kapitel 16 : werde darüber nachdenken
Im warmen Licht der untergehenden Sonne, das durch die Fenster des eleganten Salons der Plantage strömte, saßen Rebekah und Hayley nebeneinander am langen, hölzernen Tisch, umgeben von der Ruhe eines typischen Nachmittags zu Hause. Die Atmosphäre war entspannt, doch ein unbehagliches Gefühl lag in der Luft, als Rebekah in ihrer gewohnten, fast herausfordernden Art die Flasche Bourbon in der Hand hielt. Ihr Blick war scharf, die Bewegungen sicher, während sie die Gläser füllte.
Rebekah seufzte und setzte das Glas mit einem klirrenden Geräusch ab, bevor sie mit einem amüsierten Blick zu Hayley rüberschaute, die leicht den Kopf neigte, als ob sie die Worte der Vampirin abwägen würde.
„Ich schere mich nicht darum, wenn wir dir eine Leine besorgen müssen. Das war dein letzter Trip in den Bayou, Hayley." Ihre Stimme war schneidend, aber hinter dem harschen Ton verbarg sich ein Funken Sorge, den sie nur selten zeigte.
Hayley lehnte sich zurück, ihre Finger zitterten leicht, als sie eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht strich. Ihre Gedanken schienen in der Ferne zu schweifen, und für einen Moment konnte Rebekah das Gefühl nicht abschütteln, dass ihre Freundin etwas in sich trug, das tiefgründiger war, als sie je preisgegeben hatte.
„Es ist, als wäre ich mit ihnen verbunden, irgendwie. Ich weiß auch nicht. Vielleicht ist es einfach nur ein Hirngespinst, der Traum, irgendwo noch eine echte Familie zu finden. Aber manchmal, wenn ich das Gefühl habe, es ist der Rest der Welt gegen mich, dann gibt mir dieser Gedanke irgendwie Halt."
Ihre Worte fielen in die Stille des Raumes wie Tropfen, die sanft auf einen ruhigen See fielen. Rebekah konnte den Schmerz in Hayleys Stimme hören, und obwohl sie es nicht zugab, verstand sie den Wunsch nach Zugehörigkeit. Sie erinnerte sich noch gut an ihre eigenen Versuche, mit den Wölfen ihre Brutalität zu bekämpfen, ihre Einsamkeit zu übertünchen. Doch was sie gerade hörte, war etwas anderes. Es war Hoffnung, die in den Rissen ihrer Seele aufglomm.
Rebekah verschluckte ein Seufzen und reichte Hayley ein Glas. Sie bemerkte den skeptischen Blick, den Hayley ihr zuwarf, und ein schiefes Lächeln huschte über Rebekahs Lippen. Sie erinnerte sich schlagartig daran, dass ihre Freundin schwanger war, dass ihr Bauch unter der weiten Bluse versteckt war und sie keinen Tropfen Alkohol mehr trinken konnte. In einem abrupten, fast humorvollen Zug, griff Rebekah nach dem Glas, das Hayley vor sich stehen ließ, und kippt es mit einem einzigen Zug hinunter.
„Ach, richtig." Ihre Stimme war nun weicher, als sie sich erneut dem Glas zuwandte und es zu sich selbst füllte. Ihre Augen blitzten auf, als sie sich wieder zu Hayley drehte. „Also, was Familie angeht... Da würde ich eher sagen, dass sie einem wirklich den letzten Nerv rauben können. Außer Rose natürlich. Sie ist einfach... Rose."
Ein amüsiertes Augenrollen war die Antwort von Hayley, doch Rebekah spürte, wie der Druck in der Luft sich ein wenig linderte. Sie lachte leise, und der Klang von ihr war ungewohnt warm und ehrlich.
„Und was das ‚alleine durch die Welt gehen' betrifft... Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich setze doch nicht mein Lieblingspaar Stiefel in den Matsch des Bayou für irgendwen." Rebekahs Ton war spöttisch, doch sie konnte den tiefen Blick, den Hayley ihr zuwarf, nicht übersehen. Es war ein Blick voller Dankbarkeit, der gleichzeitig von etwas zögerlicher Verzweiflung begleitet wurde.
Hayley lächelte ein wenig, der Ausdruck auf ihrem Gesicht wurde weicher, als sie Rebekah ansah. Die Stimmung zwischen den beiden war noch immer schwer, doch für einen Augenblick schien die Welt um sie herum in den Hintergrund zu treten, als würden sie beide in dieser seltsamen, stillen Verbundenheit nach Trost suchen.
