Kapitel 4
Ich wurde von Milo nach draußen geschoben. Als ich den Mund aufmachte, um ihm zu sagen, dass ich das nicht konnte, legte er an Geschwindigkeit zu.
"Worauf wartest du noch? Heute ist dein Tag. Du wolltest doch immer heiraten."
"Ja, das wollte ich", murmelte ich.
"Dann mal los. Hab ich dir schon von Matts Anzug erzählt? Junge, so einen heißen Feger kriegst du nie wieder."
Ich bewegte mich wie eine Puppe, die an Fäden hing. Milo war der Puppenspieler, der mich dirigierte. Aber seine Worte machten keinen Sinn. Mein bester Freund hätte mich nie so gedrängt, ich nahm es jedoch nicht wahr. Ich kämpfte mit aller Kraft gegen die verschiedenen Stimmen in meinem Kopf. Jede sagte etwas anderes. Keine etwas, das mir half.
Er brachte mich zum Haus meiner Eltern und weckte meine Freundinnen. Kreischend stürzten sie der Reihe nach ins Bad, während Milo verschwand und ich von Julie in die Küche gebracht wurde. In ihrer Obhut hatte ich keine Zeit mehr nachzudenken, ob es richtig war, was ich tat. Mir erging es wie den anderen Bräuten vor mir, nur dass ich schon genau wusste, wie alles ablief.
Julie und ich waren den kompletten Tagesablauf schon so oft durchgegangen, dass ich plötzlich eine berauschende Ruhe empfand. Es war einfach nicht der richtige Moment für einen Fluchtgedanken da.
Nach einem leichten Frühstück kam eine Frisörin ins Haus, die meine Haare eindrehte und an meinem Kopf hochsteckte. Einige Locken betonte sie stärker. In lockeren Abständen fielen sie kokett an meinem Gesicht herab und im Nacken über meine Schultern. Eine Kosmetikerin kümmerte sich unterdessen um meine Hände und Fingernägel.
Im Haus meiner Eltern gab es einen riesigen sonnigen Raum, wo alle Hochzeitsvorbereitungen stattfanden. Wir hatten für meinen besonderen Tag ausreichend Schminktische, Spiegel und Stühle für mich und all meine Brautjungfern. Jede Menge Ankleidepuppen mit unseren Kleidern standen herum, und der Geräuschpegel war so hoch wie in einem überfüllten Theater vor einer Premierenaufführung.
"Findet ihr, mein Gesicht ist aufgedunsen?"
"Was macht das schon? Du bist heute nicht die Hauptperson."
"Wo ist das Glätteisen?"
"Auf dem Stuhl beim Spiegel."
"Da liegt es nicht."
"Leute, macht kein Theater. Ist doch alles nicht wichtig."
"Genau. Brauchst du noch was, Elana?"
"Ich glaube nicht ...", versuchte ich zu sagen.
"Leute, sieht sie nicht umwerfend aus?"
Meine verrückte Party-Crew seufzte im Chor. Diese Mädchen waren das beste Mittel gegen kalte Füße. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin, die von allen Seiten betüdelt wurde. Ich kam gar nicht dazu, in einen Spiegel zu sehen, aber ständig wurde mir versichert, dass ich wunderschön aussah. Ganz am Schluss, bevor wir losziehen wollten, bekam ich mich dann doch noch zu Gesicht. Ich als Braut. Unfassbar, dass das wirklich ich war.
"Du bist soweit", sagte meine Mutter, die sich unter meine aufgeregten Brautjungfern gemischt hatte.
Sie überreichte mir eine Schatulle, in der die schmale Goldkette meiner Großmutter lag. "Jetzt gehört sie dir."
Lachfalten umgaben ihren Mund, als sie sie hochnahm und mir anlegte. Sie war eine schöne Frau mit weichen Zügen und der Herzlichkeit einer Glucke. Von ihr hatte ich die mahagonibraunen Haare bekommen.
Mein Herz flatterte und in meinem Kopf legte sich ein Schalter für Romantik um. Ja. Ich war soweit. Auf diesen Moment hatte ich mein ganzes Leben gewartet. Nach Mattys Antrag wollte ich ihn sofort heiraten. Keine Sekunde hatte ich Zweifel gehabt, dass wir uns nicht liebten. Auch jetzt nicht mehr. Mein Traum wurde wahr. Ich würde nicht nur heiraten, sondern den Rest meines Lebens mit dem Mann verbringen, der den gleichen Traum wie ich verwirklichen wollte. Wir waren beide verrückt nacheinander. Welche Frau hatte so viel Glück?
Ich konnte mich nicht beherrschen und schniefte etwas. Jede einzelne Braut, die ich gesehen hatte, war mein Vorbild für mein Traumkleid geworden. Ich hatte ein geschultes Auge für Schnittmuster und schöne Stoffe bekommen. So bestand es aus einem engen weißen Oberteil mit weit ausschweifendem Rock, der bis zum Boden reichte. Ebenfalls weiß, war er geschmückt mit winzigen Perlen und dezentem Spitzendekor. Die Schultern lagen bei mir vollständig frei, von den Ellenbogen bis zu den Fingern reichten dünne Handschuhe aus hübscher federleichter Spitze. Ich gehörte in dieses Kleid. Ich wollte es Matty zeigen und seinen Anzug sehen. Ich musste meine Arme um ihn schlingen. Mit ihm tanzen und mich den ganzen Abend von ihm herumwirbeln lassen. Wir würden bis ans Ende unserer Tage glücklich sein wie eine Prinzessin und ihr Prinz in einem Märchen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro