kapitel 2 : also fang an
Rosalie lehnte sich gegen die raue Steinmauer der alten Gasse und atmete tief durch, während das leise Knistern des abendlichen Verkehrs von der Hauptstraße herüberschwebte. Der schwache Schein einer Straßenlaterne warf zarte Schatten auf ihr Gesicht, ihr rotblondes Haar glänzte im fahlen Licht. In einer Hand hielt sie ihr Handy, das leuchtende Display zeigte das Ende des Gesprächs mit Rebekka. Sie hatte gehofft, ihre Schwester würde ihnen wenigstens dieses eine Mal zur Seite stehen, doch wie immer hatte Rebekka nur ihre eigenen Wunden und alten Groll zu verteidigen. „Wollt ihr mir sagen, dass Marcel noch am Leben ist?" Rebekkas Worte klangen immer noch in ihrem Kopf nach. Die kühle, distanzierte Art ihrer Schwester hatte Rosalie wie ein Schlag getroffen. Marcel... Der Name hallte in Rosalies Gedanken wider, wie ein Echo aus einer anderen Zeit, einem anderen Leben. Wie oft hatte sie sich gefragt, was aus ihm geworden war, seit sie die Stadt verlassen hatten. Und nun wusste sie es – er war nicht nur am Leben, sondern herrschte über New Orleans wie ein König über sein Reich. War das wirklich der Marcel, den sie einst gekannt hatte?
Rosalie spürte, wie ihr Herz sich verkrampfte, als die Erinnerungen sie einholten. Sie konnte nicht verhindern, dass Bilder von Marcel, wie sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, vor ihrem inneren Auge auftauchten. Seine warmen Augen, die sie so oft liebevoll angesehen hatten. Sein Lachen, das sie einst zum Lächeln gebracht hatte. Und dann... der Verrat. Die bittere Enttäuschung, die sich wie ein Dolch in ihr Herz gebohrt hatte, als sie erkannte, dass sie für ihn nichts weiter als ein Werkzeug gewesen war – ein Teil seines Spiels. „Ja, genau das. Klaus hat es mal wieder geschafft, sich in ein Kriegsgebiet zu begeben, und wir können ihn nicht finden", hatte sie Rebekka erklärt, ihre Stimme kühl, obwohl in ihr alles brannte. Elijah stand neben ihr, seine Haltung ruhig und kontrolliert, wie immer, doch sie konnte sehen, dass auch ihn diese ganze Situation zermürbte. Marcel kontrollierte eine Bande grausamer Vampire, die die Stadt terrorisierten, während die Hexen unterdrückt wurden. Es war ein Albtraum, und ihr Bruder Klaus hatte sich inmitten dieses Chaos wieder einmal selbst verloren.
Rosalie hatte sich immer wieder gefragt, wie viel von dem Marcel, den sie einst geliebt hatte, in diesem neuen, grausamen Herrscher übrig geblieben war. Der Mann, der sich jetzt Marcel nannte, war nicht mehr der charmante Anführer, den sie kannte. Er war ein Tyrann, ein grausamer Spieler, der ohne Rücksicht auf Verluste handelte. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie an die Hexen dachte, die er unterdrückte, an die Leben, die er zerstörte. „Marcel, den Klaus erschaffen und unter seine Fittiche genommen hat, kontrolliert eine Bande grausamer Vampire, die frei herumlaufen und in aller Öffentlichkeit morden. Die Hexen werden unterdrückt. Ich bin sicher, Niklaus weiß nicht, worauf er sich da eingelassen hat", sagte Elijah nüchtern und brachte Rosalies Gedanken zurück in die Gegenwart.
„Tut mir leid, was hast du gesagt? Nach 'unser Bruder' habe ich nicht mehr zugehört," kam Rebekkas schnippische Antwort am anderen Ende der Leitung, und Rosalie konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Natürlich. So typisch für Rebekka. Ihre Schwester war nie gut darin gewesen, den Fokus auf das Wesentliche zu richten, wenn es um Klaus ging. Der Zorn zwischen ihnen beiden war so alt wie die Zeit selbst. „Unser hasserfüllter Bastard von einem Bruder ruiniert jedes Gefühl, das ich für ihn hatte", fuhr Rebekka fort. „Hast du schon vergessen, was er getan hat, als Marcel Rosalies süßes Köpfchen verdreht und ihr das Herz gebrochen hat?" Rosalies Herz zog sich bei diesen Worten schmerzhaft zusammen, als ob die Wunde, die Marcel einst hinterlassen hatte, wieder aufgerissen wurde. Sie dachte an die Jahre, die sie damit verbracht hatte, sich von diesem Verrat zu erholen, an die Nächte, in denen sie sich gefragt hatte, was sie falsch gemacht hatte, warum Marcel sie so leicht hatte fallen lassen. Sie hatte sich geschworen, nie wieder so verletzt zu werden, nie wieder jemandem so viel Macht über ihr Herz zu geben. „Für immer und ewig, Rebekka. Das haben wir uns gegenseitig versprochen," versuchte Elijah, ihre Schwester zu besänftigen, doch Rosalie wusste, dass diese Worte Rebekka nichts bedeuteten. Für immer und ewig – ein Versprechen, das in ihrer Familie oft gebrochen wurde.