In diesem Moment, während Rebekah ihre zweite Flasche Bourbon mit einem schnellen Zug leerte, durchbrach ein Geräusch die Stille. Die Tür des Anwesens öffnete sich mit einem vertrauten Knarren. Hayley und Rebekah drehten sich gleichzeitig in Richtung des Geräusches, und ein Moment der Spannung lag in der Luft, bevor sie beide wussten, wer es war. Die Präsenz von Klaus, immer so imposant und gleichzeitig unangekündigt, ließ die Luft förmlich vibrieren.
Bekka hielt den Whiskey in der Hand und sah Hayley und Rosalie fragend an. Ihre Stimme klang leicht spöttisch, während sie sagte: "Und wenn wir euch an die Leine nehmen müssen. Das war euer letzter Ausflug in den Bayou. Was ist eigentlich mit euch und den Wölfen?" Sie schenkte den beiden schwangeren Frauen Whiskey ein und Hayley antwortete nachdenklich: "Ich habe das Gefühl, dass wir auf irgendeine Weise miteinander verbunden sind. Vielleicht ist es nur mein Wunsch, meine wahre Familie da draußen zu finden. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich alleine kämpfe, gibt mir das Kraft." Bekka reichte Hayley das Glas und sah sie verwirrt an. Rosalie blickte Bekka mit einem vorwurfsvollen Unterton an und sagte: "Bekka?" Die blonde Urvampirin erinnerte sich und trank ihr eigenes Glas in einem Zug aus. "Weißt du, wenn du mich fragst, finde ich Familie ziemlich nervig. Und was das alleinige Durchbeißen angeht: Wage es bloß nicht. Ich würde doch keine absolut perfekten Schuhe für jeden ruinieren und durch den Bayou stapfen", fügte Rebekah hinzu und leerte ihr Glas ebenfalls.
Rosalie saß in der Ecke des Raumes, ihre Augen halb geschlossen, als der Klang der Türschwelle durch den Raum hallte. Die Szene um sie herum war fast wie ein ruhiges, seltsames Schauspiel, ein Moment, der in Zeitlupe abzog, während sie die Anwesenheit der Brüder spürte. Sie hatte das Gefühl, dass alles in der Luft schwebte, als ob die Worte, die Rebekah und Hayley gewechselt hatten, nur ein unbedeutender Flimmern im Wind waren. Und dann war es so, als ob die Welt für einen Moment die Luft anhielt.
Rebekah atmete erleichtert auf, als Niklaus endlich durch die Tür trat. Ihre Erleichterung war beinahe greifbar, doch Rosalie konnte das vertraute Schaudern nicht verbergen, das über ihren Körper lief. Niklaus. Der Name war wie ein bitterer Geschmack auf ihrer Zunge, und sie war sich nicht sicher, ob es nur an der Gefahr lag, die er mit sich brachte, oder an den unausgesprochenen Gefühlen, die sie selbst ihm gegenüber hatte. Doch dann trat Elijah in den Raum, und ein weiterer Teil von Rosalie spürte, wie die Atmosphäre sich veränderte. Elijah, der immer ruhig und beherrscht war, der eine andere Art von Präsenz besaß.
Sie beobachtete, wie Rebekah förmlich auf Elijah zulief, die Arme weit ausgebreitet, als ob sie ihn endlich wieder in den sicheren Hafen ihrer Welt aufnahm. Der Blick, den die beiden teilten, war unmissverständlich – ein Ausdruck tiefster Zuneigung, der mehr verriet, als Worte es je könnten. Rosalie war sich dieser Bande zwischen den Geschwistern bewusst, doch sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass ihre eigene Position hier – am Rande, fast unsichtbar – ungewollt war.
Während Rebekah Elijah in eine feste Umarmung schloss, beobachtete Rosalie ihre Bewegungen aus dem Augenwinkel. Es war eine einfache Geste, aber für sie schien sie alles zu sagen. „Endlich bist du sicher", flüsterte Rebekah in der Umarmung, und Rosalie spürte das nachklingende Gefühl von Hoffnung in der Luft. Doch als Elijah ihre Umarmung mit einem leichten, aber spürbaren Lächeln beantwortete, wusste Rosalie, dass sie nicht lange das Zentrum der Aufmerksamkeit bleiben würde.
Als Elijah sich schließlich von Rebekah löste und sich mit einem lässigen Lächeln in Richtung des Gartens bewegte, spürte Rosalie eine seltsame Unruhe in sich aufsteigen. Warum ging er? Was wollte er draußen? Ein Teil von ihr fühlte sich hin und her gerissen. Hätte sie ihm folgen sollen, oder war es besser, sich einfach zurückzuziehen und abzuwarten?
