesen angegriffen werden, die sie als Teil dieser Party betrachteten, doch für Rosalie war dies kein Ort des Feierns. Sie spürte die Spannung in der Luft, das Flüstern der Gefahr, die sich mit jedem Ticken der Uhr näherte. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie die Massen beobachtete. Diese Menschen, so naiv und ahnungslos, hatten keine Ahnung, dass sie nur Spielzeug in einem grausamen Tanz der Vampire waren. Und sie wusste, dass sie nichts tun konnte, um sie zu retten – nicht alle.
Ihr Blick glitt zu Marcel, der auf dem Balkon stand und mit Klaus sprach. Marcels Lächeln war breiter geworden, als er die Vorfreude seiner Nachtwandler spürte. Seine Augen glänzten vor Stolz und Macht, während er sein "Meisterwerk" präsentierte, seine perfide Methode, die hungrigen Vampire zu kontrollieren und zu befriedigen, ohne den Zorn der Stadtbewohner auf sich zu ziehen. Es war ein Schauspiel der Macht, ein makabres Gleichgewicht aus Kontrolle und Chaos. Rosalie seufzte leise. Es war so typisch für Marcel. Immer bereit, seinen Platz als König dieser Stadt zu verteidigen, und doch... Sie konnte nicht anders, als zu denken, dass tief in ihm noch immer der junge Mann steckte, den sie einst kannte. Der Junge, der in ihrer Familie Zuflucht gesucht hatte. Doch jetzt stand er dort, ein selbstgefälliger Herrscher über seine Nachtwandler, stolz darauf, was er erreicht hatte – und blind für die Opfer, die er auf diesem Weg hinter sich ließ.
Die Uhr tickte weiter, und Rosalie wusste, dass Mitternacht bald schlagen würde. Es war, als könnte sie den Moment bereits in der Luft spüren. "Dann, um Punkt Mitternacht, ändert sich alles, und es ist Zeit, sich zu sättigen," hatte Marcel gesagt, seine Stimme voll Vorfreude. Sie sah auf die alte Uhr an der Wand, deren Zeiger sich unerbittlich in Richtung des Schicksals bewegten. Noch ein paar Minuten, und die Vampirparty würde sich in ein Blutbad verwandeln. Klaus' tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. "Es ist eine ziemliche Operation", sagte er mit einem Hauch von Bewunderung in seiner Stimme. "Sag mir – was ist mit den Opfern? Scheint eine Menge Gräber zu erfordern."
Rosalie konnte nicht anders, als innerlich mit den Augen zu rollen. Natürlich würde Klaus das interessieren – die logistische Effizienz hinter Marcels Machenschaften, nicht das menschliche Leid, das sie verursachten. Marcel grinste, als hätte er diese Frage erwartet. "Man kann nicht alle töten", erklärte er lässig. "Wenn zu viele Leute verschwinden, sinkt der Tourismus. Also heilen wir sie mit ein wenig Vampirblut, löschen ihre Erinnerungen und schicken sie zurück – kein Ärger, kein Problem."
"Ich bin beeindruckt", sagte Klaus trocken, und Rosalie konnte den Sarkasmus in seiner Stimme hören, auch wenn es so klang, als wäre er tatsächlich ein wenig beeindruckt. Aber es war nicht wirklich Bewunderung – es war eher das Wissen, dass Marcel seine Taktiken gut beherrschte. Vielleicht zu gut. "Es ist nichts, was ich nicht damals von dir gelernt hätte", erwiderte Marcel und strahlte dabei Stolz aus. Rosalie konnte den stummen Wettkampf zwischen den beiden Männern förmlich spüren. Sie waren wie zwei Raubtiere, die sich gegenseitig beobachteten und versuchten, die Oberhand zu gewinnen.
