V
Wärme begrüßt mich, als ich die Augen aufschlage. Eine weiche Matratze spüre ich unter meinem Körper. Es dauert einige Augenblicke, bevor mir wieder bewusst wird, was passiert ist. Dieser verdammte Mistkerl!
Auf einem Stuhl, nicht weit von dem Bett, in dem ich liege, sitzt er mit seiner Unschuldsmiene. »Ich hasse dich.« Gelogen. Ich hasse ihn nicht… Irgendwie ist es mir nicht möglich, ihn zu hassen. Meine Stimme ist voll bitterer Wut. Aber noch wütender macht mich, dass er es jederzeit wieder tun könnte. Er ist ein Dämon und kann mich somit, wann immer er will, in tiefen Schlaf versetzen.
»Du musstest dich beruhigen. Ich hoffe, du willst nicht wieder sofort auf mich einschlagen«, erwidert er. Und ob ich wieder auf ihn einschlagen will! Er zeigt nicht einmal den Anschein eines schlechten Gewissens. Das ist nicht verwunderlich. Ich hätte das erwarten sollen. Ich werde bloß immer noch nicht schlau daraus, warum er mich nicht hat sterben lassen. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum ich nun sitzen bleibe, anstatt wieder wie wild auf ihn loszugehen.
»Übrigens habe ich auch einen Namen, falls es dich interessiert.« Tut es nicht. Zu wissen, was du bist, reicht mir vollkommen aus. »Du kannst mich gern Aurélien nennen.«
Ich muss mich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. »Französisch? Dein Ernst?« Als ob ich ihm jemals glauben könnte, dass er so heißt.
»Glaub es, oder glaub es nicht. Das ist mir ziemlich egal.« Er wirkt so gelangweilt, als säßen wir gerade bei einem Kaffeekränzchen beisammen und würden uns über das Wetter unterhalten. »Klar habe ich mir über die Jahrhunderte hinweg verschiedene Namen zugelegt, wäre ja sonst auch langweilig, aber auf mich wirkt es, als würdest du mir gar keine Persönlichkeit zutrauen. Denkst du, wir wären so verschieden?«
»Allerdings. Schließlich ernährst du dich von allem, was lebt. Du lässt alles Leben zugrunde gehen!« Erst jetzt wird mir wieder richtig bewusst, mit wem – oder eher was – ich hier gerade spreche.
»Du brauchst keine Angst vor mir haben.« Seine Stimme klingt tonlos.
Diese Aussage schürt meine Furcht nur noch mehr. Erst recht, als er daraufhin aufsteht und auf mich zukommt. Ich bin kurz davor, die Beine in die Hand zu nehmen und davonzurennen, aber ich weiß gar nicht, wo ich bin. Ich sehe nur das kleine Bett, auf dem ich sitze, den Stuhl und einen kleinen Nachttisch. Nicht einmal ein Fenster ist vorhanden. Nur eine kleine Deckenleuchte erhellt den Raum. Typisch Dämonen. Je dunkler, desto besser. Er packt meine Hände und ich versteife mich. Als er spricht, meine ich jedoch beinahe so etwas wie Furcht in seinen Augen zu sehen. Ich kann mir nur nicht vorstellen, wovor er sich fürchten sollte …
»Bitte …«, flüstert der Dämon. Ich werde ihn nicht bei seinem Namen nennen, denn damit würde ich mir zugestehen, dass er für mich mehr als ein gesichtsloser Fremder ist. Und das will ich nicht. »Bitte hab keine Angst vor mir.« Es klingt schon fast so, als würde er mich anflehen, während er meine Hände hält.
Und würden diese Augen nur nicht so aufrichtig schauen und diese Stimme nicht nur so verzweifelt klingen, dann könnte ich vielleicht kalt bleiben und mein Herz weiter mit Eis bedecken. Aber das geht nicht. Denn wenn ich ihn ansehe, dann sehe ich nichts Böses. Wenn ich ihn ansehe, dann sehe ich einen verzweifelten jungen Mann, und nicht das Monster, das ich hinter dieser Maske vermute.
»Dann beweis es mir«, flüstere ich. »Beweis mir, dass ich dir vertrauen kann.«
Der Dämon nickt bloß stumm, ehe er mir den Rücken zukehrt und aus einer Tür verschwindet.
Verdutzt bleibe ich zurück und sehe ihm nach. Ich frage mich, ob er zurückkehren oder einfach davonlaufen wird. Ich hätte nichts dagegen, doch die Stille in diesem Raum ist für mich kaum zu ertragen. Die Holzdielen erinnern mich an mein Zuhause, das mich wieder an Traze erinnert. Ich muss die aufkommenden Tränen unterdrücken. Warum? Warum darf ich leben und er nicht? Nichts in diesem Leben ist fair. Das war es nie. Alles in dieser Welt ist kaputt, es sollten keine Dämonen hier sein. Das ist falsch, so falsch …
Plötzlich öffnet sich die Tür wieder und der Dämon tritt herein. Schnell wische ich mir ein paar Tränen von den Wangen, die es doch irgendwie geschafft haben, aus meinen Augenwinkeln zu laufen.
Dann erst fällt mein Blick auf das, was er in den Händen hält …
… ein Messer.
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