kapitel 23 : werde ihn fragen
Plötzlich knackte der Boden unter den Schritten einer Person, die die Stille der Umgebung durchbrach. Marcel und Rosalie drehten sich gleichzeitig um, als sie den vertrauten Klang hörten, und vor ihnen tauchte eine Figur auf, die sie beide für eine Weile nicht gesehen hatten.
Melione Gerard.
Sie trat aus dem Schatten der Bäume, die ihre silbernen Linien in der Dunkelheit schimmern ließen, und in ihrem Schritt lag etwas Erhabenes. Ihre Haut hatte den warmen, goldenen Schimmer einer jungen Latina, der in der Dämmerung fast magisch wirkte. Ihr glattes, tiefschwarzes Haar glänzte im schwachen Licht, als es leicht im Wind wehte. Ihre braunen Augen funkelten mit einem Blick, der alles in sich zu verschlingen schien, und sie trugen die gleiche Intensität wie immer.
Melione war kein gewöhnlicher Vampir. Ihr Aussehen, ihr Charme, ihre Eleganz – alles an ihr wirkte gleichzeitig erhaben und furchteinflößend. Sie trug ihren charakteristischen schwarzen Umhang, der sich in der Dunkelheit verlor, aber der Glanz der Perlenkette um ihren Hals, ein Geschenk von Rebekah Mikaelson, schimmerte klar und hell. Es war ein Symbol für die tiefe, aber auch komplexe Beziehung, die sie einst zu Rebekah gehabt hatte.
„Melione", sagte Rosalie mit einer Mischung aus Überraschung und Zögern, als sie die vertraute Gestalt in der Dunkelheit erkannte. „Was machst du hier?"
Melione neigte leicht den Kopf und schenkte Rosalie ein Lächeln, das zugleich rätselhaft und warm war. Sie war eine Frau, die immer wusste, wie sie sich in jeder Situation bewegte. Ihr raffinierter, fast schon aristokratischer Look zog Menschen an, und selbst in der Gegenwart von Rosalie und Marcel schien ihre Aura die Aufmerksamkeit zu fesseln.
„Ach, Rosalie", sagte sie mit einem Hauch von Amüsement in ihrer Stimme. „Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas verpasse." Ihre Stimme war weich und zugleich durchdringend, wie immer. „Und ich hatte das dringende Bedürfnis, sicherzustellen, dass du niemanden zu sehr verärgerst." Sie warf Marcel einen kurzen Blick, als wollte sie ihn in ihrer Ansprache nicht außer Acht lassen. „Aber wie ich sehe, hast du schon alles sehr... spannend gemacht."
Marcel trat einen Schritt nach vorn, seine Augen jedoch auf Melione gerichtet. „Du bist also wirklich hier, um dich uns anzuschließen, was?", fragte er, und sein Ton war ein wenig rau. „Hast du den ganzen Weg zurückgelegt, nur um zu sehen, wie wir uns gegenseitig umbringen?"
„Ich bin hier, um sicherzustellen, dass keiner von uns einen Fehler begeht", erwiderte Melione ruhig, als sie sich langsam in die Mitte des Raumes bewegte. Ihr Blick war scharf, und die Eleganz, mit der sie sich bewegte, war beinahe hypnotisierend. „Der Krieg, den ihr da führt, ist nicht nur gefährlich, sondern auch sehr... unklug. Ihr überlegt nicht genug, was als Nächstes passieren könnte."
Rosalie warf einen kritischen Blick auf Melione. „Du denkst, du kannst uns beibringen, wie man richtig kämpft?", fragte sie, ihr Ton von Spott und Skepsis erfüllt. Melione lächelte nur. „Ich denke, ich kann euch beibringen, wie man überlebt. In dieser Welt ist das fast dasselbe."
„Und was genau schlägst du vor?", fragte Marcel, seine Stimme jetzt etwas schärfer, als er auf die Vampirin starrte. „Was ist dein Plan, Melione?" Sie lächelte geheimnisvoll, aber es war nicht das typische, charmante Lächeln, das sie sonst trug. Es war tiefgründig, als würde sie ein Geheimnis bewahren. „Ich habe ein paar Ideen", sagte sie, „aber zuerst... müssen wir die großen Fragen stellen. Warum kämpfen wir wirklich? Und wer ist unser wahres Ziel?"
