kapitel 14 : streunende katzen aufzunehmen
Die düstere Atmosphäre des alten Friedhofs lag schwer auf Rosalies Schultern, als sie zusammen mit Hayley die Gruft betrat. Der süße, modrige Geruch verwitterter Blumen und abgestandener Erde vermischte sich mit einem schwachen, metallischen Aroma, das in der kühlen Luft des Mausoleums hing. Rosalie spürte den Hauch der Geister und Erinnerungen, die sich hier sammelten – eine unheimliche Aura, die selbst sie, mit ihrer jahrhundertealten Erfahrung, nicht völlig abschütteln konnte.
Sie trug eine lange, nachtblauen Ledermantel, der dicht an ihren schmalen Schultern und ihrer geschmeidigen Figur entlang floss, ihr kupferrotes Haar fiel ihr offen über den Rücken und leuchtete fast unheimlich in dem flackernden Licht der wenigen Kerzen, die in der Gruft brannten. Um ihren Hals lag eine filigrane, silberne Kette mit einem keltischen Anhänger, die sie unbewusst berührte, wann immer sie tief in Gedanken versank. Ihre Hände ruhten locker an den Seiten ihres Mantels, doch ihre Körperhaltung verriet Wachsamkeit und Eleganz – sie war bereit, auf jede Bedrohung zu reagieren.
Sophie fuhr zusammen, als sie das Knistern der Schritte der beiden Frauen vernahm, und hob den Kopf aus ihrem Rucksack, in den sie gerade mehrere Fläschchen und Bündel magischer Kräuter und Ingredienzen packte. „Hey, was wollt ihr denn?" fragte sie, ihre Stimme klang gereizt, aber ein leichter Anflug von Neugier lag in ihrem Blick, der zwischen den beiden Frauen hin- und herwanderte.
Rosalie trat näher, ihre bernsteinfarbenen Augen ruhten auf Sophie mit einer Mischung aus Neugier und einer unterschwelligen Entschlossenheit. „Du gehst doch noch raus, oder?" fragte sie mit einer leichten Neigung ihres Kopfes, ihr Ton sanft, fast beiläufig, doch jeder, der sie kannte, wusste, dass hinter dieser Ruhe eine unermüdliche Stärke lag. „Wir wollen mit dir gehen."
Sophie schüttelte jedoch den Kopf und ließ ein leises, ironisches Lächeln über ihre Lippen gleiten. „Nein danke," erwiderte sie und warf Rosalie einen schiefen Blick zu. „Klaus hat mich heute schon angefallen, das reicht mir."
Rosalie hob eine Augenbraue und konnte ein leises, belustigtes Lächeln nicht unterdrücken. Sie dachte daran, wie typisch es für Klaus war, auf andere zuzugehen – oder besser gesagt, sie einzuschüchtern. Es schien ihn zu erfreuen, diese Wirkung auf die Menschen in seiner Umgebung zu haben, doch Rosalie wusste auch, dass es mehr als das war. Klaus' Dunkelheit war etwas, das er nicht mehr einfach ablegen konnte, sie war tief in ihm verwurzelt.
Doch bevor sie noch mehr sagen konnte, trat Hayley einen Schritt nach vorne, ihre Miene fest und bestimmt. „Vielleicht ist das, was für die toten Hexenmeister verantwortlich ist, noch da draußen," sagte Hayley und ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte. „Es ist sicherer, wenn wir mit dir gehen, denn es mag keine Hexen, aber es mag mich."
Rosalie nickte bekräftigend und schloss sich Hayleys Blick an. Sie verstand die Gefahr, die Hayley beschwor – eine Gefahr, die keine Rücksicht nahm auf Herkunft, Loyalitäten oder Blut. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte, dass das Wesen, das hier im Schatten lauerte, etwas Altes und Dunkles war. Etwas, das selbst die Ältesten der übernatürlichen Welt fürchteten.
Sophie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust, ihr Blick voller Skepsis. „Ich kaufe euch beiden eure plötzliche Sorge um meine Sicherheit nicht ab," sagte sie trocken und fixierte Hayley, als wollte sie in ihr lesen.