„Betrachte es als widerrufen", erwiderte Rebekka kalt. Rosalie ließ ein leises, ironisches Lächeln über ihre Lippen gleiten. Für immer und ewig... Wie oft hatte Rebekka diese Worte zurückgenommen? Und doch, trotz allem, waren sie alle immer wieder zu Klaus zurückgekehrt. Es war eine ewige Spirale, ein Tanz aus Verrat, Schmerz und Vergebung. Elijah beendete das Gespräch mit einem tiefen Seufzen und wandte sich dann an Rosalie. Sein Blick war warm, voller Fürsorge, doch auch voller Ernsthaftigkeit. „Kannst du damit umgehen?" fragte er, seine Stimme leise, aber bestimmt. Rosalie starrte einen Moment lang in die Ferne, ihre Gedanken bei Marcel, bei ihrer Familie, bei all den Entscheidungen, die sie in den letzten Jahrhunderten getroffen hatte. Gefühle bedeuten unserer Familie nichts, sagte sie sich immer wieder, um sich selbst zu schützen. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass das eine Lüge war. Gefühle hatten sie zu dem gemacht, was sie waren – und sie würden sie eines Tages zerstören.
Mit einem leichten Zucken ihrer Schultern, das mehr Mut vortäuschte, als sie tatsächlich empfand, antwortete sie: „Natürlich. Gefühle bedeuten unserer Familie nichts!" Ihr Lächeln war bitter, und in ihren Augen flackerte ein Funken von Schmerz, den sie schnell unterdrückte. Sie musste stark sein. Für Elijah, für sich selbst. Doch als sie Marcels Name erneut in ihren Gedanken hallen hörte, wusste Rosalie, dass sie sich dieser Herausforderung stellen musste – und dass es ihr alles abverlangen würde.
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Rosalie stand mit verschränkten Armen neben Elijah, ihre Augen folgten der schmalen Silhouette von Sophie Deveraux, die durch die Hintertür des "Rousseau's" trat. Der kalte Nachtwind trug das Bellen eines Hundes in der Ferne zu ihnen herüber, während die kleinen Kerzen auf dem Tisch vor Sophie flackerten. Die Szene war trostlos, fast geisterhaft, als Sophie leise begann, mit ihrer verstorbenen Schwester Jane-Anne zu sprechen. Die Hexe wirkte zerbrechlich, ihre Tränen glitzerten im Kerzenlicht, und Rosalie spürte den Schmerz, der in der Luft lag.
„Oh, du hast mich da reingezogen, Jane," hörte sie Sophie murmeln. „Gib mir die Kraft, es zu Ende zu bringen." Rosalie beobachtete die Szene mit einer Mischung aus Mitgefühl und innerer Anspannung. Die Hexen dieser Stadt waren gezeichnet, dachte sie. Unterdrückt, gebrochen, aber nicht ganz besiegt. Sie konnte den verzweifelten Funken Hoffnung in Sophies Stimme hören, auch wenn sie es nur ungern zugab. Rosalie selbst war es gewohnt, Schmerz zu verdrängen, ihn tief in sich zu verschließen – sie hatte gelernt, dass das der einzige Weg war, in ihrer langen, komplizierten Existenz zu überleben. Plötzlich schlug die Tür hinter Sophie laut ins Schloss, und Rosalie spürte, wie die Anspannung in der Luft schlagartig zunahm. Aus den Schatten der Gasse tauchten zwei Vampire auf. Ihre Augen glühten, als sie näher kamen, und Rosalie spürte den vertrauten Anflug von Ärger und Abscheu. Marcel schickt seine Schergen, dachte sie, während ihr Blick auf die Vampire fiel. Natürlich. Immer im Auftrag ihres selbsternannten Königs.
