kapitel 19 : höflich oder nicht
Rosalie fühlte Marcellus Griff wie Feuer auf ihrer Haut, und als seine Lippen auf ihre trafen, löste sich jede Zurückhaltung in ihr wie ein Dunst im Morgenlicht. Seine Hände wanderten über ihren Rücken, zeichneten jeden Muskel nach, und sie spürte, wie die Hitze zwischen ihnen unaufhaltsam wuchs, ein hungriges Feuer, das durch nichts zu löschen war.
Ihre Finger griffen in seine Schultern, ihre Nägel hinterließen feine Spuren, die er mit einem rauen Einatmen beantwortete. Die Intensität ihrer Küsse stieg, wurde zu einem Spiel aus Verlangen und Macht. Sie zog ihn näher, ließ ihre Lippen über seine Haut wandern und saugte die Wärme seiner Nähe in sich auf, als wollte sie ihn ganz für sich besitzen.
Marcels Atem wurde schneller, als sie ihm das Hemd von den Schultern streifte und ihre Lippen entlang seines Schlüsselbeins gleiten ließ. Jeder Kuss, jede Berührung schien ihn tiefer in diesen Moment zu ziehen, und als er sie schließlich an den Hüften packte und näher zu sich zog, gab sie ein leises Keuchen von sich, das ihre eigene Überraschung verriet. Die Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, wurde mit jeder Sekunde unerträglicher, und ihre Körper fanden im Verlangen des anderen eine Erfüllung, die sie so lange zurückgehalten hatten.
Er hob sie hoch, setzte sie auf den Rand des Bettes und stand für einen kurzen Augenblick vor ihr, ihre Blicke fest ineinander verankert. Es war ein Moment stiller Absprache, ein Einverständnis, dass hier Worte keine Bedeutung hatten, dass all die Kämpfe, die Lügen und das Blut in diesem Moment nichts zählten. Marcel beugte sich über sie, seine Hände umschlossen ihren Rücken, und mit einer Leidenschaft, die sie beide an den Rand des Wahnsinns brachte, zog er sie fest an sich.
Sie sank unter ihm in die weichen Laken, spürte jede seiner Berührungen wie eine stumme Frage und gab ihm mit jeder Bewegung die stumme Antwort, dass sie bereit war, ihm alles zu geben, was sie noch in sich trug. Seine Hände fuhren durch ihr Haar, über ihre Schultern, und seine Lippen fanden immer wieder den Weg zu ihrer Haut, hinterließen brennende Spuren, die sie tief einatmen ließen.
Im Rhythmus ihrer Leidenschaft bewegten sich ihre Körper wie im Einklang, ein Spiel aus Kontrolle und Hingabe, das keiner von ihnen ganz aufgeben wollte. Doch in diesem Moment brauchten sie kein Ziel, keine Richtung – nur das heiße Pulsieren ihres gemeinsamen Verlangens, das die Zeit für sie anhielt und sie tief in die Hitze dieses Augenblicks eintauchen ließ.
Und als schließlich die Spannung nachließ und die Welt um sie verblasste, hielt er sie noch immer fest, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. Die Dunkelheit legte sich sanft über sie, und für einen flüchtigen Moment spürte Rosalie eine Ruhe, die sie so lange entbehrt hatte, eine leise Erfüllung, die sie sanft umfing und in die Geborgenheit des Vergessens tauchte.
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Rosalie stand auf dem Balkon, Marcels weites Hemd über ihren Schultern, das ihre sanft schimmernde Haut und die schwarzen Spitzen ihres Dessous nur halb verdeckte. Die Nachtluft war warm und vibrierte vom Lachen und den entfernten Geräuschen der Stadt unter ihnen, doch Rosalie schien in Gedanken versunken, ihre Augen streiften über die Menschenmenge in der Ferne, als würde sie nach Antworten in der Dunkelheit suchen.
Marcel trat leise an sie heran, legte seine Arme sanft um ihre Taille und küsste sie zärtlich an den Hals. Sie ließ ihren Kopf leicht nach hinten sinken, ein leises, zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen. „Mmm", murmelte sie, ihre Augen immer noch auf die Straßen gerichtet. „Es ist, als hätte sich die Zeit hier eingefroren. Fast hundert Jahre bin ich weg gewesen, und du hast in meinem Zimmer kein einziges Detail verändert." Ihre Stimme klang leicht, fast wie eine Bemerkung, doch in ihren Augen lag ein Schatten der Vergangenheit.