Doch Hayley ließ sich nicht einschüchtern. Entschlossen trat sie vor und stellte sich vor die Ausgangstür des Mausoleums, blockierte Sophies Weg und zwang sie, zuzuhören. „Soll ich dir sagen, warum ich überhaupt in dieser Stadt bin?" Ihre Stimme klang sanft, aber da war ein Nachdruck in ihrem Ton, eine Dringlichkeit, die Rosalie erkennen ließ, dass das, was Hayley gleich sagen würde, tief aus ihrem Herzen kam.
„Ich wollte mehr über meine Familie erfahren," begann Hayley und hielt kurz inne, als würde sie die passenden Worte in der Stille der Gruft suchen. „Deine Schwester hat mir erzählt, dass Marcel alle Werwölfe aus dem Bayou vertrieben hat. Und letzte Nacht hat mich ein Wolf gerettet – mein persönlicher Schutzengel." Ihre Augen funkelten kurz auf, und ein Hauch von Traurigkeit durchzog ihre Züge. „Deshalb gehen wir mit dir. Außerdem... will ich meine Schwester finden." Ihre Stimme brach fast, doch sie zwang sich weiterzusprechen. „Ihr Name ist Kaya, habe ich gehört."
In diesem Moment hielt Rosalie den Atem an. Der Name Kaya schlug wie ein unerwarteter Schlag in ihr Herz, und ein überwältigendes Gefühl der Überraschung und Wehmut erfüllte sie. Kaya... die kleine Annabell Labonair, die sie vor vielen Jahren aus den Wirren ihrer Kindheit gerettet und ins sichere Forks gebracht hatte. Dort war sie zu Kaya Black geworden, aufgenommen von der Black-Familie, von Billy und Sarah wie ein eigenes Kind großgezogen. Rosalie hatte diese Erinnerung tief in ihrem Inneren verschlossen, ein Teil ihres Lebens, den sie lange hinter sich gelassen hatte, um das Mädchen zu schützen.
Rosalie schluckte und kämpfte gegen die Flut der Emotionen, die über sie hereinbrach. Sie erinnerte sich an die Unschuld des Mädchens, an das Lächeln, das so voller Leben und Hoffnung gewesen war. Kaya... oder inzwischen Kara Moon, eine Frau, die mittlerweile ein eigenes Leben aufgebaut hatte, weit weg von den Schrecken ihrer Kindheit. Rosalie fragte sich plötzlich, ob es ihre Pflicht war, Hayley alles zu erzählen, ob sie ihr die Wahrheit über ihre Schwester verraten sollte – doch sie zögerte, denn sie wusste um die Bedrohungen, die dies mit sich bringen könnte.
Sophie, die Rosalies emotionale Reaktion bemerkte, zog die Augenbrauen zusammen und warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Kennst du diese Kaya etwa?" fragte sie, ihre Stimme klang herausfordernd, doch da war auch ein Funke von Interesse und Neugier in ihrem Blick.
Rosalie erwachte aus ihren Gedanken und sammelte sich rasch. Sie atmete tief ein und nickte dann knapp, ihr Gesicht war wieder kühl und verschlossen, doch in ihren Augen funkelte eine tiefe Entschlossenheit. „Ich kenne sie," antwortete sie leise, ihre Stimme trug einen Hauch von Melancholie und Wehmut. „Lange ist es her, aber ja, ich kenne Kaya Black – oder Kara Moon, wie sie jetzt heißt. Sie hat ein neues Leben, weit weg von all dem hier."
Hayley sah sie an, ein Hauch von Hoffnung und Verwunderung spiegelte sich in ihren Augen. „Du... du kennst meine Schwester?" Ihre Stimme zitterte, doch Rosalie nickte nur stumm, das Gewicht dieser Begegnung legte sich auf ihre Schultern, wie ein Schatten der Vergangenheit, der nun, nach all den Jahren, wieder zum Leben erwacht war.
Rosalie schloss die Augen und erinnerte sich an ihre letzte Begegnung mit Kaya, das Versprechen, das sie ihr gegeben hatte, sie zu beschützen. Ein leiser Schmerz zog durch ihre Brust, denn sie wusste, dass diese Vergangenheit nun unausweichlich zurückgekehrt war. Die Suche nach Antworten, die Hayley hierhergeführt hatte, würde die Mauern niederreißen, die Rosalie einst so sorgsam um Kayas neues Leben errichtet hatte.