Der Moment wurde stiller, als Hayley schließlich das Zimmer verließ und draußen auf dem Patio stand, wie ein Schatten in der Dämmerung. Rosalie beobachtete aus der Ferne, wie Elijah hinter ihr auftauchte. Ihre Blicke trafen sich, und der Moment zwischen ihnen schien sich zu dehnen, die Welt um sie herum erlosch für einen Augenblick, als ob sie sich wirklich nur aufeinander konzentrierten. Es war ein intensiver Moment, doch dann, fast mit der Wucht eines Donners, schlug Hayley ihm ins Gesicht.
Rosalie fühlte, wie sich ihre eigene Haut unwillkürlich zusammenzog. Warum tat sie das? Die Frage drängte sich auf, doch als sie Elijahs Reaktion sah – wie er sich einfach sanft mit einem Lächeln den Handrücken über die Wange fuhr –, konnte sie nicht anders, als eine Mischung aus Bewunderung und vielleicht auch ein wenig Mitleid zu empfinden.
„Willkommen zu Hause", hörte sie Hayley sagen, als sie sich abwandte, doch die Worte klangen fast wie ein leiser Vorwurf. Rosalie ließ ihren Blick auf Elijah ruhen, der ihr mit einem fast schelmischen Lächeln hinterherblickte. Was ging ihm wohl durch den Kopf? In Rosalie brodelten die Gedanken, ein Kaleidoskop von Emotionen und Wünschen, die sie selbst kaum benennen konnte. Es war, als ob sie in diesem Moment etwas anderes spürte – die Stille zwischen den beiden, die Nähe, die spürbare Spannung in der Luft.
Und in diesem Augenblick wurde ihr klar, dass es mehr gab als nur die Geschehnisse des Augenblicks. Es war, als ob alles, was sie erlebt hatten, in einem neuen Licht erschien – als ob jede Handlung, jedes Wort, jede Geste in diesem Moment eine tiefere Bedeutung hatte. Sie wusste nicht genau, was sie mit all diesen Gefühlen anfangen sollte, aber sie konnte das Bild von Hayley und Elijah nicht abschütteln. Warum hatte sie ihn geschlagen? Warum schien sie dennoch so verletzlich? Und was bedeutete es für sie, in dieser Konstellation überhaupt ihren Platz zu finden?
Rosalie trat vorsichtig einen Schritt zurück, als ob sie sich selbst noch einmal in diesem Raum finden musste, in dem die Luft schwer von unausgesprochenen Geheimnissen und unausgesprochenen Bindungen war. Es gab etwas, das sie noch nicht verstand. Etwas, das vielleicht erst mit der Zeit aufgedeckt werden würde. Aber in diesem Moment wusste Rosalie nur eines: Die Geschichte war noch lange nicht zu Ende.
Die Atmosphäre im Mikaelson-Anwesen war von einer fast greifbaren Schwere, als Rosalie durch die langen, dunklen Flure der alten Plantage schritt. Der Boden unter ihren Füßen war von poliertem Eichenholz, das die Jahrhunderte überstanden hatte, während die Wände mit antiken Gemälden und schweren Vorhängen geschmückt waren, die die Dunkelheit der Nacht draußen hielten. Das einzig Lebendige in dieser alten, ehrwürdigen Welt war der Duft von blühenden Orchideen, der von den Vasen in den Ecken der Räume aufstieg, und das entfernte Echo der Gespräche, die in den Räumen hallten.
Das Anwesen selbst war ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit, doch es hatte eine düstere Schönheit, die es zu einem Wahrzeichen des Übernatürlichen machte. Es war nicht nur ein Zuhause, sondern ein Gefängnis und ein Schlachtfeld, ein Ort, an dem Geschichte und Macht in jeder Ecke spürbar waren. Rosalie spürte diese Last der Zeit in der Luft, während sie den Gang entlangging. Ihre Schritte hallten auf den Dielen wider, und für einen Moment war sie wieder ein Teil der Geschichte der Familie Mikaelson – der Geschichte, die niemals enden würde, so lange sie lebte.
Ihre schwarzen Stiefel schienen den Boden förmlich zu küssen, während sie den Kopf erhob und die große, mächtige Treppe hinaufstieg, die sich vor ihr wie ein ehrwürdiger Wächter erhob. Die Treppe führte in das Herz des Hauses, zu den alten Gemächern, in denen so viele Geschichten gespielt hatten – und so viele Geheimnisse begraben wurden. Rosalie hatte nie viel mit der Vergangenheit ihres Hauses zu tun gehabt, doch in diesen Momenten, wenn die Stille sie umhüllte, konnte sie das Gewicht der Jahrhunderte spüren. Die Mikaelsons waren anders. Sie waren nie wirklich „gegangen", sie waren einfach für immer da.