In diesem Moment trat Thierry, einer von Marcels loyalen Vampiren, an die beiden heran. Seine Stirn war in tiefe Falten gelegt, und Rosalie spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Marcel", sagte Thierry und nickte ihm zu. "Was gibt's, Thierry?" Marcels Ton war neugierig, aber gelassen. Noch wusste er nicht, dass diese Nacht eine unerwartete Wendung nehmen würde. "Sechs von unseren Leuten wurden in einer Bar außerhalb des Viertels getötet. Nachtwandler. Niemand hat gesehen, wer es war."
Die Worte hingen einen Moment in der Luft, während die Atmosphäre plötzlich schwerer wurde. Rosalies Herz schlug schneller. Jemand hatte es gewagt, Marcels Leute anzugreifen – und das in einer Zeit, in der seine Macht so unangefochten schien. Wer auch immer das war, hatte entweder keinen Respekt vor ihm oder war mächtig genug, um sich sicher zu fühlen. Während Thierry weitersprach, zog sich Rosalies Brust zusammen. Sie wusste, dass dieser Vorfall die Stadt in Aufruhr bringen könnte. Marcel würde auf Rache sinnen, Klaus würde die Situation für seine eigenen Zwecke nutzen, und sie... sie würde erneut zwischen diesen beiden Männern stehen. Zwischen ihrem Bruder und einem Mann, der einst mehr für sie war, als sie je zugeben würde.
Rosalie schüttelte leicht den Kopf, als sie spürte, wie die Erinnerungen an Marcel, an ihre gemeinsame Vergangenheit, in ihr aufstiegen. Sie hatte ihn fast getötet. Der Gedanke daran schmerzte sie mehr, als sie zugeben wollte. Sie erinnerte sich an den Moment, als sie ihm das Genick gebrochen hatte, wissend, dass er wieder aufwachen würde, aber auch wissend, dass es ein Punkt ohne Wiederkehr war. Die Spannung zwischen ihnen war immer da gewesen – das Spiel aus Macht, Begierde und Loyalität. Sie hatte sich damals für ihre Familie entschieden, und es war die richtige Entscheidung gewesen. Doch in dieser Nacht, auf dieser Party, spürte sie erneut die Schwere dieser Entscheidung. Der Mann, den sie einst geliebt hatte, stand nun als König über einer Armee von Vampiren, während sie weiter an der Seite ihres Bruders kämpfte. Zwei Welten, die unweigerlich aufeinanderprallen würden – und sie würde wieder in der Mitte stehen.
~~~
Rosalie beobachtete die Szenerie unter ihr noch einen Moment lang, bevor sie schließlich entschied, dass sie genug gesehen hatte. Marcels Worte, seine Methoden, die Menschen, die sich ahnungslos dem Unheil hingaben – es reichte. Sie hatte alles Wichtige erfahren. Die Feierlichkeit, das Blutvergießen, die Abgründe, in die Marcel seine Vampire führte, es war nichts Neues für sie. Trotzdem hatte es etwas in ihr zum Brodeln gebracht, eine Wut, die tief in ihrer Seele loderte. Aber jetzt war nicht die Zeit, darauf zu reagieren.
Langsam wandte sie sich ab, ihre Schritte leise, als sie durch die Menge glitt, unsichtbar für die Augen der Feiernden. Niemand achtete auf die Frau mit der dunklen Perücke und dem falschen Namen. Sie war Polly Summers für diese Nacht, nicht die mächtige Rosalie Mikaelson. Es war besser so. Der Weg hinaus führte sie durch die dichten, von Musik und Gelächter erfüllten Räume. Mit jedem Schritt spürte sie, wie die Distanz zwischen ihr und dem Chaos hinter ihr wuchs, bis sie endlich die frische Nachtluft einatmen konnte. Der Lärm der Party verblasste in der Ferne, während sie die Straße hinunterging.
