36 - „Große Liebe" (2)
„Aber ich saß nicht da und habe irgendeinen gutaussehenden Jungen von einer Party vermisst. Nicht den aus meinem Kurs, von dem ich so lange versucht habe Aufmerksamkeit zu bekommen. Nicht die coolen, zu denen ich immer dazu gehören wollte. Ich habe dich vermisst".
„Clara, du kannst jetzt alles...", sie unterbrach ihn wieder: „Nein hör mir zu. Die anderen wollte ich immer, wegen ihrem Aussehen, weil ich mal kurz mit ihnen geredet habe oder so, aber das waren einfach unnötige Crushes. Dich kannte ich. Das hier ist anders. Jetzt vermisse ich den Jungen, der sich jedes Wort angehört hat, wenn ich wieder und wieder über irgendjemanden geweint habe. Den Jungen, der mit mir stundenlang in diesem ranzigen Fastfoodladen saß, bis der am Ende des Tags geschlossen hatte. Den Jungen, der mit mir die ganze Nacht wach geblieben ist, bis es zu spät war, um schlafen zu gehen. Den Jungen, der mich immer besser fühlen lassen hat, auch wenn ich es gar nicht wollte", sie war kurz davor in Tränen auszubrechen, „Was ist mit diesem Jungen passiert? Was ist zwischen uns passiert?".
Und Eliott fühlte ähnlich. Er brachte kein Wort heraus, denn er wusste er würde sich dann nicht mehr zusammenreißen können.
Denn sie war auch das Mädchen, das sich jede Geschichte seines Lebens angehört hatte, egal wie klein und unbedeutend.
Sie war das Mädchen, mit dem er stundenlang in diesem ranzigen Fastfoodladen saß, bis dieser am Ende des Tags geschlossen hatte.
Das Mädchen, das mit ihm die ganze Nacht wach geblieben war, bis es zu spät war, schlafen zu gehen.
Das Mädchen, dass ihn in eine bessere Stimmung brachte, wenn er nur ihre Stimme hörte.
Und noch immer brachte er kein Wort raus. Also standen sie dort immer noch in Stille. Vor seinem Zimmer. Fertig, um eigentlich essen zu gehen. Doch stattdessen stritten sie nur wieder, ohne sich zu hassen.
Eliott war kurz davor einzuknicken und sie zu umarmen. Kurz davor ihr zu sagen, wie sehr er sie auch in seinem Leben wollte. Kurz davor, sie endlich sein Mädchen zu nennen.
Doch er durfte keine dummen, übereilten Entscheidungen treffen. Denn wenn er etwas konnte, dann rationale Entscheidungen treffen.
Noch immer sagte keiner der beiden etwas, Clara wartete scheinbar immer noch auf eine Antwort von ihm. Und sie würde warten und auf den Fleck auf dem Boden starren, bis er etwas sagte.
Also atmete er kurz durch und rief sich erneut vor Augen, warum er das auch damals schon beendet hatte. Und warum er es auch diesmal weiter durchziehen musste.
Clara und er hatten keine Hoffnung auf eine ewige Zukunft. Und er würde wieder seine eigenen Interessen über sie stellen. Und auch wenn sie sagte, sie akzeptiert ihn, wie er ist und sie hätte keine Erwartungen an ihn. Denn eigentlich hatte sie das. Vielleicht brauchte sie nicht jeden Tag eine Guten-Morgen- und eine Gute-Nacht Nachricht. Vielleicht brauchte sie keine Pärchenfotos im Internet. Vielleicht wollte sie nicht sofort seine ganze weitere Familie kennenlernen. Vielleicht dachte sie wirklich es würde etwas werden.
Doch das würde es nicht.
Denn wenn es ihm wieder schlechter gehen würde und sich wochenlang nicht meldet, würde sie das nicht verstehen. Sie würde ihm helfen wollen. Und er war nicht bereit für Hilfe. Sie würde nicht verstehen, dass er alleine sein musste und denken, es würde an ihr liegen. Sie würde sich nicht geliebt fühlen, höchstens anfangs, aber nicht lange. Weil sie ihn nicht ganz verstand. Und das war okay, er machte ihr keine Vorwürfe dafür. Aber er musste wirklich erst einmal auf sich selbst klarkommen. Er musste lernen mit seinen schlechten Phasen umgehen zu können, bevor er einen anderen Menschen lieben konnte. Und er glaubte daran, dass es eines Tages so sein wird. Aber noch war er nicht soweit und deswegen konnte er ihr keine falschen Hoffnungen machen. Sie musste sich jemand anderen suchen. Denn noch war er definitiv nicht der richtige. Vielleicht würde er irgendwann der richtige sein. Aber noch war er das nicht und das musste er ihr ein für alle Male klar machen.