„Die Türen funktionieren, weißt du," bemerkte Sophie schnippisch, ihre Stimme trotz der Angst, die sie zweifellos verspüren musste, fest. „Bist du am Zaubern?" fragte einer der Vampire drohend, seine Augen auf die Kerzen und die Hexe gerichtet. „Ich bete zu meiner toten Schwester", erwiderte Sophie, ihre Stimme lauter, trotzig. „Willst du ihr deine Ehrerbietung erweisen?" Rosalie spürte den Zorn, der in Sophies Worten mitschwang, und sie konnte nicht anders, als eine gewisse Bewunderung für die Hexe zu empfinden. Trotz allem war sie stark. Sie kämpfte. Doch sie wusste, dass diese Stärke allein nicht ausreichen würde. „Mach keine Szene, Sophie. Der Hybrid war auf der Suche nach Jane-Anne. Marcel will wissen, warum", sagte der zweite Vampir kalt und ungeduldig.
„Ich würde sagen, frag sie selbst. Aber das kannst du wohl nicht, nachdem Marcel sie getötet hat", schoss Sophie zurück, ihre Worte schneidend wie Klingen. Gut so, dachte Rosalie, während ein schwaches Lächeln ihre Lippen umspielte. Doch in der nächsten Sekunde spürte sie, wie die Spannung in der Luft auf einen gefährlichen Höhepunkt zusteuerte. Einer der Vampire blitzte plötzlich mit übernatürlicher Geschwindigkeit nach vorne und packte Sophie. Rosalie fühlte das Bedürfnis, einzugreifen, doch sie wusste, dass Elijah die Situation im Griff hatte – und das bewies er in der nächsten Sekunde.
Mit einer brutalen Effizienz, die sie trotz all ihrer gemeinsamen Jahrhunderte immer wieder faszinierte, griff Elijah ein. Ein Schrei, ein dumpfer Aufprall und dann – nichts als Stille. Rosalie sah, wie das Herz des ersten Vampirs schwer auf den Boden fiel, bevor der Körper hinterher zuckend zusammensackte. Der zweite Vampir hatte kaum Zeit, zu reagieren, als auch er von einem unsichtbaren Schatten gepackt und mit solcher Wucht gegen die Wand geschleudert wurde, dass der scharfe Gegenstand, an dem er hängen blieb, ihn augenblicklich tötete. Rosalie beobachtete Elijah, wie er still und stoisch neben der regungslosen Hexe stehen blieb, die vor Angst und Schock zitterte. Seine Bewegungen waren präzise, seine Kontrolle über die Situation lückenlos. Sie hatte es oft gesehen – dieses makellose Zusammenspiel von Macht und Anmut. Er ist der perfekte Krieger, dachte sie, während sie tief durchatmete. Der Geruch von Blut hing schwer in der Luft.
Langsam trat sie neben ihren Bruder, ihre Stiefel knirschten leicht auf dem Kopfsteinpflaster der engen Gasse. „Ich bin Elijah", stellte ihr Bruder sich mit seiner typischen, unerschütterlichen Ruhe vor. Dann richtete er seinen Blick auf Rosalie. „Und das ist meine Schwester, Rosalie." Rosalie neigte den Kopf leicht zur Seite, ihre smaragdgrünen Augen fixierten Sophie mit einer Mischung aus Neugierde und Wohlwollen. Ein verführerisches, leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen, das gleichzeitig beruhigend und gefährlich wirkte. „Hast du schon von uns gehört?" fragte sie leise, ihre Stimme wie das Flüstern einer nahenden Gefahr.
Sophie nickte hastig, ihre Augen geweitet vor Angst und Ehrfurcht. „Ja, natürlich habe ich von euch gehört. Die Mikaelsons... ihr seid in der übernatürlichen Welt berüchtigt." Rosalie lächelte, doch es erreichte nicht ganz ihre Augen. Sie konnte spüren, dass Sophie zitterte, nicht nur vor Angst, sondern auch vor der Erkenntnis, was es bedeutete, mit den Urvampiren konfrontiert zu sein. Die Legenden waren wahr, und jetzt stand sie inmitten dieser lebenden Legenden – auf der Kippe zwischen Leben und Tod.
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Rosalie stand neben Elijah vor dem Eingang des alten Friedhofs, während Sophie das quietschende, eiserne Tor aufstieß. Die Luft war schwer von Feuchtigkeit, die kühle Brise des Abends ließ ihre Haut prickeln, doch es war die unheimliche Atmosphäre des Ortes, die ihr ein Gefühl der Unruhe einflößte. Dieser Ort ist erfüllt von alten Geschichten und unerzählten Geheimnissen, dachte sie, als sie das uralte Mauerwerk musterte, das den geweihten Boden umgab. Es war, als ob die Vergangenheit mit jedem Windstoß durch die knorrigen Bäume flüsterte. Sophie drehte sich mit einem sarkastischen Lächeln zu ihnen um. „Dies ist geweihter Boden. Vampire müssen hereingebeten werden, aber da ich verzweifelt bin... kommt rein."