Marcel lächelte, seine Augen glitzerten. „Vielleicht habe ich insgeheim gehofft, dass du irgendwann zurückkommst", sagte er und zog sie näher an sich. „Obwohl ich zugeben muss, die Betten im Palace Royale Hotel sind vermutlich doch etwas bequemer."
Rosalie drehte sich zu ihm um, ihre Lippen umspielte ein spöttisches Lächeln, und sie zog eine Augenbraue hoch. „Es ist durchaus gemütlich genug", erwiderte sie leise. Doch bevor sie weitersprach, ließ sie ihre Hand in die Tasche gleiten und zog ein glänzendes, saftig aussehendes Apfel hervor – ein Relikt vom alten Anwesen, das sie wieder mitgebracht hatte. Sie hielt ihm den Apfel hin, ein neckisches Funkeln in ihren Augen. „Hier, probier doch mal. Ich erinnere mich, wie du früher Äpfel geliebt hast."
Marcel blickte auf das Obst in ihrer Hand und schüttelte den Kopf. „Heute sind sie nichts mehr für mich. Damals...", er hielt inne, seine Stimme gedämpft, als würde die Erinnerung ihn zurückhalten. „Damals war es das Höchste für mich, einen Apfel zu erwischen, ohne dass ich dafür Ärger bekam." Er verzog das Gesicht bei der Erinnerung. „Jetzt erinnern sie mich nur noch an das, was ich nie haben durfte."
Rosalie beobachtete ihn schweigend, dann schob sie sich näher an ihn heran und griff nach seinen Armen. „Aber heute, Marcel", sagte sie sanft, „kannst du haben, was du willst." Sie hielt inne, ihre Worte lasteten schwer zwischen ihnen, dann blickte sie ihm ernst in die Augen. „Komm mit mir."
Er zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Und wohin, Rosalie?"
„Wohin wir wollen", erwiderte sie, und ihre Stimme klang auf eine Art sanft, die fast flehentlich wirkte, eine Seltenheit bei der sonst so unbeirrbaren Rosalie. „Lass uns einen Neuanfang machen, ein eigenes Zuhause, frei von Klaus, von dieser Stadt und von den ‚Orphan-Annie-Vampiren'..."
Marcel zog sich zurück, seine Miene verschloss sich, und ein Anflug von Wut blitzte in seinen Augen auf. „Die ‚Orphan-Annie-Vampire', wie du sie nennst, sind meine Familie, Rosalie", sagte er scharf. „Und diese Stadt – das ist mein Zuhause. Du bist damals geflüchtet, aber ich bin geblieben. Dieses Reich existiert nur durch mich! Und jetzt soll ich alles zurücklassen und fliehen? Ein Mann verlässt sein Zuhause nicht."
Ihre Augen verengten sich, ein kaltes Funkeln trat in ihren Blick. „Ich habe in dieser Welt mehr Zeit verbracht, als du dir vorstellen kannst, Marcel. Ich habe Könige kommen und gehen sehen, Imperien zerfallen – und eines habe ich gelernt: Ein Reich ohne jemanden, mit dem man es teilen kann, ist nichts wert." Ihre Stimme war leise, aber fest, und die Bitterkeit darin konnte niemand überhören. „Willst du New Orleans? Dann behalt es."
Bevor er antworten konnte, drückte sie ihm den Apfel fest gegen die Brust, ein deutliches Zeichen ihres entschlossenen Abschieds. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging. Marcel blieb zurück, starrte ihr hinterher, und der Ärger in seinem Blick wich langsam etwas anderem, als er auf den Apfel in seiner Hand hinabsah. Es war, als schienen die Erinnerungen an all das, was sie einst verbunden hatte, in diesem einen Moment wieder aufzuleben – und gleichzeitig unwiderruflich verloren.
Rosalie schloss die Tür hinter sich und trat in die Dunkelheit der Nacht hinaus. Die kalte Luft traf ihr Gesicht, doch die heiße Spannung, die in ihr brodelte, hielt sie warm. Sie wusste, dass sie auf dem richtigen Weg war, aber der Kloß in ihrem Hals wollte nicht verschwinden. Sie hatte Marcel hinter sich gelassen, doch ein Teil von ihr war noch bei ihm – in seinen Blicken, in seinen Worten.