Als Rosalie den oberen Flur betrat, fand sie sich in einem Raum wieder, der nicht nur von der Dunkelheit umhüllt war, sondern auch von der Kälte einer Familie, die sich nie ganz von ihrer Vergangenheit hatte lösen können. Der Raum war geprägt von schweren, dunklen Möbeln, die zu den Wänden passten und den Raum beinahe erdrückten. In der Ecke stand ein Kamin, der ungenutzt und staubig war, doch ein dunkler Schein in den Ecken des Raumes ließ ihn fast bedrohlich erscheinen.
Rosalie blieb stehen, der Blick auf das Kaminfeuer gerichtet, das nur eine schwache Glut hinterlassen hatte. Sie atmete tief ein, als würde sie sich mit der Geschichte des Hauses verbinden, der Geschichte ihrer Familie. Die Worte von Rebekah und Hayley hallten immer noch in ihrem Kopf wider. „Du hast Familie, Rosalie. Warum hast du nie darüber gesprochen?" Das fragte sie sich immer wieder. Doch bei den Mikaelsons war Familie nicht das, was die anderen darunter verstanden. Es war nicht das, was sie in den warmen, einladenden Häusern der Menschen kannten. Hier bedeutete Familie vor allem Kontrolle, Macht und ein Gefühl der Unsterblichkeit, das sie niemandem schuldig waren.
Ein leises Geräusch ließ sie aufhorchen. Es kam aus der Richtung der Türen, die zum Garten führten. Sie wusste, wer dort war, bevor sie auch nur einen Blick darauf warf. Klaus. Seine Schritte waren schwer, aber auch vorsichtig, als ob er sich der Anspannung in diesem Haus bewusst war. Sie drehte sich langsam zu ihm, als er den Raum betrat.
„Ich habe dich gesucht", sagte Klaus, seine Stimme tief und ruhig. Die Worte schienen mit der Schwere der Vergangenheit zu verschmelzen, als ob die Zeit selbst in seiner Stimme widerhallte. Doch es war kein Vorwurf in seinen Augen. Nur ein leises Verständnis.
Rosalie zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur sicherstellen, dass alles in Ordnung ist. Es gibt noch zu viel, das sich in diesem Haus verbirgt." Klaus trat näher, und sein Blick wurde schärfer. „Du weißt, dass du dich nie wirklich von diesem Erbe befreien kannst, oder?"
Rosalie seufzte leise und ließ ihren Blick auf den Boden sinken. „Ich habe nie gesagt, dass ich das wollte. Aber manchmal wünschte ich mir, ich könnte einfach für einen Moment vergessen, wer ich bin."
Es war ein Moment der Zerbrechlichkeit, in dem die Stärke der Mikaelson-Familie, die von außen immer so unerschütterlich erschien, eine Rissstelle zeigte. Sie wusste, dass Klaus genau wusste, was sie meinte. Auch er hatte sich nie wirklich von seiner eigenen Vergangenheit befreien können.
„Vergessen ist eine Illusion", murmelte Klaus, bevor er sich näher an sie heranbeugte. „Aber du hast noch nicht verloren, Rosalie. Du bist noch immer die, die du gewählt hast zu sein."
Für einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, eine Stille, die sich wie ein schwerer Mantel über den Raum legte und alles andere erdrückte. Die Luft war elektrisch geladen, so dicht, dass es fast schien, als könnte man sie schneiden. Rosalie stand da, vollkommen reglos, ihre Augen starr auf den Boden gerichtet, doch in ihrem Inneren braute sich ein Sturm zusammen. Die Wände des Raumes schienen sich immer mehr zu verdichten, als ob das alte, ehrwürdige Haus selbst die Last ihrer Gedanken spürte. Es war, als ob die Vergangenheit sie mit eisernen Fesseln hielt, während die Zukunft ein bedrohlicher Schatten war, der unaufhörlich näher kam.
Jede Faser ihres Körpers brannte vor dem Wunsch, diesem Ort zu entkommen, diesem Haus, das nie wirklich ihr Zuhause gewesen war, und doch war es der einzige Ort, an dem sie sich irgendwie kannte. Hier, in diesen alten Mauern, hatte sie alles verloren. Hier war sie gezwungen gewesen, zu kämpfen – gegen ihre eigenen Dämonen, gegen Klaus, gegen das, was sie gewesen war. Und nun, als sie erneut mit ihm konfrontiert war, fühlte sie sich wie eine Gefangene ihrer eigenen Geschichte. Zwischen der Kontrolle, die sie so mühsam erlangt hatte, und dem Drang, einfach alles hinter sich zu lassen, stand sie nun, verloren und doch entschlossen.