„Clara wir hatten das doch schon so oft", sagte er schließlich, „ich will wirklich keine Beziehung zurzeit. Du würdest mit mir nur wieder fallen. Sorry, aber ich muss echt erst einmal auf mich selbst klarkommen". Er schaute sie dabei nicht an, das konnte er einfach nicht. Denn es tat weh. Beiden.
„Und ich will dir nichts versprechen, was ich vielleicht nicht halte", sprach er laut aus, was er gerade dachte und hasste sich im gleichen Moment noch dafür. Jemandem zu sagen, man wolle ihm keine falschen Hoffnungen machen, konnte manchmal das Gegenteil bewirken.
Clara, langsam genervt von der immer gleichen Antwort, setzte zu ihrem letzten Versuch an: „Und du glaubst ich weiß das nicht? Du hast mir so viel erklärt und ich weiß das doch alles. Und es stört mich nicht, dass du vielleicht der glücklichste bist, dass du deine eigenen Probleme hast. Glaubst du ich sehe immer noch nicht wer du eigentlich bist. Wirklich? Nach allen unseren Telefonaten? Du hast mich so oft von dir gestoßen, ich bin jedes Mal wiedergekommen. Ich habe jedes Mal deinen Ruf verteidigt, wenn jemand schlecht über dich geredet hat."
Doch Eliott unterbrach sie harsch, denn er konnte diese Situation nicht mehr mitmachen, er konnte sich langsam nicht mehr zusammenreißen: „Und hab dich kein Mal danach gefragt. Hör doch auf die anderen. Vielleicht bin ich nicht der, für den du mich hältst".
„Okay", war das einzige was Clara noch zu antworten wusste. Denn langsam hatte sie alle Argumente aufgebraucht. Es steckten so viele Gefühle in dem einen Wort.
„Okay, was?"
„Okay, ich akzeptier deine Entscheidung. Ich wollte nicht streiten, sorry. Ich will dich nicht in eine unangenehme Position bringen. Jemanden immer weiter zu drängen, der schon ‚nein' gesagt hat, ist nur doof für beide. Ich wollte nur einfach nicht aufgeben. Aber okay. Ist Geschichte. Ich werde dich nicht mehr drauf ansprechen", sie ging einen Schritt nach hinten, „aber merk dir, ich bin trotzdem immer für dich da, wenn etwas ist".
Es waren Worte des Abschieds, das war beiden klar. Des richtigen Abschieds diesmal. Er musste sie deutlich verletzt haben. Und ihre Aussage tat ihm vermutlich genau so weh, wie ihr. Aber sie würde jetzt damit abschließen. Und das war das, was er bewirken wollte.
Eliott zog die Tür hinter sich zu, murmelte noch ein „Aber vielleicht solltest du nicht immer für mich da sein", ging an ihr vorbei und ließ sie einfach stehen. Keiner der beiden hatte mehr Lust auf ein gemeinsames Essen gehabt, also beschloss er einfach sich kurz etwas vom Bäcker zu holen. Eigentlich wollte er einfach nur raus und seine Gedanken ordnen. Sollte er Christian anrufen und erzählen, dass es jetzt wohl ein für alle Male vorbei war? Er entschied sich dann aber, das erst die nächsten Tage zu tun und jetzt erst einmal mit seinen Gedanken alleine zu sein und irgendwie anzufangen alles zu verkraften. Jedes Mal, wenn er sie von sich stieß, fühlte er sich so leer. Hätte er weniger Schaden und gebrochene Herzen verursacht, wenn sie die Beziehung einfach mal versucht hätten? War es jetzt endgültig zu spät, alle Worte zurückzunehmen? Nichts würde ihn davon abhalten Clara einmal hinterherzulaufen.
„Keine dumme Entscheidung treffen, keine dumme Entscheidung treffen", murmelte er vor sich hin. Er hatte den ganzen Weg bis zum Bäcker und zurück Zeit für seine Gedanken.
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