„Die Frage ist, Melione", sagte Rosalie, ihre Stimme kühler, „wer ist wirklich auf unserer Seite?" Melione verschränkte die Arme und ließ ihren Blick einen Moment lang über die beiden gleiten. „Das wird sich noch zeigen", antwortete sie, „aber eines ist sicher: Wenn ihr nicht besser zusammenarbeitet, wird dieser Krieg uns alle verschlingen." Die Worte hingen in der Luft, und es war klar, dass Melione mehr wusste, als sie zugeben wollte. Ihre Präsenz war ein Geheimnis, das sich Rosalie und Marcel erst noch vollständig erschließen mussten.
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In einem kleinen, eleganten Café in der Nähe des Hafens saßen Rosalie und Melione an einem Fensterplatz, während die Dämmerung langsam die Stadt in ein weiches, goldenes Licht tauchte. Der Tee war dampfend und duftend vor ihnen, doch der eigentliche Genuss schien in der Konversation zu liegen, die die beiden nach so langer Zeit endlich wieder vereinte.
Melione hatte sich in den letzten Jahrzehnten in der Welt umhergetrieben, hatte Kunstausstellungen organisiert und die veränderlichen Trends des menschlichen Lebens studiert. Ihre Reisen waren nicht nur geographisch, sondern auch emotional. Sie war mehr als nur ein Vampir, sie war eine Frau, die in den letzten Jahrhunderten das Leben in seiner vollen Tiefe kennengelernt hatte. Rosalie hingegen war zurückgeblieben, in einem unaufhörlichen Kreis aus familiären Konflikten und der ewigen Jagd nach einem Ziel.
„Es fühlt sich an, als hätten wir uns ein Jahrhundert lang nicht gesehen", sagte Melione schließlich, als sie ihre Tasse abstellte und den Blick auf die Straße richtete, wo die Lichter begannen zu flimmern. „Du bist immer noch die gleiche Rosalie, oder?" „Man verändert sich nicht so schnell", antwortete Rosalie, ihre Stimme ruhig, aber mit einem Hauch von Melancholie. „Und du hast die Welt umhergereist, was hat dich dazu bewegt, hierher zurückzukehren?"
Melione zuckte leicht mit den Schultern. „Die Welt verändert sich, und ich wollte herausfinden, ob es noch etwas gibt, das mich fesseln kann. Doch anscheinend hält es uns alle hier." Die beiden Frauen saßen in einem Moment der Stille, jeder von ihnen in Gedanken versunken, als plötzlich die Tür des Cafés aufging und eine vertraute, jedoch unwillkommene Gestalt den Raum betrat: Rebekah Mikaelson. Ihr Blick war entschlossen, ihre Haltung stolz, doch es war der Hauch von Besorgnis in ihren Augen, der Rosalie und Melione sofort ins Auge fiel.
„Ich dachte, du würdest uns verlassen", sagte Rosalie, ihre Stimme einen Hauch von Überraschung und Zynismus in sich tragend, während sie ihre Teetasse wieder aufsetzte. Rebekah stellte sich vor den Tisch, ihre Augen funkelten entschlossen. „Wir beide wissen, dass diese Familie kaum ohne mich funktionieren kann." Sie setzte sich ohne Einladung, das Bedauern über die späten Stunden des Gesprächs schien sie nicht zu stören. „Wo sind Elijah und Hayley?"
„Ich habe sie im Bayou zurückgelassen", antwortete Rosalie und ließ einen bitteren Lächeln auf ihren Lippen zu. „Elijah und Klaus hatten einen kleinen Streit. Hayley hat sich mit ihm verschworen, um Elijah gegen Klaus aufzubringen. Und wie du weißt, hat unser Bruder nie einem schönen Gesicht widerstehen können. Also, wie es der Zufall wollte, biss Klaus ihn und ließ sie beide im Sumpf zurück. Ich hatte noch etwas zu erledigen." Rebekah runzelte die Stirn und ihre Wut schien in ihren Augen zu brennen. „Daggern, beißen, verlassen... Wird seine Boshaftigkeit denn niemals enden?"
„Seine ‚Boshaftigkeit' ist nichts anderes als Selbstbewahrung", erklärte Rosalie, ihre Stimme ruhig, aber fest. „Und er müsste nicht so weit gehen, wenn ihm nicht ständig Unwissenheit und Verrat entgegenschlugen! Jetzt, da Elijah ihn verlassen hat, wird er dich für seinen Plan gegen Marcel brauchen." Rebekah warf einen wütenden Blick auf das Bild ihres Bruders, der in ihren Gedanken all die Schmerzen verursacht hatte. „Und warum sollte ich dir helfen, nach all dem, was er Elijah angetan hat?"