„Vielleicht ist das der Fluch dieser Familie. Man kann nie wirklich fliehen, Klaus", sagte sie schließlich, ihre Stimme leise und fast müde, aber auch klar, als würde sie die Worte für sich selbst aussprechen, um zu verstehen, warum sie hier war. Klaus' Grinsen war schief, ein Ausdruck, den sie inzwischen nur zu gut kannte – das selbstsichere Lächeln eines Mannes, der nie wirklich etwas verloren hatte. „Vielleicht. Aber wir wissen beide, dass du es nie versucht hast."
Er sagte es so beiläufig, als ob er das tiefere Geheimnis ihrer Beziehung schon längst entlarvt hatte, als ob die Tatsache, dass sie es nie gewagt hatte, endgültig von ihm zu entkommen, etwas war, das in seinen Augen unausweichlich war. Es war nicht nur eine Bemerkung über ihre Verbindung – es war eine Anklage, eine stille, aber spürbare Erinnerung daran, dass sie nie ganz frei gewesen war.
Rosalie hob den Blick und begegnete seinem mit einer Intensität, die die Zeit für einen Moment anhielt. Ihre Augen, die so viele Jahre der Dunkelheit und der Abwehrbereitschaft getragen hatten, trafen sich mit seinen, und in diesem Blick war alles, was sie jemals gesagt und getan hatten, wie ein flimmerndes Echo. Sie waren beide gefangen – nicht nur von den Umständen, die sie umgaben, sondern von der Geschichte, die sie miteinander teilten. Doch das bedeutete nicht, dass sie es nicht kontrollieren konnten.
„Komm", sagte Klaus nach einer kurzen Pause, und seine Stimme klang nun viel ernster, fast geschäftsmäßig. „Lass uns ins Arbeitszimmer gehen. Wir haben noch einiges zu besprechen."
Rosalie nickte ohne ein Wort. Worte waren überflüssig, und das wusste sie. Sie zog sich langsam zurück und folgte ihm, wobei ihre Schritte gedämpft und vorsichtig waren. Der Raum, der einst ein Ort der Sicherheit und des Friedens gewesen war, fühlte sich nun wie ein Zwangsraum an, in dem sie immer noch keine Lösung gefunden hatte. Doch tief in ihrem Inneren, irgendwo hinter der schützenden Mauer aus Härte, wusste sie, dass der Weg, den sie jetzt betrat, noch lange nicht zu Ende war. Sie wusste, dass es hier keine einfachen Antworten gab.
Als sie den Raum verließ, spürte sie die Schwere der Entscheidung auf ihren Schultern. Das Haus würde nie ein Ort des Friedens für sie sein. Die Mauern, die Wände, all das war durchzogen von Geheimnissen und Lügen. Und doch – in der Dunkelheit dieser alten Mauern könnte sie vielleicht etwas finden, das sie schon lange suchte: eine Antwort auf das, was sie selbst war.
Im Arbeitszimmer angekommen, saßen die Mikaelson-Geschwister und Hayley bereits um den schweren Tisch, auf dem alte, vergilbte Papiere und Karten ausgebreitet waren. Elijah stand hinter dem Tisch, seine Haltung immer noch stolz und doch irgendwie angespannter als sonst. Es war offensichtlich, dass er etwas Wichtiges zu verkünden hatte.
„Alles, was uns hierher nach New Orleans geführt hat, war eine Lüge", begann Elijah, seine Stimme ruhig und doch schwer mit Bedeutung. „Diese Geschichte, die Sophie Deveraux erfunden hat, dieser Kampf um die Kontrolle über das französische Viertel, dieser Krieg zwischen Vampiren und Hexen – es ging nicht um Territorium. Es ging um Davina."
Rosalie konnte nicht anders, als laut loszulachen. „Krass, ne? Eine Teeniehexe ist Marcels Geheimwaffe." Ihre Stimme war scharf und leicht spöttisch, aber es war auch der Ausdruck von Erleichterung, als sie die Tragweite der Information verarbeitete. Ein kurzer Moment der Normalität inmitten eines chaotischen Spiels von Macht und Intrigen.
