Kapitel 2 || Die Crasher
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Der schönste Moment war immer die Ruhe nach dem Gig. Der kurze Moment, den er alleine mit sich und seinen Gedanken verbringen konnte.
Adam Ibsen setzte sich hinter den alten Bulli auf den schon abendfeuchten Boden. Sein Onkel hatte ihm das Gefährt vermacht und nun diente er als Bandbus.
Was früher Flowerpowerpartys auf den zerschlissenen Ledersitzen waren, war heute ein Gelage von Bandmitgliedern und Groupies. Viel Unterschied gab es da nicht. Es wurde mindestens genauso viel gekifft und gesoffen, wie damals. Mal eins wurden auch ein paar Tabletten geschmissen oder sich eine Line gegönnt, aber von diesen Drogen hielt er lieber Abstand.
Es war dunkel, nur die Sterne und das Ende seiner Zigarette leuchteten. Zufrieden nahm er einen kräftigen Zug und inhalierte den wohlig bitteren Rauch. In die Dunkelheit starrend, dachte er nach.
Zwar fühlte er sich wohl mit seiner Band, die immerhin sein ganzer Stolz war, doch irgendwas fehlte, was ihn so richtig glücklich machte.
Die Crasher gab es nun schon seit über zwanzig Jahren und langsam stellte sich auch der ersehnte Erfolg ein.
Damals hatte er sich nach der Schule mit ein paar Kumpels zum Musik machen getroffen, weil sie Spaß dran hatten. Dann kamen irgendwann kleine Auftritte bei Schulfesten dazu und heute konnten die fünf halbwegs vom Musizieren leben.
International ließ der Erfolg noch auf sich warten, aber in Dänemark und auch Schweden tourten sie schon erfolgreich seit drei Jahren. Bald würden kleine Festivals in Europa dazu kommen.
Die Crasher waren zuversichtlich, dass das neue Album alle vom Hocker hauen würde.
Die Zeit wäre jedenfalls reif dafür.
Adam seufzte und nahm erneut einen Zug vom Glimmstängel. Er schaute dem ausgeatmetem Rauch hinterher und merkte allmählich, wie ihm die Kälte der Nacht durch die zerrissene Jeans in die Glieder kroch.
"Adam, bist du hier?", hörte er Christian fragen. Er brauchte nicht zu antworten, Christian kam schon um den Bulli gestiefelt. Der blonde Hüne war in ausgelassener Stimmung, sein kurzes Haar zerzaust.
"Was sitzt du hier so allein umher? Komm schon, lass uns die letzten Konzerte gebührlich feiern. Bald gehts wieder ins Studio, das wird noch ernst und anstrengend genug", der Leadgitarrist half seinen Bandkollegen auf die Beine, der sich nun den Dreck vom Hintern klopfte. Stumm folgte er Christian und begab sich mit ihm in den Bus.
Dicke Luft schlug ihm entgegen und wäre er es nicht gewohnt, hätte es ihn sicherlich von den Socken gehauen. Es roch nach Stoff, Schnaps und Schweiß. Tripple S, wie sie es liebevoll nannten. So mussten echte Rocker leben, nach jedem Gig eine Party!
Außer ihm, hatte jeder eine Frau dabei. Heute war er nicht in der Stimmung dafür, generell lebte er in dem Punkt eher enthaltsam. Adam war schon immer der Sonderling in dieser Band, aber das sollte als Sänger wohl so sein.
Während die anderen Männer blond und nordisch aussahen, war er schwarzhaarig und amerikanisch, was er wohl seinem Erzeuger zu verdanken hatte. Er war ihm wie aus seinem weichkantigen Gesicht geschnitten. Jedenfalls behauptete seine Mutter das und er hatte nur ein Foto aus seiner Jugend, um das zu verifizieren. Auf dem sah er ihm tatsächlich sehr ähnlich.
Die markanten Wangenknochen und der eckige Kiefer machten ihn auf eine Art attraktiv für seine schwärmenden Fans, andererseits hielt er mit seinem düsteren, verhangenen Blick die meisten Menschen auf Abstand. Adam strahlte etwas animalisches aus, was er mit Freude genoss, denn so kam ihm keiner blöd.