Rosalie schüttelte den Kopf, ihr Blick schmerzte. „Weil du meine Familie bist. Und wer wäre besser geeignet, um Marcel auszuspionieren als die Zwillingsschwester, die er so eindeutig liebt?" Sie stellte die Tasse ab und lehnte sich leicht vor, als würde sie eine vertrauliche Offenbarung machen. „Er denkt wirklich, ich kann ihm all seine Geheimnisse verraten. Aber sag mir, Rebekah, wie hat er uns hier gefunden? Hast du eine Ahnung?"
Rebekah wirkte unbehaglich, ihre Finger spielten mit der Kante der Tasse. „Wie sollte ich wissen, warum Marcel tut, was er tut?" „Du denkst, er weiß nicht von deinen und meinen inszenierten Zusammenstößen überall im Viertel?" Rosalie stieß diese Worte fast wie eine Anklage aus, ihre Augen fest auf Rebekah gerichtet. „Er weiß, dass du und ich private Gespräche mit ihm geführt haben!"
Bevor Rebekah antworten konnte, mischte sich plötzlich eine neue Stimme in das Gespräch. Melione sah von ihrem Platz aus zu und ihre Augen verengten sich, als sie die Worte hörte. „Du hast mit meinem Bruder geschlafen?" Ihre Stimme war ruhig, aber scharf, und ein sarkastisches Lächeln spielte um ihre Lippen. „Und du lässt mich hier erzählen, wo ich die ganze Zeit war?"
„Melione...", murmelte Rebekah, ihre Wangen leicht rötlich vor Verlegenheit. „Hi, Blondchen", antwortete Melione mit einem verspielten Funkeln in ihren Augen, als sie sich zurücklehnte und ihre Hand ruhig um ihren Teebecher legte. Die Situation war jetzt komplexer geworden, und es war klar, dass sich viel mehr verbarg als nur die offensichtlichen Spannungen zwischen den Mikaelsons und Marcel. Doch wer spielte wirklich das Spiel, und was waren die wahren Absichten hinter jeder Bewegung?
Rosalie stand auf, die Atmosphäre am Tisch war angespannt, die Worte von Melione und Rebekah hingen noch immer in der Luft. Sie atmete tief ein und schenkte den beiden Frauen einen letzten Blick, bevor sie sich abwandte. „Ich denke, ihr habt genug zu besprechen", sagte sie kühl, ihre Stimme jedoch weich, als sie sich von ihnen entfernte. „Ich lasse euch mal alleine." Mit einem letzten, überlegenen Blick auf Rebekah und Melione verließ Rosalie das Café und betrat die Nachtluft. Der frische Wind wehte ihr entgegen, doch sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie in diesem Moment nur eine Figur in einem weitaus größeren Spiel war.
Draußen schlug ihr die kühle Nachtluft entgegen, und Rosalie sog sie tief in ihre Lungen, als wollte sie die Enge des Hauses von sich abschütteln. Die Dunkelheit war beruhigend, ein stiller Schleier, der sie umfing – bis plötzlich eine Stimme hinter ihr erklang.
„Spielst du mal wieder Verkuppler?"
Sie fuhr herum, ihre Augen weiteten sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie den durchdringenden Blick von Marcel erkannte. Er stand nur ein paar Schritte entfernt, ein vertrautes, sarkastisches Lächeln auf seinen Lippen, während er langsam näherkam.
„Rebekah und Melione – glaubst du wirklich, das ist eine gute Idee?" fragte er mit einem Hauch von Belustigung, als er ihren überraschten Ausdruck registrierte.
Rosalie schloss kurz die Augen, sammelte sich, ehe sie ihm mit hochgezogener Augenbraue antwortete: „Was soll das heißen?" Ihre Stimme war ruhig, aber kalt. Die Spannung in der Luft war greifbar. Ihre Haltung blieb lässig, doch ihre Augen funkelten wachsam, bereit, jeden Angriff – verbal oder anders – abzuwehren.