„Ja," sagte sie schließlich und sah Hayley fest in die Augen. „Ich kenne sie. Und wenn du deine Schwester wirklich suchst, dann gehe ich mit dir – bis zum Ende."
Rosalie spürte die knisternde Anspannung, die durch die kühle Luft des Friedhofs strömte, als Rebekah mit einem leichten Seufzen hinter ihnen auftauchte. Rebekahs Ankunft war wie ein unverhoffter Windstoß – plötzlich, und sie brachte eine Herausforderung mit, die niemand erwartet hatte. Bekka, die immer so elegant und kontrolliert wirkte, war ihnen heimlich gefolgt. Die Urhybridin stand mit einem Ausdruck stiller Verlegenheit da und blickte flüchtig zu Boden, als alle Augen sich überrascht auf sie richteten.
Rosalie trug noch immer ihren langen, nachtblauen Mantel, der bei jedem Schritt leise über die verstaubten Steinplatten des Mausoleums strich, und ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten, als sie Rebekah betrachtete. Ihr rotes Haar lag in sanften Wellen über ihre Schultern, und in der matten Helligkeit des Vollmonds wirkte sie fast ätherisch – wie eine Königin aus einer vergessenen Zeit, die durch die Schatten wandelte.
„Viel dümmer geht es nicht mehr," murmelte Rebekah und warf den drei Frauen einen vorwurfsvollen Blick zu, als würde sie ihre stillen Gedanken erraten. Rosalie erwiderte diesen Blick mit einer leichten Herausforderung, spürte jedoch, wie ihr Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln zuckte. Die Worte von Rebekah hatten den Kern der Situation getroffen, und die drei Frauen wussten, dass der Weg, den sie gewählt hatten, riskant und vielleicht sogar töricht war. Aber war das nicht immer die Art der Mikaelsons? Sich in Abenteuer zu stürzen, in denen Gefahr und Dunkelheit wohnten?
„Du könntest ihnen doch auch folgen, oder?" schlug Rebekah schließlich vor und sah Rosalie direkt an, als erwartete sie, dass sie die Verantwortung übernehmen würde. „Klaus und Marcel sind bereits auf dem Weg dorthin, wo ihr hinwollt."
Hayley, die bis dahin ruhig geblieben war, warf Rebekah einen besorgten Blick zu, ihre Stirn leicht gerunzelt, als ob die Sorge sie schwerer belastete als sie wollte. Ein leiser Anflug von Zorn blitzte in ihren Augen auf, und Rosalie konnte die Entschlossenheit spüren, die in Hayleys Worten mitschwang, als sie Rebekah entgegnete.
„Du solltest sie also besser ablenken," erwiderte Hayley mit leiser, durchdringender Stimme. „Denn wenn du nicht eine hormongesteuerte schwangere Hybridin Werwölfin einsperren willst, komme ich mit euch."
Rosalie beobachtete das Wortgefecht zwischen den beiden Frauen mit einer Mischung aus Belustigung und Zuneigung. Sie konnte spüren, wie die Spannung zwischen ihnen knisterte, wie ein unsichtbarer Faden, der sich zwischen ihnen spannte und mit jeder Sekunde dichter wurde.
Rosalie trat einen Schritt nach vorne, hielt inne und schaute Rebekah fest in die Augen. „Ich frage mich," sagte sie leise, aber bestimmt, „was der liebe Elijah sagen würde, wenn er hören würde, dass Hayley hier festgehalten wird." Ihre Worte hatten eine sanfte Schärfe, die Rebekah nicht entging. Rosalie wusste, dass die Erwähnung von Elijah ein wunden Punkt für Rebekah war – Elijah, der immer die Stimme der Vernunft war, der jedoch auch das Herz von Rebekah trug.
Rebekah biss die Zähne zusammen und starrte Rosalie an, offensichtlich genervt von ihrer Hartnäckigkeit, doch sie sah die Ernsthaftigkeit in ihren Augen. Sie wusste, dass Rosalie diese Sache nicht auf sich beruhen lassen würde. Nach einem Moment des Schweigens seufzte Rebekah und nickte schließlich. „Gut," sagte sie knapp, ihre Stimme war fest, doch Rosalie erkannte das Anzeichen eines leichten Lächelns an den Mundwinkeln ihrer Schwester. Sie wusste, dass Rebekah ihre Sorge verstand und vielleicht sogar teilte.
