8. Kapitel
Hinter mir atmete Doom einmal entsetzt ein, ansonsten herrschte Stille. Irgendwo in der Ferne hörte ich ein Pokémon leise krächzen.
Devoira starrte mich eine Weile lang an, dann schloss sie die Augen und legte sich eine Hand auf die Brust. Ein leises Seufzen entwicht ihrer Kehle.
"Kaito...", hauchte sie, zu meiner Überraschung klang sie fast schon amüsiert, "Kaito, ich schätze es sehr, dass du dir sowohl Sorgen um deine Familie als auch um diese unsere Welt machst..."
Sie öffnete ihre Augen wieder und trat auf mich zu, sodass sie in ihrer vollen Größe vor mir stand, und blickte mit einem sanften Lächeln auf mich herab. "...aber lass mich dir sagen, dass deine Sorgen vollkommen unbegründet sind. Du sprachst von deiner Tochter, deiner Nachfolgerin, deinem Blut. Und dein Blut war noch nie dafür bestimmt, in diesem Kampf vergossen zu werden."
Mein wild schlagendes Herz setzte einen Moment aus, ehe ich mich langsam ein bisschen beruhigte. Wenn ich Devoira richtig verstanden hatte, bestand für Samira keine direkte Gefahr.
"Also für meine Tochter besteht keine Gefahr?", fragte ich zur Sicherheit noch einmal nach, noch immer zitterten meine Pfoten. Devoira schüttelte den Kopf. "Nein", beruhigte sie mich, "Solange sie sich nicht freiwillig in den Kampf stürzt, besteht für deine Tochter keine Gefahr."
Mit diesen Worte wandte sie sich ab, schwebte zurück zu ihrem Kristall und ließ sich behutsam wieder darauf nieder, schloss die Augen, kreuzte ihre Hände vor der Brust und versank in Schweigen.
Sie hatte uns nichts mehr zu sagen.
"Im Grunde genommen sind wir jetzt genauso schlau wie vorher."
Seufzend legte Doom den Kopf in den Nacken und starrte den mittlerweile dunklen Himmel an. Wir liefen einen sanften Abhang hinab, weil wir meine Jungen abholen wollten und Doom angeboten hatte, mich zu begleiten. Meine Kratzer hatten durch das Laufen wieder angefangen zu bluten und ich suchte schon seit unserem Aufbruch bei Devoira nach einem weg, wie ich Glace diese Verletzungen erklären konnte.
"Nicht ganz", widersprach ich ihm, um mich auf andere Gedanken zu bringen, "Wir wissen immerhin, dass irgendetwas im Anmarsch ist. Und, dass Samira damit nichts zu tun hat."
Ich hörte ein leises Seufzen, dann verstummten die Schritte von Doom. Als ich mich herum wandte sah ich, dass das Hundemon stehen geblieben war. "Weißt du Kaito...", murmelte er, "Genau genommen ahne ich schon lange, dass die Geschichte mit Darkai und seinen Untertanen nicht so weit in der Vergangenheit liegt, wie wir es gerne hätten. Dass sie vielleicht nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Zukunft ist."
Ich kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. "Aber Samantha und Salazandora sind doch tot", meinte ich. Doom schüttelte den Kopf. "Mit ziemlich großer Sicherheit, ja", bestätigte er, "Aber es gibt viele ihrer Anhänger, die erstens genauso fanatisch und zweitens extrem rachsüchtig sind. Ich habe lange geglaubt, dass sie kein Problem darstellen, weil sie vereinzelt nichts ausrichten können...aber die Sache mit den verschwundenen Kristallsplittern hat mich stutzig gemacht."
Ein Schauer lief durch meinen Körper, als ich den Kopf schief legte. "Warum?", fragte ich, während Doom sich wieder in Bewegung setzte. "Ich habe nachgedacht", erklärte er, "Und bin zu dem Schluss gekommen, dass dieses Verschwinden weder Zufall noch Unglück sein kann. Denn selbst aus den tiefsten Tiefen der Höhle, in die sich kein Pokémon freiwillig hinabtraut, konnten wir keine finden, obwohl dort eigentlich welche sein müssten. Nein, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie jemand gezielt aufgesammelt haben muss. Und vermutlich nicht nur ein Pokémon alleine, sondern mehrere. Außerdem gehe ich davon aus, dass der Beschwörstein wieder zu vollständiger Funktionstüchtigkeit gebracht werden kann, wenn man erst einmal alle Splitter zusammen hat." Er schnaubte und sah zu Boden. "Kaito, ich bin mir ziemlich sicher, dass uns keine guten Zeiten bevorstehen."