Oftmals wurde er als komischer Kauz betitelt, mit seinem mysteriösen Gehabe. Er strengte sich nicht sonderlich an, in der Öffentlichkeit nett zu sein.
Das Image störte ihn nicht großartig und schien auch gut für den Erfolg der Band zu sein. Die Weiber standen trotzdem auf ihn, wahrscheinlich gerade deswegen.
Adam nahm auf dem letzten freien Sitz Platz und legte den Arm um die Schönheit neben ihm, die ihn sofort anschmachtete. Nun grinste auch er und genoss den Abend, der Alkohol tat sein übriges.
Aus einem Radio tönten Nirvana Songs und Whisky floss nicht zu knapp.
"Sach ma, Adaaam", lallte Frederik, der Keyboarder, "Warum bist du eigentlich so still?"
Adam zuckte mit den Schultern, "Wieso unnötig reden, wenn die Stimmung für sich spricht", erwiderte er mit einem schiefen Grinsen und prostete allen zu.
Frederik gab ihm einen freundschaftlichen Schlag auf den Arm.
Der Schlagzeuger, Lars, sah Adam unverwandt an und legte den Kopf schief, "Irgendetwas ist doch mit dir."
"Vielleicht hat er sich verliebt!", meinte Benny der Bassist dramatisch und fasste sich gespielt ans Herz.
Lauthalsiges Gelächter erfüllte den Bus und übertönte die Musik.
"Nein, ist alles gut. Aber manchmal, ja manchmal, da fühle ich mich schon ein wenig einsam", gab Adam, betrunken wie er war, von sich.
"Das brauchst du doch nicht, Bruder", Christian stand auf und deutete auf alle in der Runde, "Wir sind für dich da!" Der Hüne riss die Faust empor und erntete lautes Johlen der Männer.
"Das weiß ich doch Jungs. Für euch würde ich durch die Hölle gehen!"
„Und wieder zurück!", kam es von den anderen vier im Chor.
„Und wieder zurück", wiederholte er unter wohligem Lachen.
Das Klirren der Gläser und Flaschen war noch bis spät in die Nacht zu hören. Bis der Morgen graute, waren alle eingenickt.
Die Frauen schienen irgendwann die Lust verloren zu haben und verschwanden fast unbemerkt. Ihnen kam wohl nicht genug das Interesse der Männer zu.
Trotzdem war eigentlich nicht genügend Platz zum Schlafen in dem VW-Bus, sodass Adam in unangenehmer Position mit steifen Nacken aufwachte.
Dennoch war er zufrieden, ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Noch hatter er gute Laune.
Er kämpfte sich unter Christians schwerem Körper hervor und ging hinaus an die frische Luft.
Sofort wurde ihm speiübel. Fluchend übergab er sich und lehnte seinen Kopf an das kalte Metal.
So viel zur Zufriedenheit.
Stöhnend richtete er sich wieder auf, hielt aber kurz inne, um das Karussell im Kopf anzuhalten.
„Ich werd' zu alt für diesen Scheiß", murmelte er in seinen Dreitagebart und setzte sich in Bewegung, um wieder in den Bulli zu steigen. Dort stank es so sehr, dass er sich bald ein zweites Mal übergeben hätte.
„Ey, wir müssen los, bevor uns die Bullen hier parken sehen", rief er mit belegter Stimme, doch keiner rührte sich.
Adam räusperte sich lautstark und kickte Frederik unter die Stiefelsohle. Dieser stöhnte und öffnete blinzelnd die Augen.
„Halt die Fresse, Adam. Wenn du schon wach bist, fahr du du doch einfach den scheiß Bus weg."
Damit schloss er wieder die Lider und schnarchte weiter.
„Hurensöhne", fluchte er und suchte den Zündschlüssel. Nach einigen Minuten fand er ihn auch, ohne dass sich einer seiner Bandkollegen davon stören ließ.
„Penner", murmelte er wieder, als er den Bulli startete und zum Crasher Hauptquartier nach Kopenhagen fuhr, wo eine unangenehme Überraschung auf sie wartete.
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