Gerade als sie den Gehweg entlangging, hörte sie das Brummen eines Motors. Ein Auto fuhr langsam auf sie zu und hielt schließlich direkt vor ihr an. Die Tür öffnete sich, und eine vertraute Stimme rief aus dem Inneren.
„Steig ein, Schwesterherz!"
Es war Rebekah. Ihre Schwester saß am Steuer, ihr Gesicht von den Scheinwerfern des Autos erleuchtet. Sie trug ein selbstbewusstes Lächeln, als hätte sie gewusst, dass Rosalie genau hier und jetzt auf sie warten würde. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stieg Rosalie ein und lehnte sich entspannt in den Sitz.
„Du willst also auch weg", sagte Rebekah, als sie den Wagen anließ und den Motor brummen ließ. Die Reifen knirschten, als sie sich von der Straße entfernten. „Aber ich hätte dich nicht für jemanden gehalten, der auf Abschiedssex steht." Ihr Lächeln war verschmitzt, doch ihre Augen musterten Rosalie mit einer Mischung aus Neugier und Humor. Sie hatte ihre Schwester gut genug im Griff, um zu wissen, dass sie nicht einfach in einer solchen Nacht zu Marcel gegangen wäre, ohne einen tieferen Grund.
Rosalie drehte sich zu ihr, ein wenig überrascht von der Direktheit, doch das Lächeln, das ihr auf die Lippen trat, war nur halb ironisch. „Du weißt doch, ich habe nie einen guten Abschied gebraucht, oder?" „Und jetzt? Was ist jetzt der Plan, hm?" Rebekah schüttelte den Kopf und ließ den Blick durch die Frontscheibe gleiten.
Rosalie saß mit verschränkten Armen auf dem Beifahrersitz, der Blick nach draußen gerichtet, als das Auto sich langsam über die staubige Straße von New Orleans bewegte. Der Wind wehte durch die offenen Fenster und trug den fernen, süßen Duft der Freiheit zu ihr – ein Hauch von frischer Luft, der ihr die Haare zerzauste, als ob er sie von den Fesseln der Vergangenheit befreien wollte. Doch trotz dieses Gefühls von Weite und Ungebundenheit lasteten die Gedanken an dem, was sie hinter sich gelassen hatte, schwer auf ihrer Brust. Ihre Gedanken zogen in einem konstanten Strudel umher – an die schmerzhaften Abschiede, an die Menschen, die sie zurückgelassen hatte, und an das, was sie nun im Ungewissen erwartete.
„Warum fühlt sich das alles so falsch an?", fragte sie sich, während ihre Augen über die sich entfaltende Landschaft glitten. Sie konnte nicht anders, als zu spüren, wie sehr sie sich von allem, was sie gekannt hatte, entfernt hatte – von den Straßen, den Menschen und vor allem von sich selbst. Die Vergangenheit ließ sich nicht einfach abstreifen wie ein altes Kleidungsstück. Sie war wie ein Schatten, der selbst in den hellsten Momenten mit ihr ging.
Neben ihr saß Rebekah, die ruhig, fast unberührt wirkte. Ihre Finger umklammerten das Lenkrad mit einer festen Entschlossenheit, doch in ihren Augen war eine Anspannung zu erkennen – etwas, das in der Luft hing, fast greifbar, und das die Stille zwischen ihnen auflud. Sie war es gewohnt, vor Problemen zu fliehen, hatte das schon viele Male getan. Doch diesmal schien es anders. Rosalie spürte es in der Luft, dieses Gefühl von Unausweichlichkeit. Etwas war geschehen, das sie beide verändern würde, und die Straße, die sie nun entlangfuhren, konnte sie nicht davor bewahren, was noch kommen würde.
Das Handy in Rebekahs Tasche vibrierte, und mit einer flinken Bewegung nahm sie es, ohne sich die Zeit zu nehmen, den Bildschirm zu betrachten. Ein leises Seufzen entglitt ihren Lippen, als sie das Gerät in den Lautsprecher-Modus versetzte und das Gespräch annahm.
„Elijah", murmelte sie nur, ihre Stimme ein leises Echo der Bitterkeit, die sie in sich trug. „Auf Wiedersehen heißt Auf Wiedersehen, Elijah."