Als wir auf die Lichtung traten, auf welcher ich meine Töchter mit Espasa und Conan zurück gelassen hatte, setzte mein Herz einen Schlag lang aus. Das lag daran, dass ich auf den ersten Blick nur Espasa und Conan erblickte, die am Rande der Lichtung lagen, etwas enger aneinander geschmiegt, als es eigentlich nötig wäre. Auf den zweiten Blick konnte ich auch Samira erkennen, deren weißes Fell zwischen den Grashalmen, welche sie komplett überragten, hervorblitzte und mir somit unmissverständlich zeigten, wo sich meine Tochter befand. Doch ein grausiger Schauer lief durch meinen Körper, als ich realisierte, dass Sakura nicht da war. So sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte das Evoli nirgendwo entdecken. Was ich dafür sah war ein mir völlig fremdes Folipurba, welches mir dennoch irgendwie bekannt vorkam. Sie lag in der Nähe von Espasa und Conan und sah Samira lächelnd beim Spielen zu.
Als ich und Doom nun auf die Lichtung traten, hoben alle dort anwesenden Pokémon aufmerksam ihre Köpfe. "Kaito!", rief das Folipurba mit einer Stimme, die ich definitiv kannte, sprang auf und rannte auf mich zu. Als sie vor mir angekommen war, lächelte sie verlegen und senkte den Kopf. "Ähm...ich...ich kann das erklären."
Langsam verstehend legte ich den Kopf schief. Ich konnte nicht glauben, was da gerade vor mir stand. "Sakura...?", fragte ich vorsichtig. Sie grinste und nickte. "Ja...äh...wie gesagt, ich kann das erklären." Sie räusperte sich und mit einem Schlag war auch ihre Verlegenheit zurück. "Also...ich und Samira haben Fangen gespielt, bei dem Felsen dahinten." Sie hob die Pfote und deutete auf den entsprechenden Ort. "Und es war alles gut. Dann bin ich ausgerutscht und gegen den Stein geprallt. Espasa hatte ja schon erzählt, dass man sich in Folipurba entwickelt, wenn man ihn berührt. Und...äh...ganz offensichtlich", sie zog die Schultern hoch und blickte mich befangen an, "...ganz offensichtlich hat sie nicht gelogen."
Einen Moment lang blickte ich meine Tochter überwältigt an, dann konnte ich nicht anders, als ein breites Grinsen aufzusetzten. Das war Sakura wie sie leibte und lebte. Ehrlich, unsicher und immer ein bisschen tollpatschig. Ganz in Gegensatz zu Samira, die eher ein rebellischer Freigeist war. Aber dennoch deprimierte mich die Nachricht, dass es so schnell und so unspektakulär gewesen war. Eine Entwicklung war ein großes Ereignis im Leben eines Pokémons und bei einem Evoli war es noch einmal wichtiger, deswegen wurde es meistens von der Familie zelebriert. Aber jetzt war es nun einmal passiert und man konnte es nicht mehr ändern. Zumal meine Stimmung im Moment alles andere als feierlich war.
"Na dann...herzlichen Glückwunsch!", kommentierte ich die Entwicklung meiner Tochter mit einem sanften Lächeln, "Ich hoffe, du wolltest auch wirklich ein Folipurba werden...eine Entwicklung sollte man immer gut überlegen." Sakura wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Espasa ihr ins Wort fiel. Das Psiana hatte sich erhoben und war zu uns herüberstolziert, Conan lag weiterhin unbewegt am Rande der Lichtung, unter seinen weißen Fellsträhnen funkelten mir seine Augen rot entgegen. "Ich hatte sie gewarnt", unterbrach Espasa nun meine Tochter, "Ich hatte ihr gesagt, sie solle vorsichtig sein, dass sie den Felsen nicht berührt."
"Schon gut", winkte ich ab, "Ich hab mir schon gedacht, dass du nichts dafür kannst."
"Espasa, Conan, ich muss mit euch reden", mischte Doom sich schließlich auch ein, "Und zwar jetzt sofort." Er drehte den Kopf zu mir. "Kaito, du solltest mit deinen Jungen nach Hause gehen und dich ausruhen. Wäre es möglich, dass du morgen wieder zu uns kommst?" Das Schimmern in seinen Augen war aufrichtig, ich hatte beinahe das Gefühl, etwas flehendes darin zu erkennen. "Ich werde es versuchen", antwortete ich ausweichend, "Ich kann aber nichts versprechen."