„Das heißt," begann Marcel, während er sich auf sie zubewegte, „dass die beiden ein explosives Paar sind. Und wir beide wissen, wie schlecht das in der Vergangenheit geendet hat." Seine Worte waren ruhig, fast beiläufig, doch sein Blick war wachsam, lauernd, als ob er auf eine Reaktion von ihr wartete.
Rosalie schnaubte verächtlich. „Du kennst sie nicht so, wie ich sie kenne. Trotz all der Fehler – trotz der Seitensprünge, die keine echten waren, weil sie offiziell nie zusammen waren – haben sie noch immer Gefühle füreinander. Auch nach zweihundert Jahren." Marcel zog eine Augenbraue hoch. „Zweihundert Jahre sind eine lange Zeit, um Gefühle zu bewahren. Vielleicht etwas zu lange, meinst du nicht?"
„Und du?" konterte Rosalie, die plötzliche Schärfe in ihrer Stimme war unüberhörbar. „Warum bist du eigentlich nicht reingekommen?" Marcel lachte leise, die Dunkelheit verlieh seinem Gesicht etwas Rätselhaftes. „Oh, ich wollte dich nicht stören, Rosalie. Du weißt ja, wie sehr ich Familienfeiern liebe." Sein Ton war leicht, doch sein Blick schien sie genau zu beobachten, jedes Zucken in ihrer Mimik aufzusaugen. „Hattest du eigentlich auch... jemand Besonderen in den letzten zweihundert Jahren?"
Rosalie verschränkte die Arme, ein spöttisches Lächeln auf ihren Lippen. „Du bist ein weiser Mann, Marcel. Kümmere dich lieber um dein eigenes Leben, anstatt über meines nachzudenken." „Oh, ich kümmere mich um alles, was dich betrifft", erwiderte Marcel mit einem geheimnisvollen Grinsen, während er einen Schritt näher trat. „Ich frage mich nur, wie oft du die Regeln dieses Spiels geändert hast, um zu gewinnen."
Rosalie schüttelte leicht den Kopf, ihre Augen glitzerten herausfordernd. „Ich mache meine eigenen Regeln, Marcel. Und ich brauche niemanden, der mir sagt, wie ich meine Karten auszuspielen habe." „Das weiß ich." Marcel trat zurück, ein leises Lachen entkam ihm. „Das ist die Rosalie, die ich kenne." Rosalie drehte sich halb um, ihre Stimme war leise, aber bestimmend. „Und das ist alles, was du je kennen wirst. Ich spiele dieses Spiel alleine – immer." Sie wandte sich ab und ging ein paar Schritte, bevor sie ohne Vorwarnung stehen blieb. „Clarke und Julian", sagte sie plötzlich, und Marcel blinzelte verwirrt.
„Was?"
„Mit ihnen hatte ich was", erklärte sie ruhig, ohne sich umzudrehen. „Zur selben Zeit?" Marcel klang halb amüsiert, halb erstaunt. „So kenne ich dich ja gar nicht." Rosalie wandte ihm ihr Gesicht zu, ein kleines, geheimnisvolles Lächeln auf ihren Lippen. „Tja, ich habe Seiten, die du nicht kennst. Manche davon kenne ich nicht einmal selbst. Und ehrlich gesagt, einige davon möchte ich nie kennenlernen."
„Und die beiden? Wie sind sie?" „Super nett." Ihre Stimme wurde weicher, ein Hauch von Nostalgie schwang mit. „Ich hab sie echt lieb. Wir verstehen uns immer noch." „Du hast noch Kontakt zu ihnen?" fragte Marcel, überrascht. „Nur weil wir nicht mehr miteinander schlafen, heißt das nicht, dass wir keine Verantwortung für etwas tragen", erklärte Rosalie nüchtern.
„Wann war das?"
Rosalie zögerte kurz, ihre Augen suchten den dunklen Horizont. „Vor etwas mehr als sieben Jahren. Davor... davor habe ich niemanden an mich herangelassen. Aber mit ihnen war es anders. Ich konnte mich öffnen, habe ihnen sogar von uns erzählt." Marcel schwieg für einen Moment, bevor er leise sagte: „Dann hatten sie Glück." Rosalie zuckte die Schultern, aber ihr Blick verriet mehr, als sie aussprach. „Vielleicht." Ohne ein weiteres Wort verschwand sie in der Dunkelheit, ließ Marcel mit seinen Gedanken zurück – und einem Hauch von Bewunderung, den er nie laut aussprechen würde.