Am anderen Ende der Leitung war Elijah, und die Besorgnis in seiner Stimme war sofort spürbar. „Ist sie bei dir?"
Rebekah runzelte die Stirn, der Blick hart, fast abwehrend. Sie hatte keine Lust auf das Spiel, das ihr Bruder gerade versuchte zu spielen. „Was redest du da? Was meinst du?" Ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton, der Rosalie, die immer noch stumm neben ihr saß, ein unbehagliches Gefühl bescherte.
„Hayley ist weg. Wo ist sie? Hast du sie gesehen?" Elijahs Stimme war nun von einer besorgten Hast durchzogen, die Rebekah mehr als nur verwirrte.
„Was ist los?", fragte sie plötzlich, und ihre Augen verengten sich, als sie auf die Straße starrte, das Lenkrad mit einer Kraft umklammernd, als könnte sie damit die Antworten herbeizwingen. Die Auseinandersetzung mit Marcel hatte sie noch immer aufgewühlt, und das Gefühl von Unbehagen und einem unguten Vorahnen wuchs in ihr, als sie die Worte von Elijah auf sich wirken ließ.
„WAS?" Ihre Stimme war laut und aufgebracht, als sich ein Knoten in ihrem Magen bildete. Was war passiert? Was war geschehen? Ihre Gedanken rasten, doch eine Antwort wollte sich nicht einstellen. Nur Fragen, immer mehr Fragen.
Von der anderen Seite des Gesprächs kam eine Antwort, die sie völlig erschütterte, sie sprach in Gedanken an das, was sie hörte, unverständliches, fast schockierendes Wortgeplänkel. Ihre Hand, die noch immer das Handy hielt, zitterte leicht, als sie das Bild von Elijahs besorgtem Gesicht vor sich sah. Aber keine Worte kamen mehr über ihre Lippen, während die Straßen sich weiterhin unter ihnen entfalteten, endlos und leer.
Währenddessen, im Zimmer von Hayley, standen Klaus und Elijah zusammen. Klaus wirkte angespannt und wie ein Mann, der lange gewartet hatte – auf den richtigen Moment, auf die richtige Gelegenheit. Doch jetzt war da nur noch eine andere, düstere Form von Angst. „Marcel war hier", sagte er ruhig, seine Worte durchbrachen die Stille wie ein zerbrochener Spiegel.
„Marcel war hier." Wiederholte er, als ob die Worte ihre Bedeutung erst in diesem Moment voll entfaltet hatten.
Elijahs Augen weiteten sich, und ein Schock schien ihn zu treffen, als er das Handy mit einem schnellen Ruck aus seiner Hand fallen ließ. „Was meinst du?" fragte er, als würde er die Realität immer noch in Frage stellen. Doch die Wahrheit war zu greifbar. Es war keine Vorstellung mehr, es war keine Verwirrung mehr. Es war eine Bedrohung, die immer näher rückte, ein Sturm, der sie alle zu erdrücken drohte.
Rebekah hielt immer noch das Handy in der Hand, doch der Raum um sie herum schien leerer zu werden, während sie in Gedanken versank. Was war passiert? Wo war Hayley? Und warum fühlte sich der Weg, den sie nun beschritten, wie ein einziges großes Fragezeichen an? Die Straßen zogen sich in die Ferne, endlos und doch so schnell, dass sie das Gefühl hatte, sie würde etwas verlieren, ohne es je wirklich begreifen zu können.
„Rebekah..." Elijahs Stimme klang besorgt aus dem Lautsprecher, doch Rebekah konnte sich nicht dazu bringen, zu antworten. Sie schüttelte den Kopf, als ob sie sich von der Welt, von all dem, was sie gerade erlebte, abwenden wollte. Und doch konnte sie nicht. Sie konnte nicht mehr zurück. Stattdessen legte sie das Handy auf den Beifahrersitz, als der Blick in die leere Straße vor ihr so viel mehr bedeutete, als Worte je ausdrücken könnten.
~~~
Dutzende Vampire hatten sich im Innenhof des prachtvollen Anwesens versammelt, ein Ort, der im Schein unzähliger Laternen und Kerzen beinahe magisch wirkte. Die nächtliche Luft war erfüllt von einem lebhaften Gemurmel, Gelächter und dem Klirren von Gläsern. Blut in feinen Kristallkelchen war das Getränk der Wahl, und der metallische Duft lag schwer über der Menge.