Sophie, die all das mit versteinerter Miene beobachtet hatte, rollte die Augen und ließ einen weiteren resignierten Seufzer hören. „Na schön," sagte sie mit einer leichten, spöttischen Bemerkung in der Stimme, „wenn ihr schon unbedingt mitkommen müsst, dann versucht wenigstens, keine Schwierigkeiten zu machen." Es war mehr ein Vorschlag als eine Forderung, und Rosalie schmunzelte bei dem Gedanken, dass sie wahrscheinlich alle wieder in Schwierigkeiten geraten würden.
Die vier Frauen machten sich schließlich gemeinsam auf den Weg in den Bayou, jede von ihnen mit eigenen Gedanken und Sorgen beschäftigt, während der Wind sanft durch die Bäume strich und die Blätter leise raschelten. Rosalie zog ihren Mantel enger um sich, die feuchte Kühle der Luft kroch ihr bis auf die Haut, doch das war nichts im Vergleich zu den Erinnerungen und Ängsten, die in ihrem Inneren lauerten. Kaya... der Gedanke an sie ließ Rosalies Herz schwer werden, und sie fragte sich, was sie Hayley wohl noch erzählen würde. Würde sie die Wahrheit sagen? Würde sie ihre eigene Vergangenheit offenbaren? Der Gedanke an Kaya war bittersüß – Erinnerungen an die Zeit, als Rosalie die junge Annabell Labonair vor vielen Jahren gerettet hatte, lagen schwer in ihrem Herzen.
Während sie nebeneinander durch den Wald gingen, warf Rosalie einen Blick auf Hayley, deren Gesicht wie von einem inneren Licht beleuchtet schien. Sie konnte sehen, wie Hayleys Augen vor Hoffnung und Entschlossenheit leuchteten, wie sie fest entschlossen war, ihre Schwester, den Wolf und was noch zu finden und ein Stück ihrer Vergangenheit zurückzuerobern. In einem Moment des leisen Vertrauens legte Rosalie eine Hand auf Hayleys Schulter. „Hayley," begann sie sanft, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch die Worte waren stark. „Was auch immer du über Kaya erfahren möchtest... ich werde dir beistehen. Du bist nicht allein in dieser Suche." Hayley blickte überrascht zu ihr auf, ein Hauch von Erleichterung glomm in ihren Augen, und sie nickte dankbar.
Rebekah, die das Gespräch mit einem Blick bemerkt hatte, grinste schief und verdrehte die Augen. „Könnten wir uns bitte darauf konzentrieren, nicht geradewegs in eine Falle zu tappen?" sagte sie in einem genervten, aber fast liebevollen Ton. „Ich habe keine Lust, Klaus noch einen Grund zu geben, uns alle in Stücke zu reißen." Sie lief vor und hielt ihr Telefon ans Ohr, die Lippen zu einem schmalen Strich gepresst. Ihre Augen blitzten ungeduldig, als sie die Geräusche im Hintergrund zu erkennen begann – lautes Geschrei, das Klirren von Gläsern, und eine Musik, die irgendwo zwischen Hillbilly-Klängen und Blues zu schweben schien. Sie zog eine Augenbraue hoch und seufzte, bevor sie den Hörer an ihr Ohr zurückschob.
„Klaus," begann sie mit einem leichten Anflug von Verärgerung, „was ist das für ein schrecklicher Hillbilly-Lärm im Hintergrund?"
Sie hörte, wie ihr Bruder am anderen Ende des Telefons leise lachte, die amüsierte Belustigung in seiner Stimme deutlich zu spüren. Er schien sich in der Situation zu amüsieren, als hätte er beschlossen, das Chaos um sich herum zu ignorieren. Doch Bekka ließ sich nicht ablenken – sie hatte wichtige Informationen für ihn, und in ihr brodelte eine Mischung aus Sorge und Frustration, die sie mühsam zu zügeln versuchte.