Sie stand auf, als der Raum still wurde. „Entschuldigt mich. Ich muss ein erstes Wörtchen mit Melione Gerard reden..." Ihre Stimme war unmissverständlich. Sie wusste genau, was sie zu tun hatte. „Keine Sorge, Schwesterchen, ich werd' sie von dir grüßen und ihr erklären, dass du dich nicht gemeldet hast, weil Klaus dich erdolcht hat..." Ein fast spöttisches Lächeln spielte auf ihren Lippen, doch in ihren Augen blitzte etwas anderes auf. Sie war entschlossen. Sie würde sich nicht zurückhalten, nicht mehr.
Elijah warf ihr einen kurzen Blick zu, als sie sich durch den Raum bewegte, aber sie ignorierte ihn, während ihre Gedanken bereits bei dem nächsten Schritt waren. „Ihre Vampire wollen Hayley umbringen..." Das war keine Nachricht, die sie einfach so liegen lassen konnte. Ihre Schritte hallten durch den Raum, als sie sich in Richtung der Tür bewegte. Kaum draußen, griff sie nach dem Handy, das sie immer bei sich trug, und tippte die Nummer ein, die sie von Marcel bekommen hatte. Ein weiterer Schritt auf dem Weg, der sie weiter in diese verworrene, gefährliche Welt führte – und ein Schritt näher an der Wahrheit.
Rosalie schloss die Tür hinter sich, als sie in den Gang des Hauses trat. Die Stille war drückend, als ob das alte Anwesen sie umhüllte, ihre Schritte wie das leise Murmeln eines Flusses, der immer tiefer in die Dunkelheit floss. Sie ging die langen, dunklen Flure entlang, wobei der Geruch von altem Holz und Staub ihre Sinne füllte, und erreichte schließlich ihr Zimmer. Die Tür quietschte leise, als sie eintrat, und der Raum empfing sie mit der vertrauten Kühle, die nur ein Ort bieten konnte, den sie selbst lange nicht mehr als „Zuhause" empfunden hatte.
Es war nicht viel an ihrem Zimmer, das ihr gehörte – ein großes Bett, das fast schon zu opulent für jemanden wie sie war, ein schwerer Schreibtisch, über den sich die Schatten der Abenddämmerung legten, und Regale voller Bücher, die sie längst nicht mehr angerührt hatte. Alles war in gedämpften Tönen gehalten, als ob die Wände selbst die Erinnerungen ihrer Vergangenheit in sich aufnahmen.
Rosalie trat zum Fenster und zog die Vorhänge zu, obwohl es draußen noch nicht ganz dunkel war. Die Welt jenseits des Fensters fühlte sich zu weit entfernt an, zu fremd. Hier, in diesem Raum, war sie allein mit ihren Gedanken, die sich wie ein dichtes Netz um ihren Verstand legten. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich in diesem Raum zurückzog, um sich zu sammeln, aber heute fühlte es sich anders an. Vielleicht lag es an der Art, wie die Dinge sich verschoben hatten, oder an der Tatsache, dass sie sich selbst wieder zu entdecken versuchte.
Mit einem tiefen Atemzug setzte sie sich auf das Bett, die Kissen hinter sich, und griff nach ihrem Handy, das sie immer bei sich trug. Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Nummer von Melione Gerard in das Display tippte, die vertraute Ziffernreihe, die sie in all den Jahren nie wirklich vergessen hatte. Ein Teil von ihr, der tief in ihrem Inneren schlummerte, wusste, dass dies kein gewöhnliches Gespräch werden würde. Melione war nicht einfach irgendeine Verbündete. Sie war ein Teil der Geschichte, die Rosalie selbst nicht so leicht loslassen konnte.
Der erste Ton der Verbindung hallte durch den Raum, und Rosalie spürte, wie sich eine Spannung in ihrer Brust aufbaute. Sie wusste, dass Melione sie hören würde, bevor sie selbst ein einziges Wort sagen konnte. Und als sie endlich das leise Rauschen der Stimme am anderen Ende hörte, wusste sie, dass es nicht mehr um gewöhnliche Gespräche ging.
„Melione", sagte sie mit einer Stimme, die sicherer klang, als sie sich tatsächlich fühlte. Ihre Worte flossen ruhig und bedacht, aber tief in ihrem Inneren spürte sie die aufgestaute Wut, die sich nur schwer zurückhalten ließ. „Ich hoffe, du hast einen Moment Zeit, um über ein paar Dinge zu sprechen..." Es war eine Einladung, die mehr war als nur ein Gespräch. Es war eine Aufforderung, eine Einladung zu einer Antwort. Melione Gerard wusste genau, was Rosalie meinte.