Rosalie tauschte einen Blick mit ihrem Bruder, der so ruhig und gefasst wirkte wie immer. So typisch für ihn, dachte sie. Elijah, der immer die Ruhe selbst ist, egal wie düster oder aussichtslos die Situation erscheint. Sie jedoch spürte das Gewicht der Spannung auf ihren Schultern, als sie einen Schritt über die Schwelle des Friedhofs machte. Der Duft von feuchter Erde und altem Stein drang in ihre Sinne und weckte Erinnerungen – Erinnerungen an vergangene Kämpfe, an Orte voller Schmerz und Verlust. Wie oft haben wir schon solche Orte betreten, um nach Antworten zu suchen, nur um noch mehr Geheimnisse zu entdecken? Sophie führte sie tiefer hinein, durch die stillen Gräber, wo die Schatten der Nacht lang und unheimlich wirkten. „Hier können wir frei sprechen", sagte sie und blieb schließlich stehen, das Gesicht von einer inneren Last gezeichnet. Rosalie fühlte einen Hauch von Mitgefühl für die Hexe, doch ihre Stimme blieb fest und fordernd, als sie sagte: „Also fang an. Was hat deine Schwester von Niklaus gewollt?"
Sophie atmete tief ein und sah sie beide ernst an. „Das ist doch klar. Wir haben ein Vampirproblem, und wir brauchen Hilfe. Marcel befehligt eine Armee von Vampiren, und die Hexen hier hatten bisher wenig Erfolg, sich zu wehren." Rosalie spürte die Spannung in Sophies Stimme, die Verzweiflung, die in jeder Silbe mitschwang. Es ist immer dasselbe, dachte sie, jeder sucht nach einem Ausweg aus der Tyrannei, doch die Mittel sind selten gerecht oder einfach. "Bis meine Schwester, Jane-Anne, ein Mädchen traf. Ein Werwolf, aus einer kleinen Stadt in Virginia. Sie kam ins Viertel und hat eine besondere Verbindung zu deinem Bruder", fuhr Sophie fort und Rosalies Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen. Eine besondere Verbindung? Sie konnte den Hauch von Eifersucht nicht unterdrücken, der in ihr aufstieg, auch wenn sie es nicht wollte. Klaus war ihr Bruder, aber die Vorstellung, dass er eine so tiefe Verbindung zu jemandem außerhalb ihrer Familie hatte, ließ etwas in ihr aufwallen. „Was für eine Verbindung?" fragte sie, ihre Stimme kühl, die Arme fest vor der Brust verschränkt. Sie konnte fühlen, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, obwohl sie äußerlich ruhig blieb.
Sophie zögerte kurz, bevor sie die Bombe platzen ließ. „Offenbar haben sie einige Zeit zusammen verbracht. Eins führte zum anderen, und jetzt... ist besagter Werwolf schwanger. Der Vater des Kindes in ihrem Bauch ist dein Bruder Klaus." Die Worte fielen wie Steine in die Stille des Friedhofs, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. Rosalies Atem stockte, ihre Gedanken rasten. Schwanger? Mit Klaus' Kind? Es fühlte sich an wie ein schlechter Scherz, ein absurder Gedanke, der sich nicht mit der Realität vereinbaren ließ. Ihre Lippen öffneten sich leicht, doch die Worte blieben in ihrer Kehle stecken. Sie sah zu Elijah, doch auch er schien von dieser Enthüllung zutiefst erschüttert. „Das ist unmöglich", sagte Elijah fest, seine Stimme ein Fels in der aufgewühlten See der Gefühle, die Rosalie durchströmten. Natürlich sagt er das, dachte sie. Immer der Logiker, der Rationalist. Aber... was, wenn es wahr ist? Eine seltsame Mischung aus Schock, Furcht und... Hoffnung? Sie konnte nicht einmal genau sagen, was sie fühlte. Könnte Klaus wirklich Vater werden?
Sophie sah die beiden mit festem Blick an, ihre Worte wie Hämmer, die auf die Realität der Mikaelsons einschlugen. „Nichts ist unmöglich, vor allem nicht, wenn es um Euren Bruder geht. Überlegen Sie doch mal. Sein Name ist doch überall als der Hybrid bekannt, oder?" Rosalie tauschte einen langen, bedeutungsvollen Blick mit Elijah. Die Welt um sie herum schien sich zu drehen, als würde jede ihrer Annahmen über ihre Familie plötzlich auf den Kopf gestellt. Was wird das für uns alle bedeuten? Rosalie fühlte, wie sich eine Kälte in ihrem Inneren ausbreitete, die nichts mit der kühlen Nachtluft zu tun hatte. Sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, aber alles schien sich zu überschlagen. Ein Kind... ein neues Leben, das aus ihrer Familie hervorgehen könnte – war das eine Chance auf etwas Neues? Oder nur der Anfang eines weiteren Chaos?