Die kühle Nacht umfing sie, und sie zog ihren Mantel enger um sich, als der Wind ihr ins Gesicht blies. Ihre Schritte waren ruhig, aber entschlossen. Sie musste zurück nach Hause. Zu Klaus, Elijah und den unzähligen Problemen, die sie in ihrer Familienvilla erwarteten. Doch bevor sie einen weiteren Gedanken daran verschwenden konnte, vibrierte ihr Telefon in ihrer Tasche. Verwirrt hielt Rosalie inne, zog das Gerät heraus und blickte auf den Bildschirm. Ein Name, der ihr viel bedeutete, erschien darauf. Sie zögerte kurz, ehe sie den Anruf entgegennahm und das Handy an ihr Ohr hob.
"Rosalie", ertönte eine tiefe, vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war jemand, der sie besser kannte als die meisten anderen. Jemand, dessen Worte immer einen Hauch von Besorgnis trugen, wenn es um sie ging. "Wann kommst du nach Hause?" Rosalie schloss kurz die Augen und ließ den Wind durch ihr Haar streichen. "Ich muss noch etwas erledigen", antwortete sie leise, ihre Stimme beinahe entschuldigend. Sie wusste, dass diese Antwort nicht gut ankommen würde, doch es war die Wahrheit. Es gab immer etwas zu tun, immer eine weitere Pflicht, eine weitere Herausforderung, die sie erfüllen musste.
Am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Stille, dann kam die Antwort, sanft und doch bestimmt: "Du weißt, dass du ihnen nichts schuldest, Rosalie." Diese Worte trafen sie tief. Ein einfacher Satz, aber einer, der all ihre inneren Konflikte spiegelte. Sie wusste, dass sie recht hatten. Klaus, Elijah, Marcel, sogar die Stadt selbst – all das fühlte sich oft wie eine schwere Bürde an, eine Last, die sie nur trug, weil sie es immer getan hatte. Doch in Wahrheit schuldete sie niemandem etwas. Sie war frei, so frei wie sie es sich erlauben würde.
"Vielleicht tue ich das nicht", sagte Rosalie nachdenklich und blickte in die Dunkelheit der Straße vor ihr. "Aber das bedeutet nicht, dass ich aufhöre, mich um sie zu kümmern." Die Stimme am anderen Ende seufzte. "Du musst auf dich achten. Du kannst nicht alles und jeden retten." Rosalie lächelte schwach. "Ich weiß. Aber manchmal... muss ich es trotzdem versuchen." Ihre Worte klangen wie ein Mantra, eine Rechtfertigung für die vielen Male, in denen sie sich selbst hinten angestellt hatte. Es war einfacher, sich auf die Probleme der anderen zu konzentrieren als auf ihre eigenen. Es war einfacher, stark zu sein, wenn man es für die Menschen tat, die man liebte, auch wenn diese Liebe kompliziert und manchmal schmerzhaft war.
"Du bist immer die Stärkste von uns", sagte die Stimme, und Rosalie spürte die Wärme hinter diesen Worten, selbst über die Entfernung hinweg. "Vielleicht", flüsterte sie. "Vielleicht auch nicht." Ein letzter, nachdenklicher Blick zurück zur Party, die sie hinter sich ließ, dann legte sie auf und steckte das Telefon wieder in ihre Tasche. Sie setzte ihren Weg fort, mit der Entschlossenheit, dass es keine Umkehr mehr gab. Sie musste tun, was getan werden musste, aber dieses Mal – diesmal vielleicht – würde sie auch für sich selbst sorgen. Vielleicht war es an der Zeit, dass auch Rosalie Mikaelson lernte, dass nicht jede Last auf ihren Schultern liegen musste.
Rosalie schlenderte durch die leeren Straßen zurück zur Familienvilla. Die kühle Nachtluft umspielte ihre Haut, ließ sie durchatmen, aber die Gefühle in ihr blieben aufgewühlt und drängten sie wie ein unaufhaltsamer Sturm vorwärts. Marcel, die Party, der Rausch und die Gier, die sie beinahe vollständig verschlungen hätten – all das zerrte an ihrem Inneren. Sie hatte Marcel das Genick gebrochen, ein Moment blanker Wut, der in ihr brodelte und sie zugleich erleichtert zurückließ. Ein schmaler Grat, auf dem sie wandelte, zwischen Macht und Verlangen, zwischen der brüchigen Kontrolle und der tiefen Verbundenheit, die sie trotz allem für ihn empfand.