„Na ja," fuhr sie fort, den leichten Spott in ihrer Stimme nicht verbergend, „bestell dir ein paar Runden Schnaps und halt dich von den toten Hexenmeistern fern." Ein leises Lachen hallte durch die Leitung, und sie wusste, dass Klaus ihren Rat ignorieren würde, genau wie immer. Doch sie spürte, dass er ihr dennoch zuhörte – ein unsichtbares Band, das sie miteinander verband, stärker als all die Missverständnisse und Konflikte der letzten Jahrhunderte.
Mit einem tiefen Atemzug sprach Bekka weiter, ihre Stimme ernster und eindringlicher. „Die Hexe ist auf einer Beerdigungsmission," erklärte sie mit einem leichten Stirnrunzeln, „deine Baby-Mama ist auf Seelensuche, Rose ist auf irgendeiner geheimen Mission, und ich kümmere mich um Elijahs Versprechen, sie alle zu beschützen." Sie seufzte leise, und ihre Stimme wurde etwas sanfter. „Also haltet ihn auf, bitte." Bekka wusste, dass Klaus die unterschwellige Dringlichkeit in ihrer Stimme spüren würde – Elijah war nicht hier, und sie fühlte sich dafür verantwortlich, dessen Versprechen zu erfüllen und die Familie zusammenzuhalten.
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Als die vier Frauen ihren Weg durch das düstere Dickicht des Bayou fortsetzten, spürte Rosalie die bedrückende Schwere der Atmosphäre. Die Feuchtigkeit klebte an ihrer Haut, und ihre Kleidung – eine tiefrote Bluse aus weichem Satin, die in der kühlen Nachtluft beinahe zu leuchten schien, und eine schwarze Lederhose, die ihre schlanken Beine umschmiegte – fühlte sich plötzlich unbehaglich an. Sie trug schwere Stiefel, deren Schritte fast lautlos auf dem feuchten Waldboden klangen, während sie jedem knorrigen Wurzelauswuchs mit geschmeidiger Eleganz auswich. Eine lederne Jacke schützte sie vor den stacheligen Dornen und den herabhängenden Ästen, doch Rosalie war angespannt und spürte, wie sich ihr Magen bei jedem neuen Geräusch zusammenzog. Ihre sonst so unerschütterliche Fassade schien in dieser finsteren Umgebung ein wenig zu bröckeln.
„Also, dieses Ernte-Dingsda... erzähl mir mehr darüber," sagte Rebekah, die sich neben Sophie vorwärtskämpfte und genervt ein summendes Insekt von ihrem Arm schlug. Rosalie beobachtete Rebekah, ihre blonde Schwester, die hier inmitten des Unheils beinahe unbeeindruckt und gleichzeitig mit einer fast aristokratischen Verachtung für die Wildnis wirkte. Rebekah hatte einen trockenen Humor, der die düstere Stimmung manchmal aufhellte, und Rosalie fühlte einen Hauch von Erleichterung, ihre Schwester bei sich zu haben.
Doch Sophies Antwort war lediglich ein müdes: „Klaus hat gesagt, wir sollen warten." Ihre Stimme war leise und fast resigniert, und Rosalie konnte den nervösen Ausdruck in den Augen der Hexe erkennen. Sie konnte spüren, dass Sophie zerrissen war – von der Pflicht zu ihrer Hexengemeinschaft und dem unbändigen Drang, ihre Mission zu erfüllen, trotz aller Gefahren.
Rebekah hob nur eine Braue und schnaubte. „Ja, er sagte auch, wir sollen uns vom Bayou fernhalten, und trotzdem sind wir hier. Mitten unter diesen krabbelnden und summenden Kreaturen." Rosalie unterdrückte ein Lächeln und fühlte, wie die Anspannung in ihrer Brust einen Moment lang nachließ. Rebekahs beißender Sarkasmus war wie ein leises Versprechen, dass sie trotz allem gemeinsam sicher durch diese Nacht kommen würden.
Plötzlich blieb Hayley stehen und hob eine Hand, um die Gruppe zum Schweigen zu bringen. „Wir sind da," flüsterte sie mit gedämpfter Stimme, und Rosalie folgte ihrem Blick nach vorne.