Die Tür des kleinen Cafés schwang auf, und Melione trat mit einer Mischung aus Eleganz und Gereiztheit hinaus, dicht gefolgt von Rebekah, die ihren typischen, leicht gelangweilten Gesichtsausdruck trug. Meliones Augen blitzten, als sie stehen blieb und sich umdrehte, um Rebekah ins Visier zu nehmen.
„Kannst du bitte aufhören, mir so nachzuschauen? Es nervt, Rebekah. Ernsthaft." Ihre Stimme war ruhig, doch die Schärfe darin ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte. Rebekah hob die Augenbrauen und lehnte sich betont lässig gegen die nächste Straßenlaterne. Ein amüsiertes Lächeln spielte um ihre Lippen, während sie ihre Schwester ins Visier nahm. „Ich schaue dir nicht nach, Melione. Ich bewundere dich – es ist ein Unterschied."
„Ach, wirklich? Bewundern?" Melione verschränkte die Arme und musterte sie skeptisch. „Es fühlt sich mehr an wie... Besessenheit." Rebekah ließ ein leises Lachen hören, das in der stillen Straße wie ein warmer, gefährlicher Klang widerhallte. „Besessenheit? Das kommt von der Frau, die mir vor einer Stunde eine Standpauke gehalten hat, weil ich zu nett war zu dem Kellner?"
„Das hatte nichts mit Nettigkeit zu tun, Rebekah, und das weißt du genau", schnappte Melione. „Du bist manipulativ, und er war so jung, dass er wahrscheinlich nicht einmal wusste, dass er geflirtet hat."Rebekah zuckte mit den Schultern, das Amüsement in ihren Augen wuchs. „Und doch hat er mir seine Nummer auf die Serviette geschrieben. Vielleicht war er reif genug, um mich zu verstehen?"
Melione verdrehte die Augen, ehe sie sich von Rebekah abwandte und die Straße entlangblickte. Ihre Stimme klang nun kühler, als sie fortfuhr: „Wie auch immer, du kannst dir jede andere Nacht jemanden suchen, der dein Bett wärmt, aber heute werde ich nicht bei dir schlafen." Rebekahs Lächeln erstarb, und sie richtete sich auf. „Nicht?" fragte sie leise, und obwohl ihre Stimme unbeteiligt klang, lag eine Spur von Verwunderung darin.
„Nein." Melione schüttelte den Kopf, ihre Haltung blieb fest, doch in ihren Augen blitzte ein Funke von Bedauern. „Ich brauche eine Pause, Rebekah. Manchmal wird es zu viel mit dir. Und der einzige Ort, an dem ich heute Nacht wirklich neutralen Boden finde, ist das Butterfly Hotel." Rebekah schnaubte leise, doch die Erwähnung des Hotels ließ ihre Miene eine Spur härter werden. „Rosalies neutraler Boden. Natürlich. Hast du dich schon in eines ihrer Predigten einschreiben lassen?"
„Das Hotel ist das einzige, was zwischen uns allen ein bisschen Frieden bringt", entgegnete Melione ungerührt. „Und ich brauche Frieden. Du solltest das verstehen." Rebekah verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie stumm. Einen Moment lang war zwischen ihnen nur die kühle Nacht zu hören, das ferne Rauschen eines vorbeifahrenden Autos und das Knirschen von Kies unter Meliones Absätzen, als sie sich abwandte und zum nächsten Taxi schritt.
„Weißt du, Melione", sagte Rebekah schließlich, ihre Stimme sanft, fast verletzlich, „manchmal glaube ich, dass du mich absichtlich wegstößt." Melione blieb stehen, die Hand an der Tür des Taxis. Sie sah über die Schulter zurück, und in ihren Augen schimmerte ein Hauch von Traurigkeit, den sie nicht verbergen konnte. „Ich stoße dich nicht weg, Rebekah. Aber du drängst mich dazu."
Ohne ein weiteres Wort stieg sie ins Taxi, und Rebekah blieb allein auf der Straße zurück. Sie sah dem Wagen nach, bis die Rücklichter in der Ferne verschwanden, und ein ungewohntes Gefühl von Leere überkam sie. „Das Butterfly Hotel also", murmelte sie vor sich hin und wandte sich schließlich um, während die Nacht sie verschluckte.