Inmitten all dessen stand Rosalie, eine junge Rothaarige mit einer unbestreitbaren Präsenz. Ihre Haare leuchteten im sanften Licht wie flüssiges Kupfer, lang und wild, als hätte die Natur selbst sie für eine solche Nacht gezeichnet. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Jugend und Härte, die Lippen sinnlich, aber in einem ernsten Zug gehalten, die jadegrünen Augen voller Wachsamkeit. Sie trug ein tiefschwarzes Kleid, das in fließenden Stoffbahnen bis zu ihren Knöcheln reichte und doch ihre schlanke, durchtrainierte Figur erahnen ließ. Die langen Ärmel und der hohe Kragen verliehen ihr eine fast unnahbare Eleganz, doch die Schlitze seitlich des Rocks und ihre schweren Stiefel darunter erzählten von einem kämpferischen Kern.
Rosalie hielt sich etwas abseits der Menge, ihren Rücken an eine steinerne Säule gelehnt. Die kalte, glatte Oberfläche drückte sich gegen ihre Haut, aber sie begrüßte die Kühle. In ihrem Inneren war sie alles andere als ruhig. Ihre Gedanken wanderten unaufhörlich zu dem, was kommen würde. Eine Fight Night, dachte sie und verzog kaum merklich die Lippen. Es war nichts Neues für sie, nichts, das sie noch überraschen könnte. Und dennoch – heute Nacht war etwas anders. Eine Spannung lag in der Luft, die selbst die Gespräche und das Lachen nicht vertreiben konnten. Es fühlte sich an wie die Ruhe vor einem Sturm.
Ihr Blick glitt über die Menge. Schönheit, Gefahr und Blutlust in jedem Gesicht, dachte sie. Einige der Vampire redeten lautstark, prahlten vielleicht schon mit ihren Fähigkeiten oder schätzten die Konkurrenz ein. Andere, wie Rosalie, beobachteten schweigend, warteten und planten. So viel Gier, dachte sie bitter. Die meisten von ihnen wollten nichts weiter als den Tageslichtring. Für sie war es mehr. Es war ein Mittel zum Überleben, ein Schritt näher daran, frei zu sein. Frei von der ewigen Dunkelheit. Frei von Angst. Und wenn ich dazu diejenige sein muss, die bis zuletzt steht, dann sei es so, beschloss sie.
Ein lautes Klatschen riss Rosalie aus ihren Gedanken. Alle Augen wandten sich nach oben. Auf dem Balkon stand Marcel, gekleidet in einem makellosen schwarzen Anzug, die Haltung lässig, das Lächeln charmant und gefährlich zugleich. „Meine Damen und Herren, willkommen zur Fight Night!" Seine Stimme hallte durch den Hof, klar und überzeugend, wie es nur Marcel vermochte. Rosalie zog die Brauen leicht zusammen, ihre Hände schlossen sich fester um ihre Ellbogen, während sie jede seiner Bewegungen aufmerksam verfolgte.
„Die erste Regel der Fight Night lautet: Der Vampir, der am Ende des Abends noch steht, ist einen Schritt näher am inneren Kreis – und an einem dieser hier", fuhr er fort und hob triumphierend seine Hand. Der Tageslichtring glitzerte im Licht, und es ging ein Raunen durch die Menge. Rosalie spürte, wie die Spannung unter den Versammelten zunahm. So viele Augen, die ihn begehren, dachte sie und fühlte ein flüchtiges Stechen der Abneigung. Marcel hatte Macht, und er liebte es, sie zu präsentieren.
„Wenn ihr mich mit ein wenig Ultragewalt beeindrucken könnt", fuhr er fort und ließ sein verschmitztes Lächeln aufblitzen, „dann könnt auch ihr die Wärme der Sonne auf eurer Haut genießen. Alles, was ihr tun müsst, ist, ein bisschen Hintern zu treten. Los geht's!"
Rosalie drückte sich von der Säule ab, als die Vampire begannen, einen Kreis zu bilden. Die Bewegungen der Menge waren flüssig, fast raubtierhaft, als ob sie alle nur darauf warteten, loszuschlagen. Und das tun sie wohl auch, dachte sie mit einem Hauch von Abscheu.
„Unsere ersten beiden Herausforderer", verkündete Marcel, während er mit seiner Stimme das Crescendo der Spannung kontrollierte, „Felicia und Otto!"
