Kapitel 17
Wieder ertönt die laute Sirene. Es ist so weit, die Türen öffnen sich. Mit einem Ruck sitzt Chrissy aufrecht, die Augen weit aufgerissen, schaut mich an und beginnt am ganzen Körper zu zittern wie Espenlaub.
Auch sie weiß was das bedeutet. Es ist so weit. Wir werden uns trennen. Für ganze 24 Stunden.
Wenn ich sie so sehe, würde ich es ihr am liebsten gleich tun. Nein! Ich muss stark bleiben. Stark für uns beide.
Ich drücke meinen Rücken durch und gehe zu Chrissy.
"Alles wird gut, hörst du?" Chrissy schluckt nur hörbar.
Um ihr Zittern ein wenig einzudämmen nehme ich sie in den Arm. Körperliche Nähe sollte helfen, wenn unsere Trennung der Auslöser ist.
Plötzlich kommt mir noch eine Idee. "Chrissy, möchtest du einen der beiden Eimer mitnehmen? Dann hast du einen mehr. Du kannst den neuen als Leiter benutzen und morgen, um die Vorräte mitzubringen."
Schulterzucken. Sie sieht mich noch nicht einmal mehr an, sondern starrt auf einen nicht vorhandenen Fleck auf dem Boden.
Ich kann mir nicht anders helfen, ich bin genervt. Und als ich dieses Gefühl mit einem Seufzer rauslasse, schaut sie mich schließlich doch an – geschockt.
"Tut mir leid, war nicht so gemeint. Ich kann dich ja verstehen, ich bin auch nervös, aber es ist manchmal echt anstrengend, mit dir zusammen zu sein. Und wenn du mich dann einfach ignorierst oder mir zumindest nicht antwortest, dann macht mich das auf Dauer echt fertig."
"Ok." Pause. "Kann ich den Eimer immer noch haben?", fragt sie schüchtern.
Ich lächle leicht. "Klar, welchen willst du?"
„Mir egal. Den, den du nicht nimmst."
Ich reiche ihr den leereren der beiden Eimer, den sie neben sich abstellt. Die Sirene ist mittlerweile schon bedeutend leiser geworden, es ist jetzt nur noch eine Frage von Minuten, bis sich die Türen öffnen. Okay, was darf sie nicht vergessen?
„Chrissy?"
Sie schaut vom Boden auf, den sie schon wieder angesehen hat. „Hm?"
„Denk dran, alles genau untersuchen, ja? Und nimm nur so wenig wie möglich von dem Essen und dem Wasser. U-und denk dran, morgen sind wir wieder zusammen. Lehn dich nicht zu weit hinaus wenn du in die anderen Räume schaust, und geh auf jeden Fall sicher, dass du wieder zurück in den hier kommst! Nicht dass wir noch in verschiedenen Räumen landen und noch länger getrennt sind. Merk dir am besten die Tür, durch die du gleich gehst, nur um sicherzugehen, ja?" plappere ich drauf los. Ach scheiße, ich bin halt doch nervös.
Verzweifelt nehme ich die mittlerweile – mal wieder – weinende Chrissy in die Arme. „Pass schön auf dich auf, ja? Mach keinen Unfug, schlaf viel und vertreib dir die Zeit, du wirst sehen, in Null Komma Nichts sind wir wieder hier und zusammen, okay?" Verdammt, jetzt hab ich auch Tränen in den Augen.
Mit aller Kraft klammert sich Chrissy an mir fest. „Versprich mir dass alles gut geht. Versprich es mir!"
Nein. Das kann ich nicht. Wie kann ich ihr so etwas versprechen, wenn ich doch selbst Angst habe? Aber sie muss gehen. Sie muss einfach! Ich schlucke all meine Angst herunter und flüstere ihr mit so viel Gewissheit, wie ich nur schauspielern kann ins Ohr: „Alles wird gut. Das verspreche ich dir. Du wirst schon sehen, der Tag wird wie im Flug vergehen!"
Ich probiere mich an einem Lächeln und halte Chrissy an den Schultern auf Armeslänge von mir. „Okay?"
Chrissy atmet einmal tief durch. „Okay."
Im selben Moment gehen die Türen auf. „Erstmal gucken?" frage ich Chrissy.
„Erstmal gucken", bestätigt sie nickend.
Also schauen wir uns jeden Raum an, wie immer, doch können nichts Besonderes feststellen – wie immer.
„Also, wie machen wir's?" fragt Chrissy nervös und reibt ihre Handflächen aufeinander, während sie vor und zurück wippt.
„Äh... ich würde vorschlagen, wir nehmen gegenüberliegende Räume, dann können wir uns morgen früh sehen, und gehen ganz sicher in den richtigen Raum."
„Ja... klingt logisch..."
„Also..."
„Ja..."
„Ach scheiß drauf! Chrissy, ich werd dich vermissen!" Mit diesen Worten werfe ich mich in ihre Arme.
„Ich dich auch!" murmelt sie in meine Schulter.
Schweren Herzens lösen wir uns voneinander, nehmen unsere Eimer und stellen uns jeder vor eine offene Tür. Mit einem letzten Blick zurück atme ich noch einmal tief durch und mache einen Schritt durch die Tür. Sofort schließt sich die Tür hinter mir.
Ich drehe mich zur Seite und stelle meinen Eimer direkt neben der Tür ab. Das dürfte genügen, damit ich die Türen nicht verwechsle.
Gerade will ich in der mir am nächsten liegenden Ecke anfangen, den Raum zu durchsuchen, da höre ich einen einzelnen, verzweifelten, panischen Schrei.
Chrissy!
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