Das Taxi hielt vor dem Butterfly Hotel, dessen leuchtendes Schild in der Dunkelheit der Nacht einladend und geheimnisvoll schimmerte. Das Gebäude selbst war ein architektonisches Meisterwerk – eine Mischung aus viktorianischer Eleganz und moderner Schlichtheit, die den neutralen Boden symbolisierte, den Rosalie mit diesem Ort geschaffen hatte. Hier waren keine Allianzen erlaubt, keine alten Fehden. Jeder war willkommen, solange er die Regeln einhielt.
Melione trat durch die Drehtür, und der warme Duft von Zedernholz und frischen Blumen umfing sie. Der Empfangsbereich war großzügig, mit dunklem Holz, tiefroten Teppichen und goldenen Akzenten gestaltet. Sie ging direkt zum Tresen, wo ein freundlicher, aber distanzierter Concierge sie mit einem höflichen Lächeln begrüßte. „Guten Abend, Miss Melione. Ein Zimmer für die Nacht?"
„Ja", sagte sie knapp und zog ihre Kreditkarte hervor. „Ein Standardzimmer reicht." „Natürlich." Der Concierge tippte etwas in seinen Computer und reichte ihr wenig später eine Karte. „Zimmer 314. Dritte Etage, auf der linken Seite. Soll ich Ihr Gepäck holen lassen?" Melione schüttelte den Kopf. „Ich habe keins."
„Wie Sie wünschen. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nacht."
Sie nickte ihm kurz zu und machte sich auf den Weg zum Aufzug. Die Fahrt in die dritte Etage verlief still, und als die Türen sich öffneten, trat sie in einen ebenso eleganten, ruhig gestalteten Flur hinaus. Ihre Schritte hallten leise, als sie zu Zimmer 314 ging. Mit einer sanften Bewegung schob sie die Karte in das Lesegerät, die Tür öffnete sich mit einem leisen Klicken, und sie trat ein.
Das Zimmer war genauso luxuriös wie der Rest des Hotels: ein großes Bett mit frischen weißen Laken, ein weicher Sessel in einer Ecke, eine Aussicht auf die funkelnden Lichter von New Orleans durch das breite Fenster. Sie ließ sich auf das Bett sinken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und atmete tief durch.
Melione lag auf dem Bett, die Decke über ihren Kopf gezogen, und ließ die Stille des Zimmers auf sich wirken. Das *Butterfly Hotel* war eine Festung des Friedens, doch sie spürte keine Ruhe in sich. Der Streit mit Rebekah, oder besser gesagt, die Inszenierung vor dem Café, hallte in ihrem Kopf nach. Alles war perfekt abgestimmt gewesen: ihre Worte, ihr Ton, sogar der Zeitpunkt ihres Abgangs. Es musste so wirken, als ob ihre Beziehung am Rand des Abgrunds stand – genau das, was nötig war, um Klaus und Marcel von neugierigen Fragen abzuhalten.
Doch nun, allein in diesem stillen Raum, war Melione sich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war. Sie hatte die Distanz zwischen ihnen so überzeugend gespielt, dass sie für einen Moment fast selbst daran geglaubt hatte. Für einen Moment fühlte sie sich sicher. Allein. Doch diese Ruhe hielt nicht lange. Ein vertrauter Duft erreichte ihre Nase, bevor sie die Stimme hörte.
„War das wirklich nötig, Melione?"
Melione fuhr hoch und drehte sich um. Rebekah stand vor der geschlossenen Tür, die Hände in die Hüften gestützt, und betrachtete sie mit einem Ausdruck, der irgendwo zwischen Belustigung und Ärger schwankte. „Wie bist du hier reingekommen?" fragte Melione scharf, obwohl sie die Antwort bereits kannte. Rebekah war eine Mikaelson. Türen, Regeln, Grenzen – all das bedeutete ihr wenig.
„Oh, bitte." Rebekah lächelte kühl und trat näher, ihre Absätze klackten leise auf dem Holzboden. „Das hier ist Rosalies Hotel. Glaubst du wirklich, ich brauche eine Schlüsselkarte?" Die kühle Eleganz, die Melione so sehr liebte und gleichzeitig hasste, schien mit jedem Schritt durch den Raum zu fließen. Sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen, ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Dramatisch genug für dich?" fragte Rebekah trocken und sah Melione mit einem herausfordernden Blick an. Melione setzte sich auf und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es musste glaubwürdig sein", entgegnete sie knapp, ihre Stimme ruhiger, als sie sich fühlte.