Die Villa kam in Sicht, und Rosalie erstarrte kurz, als sie den knallroten Cabrio vor dem Eingang entdeckte. Nur eine Person hätte diesen auffälligen, eleganten Stil. Bevor sie die ersten Treppenstufen hinaufstieg, hörte sie bereits die frustriert-genervte Stimme, die eine Mischung aus Zorn und Sorge verriet.
„Elijah, wenn das Nichtantworten deines Anrufs Teil deines schlauen Plans ist, mich in diese gottverlassene Stadt zurückzubringen, dann hast du gewonnen. Ich bin hier, und ich mache mir Sorgen. Jetzt geh ran, bevor ich deine verdammte Tür eintrete!"
Rosalie musste lächeln. Natürlich war es Rebekah. Die perfekte Mischung aus dramatischer Frustration und fürsorglicher Besorgnis war unverkennbar ihre Schwester. Es war ein seltsam beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass Rebekah da war. Die Dinge fühlten sich anders an, wenn die Familie beisammen war – unberechenbar und gefährlich, ja, aber auch tief in sich vollständig. Sie öffnete die schwere Eingangstür und trat ein. Der vertraute Geruch von altem Holz und Erinnerungen umfing sie. Sie schloss die Tür mit einem leisen Klicken hinter sich und sog den Duft der Villa tief ein. Doch als sie die ersten Schritte machte, kam eine Gestalt langsam die Treppe hinunter, die ein eisernes Kaminbesteck wie eine Waffe schwang.
Die junge Frau fixierte Rosalie skeptisch. Ihr Blick war lauernd, ihr Griff fest – entschlossen, zu verteidigen, was sie für ihr Zuhause hielt. „Wer zum Teufel sind Sie?" Hayleys Stimme klang herausfordernd, die Augen verengt. Rosalie blieb ruhig, fast amüsiert, während sie die Arme locker verschränkte und Hayley einen schiefen, fast beiläufigen Blick zuwarf. Es war faszinierend, diese junge Werwölfin in ihrem selbsternannten Schutzmodus zu beobachten, und für einen Moment konnte Rosalie die Begeisterung ihrer Brüder für diese kleine Rebellion sogar verstehen. Doch Rebekah, die ein wenig weiter hinten stand, nahm das Gespräch sofort auf.
„Ah, du musst das Dienstmädchen sein", bemerkte sie trocken und zog eine Augenbraue hoch. „Meine Taschen sind im Auto." Hayley zog ihre Augenbrauen zusammen und richtete sich empört auf, während sie das Kaminbesteck fester packte. „Ich bin ganz sicher nicht das Dienstmädchen," konterte Hayley kühl. Rosalie unterdrückte ein Grinsen und sah zu, wie Rebekah Hayley unbeeindruckt musterte, als ob sie ein interessantes, aber ungefährliches Wesen betrachtete. „Ich verstehe. Die Werwölfin, die von meinem Bruder Klaus schwanger ist." Sie ließ ihren Blick provokativ über Hayley schweifen, bevor sie sarkastisch hinzufügte: „Ich hatte gehofft, auf einen übernatürlichen Babybauch zu stoßen. Es scheint jedoch noch zu früh dafür zu sein. Du bist also Hayley, richtig?"