Rosalie beobachtete, wie die beiden Kämpfer in die Mitte des Kreises traten. Felicia, eine schlanke Brünette mit funkelnden Augen, war schnell und geschmeidig, während Otto, ein breitschultriger, bulliger Vampir, rohe Kraft ausstrahlte. Kraft gegen Schnelligkeit. Der ewige Kampf, dachte Rosalie, während sie zusah, wie Felicia sich bewegte, ihre Haltung elegant und doch tödlich. Der Kampf begann, und die Menge tobte.
Rosalie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Nicht wegen des Kampfes selbst, sondern wegen der Energie um sie herum. Die Rufe und das Klatschen waren wie ein pulsierender Trommelschlag in ihrem Kopf. Wofür jubeln sie? Für Gewalt? Für den Tod? Sie verdrängte den Gedanken, während sie beobachtete, wie Felicia ihren Gegner austrickste und ihn schließlich mit einer Bewegung, die fast tänzerisch wirkte, ausschaltete. Otto brach zusammen, sein Genick gebrochen. Die Menge brach in tosenden Jubel aus.
„Verdammt, Mädchen! Nicht schlecht!" Marcels Stimme hallte durch den Hof, aber Rosalie spürte, dass etwas nicht stimmte. Eine Spannung ergriff sie, eine Ahnung, die sich in ihrem Magen verknotete. Sie wandte den Blick nicht ab, als sich eine Gestalt von hinten an Felicia heranschlich – schnell, lautlos, tödlich.
Die Rothaarige reagierte nicht schnell genug. Ein dumpfes Krachen ertönte, als Felicia zu Boden ging, ihr Genick gebrochen. Der Kreis verstummte augenblicklich, und Rosalie fühlte einen kalten Schauer über ihren Rücken laufen. Ihr Blick wanderte zu den Neuankömmlingen, die die Aufmerksamkeit der Menge auf sich zogen. Die Mikaelson-Brüder. Rosalie hielt unbewusst den Atem an, ihre Augen wurden schmal, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Und jetzt? dachte sie, während der gesamte Hof in erwartungsvoller Stille verharrte.
Die Anspannung im Innenhof war greifbar, wie eine unsichtbare Klinge, die über die Versammelten schwebte. Rosalie stand jetzt an der Seite ihrer Brüder, ihre grünen Augen fixierten Marcel wie ein Raubtier seine Beute. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, und ein Muskel in ihrem Kiefer zuckte vor unterdrücktem Zorn.
„Guten Abend! Ich hätte gerne ein Wort", begann Klaus und sah von seinem Platz auf dem Balkon direkt zu Marcel hinunter. Seine Stimme war ruhig, fast beiläufig, doch jeder konnte die tödliche Schärfe darin spüren. Marcel ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Er begegnete Klaus' Blick mit einem spöttischen Grinsen.
„Was glaubst du, was du hier machst?", entgegnete er kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Menge um sie herum hielt den Atem an, ihre Blicke wanderten von den Mikaelsons zu Marcel und wieder zurück.
Elijah trat einen Schritt vor, seine Haltung wie immer aufrecht und erhaben, doch seine Stimme war messerscharf. „Es scheint, als hätten wir eine Ansammlung dreckiger Amateure unterbrochen." Sein Blick glitt abschätzig über die versammelten Vampire, die sich sichtlich unwohl unter seiner geringschätzigen Beobachtung wanden. „Wir sind wegen des Mädchens hier. Gib sie uns, oder wir töten jeden hier ... angefangen mit dir."
Ein Raunen ging durch die Menge, ein Flüstern von Angst und Unruhe. Doch Marcel zeigte keine Regung. Stattdessen richtete er sich noch ein Stück auf, sein Lächeln wurde breiter. „Ihr habt ganz schön viel Mut, in mein Haus zu kommen und Forderungen zu stellen", sagte er, und seine Stimme triefte vor Arroganz.
Bevor Klaus oder Elijah antworten konnten, drang ein kurzes, spöttisches Lachen aus Rosalies Kehle. Die Menge verstummte sofort, als die rothaarige Vampirin nach vorne trat, ihre Bewegungen geschmeidig und schnell, wie eine Flamme, die durch die Dunkelheit tanzte. Ihre Augen funkelten vor Zorn, und ihr Gesicht war eine Maske aus Stolz und Verachtung.