Was sie sah, ließ ihr den Atem stocken. Die Leichen der Hexen lagen über den matschigen Boden verstreut, ihre Körper zerrissen, blutüberströmt und in grotesken Winkeln verformt. Ein bleicher, abgetrennter Kopf lag wenige Schritte entfernt, das Mondlicht ließ die leblosen Augen in einem gespenstischen Glanz schimmern. Rosalie fröstelte; ein eisiger Schauder kroch über ihre Wirbelsäule, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht einen Schritt zurückzuweichen. Ihre sonst so beherrschte Miene zeigte jetzt deutlich die Unruhe, die sich in ihrem Inneren ausbreitete.
„Ich glaub, mir wird schlecht," murmelte sie leise, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. In ihren Augen spiegelte sich der Abscheu und die Trauer wider, und ihr Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken an das Leiden dieser Hexen, die ihr Leben für einen Kampf geopfert hatten, den sie nie gewinnen konnten.
Hayley wies plötzlich auf eine Stelle im Boden, die ihre Aufmerksamkeit gefangen nahm. Ein gigantischer Abdruck zeichnete sich im feuchten Schlamm ab, die Form klar und unmissverständlich – eine gewaltige Wolfstatze, die so groß war, dass Rosalie einen Moment lang den Atem anhielt. Sie trat näher, beugte sich leicht vor und folgte Hayleys Blick zu einem Baumstamm in der Nähe, in dessen Rinde sich tiefe, blutige Kratzspuren wie ein Mahnmal des Terrors abzeichneten.
Sophie schluckte und sprach leise, während sie noch immer in ihrem Beutel nach den nötigen Zutaten kramte. „Ist das ein Wolfsabdruck?" Die Frage war fast rhetorisch, doch sie klang verwundbarer, als Rosalie es erwartet hätte. Auch Sophie war nicht unberührt von diesem Ort des Grauens, und Rosalie spürte, wie sich ihre eigene Furcht und ihr Mitgefühl mit dem Unbehagen der anderen vermischte.
Ein Knirschen durchbrach die angespannte Stille. Sofort spannten sich die Frauen an, ihre Blicke huschten suchend durch die Dunkelheit, und Rosalie nahm eine schützende Position neben ihrer Schwester und Hayley ein, jeder Nerv in ihrem Körper bereit, auf den unbekannten Eindringling zu reagieren. Sie konnte spüren, wie ihr Herz beschleunigt schlug, doch sie schob die aufkommende Angst beiseite und fokussierte sich auf das bevorstehende Unheil.
„Wer ist da?" rief Rebekah und legte eine Schärfe in ihre Stimme, die durch die Nacht hallte. Ihre Augen glühten in der Dunkelheit, und Rosalie fühlte sich durch ihre Anwesenheit gestärkt, als sie gemeinsam auf die Schatten starrten.
Ein Vampir trat aus den Schatten hervor – Tomas, Marcels Informant, sein Gesicht blass und die Augen vor Schreck weit aufgerissen, als er Rebekah erkannte. „Was zum Teufel? Ein Urvampir?" stieß er hervor, und die Panik in seiner Stimme ließ Rosalie auflachen. Sie konnte die Furcht spüren, die von ihm ausging, und ein Hauch von Befriedigung zog sich durch ihr Inneres.
Doch Tomas wartete keine Sekunde länger. Er drehte sich hastig um und rannte, seine Schritte hallten als geisterhafte Echos in der Luft wider, während er mit vampirischer Geschwindigkeit verschwand.
Rosalie verzog die Lippen zu einem Lächeln und schüttelte langsam den Kopf. „Feigling," murmelte sie verächtlich und konnte nicht widerstehen, ein letztes Mal in die Richtung zu blicken, in der Tomas verschwunden war. Dann richtete sie sich auf und ließ ihren Blick durch die Gruppe schweifen, ihre Augen voller Entschlossenheit.
„Abgesehen davon, warum werde ich in all diesen Geschichten immer vergessen?" Ihr Ton war nur halb im Scherz, doch die leise Verletztheit darin ließ Rebekah aufblicken, die den Kommentar ihrer Schwester mit einem kühlen, nüchternen Ausdruck aufnahm.