Hayley erwiderte den Blick mit einer Mischung aus Trotz und Misstrauen, als sie Rosalie bemerkte. In ihrer Haltung lag deutlich der Wille, diese neue Bedrohung zu durchschauen, und ein Hauch von Unsicherheit war in ihren Augen zu erkennen. „Halt die Klappe, Bekka," unterbrach Rosalie in ruhigem, jedoch unmissverständlichem Ton, der die Spannung sofort senkte und die Aufmerksamkeit der beiden Frauen auf sie lenkte. Rebekah warf Rosalie einen kurz empörten Blick zu, doch dann erstarrte sie. Ihre Augen weiteten sich, als sie die Umrisse ihrer Schwester unter der Verkleidung erkannte, unter der Perücke, die so gar nicht zu Rosalies feurigem Wesen passte.
„Rosalie", flüsterte Rebekah schließlich, ihre Stimme eine Mischung aus Erleichterung und Freude. Rosalie schloss für einen Moment die Augen und zog dann die Perücke ab. Ihre Hände glitten durch ihr Haar, das in seiner vollen, feurig-roten Pracht fiel. Sie sah zu Hayley, deren Gesichtsausdruck sich augenblicklich veränderte. Nun erkannte auch sie, wer da wirklich vor ihr stand. Bevor Hayley jedoch reagieren konnte, stand Rebekah schon vor Rosalie, die Arme weit geöffnet. „Meine Güte, Rosalie! Endlich bist du da!", rief sie, die Freude in ihrer Stimme kaum zurückhaltend. Sie umarmte ihre Schwester fest, eine intensive, unnachgiebige Umarmung, die all die Jahre und all das Chaos vergessen ließ, nur für diesen einen Moment.
Rosalie erwiderte die Umarmung, schloss die Augen und ließ für einen winzigen Moment alle Wut, alles Chaos hinter sich. Rebekahs Wärme war wie ein Schutzschild, eine Erinnerung daran, dass sie alle trotz allem Familie waren. Ein Hauch von Nostalgie erfüllte den Raum, ein seltsam tröstliches Gefühl, das nur die Gegenwart ihrer Schwester hervorrufen konnte. Als sich die Umarmung der beiden Schwestern löste, schien die Zeit für einen Moment stillzustehen. Ein Hauch von Nostalgie lag in der Luft, fast greifbar – das Gefühl, dass sie trotz aller Zerwürfnisse und Wunden eine Familie waren, etwas, das die Jahrhunderte und all das Chaos überdauert hatte. Doch die Realität kehrte schnell zurück, wie ein Schatten, der sich lautlos in den Raum schob und die beiden Frauen daran erinnerte, dass ihre Probleme noch lange nicht gelöst waren.
Rebekah ließ ein leises, wehmütiges Lächeln über ihre Lippen gleiten. „Ich dachte, du wärst längst auf und davon", murmelte sie, doch in ihren Augen blitzte eine Sorge, die sich kaum verbergen ließ. „Was hält dich hier fest, Rosalie? Was könnte dich, von allen Orten, hierher zurückbringen?" Rosalie folgte ihrem Blick zu Hayley, die die Szene abwartend beobachtete. Die junge Werwölfin stand noch immer mit verschränkten Armen da, in ihrem Ausdruck lag eine Mischung aus Misstrauen und Neugier. Rosalie hielt kurz inne, zog dann tief Luft, bevor sie leise, fast nachdenklich antwortete: „Es gibt noch Dinge, die ich erledigen muss." Ihre Stimme hatte dabei einen Klang, der jede Frage im Keim erstickte. Es war diese Entschlossenheit, diese stille Stärke, die tief in ihrem Wesen verwurzelt war und die sie in dieser Stadt hielt – die Ruhe vor dem Sturm, das Wissen, dass dies erst der Anfang war.