"Das ist ungerecht! Warum darf Sakura sich entwickeln und ich nicht! Ich bin älter als sie! Ich bin die Erstgeborene!" Samira zeterte den ganzen Heimweg, glasig glänzten Tränen in ihren Augen und auch ihr silbernes Fell schien ein bisschen matter als sonst. "Ich kann doch nichts dafür!", erwiderte Sakura beschwichtigend, "Außerdem willst du ja ein Nachtara werden! Und kein Folipurba, so wie ich."
Ich lief ein paar Schritte hinter meinen Töchtern und lauschte ihrem Streit. Tief in meinem Inneren war ich dankbar dafür, dass sie sich miteinander beschäftigten und mich nicht über meine Wunden ausfragten. Ich würde Glace schon genug erklären müssen.
Als wir uns unserer Familienhöhle näherten, beschleunigte ich meinen Schritt, um mit meinen immer noch lautstark streitenden Töchtern mithalten zu können. "Würdet ihr einen Moment draußen warten", unterbrach ich ihren Streit ohne Rücksicht, "Ich müsste kurz alleine mit eurer Mutter reden."
Samira antwortete mir gar nicht. Sie blickte mich nur tief gekränkt an. Sakura hingegen nickte. "Ja klar. Wenn es so wichtig ist..."
"Danke." Während ich mich abwandte und durch den Eingang schlüpfte, hörte ich noch einmal die motzige Stimme von Samira: "Vermutlich will er Mama vorwarnen, damit sie auf deine unendliche Dummheit vorbereitet ist." Samira, ermahnte ich meine Tochter in Gedanken, nicht in diesem Ton.
Glace lag in ihrer Höhle, tief unter der Erde. Die kühlen Wände machten die Temperaturen gerade noch erträglich, aber dennoch zerbrach es mir das Herz, als ich sah, wie meine Gefährtin da so lag. Ihre Ohren hingen schlaff nach unten, ihr Kopf lag auf ihre Pfoten, ihr Schweif war kraftlos um ihren Körper geschlungen und ihre Augen waren geschlossen. Auf meinen Ruf reagierte sie erst nicht, als ich jedoch nochmal ihren Namen rief, hob sie schwach den Kopf und blinzelte in meine Richtung. "Kaito?", antwortete sie schläfrig, "Du bist wieder da. Wo sind Samira und Sakura?"
"Sie warten draußen", antwortete ich wahrheitsgemäß, "Glace, ich wollte alleine mit dir reden."
Meine Gefährtin rappelte sich blinzelnd auf und musterte mich. Erst jetzt schienen ihr meine Verletzungen aufzufallen. "Kaito", zischte sie entsetzt, "Was ist mit dir passiert?"
"Darüber wollte ich mit dir reden", ich sah auf meine Pfoten und fing an zu erzählen.
"Also, als ich heute Nachmittag nach Sakura und Samira schauen wollte, habe ich erfahren, dass Espasa bei ihnen nach mir gesucht hatte. Du weißt schon, das Psiana..." "Ich weiß, wer Espasa ist"; fiel Glace mir unerwartet hart ins Wort, "Was hat sie mit dir angestellt? Hat sie unseren Jungen etwas angetan? Kaito, wo ist Samira? Und...Sakura, wo ist Sakura?"
"Sie sind wirklich draußen", versuchte ich meine Gefährtin zu beruhigen, "Espasa hat nichts getan. Sie war eigentlich nur da, um mir zu sagen, dass Doom mich sucht. Ein Hundemon, das mir....damals...sehr geholfen hat. Also habe ich mich von ihr zu ihm führen lassen und er hat mich gebeten, ihm dabei zu helfen, ein paar Kristallsplitter im Gebiet der alten Höhle einzusammeln. Ich habe mir nichts dabei gedacht, also habe ich zugesagt. Nur wurde ich dabei attackiert, von wem wissen wir nicht, und bin danach noch mit Doom zu einem Orakel gegangen. Beim Laufen müssen die Wunden wohl wieder aufgegangen sein", schloss ich meinen Bericht und verrenkte mich fast, um besagte Kratzer begutachten zu können. Glace blickte mich schweigend an.
"Kaito", flüsterte sie schließlich, ein trauriger Unterton lag in ihrer Stimme, "Ich dachte, du hättest damit abgeschlossen. Ich dachte, das wäre vorbei. Ich dachte, du könntest dich nun voll und ganz auf deine Familie konzentrieren."