„Dein Haus, ja?" Rosalie lachte erneut, diesmal kälter, während sie sich zu ihren Brüdern gesellte. Sie hielt Marcels Blick fest, ihre Stimme jetzt lauter, fordernder. „Das Mädchen! Ich werde nicht noch einmal fragen." Ihr Tonfall war wie ein Peitschenhieb, und Marcel schien für einen Moment tatsächlich zu überlegen, ob er nachgeben sollte. Doch er schüttelte nur den Kopf, immer noch unbeeindruckt.
„Ich nehme an, ihr sprecht von Hayley?" Marcel lehnte sich gegen das Balkongeländer, sein Blick spöttisch. „Etwa so groß, dunkles Haar, zickige Attitüde? Wer ist sie überhaupt?" Klaus lächelte kalt, und ein Hauch von Wahnsinn flackerte in seinen blauen Augen. „Eine alte Freundin. Du weißt, wie sentimental ich bei alten Freunden werde." Seine Worte klangen harmlos, fast freundlich, doch die Bedrohung darunter war nicht zu überhören.
Marcel zog eine Augenbraue hoch, ehe er die Arme ausbreitete. „Tja, ich habe sie nicht. Und bevor ihr rumjammert – ja, ich habe ihr heute Abend einen kleinen Besuch abgestattet." Er hielt inne, und ein Schatten von Ernsthaftigkeit trat in seine Stimme. „Ich war nostalgisch und habe einen Ausflug zur Plantage gemacht, wo ich früher ein Sklave war. Und stellt euch meine Überraschung vor, als ich bemerkte, dass die Urfamilie der Vampire dort eingezogen ist."
Rosalie spürte, wie ihr Zorn anwuchs, aber sie sagte nichts. Stattdessen ließ sie Marcels Worte auf sich wirken, ihre Gedanken rasten. Er sprach weiter, als würde er die Spannung genießen. „Eure Hayley hat die Tür geöffnet, wir haben uns begrüßt, das war's. Glaubt mir nicht? Seht euch um." Er machte eine Geste, die den Innenhof umfasste. „Zur Hölle, ich helfe euch sogar, sie zu finden. Aber die Frage, die ich stellen würde, ist: Wenn Hayley nicht hier ist, wo ist sie dann?"
Die Stille, die folgte, war drückend. Rosalies Kiefer mahlte, und ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. Sie wollte Marcel nicht glauben, aber sie wusste, dass er in diesem Moment keinen Grund hatte zu lügen. Hayley war nicht hier. Doch das bedeutete, dass sie irgendwo draußen war – allein und in Gefahr.
„Genug geredet", sagte Rosalie schließlich, ihre Stimme leise, aber eisig. „Wenn du uns helfen willst, dann tu es. Aber wage es nicht, mich zu belügen, Marcel." Sie trat einen Schritt vor, ihre Augen glühten vor Wut. „Sonst wirst du es bereuen." Klaus und Elijah warfen sich einen schnellen Blick zu, ein unausgesprochenes Einverständnis zwischen Brüdern. Sie hatten ihre Antwort – zumindest vorerst. Doch Rosalie wusste, dass diese Nacht noch lange nicht vorbei war. Wenn Hayley nicht hier ist, dachte sie düster, dann werde ich die Welt in Flammen setzen, bis ich sie finde.
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Die Nacht war kühl und still, nur unterbrochen vom gelegentlichen Rascheln der Blätter im Wind. Klaus und Elijah saßen auf den kunstvoll geschwungenen Schmiedeeisenstühlen im Innenhof, zwischen ihnen ein massiver Marmortisch, der bei Tag wohl als Zierde gedacht war, jetzt aber den Verfall der Zeit trug. Einige der Vampirkämpfer schlenderten durch den Hof oder verschwanden im Anwesen, jeder mit einer Mischung aus Neugier und Nervosität, immer darauf bedacht, nicht zu nah an die Urvampire heranzutreten.
Elijah betrachtete sie mit einer kaum verborgenen Miene aus Überlegenheit und Missfallen. „Keine besonders ansehnliche Gemeinschaft, oder?", kommentierte er trocken, die Hände locker ineinandergelegt, während er Klaus einen Seitenblick zuwarf.