Die Spannung in der Luft war greifbar, und sie konnte spüren, dass es in dieser Geschichte viel mehr gab, als Sophie bisher preisgegeben hatte. Ein Kind von Klaus, dachte sie erneut, die Worte immer noch schwer auf ihrer Zunge. Es war, als hätte sich ihre Welt auf subtile, aber entscheidende Weise verschoben, und Rosalie konnte nicht genau sagen, ob es Furcht oder Hoffnung war, die sie nun spürte. Elijah, stets der Besonnene, wusste, dass sie tiefer graben mussten, um die volle Wahrheit zu erfahren. Sein Blick war kühl, aber entschlossen, als er sich an Sophie wandte. "Bringt sie raus", befahl er den Hexen, die in der Nähe warteten. Er sprach leise, aber mit jener Autorität, die keinen Widerspruch duldete.
Aus den Schatten des Friedhofs traten drei Hexen hervor, und zwischen ihnen – umgeben von der schützenden Magie ihrer Gemeinschaft – stand eine Frau. Die junge Frau, die das Kind ihres Bruders unter dem Herzen trug. Rosalie beobachtete die Szene mit scharfem Blick, musterte die Frau genau. Sie konnte nicht leugnen, dass sie eine auffallende Erscheinung war. Groß, sportlich und mit einer unverkennbaren Ausstrahlung, die sowohl Stärke als auch Verletzlichkeit vermittelte. Ihre olivfarbene Haut schimmerte im Mondlicht, und ihr braun-grüner Blick war voller Misstrauen und Vorsicht, als sie sich umsah. Ihre lockigen, dunkelbraunen Haare fielen in sanften Wellen über ihre Schultern und verliehen ihr eine wilde, ungezähmte Schönheit, die Rosalie nur zu gut verstand. Eine Kämpferin, dachte Rosalie. Sie ist nicht schwach – das spüre ich.
"Wer sind Sie?" fragte die junge Frau sofort, ihre Stimme scharf, als sie Elijah und Rosalie fixierte. Es war klar, dass sie keine Angst hatte, obwohl sie von Fremden umgeben war. Ihre Irritation war deutlich, aber da war auch Verwirrung in ihren Augen. Sie verstand nicht, was hier vor sich ging, und das machte sie nur noch wachsamer. Elijah ließ sich einen Moment Zeit, bevor er antwortete. Natürlich, dachte Rosalie, er will sie einschätzen, ihr den Raum geben, sich zu offenbaren, ohne zu viel preiszugeben. Sie kannte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht nur zu gut. Elijah war immer der Stratege, der Beobachter, der jede Bewegung kalkulierte. "Lasst uns bitte allein", sagte Elijah schließlich und wandte sich an die Hexen. Die Worte fielen sanft, aber mit jener unüberhörbaren Schärfe, die keine Widerrede duldete. Sophie und die anderen Hexen zögerten kurz, warfen einander unsichere Blicke zu, doch schließlich verließen sie den Kreis und ließen die Geschwister mit der jungen Frau zurück.
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Rosalie stand etwas abseits, ihre Arme eng um ihren Körper geschlungen, während sie die Szene zwischen Elijah und die Wölfin beobachtete. Der kühle Stein des alten Grabgewölbes, in dem sie sich befanden, schien die Kälte in ihr widerzuspiegeln. Das gedämpfte Licht der Kerzen flackerte über die Wände, warf tanzende Schatten, die sich unruhig auf den beiden vor ihr bewegten. Elijahs tiefe, sanfte Stimme, die so oft Trost und Sicherheit versprach, schien die Wölfin langsam zu beruhigen, aber Rosalie fühlte eine Unruhe in sich aufsteigen, die sie nur schwer unterdrücken konnte. Sie sah, wie Elijah seine Hand zärtlich nach der Wölfin ausstreckte, als wolle er ihr nicht nur seine Magie, sondern auch sein Vertrauen schenken. Der Gedanke, dass ihr Bruder – der ehrenwerte und beständige Elijah – bereit war, sich so zu öffnen, ließ Rosalie auf eine Weise beben, die sie nicht erwartet hatte. Würde er auch für mich so weit gehen? fragte sie sich, eine flüchtige Eifersucht durchzuckte sie. Doch sie schüttelte den Gedanken schnell ab. Dies war nicht der Moment für Selbstzweifel.