"Das dachte ich auch", erwiderte ich niedergeschlagen. "Aber Glace, versuch bitte, mich zu verstehen. Da draußen ist irgendwas, da sind ich und Doom uns sicher. Irgendeine Bedrohung, deren Ausmaß wir nicht einschätzen können." Ich schluckte meine Sorgen und schlimmsten Befürchtungen hinunter. "Das wird dich und mich genauso treffen wie Sakura und Samira, wenn wir nichts unternehmen. Mir gefällt es genauso wenig wie dir, aber ich befürchte, Doom und seine Gefährten sind unsere einzige Chance, wenn wir uns dem nicht alleine stellen wollen."
Mir war selbst nicht so bewusst, was ich gerade gesagt hatte. Die Worte waren einfach so aus mir herausgeflossen, ohne, dass ich darüber nachgedacht hatte. Einfach so.
Glace senkte den Kopf.
"Wenn das so ist", murmelte sie, "Dann werde ich wohl nicht zu der Quelle in den Bergen reisen können." Sie riss den Kopf wieder nach oben, mit aller Kraft, die sie noch aufbringen konnte. "Dann werde ich hierbleiben und an deiner Seite kämpfen, wenn es denn sein muss."
Ich war kurz überwältigt von diesen Worten. Auch, wenn ich hoffte, dass es niemals so weit kommen würde, gefiel mir ihr Kampfgeist. In diesem Moment verliebte ich mich noch einmal völlig neu in meine Gefährtin, was ich mit einem Lächeln zu erkennen gab.
"Hoffen wir, dass es nie dazu kommt", hauchte ich in ihre Richtung, "Aber danke, Glace. Ich weiß das sehr zu schätzen."
Ich wollte mich gerade zum Gehen wenden, als Glace doch noch einmal zu zweifeln schien. "Kaito...", murmelte sie unsicher, "Was ist mit unseren Jungen? Ich mache mir Sorgen um sie..."
Kurz zuckte ich zusammen, dann erinnerte ich mich an mein Gespräch mit Devoira.
"Das brauchst du nicht", hauchte ich beruhigend zurück, "Ich habe mit Devoira gesprochen und sie hat mir versichert, dass unseren Jungen nichts passiert." Ich hoffte einfach darauf, dass meine Gefährtin sich noch an meine Erzählungen erinnerte und sich darüber klar war, dass Devoira scheinbar tatsächlich in die Zukunft sehen konnte. "Mein Blut ist nicht dafür bestimmt in diesem Kampf vergossen zu werden. So irgendwie waren ihre Worte. Oder gibt es da etwas, was ich wissen sollte?"
Einen Moment lang blickte Glace mich ausdruckslos an. Dann senkte sie den Kopf und lachte leise über meinen Witz. "Nein, Shine", flüsterte sie sanft, "Wenn das so ist, dann ist alles gut. Tut mir leid, ich habe mir nur Sorgen um meine Jungen gemacht."
Ich nickte abschließend und wandte mich ab, um Sakura und Samira endlich den Eintritt zu genehmigen. Als ich schon am Ausgang von Glaces Höhle angekommen war, fiel mir allerdings noch etwas wichtiges ein. "Achja", fügte ich daher noch hinzu, "Sakura hat sich entwickelt."
Die Nacht war still und ruhig. Dunkel lag die vertraute Umgebung meiner Höhle vor meinen offenen Augen. Eigentlich verbrachten Glace und ich unsere Nächte eng aneinandergeschmiegt, aber da sich mein dunkles Fell durch die Sonne stark erwärmt hatte, war ich extra ein Stück von meiner Gefährtin weggerutscht, um den Schlaf für sie wenigstens ein bisschen erträglicher zu machen. Sie brauchte ihn, denn wir hatten die Entwicklung von Sakura noch ein bisschen gefeiert und dadurch war es doch später geworden, als ich erwartet hatte.
Ich allerdings konnte nicht einmal daran denken, einzuschlafen. Viel zu viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum. Altbekannte Erinnerungen und längst vergessene Gefühle kamen in mir hoch. Da war sie wieder. Diese Verwirrung, diese Ungewissheit, diese Angst vor der Zukunft. Zusammen mit dem Gefühl, dass das, was ich am heutigen Tage erlebt hatte, nur der Anfang von etwas viel größerem war. Doch irgendetwas war anders.
Ich war nicht alleine. Dieses Mal nicht.
~
Ratet mal, wer von den Toten auferstanden ist^^)/
Nein, es tut mir wirklich leid, dass man so lange nichts von mir gehört hat^^" ich werde versuchen, dass zu bessern aber...das ist nicht das erste Mal, dass ich das tue und ihr wisst, wie das bei mir läuft^^" trotzdem noch einen schönen Tag.
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