Klaus grinste schief, sein Blick voller Bosheit. „Dir ist schon klar, dass sie dich hören können?" Bevor Elijah antworten konnte, erklang eine bekannte Stimme, klar und von einem Hauch amüsierter Resignation getragen. „Dir ist schon klar, dass ihm das egal ist?"
Rosalie trat zu ihnen, ihre Schritte leise, aber bestimmt. Das schwarze Kleid, das sie trug, schien mit der Dunkelheit zu verschmelzen, während ihre Haare wie lebendiges Feuer glühten. Sie wirkte wie eine Erscheinung, eine Mischung aus Eleganz und Gefahr, und der Blick in ihren grünen Augen sprach von Frustration, die sie kaum noch zügeln konnte. An ihrer Seite lief Marcel, lässig und selbstsicher, während hinter ihm eine kleine Gruppe Vampire folgte, darunter die Hexe Sabine, die mit einer Mischung aus Unbehagen und Professionalität auftrat.
„Weißt du, Elijah", begann Marcel, sein Tonfall mit spöttischer Freundlichkeit getränkt, „in der Kiste mochte ich dich lieber."
Elijah hob eine Braue, doch bevor er etwas sagen konnte, wandte sich Marcel an Klaus. „Aber Klaus, mein Erschaffer, dir verdanke ich die Welt, und ich zeige immer Respekt vor den Älteren." Sein Ton wurde ernster, während er fortfuhr. „Wenn deine besondere Dame verschwunden ist, könnte dir die Hilfe einer Hexe zugutekommen. Und da ich hier alle Hexen kontrolliere, gewähre ich dir einen kleinen Ortungszauber. Sabine hier ist die beste Führerin im Viertel. Du musst jemanden finden? Ich garantiere, sie ist dein Mädchen."
Sabine trat leicht vor, neigte kaum merklich den Kopf vor Klaus und Rosalie und sagte nichts. Ihr Blick sprach jedoch Bände, als sie kurz Rosalie musterte – eine Mischung aus Respekt und Vorsicht. Marcel drehte sich um, offensichtlich zufrieden mit seinem Angebot, bereit, sich zurückzuziehen, als Rosalie sich plötzlich an ihn wandte.
„Wo gehst du hin?", verlangte sie, ihre Stimme schneidend und misstrauisch. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, ihre Haltung eine Mischung aus Trotz und Anspannung.
Marcel hielt inne, wandte sich mit einem leicht genervten Lächeln zu ihr um. „Es tut mir leid, das hier abzukürzen, aber die Sonne geht bald auf. Meine Nachtwanderer müssen rein, und ich habe eine Stadt zu regieren." Er zuckte mit den Schultern, als sei dies die offensichtlichste Sache der Welt. „Ich überlasse es euch, euer verlorenes Schäfchen aufzuspüren."
Rosalies Augen verengten sich, und für einen Moment sah sie so aus, als würde sie ihm am liebsten an die Kehle springen. Doch bevor sie etwas sagen konnte, fügte er mit einem Hauch von Spott hinzu: „Abgesehen davon, wolltest du nicht die Stadt verlassen?"
Die Worte trafen Rosalie wie ein Schlag, doch sie ließ sich nichts anmerken. Ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie, und sie neigte leicht den Kopf, ehe sie trocken erwiderte: „Tja, der Blick nach hinten hat mich zweifeln lassen, ob New Orleans nicht noch mal abbrennt, wenn ich euch allein spielen lasse."
Ein Lächeln zuckte über Klaus' Gesicht, halb amüsiert, halb zustimmend, während Marcel nur den Kopf schüttelte, ehe er sich abwandte. „Wie du meinst, Rosalie. Aber vergiss nicht – das hier ist meine Stadt. Und du bist nur zu Besuch."
Mit diesen Worten verschwand er, gefolgt von seinen Vampiren. Sabine blieb zurück, ihre Augen wanderten unsicher zwischen den Mikaelsons hin und her, als wüsste sie nicht, ob sie sich jetzt einmischen oder schweigen sollte.
„Tja", begann Klaus mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen, „das war ja fast ... höflich." Elijah schnaubte leise. „Ein Meister der Diplomatie ist er nicht gerade." Rosalie, die noch immer in die Richtung starrte, in die Marcel verschwunden war, wandte sich schließlich um. „Höflich oder nicht, wir sollten uns besser beeilen.
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