Während Elijah die Wölfin beruhigend ansprach, ließ Rosalie langsam ihre Hände zu den Knöpfen ihres Mantels gleiten. Das kühle Leder fühlte sich vertraut an, aber es lastete schwer auf ihr. Sie spürte, wie die Enge des Mantels ihren Atem einschränkte, als hätte er die Macht, die Dunkelheit in ihr festzuhalten. Es wird Zeit, dachte sie leise und begann, einen Knopf nach dem anderen zu lösen. Das Leder glitt langsam von ihren Schultern herab und enthüllte den feinen Stoff ihres Oberteils darunter. Die kühle Luft des Gewölbes streifte ihre Haut und ließ einen feinen Schauer über ihren Rücken laufen. Die Wölfin beobachtete die Szene mit wachsendem Misstrauen, während Elijah seine Hände sanft an ihre Schläfen legte. Rosalie bemerkte den zögerlichen Ausdruck in die Augen der Wölfin – die Mischung aus Skepsis und Angst. Ein Anflug von Mitleid überkam sie. Wie oft habe ich Menschen mit diesem Blick gesehen, dachte sie. Immer wieder derselbe Ausdruck – die Angst vor dem Unbekannten.
Elijahs Stimme durchbrach die Stille, als er die Wölfin in seine Gedankenwelt führte. „Wenn du dich mir öffnest, kann ich dir zeigen, was ich weiß. Unsere Familie war einst menschlich. Vor tausend Jahren..." Während er sprach, fühlte Rosalie, wie die Vergangenheit sie einhüllte, als würde sie mit jeder Silbe tiefer in ihre eigenen Erinnerungen gezogen. Erinnerungen an eine Zeit, als die Welt einfacher schien, bevor der Fluch, ein Urvampir zu sein, sie alle verändert hatte. Rosalie trat näher heran, ihre Schritte leise und bedächtig. Sie sah zu, wie Elijah und die Wölfin ihre Augen schlossen und sich auf den Moment konzentrierten, wie eine Verbindung zwischen ihnen wuchs, die tiefer ging als Worte. Für einen flüchtigen Augenblick spürte Rosalie einen Stich in ihrem Herzen – eine Verbindung, die sie selbst selten fühlte. Doch sie wusste, dass dies notwendig war. Dies war keine Zeit für Eifersucht oder Unsicherheiten. Es geht um Klaus, um unsere Familie, erinnerte sie sich.
„Am Anfang waren wir alle nur Menschen", begann sie schließlich zu erzählen, ihre Stimme leise und voller Melancholie. „Wir lebten zusammen in einem kleinen Dorf. Unschuldig, unwissend. Wir hatten keine Vorstellung davon, was die Zukunft für uns bereithielt. Aber dann änderte sich alles. Der Wunsch nach Unsterblichkeit... der Fluch des Blutes..." Ihre Stimme verlor sich einen Moment, als die Bilder der Vergangenheit vor ihr auftauchten – ihre Mutter, ihre Brüder und ihre Schwester, das erste Mal, als sie Blut kosteten. Rosalie spürte, wie ihr Herz sich zusammenzog, als die Erinnerungen zurückkamen. Wie oft habe ich diese Geschichte erzählt? Sie hatte fast vergessen, wie sich diese frühen Jahre angefühlt hatten. Es war so lange her, und doch waren die Wunden immer noch frisch. „Das ist der Ursprung unserer Familie", fuhr sie fort, „und es ist der Ursprung von allem, was du jetzt erlebst." Sie sah zu der Wölfin, deren Gesicht immer noch von Skepsis geprägt war, aber auch von einer stillen, inneren Stärke. Rosalie erkannte sich in ihr wieder. Sie wird kämpfen. Für sich und für dieses Kind.