„Weil du nicht wie der Rest von uns bist," entgegnete Rebekah schlicht, und in ihren Worten schwang eine unerwartete Ehrlichkeit mit. Ihr Blick ruhte fest auf Rosalie, und Rosalie fühlte, wie ein Schauer der Erkenntnis und vielleicht auch der Einsamkeit durch sie hindurchging. Sie und ihre Schwester – sie waren verschieden, auf eine Weise, die manchmal eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen baute.
Rosalie schnaubte und schüttelte leicht den Kopf, während ein Hauch von Melancholie in ihren Augen aufleuchtete. „Alles klar, Mord und Leid merkt man sich ja viel leichter, als eine Mutter Theresa unter den Mikaelsons..." murmelte sie mit einem Hauch sarkastischen Humors. Ihre Stimme war sanft und leise, doch die Worte waren von einem tiefen Schmerz durchzogen, der nur für diejenigen sichtbar war, die sie gut kannten.
Rebekah schielte misstrauisch zu ihrer Schwester hinüber, ein skeptisches Lächeln auf den Lippen. „Wer hat dich Mutter Theresa genannt?" fragte sie mit hochgezogener Braue, ihre Stimme leicht spöttisch, doch sie schien tatsächlich interessiert.
Rosalie zuckte mit den Schultern und blickte in die Dunkelheit der Bäume, als wäre dort etwas, das nur sie allein sehen konnte. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, und für einen Moment schien sie die Worte abzuwägen, als wäre es ihr unangenehm, ein Stück ihrer Vergangenheit preiszugeben. „Nicht so wichtig..." murmelte sie, bevor sie sich einen Ruck gab und Rebekahs bohrendem Blick standhielt.
Rebekah ließ nicht locker. „Clarke... Clarke... ein Freund, er..." Rosalie stoppte kurz, schien in Gedanken zu versinken, während das Bild des Mannes, von dem sie sprach, vor ihrem inneren Auge auftauchte.
„Clarke war anders," begann sie schließlich leise, fast andächtig, während sie ihre Erinnerungen zusammensetzte. „Er war einer der wenigen Menschen, die mich nicht nach dem sahen, was ich getan hatte oder wer ich bin... sondern nach dem, was ich sein könnte." Sie atmete tief durch, und ein schwaches Lächeln glitt über ihre Lippen. „Ich glaube, für ihn war ich wirklich... die Frau, die ich immer sein wollte. Er hat es irgendwie geschafft, durch diese ganzen Mauern zu sehen, durch all die Schuld und all das Blut." Ihre Stimme war warm und sanft geworden, als wären die Erinnerungen an Clarke ein seltenes, kostbares Gut, das sie mit Vorsicht behandelte.
Rebekah betrachtete Rosalie schweigend, und für einen kurzen Augenblick lag zwischen ihnen ein Hauch von Verständnis. Auch Rebekah hatte diese Sehnsucht nach einer Existenz jenseits der Dunkelheit der Mikaelsons, nach einem Leben, in dem man ihre eigenen Entscheidungen akzeptierte und ihr die Freiheit ließ, einfach nur sie selbst zu sein.
Rosalie fuhr fort, ihre Augen in die Ferne gerichtet. „Er hat mir einmal gesagt, dass die Welt schon genug Monster hat und dass es vielleicht meine Bestimmung ist, das zu sein, was sie nicht sind." Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, und für einen Moment schien sie in einer anderen Welt zu sein. „Er hat mich Mutter Theresa genannt, weil ich damals versucht habe, ein paar streunende Katzen aufzunehmen, und er meinte, ich könne den ganzen Planeten retten, wenn ich könnte."
Rebekah schnaubte leise und zog eine Augenbraue hoch. „Katzen, hm? Wer hätte gedacht, dass du ein Herz für hilflose Kreaturen hast, Schwester." Doch in ihren Worten schwang etwas Sanftes mit, eine Art unaufdringliche Anerkennung, die sie sonst nicht oft zeigte.
„Katzen... und manchmal auch Menschen," murmelte Rosalie, ihre Augen voller Wärme und gleichzeitig einem Hauch Traurigkeit. „Clarke... war anders. Er war einer der wenigen, die mich daran erinnert haben, dass ich mehr bin als das, was unsere Familie uns vorgibt zu sein." Sie ließ den Blick sinken, ihre Finger glitten über die Rinde eines Baumes, fast als würde sie Trost im weichen Moos suchen.