„Du hast deinen Grund, mich zu rufen, Rosalie. Ich nehme an, es geht um das, was gerade hier passiert", hörte sie Meliones Stimme, scharf und fest, mit einem Unterton von Unbehagen. Sie wusste, dass Melione sich der Komplexität der Situation bewusst war. Es war selten, dass sie sich wirklich auf Dinge einließ, die sie selbst nicht kontrollieren konnte.
Rosalie lehnte sich nach vorne, das Handy in beiden Händen haltend, als ob sie sich so den Abstand zur Welt verschaffen konnte. „Es geht um viel mehr als nur das, was hier passiert", sagte sie langsam, die Worte schwer wie Steine. „Es geht um das, was wir beide wissen, was nie an die Oberfläche gekommen ist."
Ein Moment der Stille. Melione wusste, dass Rosalie nicht nur die Situation meinte, sondern auch das, was zwischen den beiden unausgesprochen im Raum lag. Es war eine alte Geschichte, die sie beide miteinander verband – eine Geschichte von Geheimnissen, von Macht und von allem, was sie sich gegenseitig angetan hatten, um zu überleben.
„Und was willst du, Rosalie? Was erhoffst du dir von mir?" Meliones Frage war scharf, fast herausfordernd, doch Rosalie wusste, dass sie die Antwort in ihr selbst finden musste. Es war nicht nur ein Gespräch mit jemandem, der ihnen helfen konnte. Es war ein Test, ein Moment, in dem sie sich entscheiden musste, was sie wirklich wollte.
Rosalie zog ihren Blick vom Fenster weg und starrte in die Dunkelheit des Raumes. „Ich möchte, dass du weißt, dass die Dinge sich verändern", sagte sie, die Worte schwer von Bedeutung. „Ich werde nicht zulassen, dass Hayley gefährdet wird. Es gibt eine Linie, Melione. Und du weißt genauso gut wie ich, dass wir diese Linie überschreiten müssen, um das zu schützen, was uns noch bleibt."
Für einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Melione war eine Frau der Taten, nicht der Worte, und Rosalie wusste, dass sie sie nicht einfach durch Überredung gewinnen konnte. Aber der Funke, den sie entfacht hatte, war klar und brennend. Es war kein gewöhnlicher Plan mehr. Es war ein Ruf nach Veränderung, nach einem neuen Weg, der sie aus der Dunkelheit führen könnte.
„Ich verstehe", sagte Melione nach einer kurzen Pause. Ihre Stimme war nun kälter, präziser, wie die Klinge eines Messers, das langsam die Kluft zwischen ihnen öffnete. „Du willst, dass ich auf deine Seite trete. Du willst, dass ich dir helfe, das zu bekommen, was du verdienst."
Rosalie schloss für einen Moment die Augen, das Gefühl von Entschlossenheit breitete sich in ihr aus. „Genau", flüsterte sie leise. „Wir tun das zusammen, oder wir tun es gar nicht."
Der Raum, in dem Rosalie saß, fühlte sich plötzlich noch enger an, als sie auf Meliones Worte wartete. Das Gespräch hatte eine Schärfe angenommen, die sie nicht erwartet hatte, und während die Sekunden sich wie Ewigkeiten dehnten, drängte sich eine Erinnerung in ihren Geist, die sie lieber verdrängt hätte. Rebekah. Die Tatsache, dass ihre Schwester und Melione in der Vergangenheit eine besondere Verbindung gehabt hatten, eine Verbindung, die nie ganz zu Ende war, lastete schwer auf ihr.
Rosalie ließ das Gespräch mit Melione in ihrer Handfläche weiter schwingen, als eine sanfte Erinnerung an den Raum, in dem sie sich damals gemeinsam wiedergefunden hatten, sich in ihr Gedächtnis schlich. Rebekah, immer diejenige, die alles für die Familie tat, auch wenn es sie selbst kostete. Melione, stark und zugleich verletzlich, doch niemand, der sich leicht in eine Rolle drängen ließ. Die Spannung zwischen den beiden war immer spürbar gewesen. Es war eine Komplexität, die in der Luft hing, ein unausgesprochenes Gefühl, das die beiden miteinander verband und gleichzeitig trennte. Doch nun, inmitten dieses Gesprächs, schien es, als ob sich alles auf einen einzigen Moment zuspitzte – einen Moment, in dem Melione die Wahrheit sagte.
„Kannst du mal aufhören, deine Familie andauernd in Schutz zu nehmen?" Meliones Stimme war scharf, fast wie ein Messer, das den Raum durchschnitt und Rosalie mit einer unerbittlichen Klarheit traf. Diese Worte schnitten durch die Stille wie ein lautloser Schrei.