Rebekah, die die Unausweichlichkeit ihrer Antwort verstand, richtete sich auf und sah Hayley mit einem süffisanten Lächeln an. „Entschuldige Hayley, mein lieber Bruder Klaus scheint seine... Manieren hervorragend weitervererbt zu haben." Sie verschränkte die Arme, ihr Blick dabei abwägend, bevor sie beiläufig fragte: „Wo ist eigentlich Elijah?" Ein leises Seufzen entfuhr Hayley, gefolgt von einem Schulterzucken. „Keine Ahnung. Er ist weg. Schon eine ganze Weile", erwiderte sie und versuchte, die Unbeteiligtheit in ihrer Stimme beizubehalten, doch ein Hauch von Bitterkeit verriet, dass seine Abwesenheit sie mehr beschäftigte, als sie zugeben wollte. Rebekah neigte ihren Kopf leicht, ihre Augenbrauen hoben sich skeptisch. „Wie lange schon?" Sie klang besorgt, ein seltener Moment, in dem ihre Maske der Unnahbarkeit für einen Augenblick fiel.
„Nun, zuerst schwört er feierlich, mich in meiner... misslichen Lage zu beschützen." Hayley hielt kurz inne, als wäre ihr die Erinnerung unangenehm. „Die Lage, die durch eine Flasche Alkohol und eine wirklich schlechte Entscheidung zustande kam." Ihre Stimme nahm einen leicht spöttischen Ton an. „Er versichert mir mit all der poetischen Würde, die er sich als Familienpatriarch so zurechtlegt, dass ich nun dazugehöre. Und dann erfahre ich von Klaus, dass er einfach verschwunden ist. Wie vom Erdboden verschluckt. Das passiert eben, wenn man Vampiren vertraut." In Hayleys Augen blitzte ein Hauch von Verbitterung auf, doch sie überspielte es, ihr Tonfall fast gelangweilt, als hätte sie gelernt, über das Verschwinden Elijahs hinwegzusehen. Doch die Enttäuschung war spürbar, und Rosalie konnte sie beinahe fühlen – ein Gewicht, das sich in die Atmosphäre senkte und ihre ohnehin fragile Harmonie weiter belastete.
Rebekah schüttelte leicht den Kopf, fast als würde sie Elijahs plötzliches Verschwinden nicht glauben können. Ihr Blick wanderte zwischen Hayley und Rosalie hin und her, ehe sie mit einem vielsagenden Blick sagte: „Elijah ist kein gewöhnlicher Vampir, und er bricht keine Versprechen." Sie hielt inne und schnaubte verächtlich. „Also bleibt nur eine einzige Erklärung: Klaus hat ihm irgendetwas angetan. Etwas... typisch Klausmäßiges." Ein bitteres Lächeln zog sich über Rebekahs Lippen. Rosalie spürte, wie die Schwere in ihrem eigenen Inneren zu gären begann. Es war typisch für Klaus, die Menschen um ihn herum auf diese Weise in seine eigenen Pläne zu verstricken, ihnen Schutz zu versprechen, nur um im nächsten Moment dafür zu sorgen, dass sie auf niemanden außer ihm angewiesen waren. Ein Blick auf Hayley verriet Rosalie, dass ihre Gefühle nicht weniger zwiespältig waren. Wie so viele Menschen in ihrer Nähe war auch Hayley in die emotionale Spirale der Mikaelsons hineingeraten – diese endlose Kette aus Versprechen, Intrigen und Manipulation.
In Rosalies Innerem machte sich eine Mischung aus Ärger und Zuneigung breit. Sie hatte sich vorgenommen, in dieser Nacht noch einige Dinge zu klären, sich der Wahrheit über die Ereignisse in New Orleans zu stellen, vielleicht auch, um die unsichtbaren Ketten, die sie an ihre Familie banden, etwas lockerer zu ziehen. Doch hier, im Herzen der alten Familienvilla, umgeben von den Menschen, die am tiefsten in ihr Leben eingewoben waren, wusste sie, dass das Band der Familie niemals zu lösen war. Ein Hauch von Müdigkeit legte sich über ihre Augen, als sie Hayley ansah und dann Rebekah einen Moment länger betrachtete. Was auch immer auf sie zukam – sie wusste, dass sie einander brauchten, und dass sie letztlich an der Seite ihrer Familie stehen würde, koste es, was es wolle.
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