„Oh, glaubwürdig war es", sagte Rebekah, während sie näher trat. Ihre Augen funkelten vor unterdrücktem Amüsement, doch darunter lag etwas Dunkleres, etwas, das Melione genau kannte. „Fast hätte ich selbst geglaubt, dass du mich wirklich nicht mehr erträgst." „Hätte ich das, wäre ich nicht hier", konterte Melione und verschränkte die Arme vor der Brust.
Rebekah blieb direkt vor ihr stehen, die Spannung zwischen ihnen war beinahe greifbar. Sie ließ ihren Blick über Meliones Gesicht gleiten, langsam, absichtlich. „Weißt du, ich habe mich gefragt, ob du wirklich im Butterfly einchecken würdest. Oder ob du nur so tust, damit Marcel und Klaus uns nicht auf die Schliche kommen." Melione hob eine Augenbraue. „Wir wissen beide, dass das hier nicht nur um uns geht. Klaus würde jeden Anflug von Schwäche in unserem Verhältnis nutzen, um dich wieder für seine Zwecke zu manipulieren. Und Marcel..." Sie hielt inne und atmete tief durch. „Marcel ist mein Bruder. Aber er würde niemals verstehen, was zwischen uns ist."
Rebekah trat näher, ihre Fingerspitzen glitten sanft über Meliones Wange, und ihre Stimme wurde leiser, sanfter. „Was zwischen uns ist, gehört niemandem außer uns, Melione." Melione wollte antworten, doch Rebekah beugte sich vor, ihre Lippen berührten Meliones, und alle Gedanken verschwanden. Es war kein sanfter Kuss, sondern ein fordernder, brennender – ein Kuss, der all das sprach, was sie niemals in Worte fassen konnten.
Als sie sich lösten, atmete Melione schwer. „Du weißt, dass das ein Spiel mit dem Feuer ist, Rebekah. Wenn Klaus je erfährt, wie ernst das hier ist..." „Dann wird er es erfahren", unterbrach Rebekah kühl, ihre Hände wanderten zu Meliones Taille. „Aber erst, wenn wir bereit sind. Bis dahin – lass uns die Nacht genießen."
Melione konnte sich nicht wehren, nicht gegen die Intensität von Rebekahs Blick, die Hitze ihrer Berührungen. Ihre Zweifel schmolzen dahin, als sie sich erneut küssten, diesmal tiefer, leidenschaftlicher. Sie wusste, dass dieses Spiel gefährlich war, dass sie mit ihrer Liebe auf einem schmalen Grat tanzten, doch in diesem Moment zählte nur Rebekah. Ihre Körper verschmolzen, und die Welt außerhalb des Zimmers wurde bedeutungslos.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster fielen, lagen sie nebeneinander, erschöpft und zufrieden. Rebekah strich eine Haarsträhne aus Meliones Gesicht und flüsterte leise: „Egal, was kommt – wir stehen das durch." Und Melione glaubte ihr. Zumindest für diesen Moment.
~~~
Ein prächtiges Frühstück war im Esszimmer des Plantagenhauses angerichtet worden. Die Sonne schien durch die hohen Fenster und tauchte den Raum in warmes Licht. Der große Tisch war mit Obstschalen, frisch gebackenen Croissants und dampfendem Kaffee gedeckt. Klaus saß lässig am Kopf des Tisches, gegenüber Rebekah, die kühl und zurückhaltend wirkte. Neben Klaus stand eine junge Dienerin. Er hatte ihre zarte Handgelenksvene an den Lippen und trank langsam, fast genüsslich. Ein dunkler Fleck zeichnete sich auf der makellosen weißen Serviette ab, die die Dienerin nervös in der anderen Hand hielt.
Die Stille im Raum wurde nur vom gelegentlichen Klirren von Besteck und dem leisen Tropfen von Blut unterbrochen. Plötzlich erschien Rosalie in der Tür. Sie sah müde aus, ihre roten Haare waren in einer hastigen Hochsteckfrisur zusammengebunden, und ihre Augen verrieten, dass sie kaum geschlafen hatte. Ohne ein Wort setzte sie sich und griff nach einem Brötchen.
Klaus ließ von der Dienerin ab und lehnte sich entspannt in seinen Stuhl zurück. Sein Blick wanderte zu Rosalie, dann zu Rebekah, die scheinbar einen stummen Wettstreit mit ihm führte, wer die eisigere Miene aufsetzen konnte. Schließlich durchbrach Klaus das Schweigen.