Rosalie stockte. Die Worte drangen in sie ein, und für einen Moment fühlte sie sich wie ein Kind, das sich hinter einem unsichtbaren Schutzschild versteckte, während die Welt sie zu überwältigen drohte. Es war, als ob Melione sie direkt angriff, als ob sie in ihre tiefsten Unsicherheiten bohrte. Sie hatte die ständigen Spannungen innerhalb der Familie schon lange gefühlt, aber das Gefühl, dass jemand, der nicht zu dieser Familie gehörte, sie auf so direkte Weise konfrontierte, schmerzte mehr, als sie zugeben wollte.
„Du verstehst nicht, Melione", begann Rosalie, ihre Stimme war ruhig, aber es war der Unterton darin, der die Schärfe und die Entschlossenheit verriet, die in ihr brodelten. Sie stand auf, die Hand noch immer fest um das Handy, als ob es der einzige Halt wäre, den sie gerade hatte. „Es geht nicht nur um Schutz. Es geht darum, was diese Familie zusammenhält, trotz allem, was passiert ist. Du siehst nur die Oberfläche, ohne den Schmerz zu verstehen, der tief darunter liegt."
Melione hörte ruhig zu, doch die Worte, die sie zurückgab, hatten keine Gnade. „Nein, Rosalie, du verstehst es nicht. Es geht nicht nur um Schutz oder darum, was sie dir geben können. Du lässt dich immer von diesem ewigen Familienbann fesseln, und dabei zerbricht alles um dich herum. Du baust Mauern aus Lügen und vorgefertigten Wahrheiten, aber irgendwann fällt alles auseinander, und du wirst sehen, dass du ohne die Wahrheit nichts hast."
Für einen Moment war Rosalie stumm. Melione hatte recht, in gewisser Weise. Sie hatte immer versucht, die Fassade aufrechtzuerhalten, das Bild einer Familie zu wahren, die zusammenhielt, egal wie zerrissen sie war. Doch tief in ihr wusste sie, dass der Schmerz nicht nur von außen kam. Sie selbst war diejenige, die sich in den Rissen dieser Fassade verlor.
„Und was soll ich tun, Melione?", fragte sie schließlich, ihre Stimme ein leises Flüstern, das nur in der Stille des Zimmers widerhallte. „Was soll ich tun, wenn die Wahrheit alles, was wir sind, auseinanderbricht?"
Melione seufzte, als ob sie Rosalie in einem Moment der Schwäche tatsächlich sah. „Ich sage dir nicht, dass du alles aufgeben sollst. Aber du kannst nicht immer alles für diese Familie tun, ohne dich selbst zu verlieren. Du musst die Verantwortung für dich selbst übernehmen, Rosalie. Denn am Ende des Tages ist es nicht die Familie, die dich retten wird. Es wird niemand anderes sein als du selbst."
Rosalie blinzelte, als die Schwere der Worte langsam in ihr Bewusstsein sickerte. Sie war immer auf den Schutz der Familie angewiesen, darauf, dass ihre Verbundenheit ihr Halt gab. Aber was, wenn dieser Halt sie tatsächlich am meisten verletzte?
Plötzlich fühlte sie sich schwach. Ihre Hand zitterte, als sie das Handy senkte und auf den Bildschirm starrte. Die Worte von Melione hallten in ihrem Kopf, eine endlose Wiederholung, die sich wie ein Echo anfühlte. Würden sie das wirklich verstehen, wenn sie es aussprach?
Für einen Moment vergaß sie, warum sie ursprünglich angerufen hatte. Der Kampf um Hayley, die Bedrohung durch die Vampire, all das schien plötzlich nicht mehr so wichtig zu sein, als die Erkenntnis in ihr aufstieg, dass der wahre Kampf der war, den sie gegen sich selbst führte.
„Ich werde darüber nachdenken", sagte sie schließlich, die Worte fast wie eine Entschuldigung, als ob sie sich gleichzeitig von Melione und der Verantwortung, die sie mit sich trug, befreien wollte.
„Gute Entscheidung", antwortete Melione, und es war fast, als ob sie wusste, dass Rosalie auf dem richtigen Weg war – auch wenn dieser Weg schmerzhaft und unsicher war. Die Verbindung brach ab, und das Klicken des Gesprächs ließ Rosalie zurück in der Stille des Zimmers, umgeben von den Schatten ihrer eigenen Gedanken. Es war eine Erkenntnis, die sie nicht mehr loslassen konnte.
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