Als Elijah seine Gedanken mit der Wölfin teilte, trat Rosalie ein wenig zurück und zog den Mantel endgültig von ihren Schultern, ließ ihn achtlos auf den Boden gleiten. Die Kälte des Steins unter ihren Füßen und die Stille um sie herum waren plötzlich tröstlich. Es fühlte sich an, als würde sie ein Stück der Last, die sie so lange mit sich herumgetragen hatte, loslassen. Ihre blauen Augen ruhten wieder auf der Wölfin. Sie war sich sicher, dass die junge Wölfin mehr bedeutete, als es auf den ersten Blick schien. Dieses Kind... dachte sie. Es wird alles verändern. Und nicht nur für Klaus. Ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen, aber es erreichte nicht ganz ihre Augen. Es ist mehr als das. Dieses Kind wird uns alle an die Grenzen dessen bringen, was wir für möglich hielten. Rosalie saß schweigend da, während Elijah erzählte, wie ihre Mutter die dunklen Künste praktiziert hatte und wie der Tod ihres jüngsten Bruders sie alle verändert hatte. Die Erinnerung schmerzte tief in ihr, aber sie wusste, dass es notwendig war, dass die Wölfin die Wahrheit erfuhr. Ihre Augen, normalerweise kühl und distanziert, flackerten mit einer Spur von Trauer, als Elijah von Niklaus' tiefer Wut sprach, die durch den Verlust des Bruders und den Fluch, der über sie beide gelegt worden war, entfacht wurde. Rosalie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie sich damals gefühlt hatte – zerrissen zwischen der Loyalität zu ihrer Familie und dem Fluch, der sie für immer veränderte.
Während Elijah sprach, griff Rosalie nach ihrem Mantel und zog ihn sich enger um die Schultern. Die Dunkelheit des Gewölbes und die flackernden Kerzen taten wenig, um die Kälte zu vertreiben, die von den Erinnerungen in ihr aufstieg. Wie oft hatte sie sich gefragt, ob sie jemals wirklich frei sein könnte? Der Fluch, der über sie und Niklaus verhängt worden war, hatte sie ihrer wahren Identität beraubt, sie zu etwas anderem gemacht. Nicht ganz Vampir, nicht ganz Werwolf, aber auch nicht ganz Mensch. Als Elijah von dem Fluch sprach, der ihre Werwolfseite unterdrückte, spürte Rosalie einen vertrauten Stich in ihrem Inneren. Sie hob eine Hand an ihre Brust und ließ die Finger über die Stelle gleiten, wo ihr Herz schlug – oder zumindest sollte es das. In Momenten wie diesen fühlte sie sich mehr tot als lebendig, trotz der Kraft, die in ihren Adern pulsierte. Doch etwas an dieser jungen Wölfin, die so mutig vor ihnen stand, rührte etwas in Rosalie. Vielleicht war es die Tatsache, dass diese Wölfin in eine Welt gezogen worden war, die sie nicht verstehen konnte, oder vielleicht war es das ungeborene Kind in ihrem Bauch, das eine neue Hoffnung für ihre Familie symbolisierte.
„Euer Vater war ein Arsch", murmelte die Wölfin, und Rosalies Lachen, das leise und bittersüß durch die kalte Luft schwang, überraschte selbst sie. Es war kein fröhliches Lachen, eher ein Schatten der Traurigkeit, der sich über die Erinnerungen legte, die sie tief im Inneren vergraben hatte. Die Wahrheit war schwer zu ertragen, doch die junge Frau, die ihr gegenüberstand, hatte sie ohne zu zögern ausgesprochen. „Ja, das war er", stimmte Rosalie zu. Ihre Stimme klang rau und krächzend, als ob die unterdrückten Gefühle sie daran hinderten, klar zu sprechen. „Er hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Aber er hat uns auch unserer Menschlichkeit beraubt."
"Ich bin übrigens Hayley. Ihr solltet meinen Namen kennen, wenn ihr mir eure Lebensgeschichte erzählt. Ich meine, ich kenne euch ja. Eure Familie ist legendär." Sie streckte ihre Hand aus, als wolle sie eine Brücke zwischen ihrer Vergangenheit und Rosalies gegenwärtigen Schmerz schlagen. Ein schwacher, aber warmer Hauch von Ironie schwang in ihrer Stimme mit, was Rosalie für einen Moment aufatmen ließ. Elijah und Rosalie schüttelten ihre Hände, und in diesem einfachen Kontakt fühlten sie eine seltsame Verbundenheit zu der jungen Wölfin, die genauso viel Schmerz in sich trug.
Rosalie spürte, wie die Anspannung in ihren Schultern nachließ, während sie sich ein Stück nach vorne lehnte. Ihre Stimme wurde weicher, als sie den Blick von Hayley nicht abwandte. „Ich bin Rosalie, aber du kannst mich Rose nennen", sagte sie, ihre grünen Augen funkelten mit einem Anflug von Mitgefühl, der den stahlharten Ausdruck, den sie so oft zeigte, aufbrach. „Wir alle haben Wunden aus der Vergangenheit, und unser Vater hat uns mehr Wunden zugefügt als jeder andere. Aber ich kann dir sagen, dass es nicht immer so war. Es gab eine Zeit, in der wir glücklich waren. Eine Zeit, in der wir zusammen waren, bevor die Dunkelheit uns verschlungen hat." Elijah legte eine Hand auf Rosalies Schulter, eine Geste des Trostes, die sie selten von ihm erlebte. Es fühlte sich an, als ob eine unsichtbare Wand zwischen ihnen, die durch Schmerz und Trauer errichtet worden war, langsam bröckelte. „Rosalie und ich haben gelernt, mit dieser Dunkelheit zu leben", sagte er und blickte Hayley ernst an. „Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht kämpfen, um ein besseres Leben zu finden. Vielleicht kann dieses Kind... vielleicht kann es uns alle retten."