„Hast du heute schon mit unserem Freund Marcel gesprochen?" Seine Stimme war ruhig, aber mit einem Hauch von Schärfe unterlegt. Rosalie, die gerade dabei war, ihr Brötchen zu bestreichen, hob kurz die Augen. „Nein, sollte ich?" Rebekah schnaubte leise und rollte mit den Augen. „Marcel verhält sich seltsam. Meidet mich, als hätte ich die Pest. Hat er dir vielleicht Gründe dafür genannt, neben seinen üblichen Liebesschwüren?" Ihre Stimme war ein scharfer Kontrast zur scheinbar beiläufigen Frage.
„Ich werde ihn fragen, wenn ich ihn sehe", erwiderte Rosalie mit einem leichten Schulterzucken, während sie ein Stück von ihrem Brötchen abbrach. Doch Klaus ließ nicht locker. „Dein Blick, Niklaus, spricht Bände. Kein Wort aus deinem Mund könnte jemals so viel ausdrücken wie das kalte Feuer in deinen Augen. Mein ach so edler Bruder, der ehrenwerte Elijah, leidet im Bayou Höllenqualen – eine Strafe, die ihm dein Bastard-Hybrid-Bruder zugefügt hat. Dabei könnte ausgerechnet dein Blut ihm die Schmerzen nehmen, die ihn zerfressen. Aber nein, er hat mir strengstens verboten, ihn zu heilen. Stolz und Ehre, wie immer." Rosalie, die Rothaarige, ließ ihren Blick genüsslich über Klaus gleiten, ein feines Lächeln zierte ihre Lippen, das jedoch keineswegs freundlich war.
Klaus lehnte sich lässig zurück, eine Spur von Belustigung in seinen blauen Augen, die sich gefährlich verengten. „Ganz und gar nicht, Rose. Während Elijah sich selbst geißelt, genieße ich ein wahrhaft königliches Frühstück. Und, wie ich annehme, die angenehme Gesellschaft meiner charmanten Schwestern. Ich warte geduldig auf Elijahs Rückkehr – so geduldig, wie ich es eben kann." Ein schiefes Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus, doch die Kälte in seinem Tonfall war unverkennbar.
Rebekah funkelte ihn aus eisblauen Augen an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Komm schon, Niklaus. Du machst es uns wirklich nicht leicht. Rose und ich haben dir den ganzen Morgen über unsere Blicke zugeworfen – ich weiß, dass du sie bemerkt hast. Und doch sitzt du hier, völlig unbeeindruckt. Also gut, spucken wir es aus."
Klaus ließ ein abfälliges Lachen hören, bevor er mit gespielter Gleichgültigkeit eine Handbewegung machte. „Bitte, meine Lieben, erlöst mich. Ihr habt doch beide ein Talent dafür, das Drama in den Alltag zu tragen. Also, was ist es diesmal? Was habe ich getan, um eure unauslöschliche Verachtung zu verdienen?"
Rebekah seufzte tief, ihre Schultern sanken, und für einen kurzen Moment wirkte sie müde. Doch dann hob sie den Kopf, ihr Blick traf seinen mit einer Mischung aus Trotz und Schmerz. „Ich habe Angst, Nik. Angst, dass ich eines Tages zwischen deinen giftigen Hybridzähnen lande, wenn du endlich begreifst, was du Elijah wirklich angetan hast. Und weißt du was? Rosalie denkt genau dasselbe, sie sagt es nur nicht. Sie hat mir erzählt, wie sehr sie sich für dich aufopfert. Sie war immer auf deiner Seite, Niklaus. Immer. Sie ist nicht einmal nach New Orleans zurückgegangen, um sicherzustellen, dass Marcel tot ist. Sie ist geblieben, hier bei dir, um sicherzugehen, dass du weder Elijah noch mir einen Dolch in die Brust rammst!"
Rebekahs Stimme zitterte, doch sie hielt seinem Blick stand. „Und wie hast du sie dafür belohnt? Du hast sie fortgejagt, wie du es mit jedem tust, der dir zu nahe kommt. Du hast ihr das Herz herausgerissen, obwohl sie das Letzte ist, was du noch als Familie bezeichnen kannst. Und jetzt sitzt du hier, als wäre nichts passiert, während Elijah stirbt und Rosalie innerlich zerbricht."
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