„Und warum ist er jetzt nicht hier?" fragte Rebekah, und obwohl ihre Stimme kühl klang, zeigte sich ein Anflug von Bedauern in ihren Augen.
Rosalie atmete langsam aus, und für einen Moment schien sie das Gewicht der Erinnerungen auf ihren Schultern zu spüren. „Manchmal sind die Besten die Ersten, die wir verlieren," flüsterte sie, die Stimme voller sanftem Bedauern. „Vielleicht war es zu viel, bei mir zu bleiben, vielleicht war ich zu viel... oder die Schatten zu lang." Sie hob den Kopf und sah in die Augen ihrer Schwester, die sie mit einer Mischung aus Zärtlichkeit und Härte musterte.
„Ein Teil von mir wird immer hoffen, dass er irgendwo da draußen glücklich ist," murmelte sie leise. „Dass er den Frieden gefunden hat, den wir niemals finden werden."
Rebekah spürte das vertraute Gewicht der Enttäuschung, das sie wie ein Schleier umgab, als sie auf ihrem Handy die Nummer von Klaus wählte. Eine Schwere lag in ihrer Stimme, als sie endlich sprach, und sie musste sich zwingen, die Gefühle der Unsicherheit nicht durchklingen zu lassen. „Ja, jetzt wissen wir es," sagte sie, ihre Worte wie ein stilles Eingeständnis der eigenen Fehler. „Ich fühle mich wie ein Versager, als Freundin, als Schwester... sogar als Urvampir." Sie hielt kurz inne und ließ die Worte in der Stille verhallen, bevor sie mit einem leisen Seufzen weitersprach. „Und dieser Typ... er wird uns bei Marcel verraten. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen. Rose und ich sind schon unterwegs."
Mit einem letzten, gedämpften Ausatmen legte sie auf, schob das Handy in die Tasche und hob den Kopf, entschlossen, keine Schwäche mehr zu zeigen. Die Enttäuschung lastete schwer auf ihr, und dennoch lag etwas Hartnäckiges in ihrem Blick. Sie musste sich zusammenreißen, durfte sich keine weiteren Zweifel erlauben.
Ohne ein weiteres Wort setzte sie sich in Bewegung, ihre Schritte hastig und zielgerichtet. Rosalie, die die feine Spannung in Rebekahs Haltung bemerkte, beobachtete sie für einen Moment schweigend, bevor sie schließlich mit einem aufmunternden Lächeln ein Stück schneller ging und sich neben ihre Schwester gesellte.
„Du weißt," begann Rosalie leise, während sie den Weg durch das dicht bewachsene Bayou zurück zum Auto einschlugen, „wenn dieser Typ uns verraten will, dann werden wir schon damit fertig." In ihren Augen blitzte etwas Herausforderndes, fast eine Art verwegener Zuversicht. „Außerdem, ich werde immer an deiner Seite stehen, Bekka. Was auch passiert."
Rebekah nickte, ließ sich von Rosalies Worten einen kurzen Moment der Erleichterung schenken. Doch das nagende Gefühl von Selbstzweifeln verschwand nicht vollständig, und in ihrem Inneren hallten die Worte nach, die sie am Telefon gesagt hatte. „Manchmal frage ich mich, ob ich es jemals richtig machen werde, Rose. Ob ich wirklich eine gute Freundin oder Schwester sein kann." Sie hielt inne und suchte Rosalies Blick. „Vielleicht bin ich gar nicht dafür gemacht, jemandem nahe zu sein."
Rosalie legte sanft eine Hand auf Rebekahs Schulter, und ihre Augen funkelten mit jener Mischung aus Weisheit und Verständnis, die sie sich über die Jahre ihrer Existenz angeeignet hatte. „Du bist nicht perfekt, Bekka," sagte sie, ihre Stimme leise und beruhigend. „Aber niemand von uns ist das. Und selbst, wenn du an dir selbst zweifelst, sehe ich die Schwester in dir, die bis ans Ende der Welt gehen würde, um die zu beschützen, die sie liebt." Sie lächelte schwach. „Vielleicht ist das genau die Art von Perfektion, die wirklich zählt."
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