In diesem Moment wanderte Rosalies Blick ab, und ihre Gedanken flogen zu Klaus, ihrem Zwillingsbruder, der durch den Fluch so tief verändert worden war. Klaus... Ihr Herz zog sich zusammen, während sie an ihn dachte. Sie liebte ihn, aber seine Wut und seine verlorene Menschlichkeit hatten einen Graben zwischen ihnen geschaffen. Oft wusste sie nicht, wie sie zu ihm durchdringen konnte. Wäre dieses Baby das Licht, das ihn aus der Dunkelheit ziehen konnte? Könnte es ihm die Erlösung bringen, nach der er so verzweifelt suchte, auch wenn er es nicht wusste? Gerade als sie sich in diesen Gedanken verlor, öffnete sich die Tür zur Krypta, und Sophie trat ein. Rosalies Augen verengten sich, als sie die Hexe sah, und die Ruhe, die sie gerade noch empfunden hatte, verwandelte sich in ein Gefühl der Vorsicht. Sie wusste, dass Sophie verzweifelt war, und diese Verzweiflung machte sie gefährlich. „Was genau wollt ihr von uns, und was hat es mit dieser Frau zu tun?" fragte Elijah scharf, sein Blick voller Misstrauen, als er sich erhob, um Sophie gegenüberzutreten.
"Wir wollen Marcel und seine Vampire aus der Stadt vertreiben. Klaus ist der Schlüssel. Marcel vertraut ihm. Er wird keinen Verrat wittern", erklärte Sophie mit entschlossener und fester Stimme. Rosalies Magen verkrampfte sich. Sie starrte Sophie an und konnte die Dringlichkeit ihrer Worte spüren, als ob sie greifbar wäre, ein unsichtbares Band, das sich um ihre Kehle legte. Doch trotz der Dringlichkeit in Sophies Stimme konnte Rosalie nur an eines denken: Niemand kontrolliert Klaus. Nicht einmal wir. „Du weißt doch, dass Niklaus keine Befehle annimmt", sagte Rosalie trocken und ein schwaches Lächeln verzog sich über ihre Lippen. Es war ein bitteres Lächeln, das die Resignation in ihrer Stimme unterstrich. „Er wird tun, was er will, und das ist immer nur das, was ihm selbst nützt." So oft hatte sie miterlebt, wie Klaus seine eigenen Pläne durchzog, ohne Rücksicht auf die Folgen, und dieser Gedanke nagte an ihr.
Sophie hob eine Augenbraue, aber ihre Stimme blieb fest. „Deshalb seid ihr hier. Ihr könnt ihn überzeugen. Und wenn ihr es nicht tut, dann wird dieses Baby in Gefahr sein." Der Druck in Sophies Worten ließ Rosalie aufhorchen, und unwillkürlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie Marcel auf die Nachricht reagieren würde. Ein Hybridbaby in seiner Stadt – das wäre wie ein rotes Tuch für einen Stier. „Du versuchst, uns zu erpressen", sagte Elijah scharf. Rosalies Herz raste. Sie konnte die Spannung in seiner Stimme spüren, die in der Luft lag wie ein drohender Sturm. Es fühlte sich falsch an, von jemandem in eine Ecke gedrängt zu werden. Sophie zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Ich bin verzweifelt", gab sie leise zu, und die Schwäche in ihrer Stimme machte sie für Rosalie fast menschlich. „Und das bedeutet, dass ich bereit bin, alles zu tun, was nötig ist, um zu gewinnen." Rosalie hob eine Augenbraue und musterte die Hexe, dann sprach sie leise, aber bestimmt: „Dann sollten wir besser anfangen. Es wird ein harter Kampf."
In Rosalies Augen funkelte nun eine neue Entschlossenheit, und sie spürte, wie sich ihr Herz festigte. Ihre Familie, dieses Kind und vielleicht sogar Klaus – sie alle benötigten Schutz. Sie würde kämpfen, um sie zu retten, auch wenn der Weg voller Dunkelheit und Gefahren war. Es war an der Zeit, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und das Licht zurückzubringen.
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