| 58 | 𝐉𝐚𝐜𝐤𝐬𝐨𝐧
Das Klingeln meines Handys wurde mittlerweile zu einem Dauergeräusch, welches echt nervig war und mich langsam aber sicher auf die Palme brachte. Doch Ryan wollte einfach nicht rangehen. Auch keiner der anderen. Nicht Alec, nicht Matt und eben auch nicht Ryan.
Frustriert nahm ich letztlich die Hand runter, steckte das Handy ein und sah mich auf der Straße um.
Meine Ducati passte mit ihrem edlen Look so gar nicht in diese Gegend, die von alten Schrotkarren an den Straßenrändern geschmückt wurde. Überall Graffitis, heruntergekommene Häuser und entfernte Geräusche, die auf Ärger schließen ließen, wie bellende Hunde oder wütende Schreie. Allein der Vibe und Gestank sorgten für gewöhnlich dafür, dass ich diesen Teil der Stadt mied.
Nur nicht heute.
Owen würde mich wahrscheinlich schon vermissen. Zwar konnte er mir nichts verbieten und er wusste auch von meiner kriminellen Vergangenheit, aber er war ein Cop. Er musste alles wissen und hatte das dringende Bedürfnis, sich in alles einmischen zu müssen. Um zu helfen oder Recht und Ordnung durchzusetzen. Fakt war, mein Verschwinden war ihm sicher längst aufgefallen und Fragen würde er sich nicht verkneifen.
Also war es das Schlaueste gleich zu den Straßenrennen zu fahren und die Sache so schnell wie möglich abzuschließen, bevor er mich davon abhalten konnte. Auch, wenn ich allein war und kein Geld hatte.
Als ich den Entschluss einmal gefasst hatte, gab es kein Zurück mehr. Müde und entschlossen zugleich setzte ich meinen Helm und Handschuhe wieder auf und startete meine Maschine. Für einen allerletzten Moment hielt ich inne. Hoffte darauf, dass Ryan mich zurückrufen würde. Oder mir eine Nachricht schrieb. Oder irgendwas!
Doch es kam nichts.
Sauer und irgendwie auch enttäuscht, obwohl ich natürlich wusste, dass unser Verhältnis nicht gut war, fuhr ich los und schlängelte mich durch die Straßen.
Die Straßenrennen hatten sich zwar ganz schön verändert, meiner Meinung nach zum Negativen, aber es war immer noch eine gute Gelegenheit Leute kennenzulernen, Geld zu verdienen, Spaß zu haben oder Probleme auf andere Art und Weise zu klären. Oder in meinem Fall, Leute zu finden.
Bereits von Weitem sah ich die bunten Lichter, hörte die lauten Motoren und die nervende Musik. Doch trotz allem fühlte es sich ein wenig wie Heimkommen an. Wie in alten Zeiten. Nur war ich jetzt ganz allein. Natürlich würde ich viele der Leute dort kennen, aber das war nicht vergleichbar. Ein Stich fuhr mir in die Brust als ich an Nero denken musste. Wir hatten beide das Motorradfahren für uns entdeckt, unsere gemeinsame Leidenschaft. Eine Möglichkeit uns abzulenken und die strengen Zukunftspläne unserer Eltern zu vergessen. Später kam Ryan dazu, mit ihm Matt. Und so ging es irgendwann immer weiter. Bis Miles zu uns kam.
Und geblieben war mir niemand von ihnen.
Eben deshalb musste ich so dringend mit diesen Typen sprechen. Sie wussten etwas, das schrie mir mein innerstes Gefühl praktisch entgegen.
Wie gewohnt hielt ich weit im Zentrum des Treffens, zog wieder mal viele Blicke auf mich. Früher hätte man mich sofort an den typischen Aufklebern an der Verkleidung erkannt. Doch die Panigale, völlig nackt und neu, war den Leuten hier größtenteils unbekannt.
So konnte ich auch in Ruhe meinen Helm absetzen und meinen Blick durch die Menge wandern lassen. Es hatte sich wirklich viel verändert. Es waren mehr Leute hier, die Musik war irgendwie anders und die Rennen waren eher zweitrangig. Frauen, oberflächliche Gespräche und ganz besonders Geschäfte waren wichtiger geworden.
Und dann gab es noch die Kontrollen. Praktisch jedes Rennen musste bei den Veranstaltern gemeldet werden, da die ihren Teil abgreifen wollten. Scheiß Wichser.
Vor Monaten hätte ich es mir im Leben nicht vorstellen können, doch ich erkannte niemanden in der Menge. Absolut niemanden. Das Gefühl starker Einsamkeit kehrte in meine Knochen zurück und ließ mich frösteln, bis ich den Rücken durchstreckte, meine Ducati abschloss und mich einfach durch die Menge von Leuten und Fahrzeugen durchwühlte.
Ich hatte keine Ahnung wie die Typen, nach denen ich suchte, aussahen. Geschweige denn wie sie hießen, aber ich hatte die irrsinnige Hoffnung, zu wissen wen ich suchte, wenn ich vor ihnen stehen würde. Quasi eine instinktive Entscheidung.
Das Klingeln meines Handys ließ mich kurz innehalten. Owen. Vermutlich machte er sich Sorgen, weil ich nachts ohne Absprache einfach Verschwunden war.
Seufzend drückte ich ihn weg.
Eine ganze Weile lief ich durch die Menge und sah mir die vielen verschiedenen Gesichter an, hin und wieder erkannte ich jemanden, wurde sogar begrüßt, aber ich hielt mich nie lange auf. Nach einer gewissen Zeit war ich mir irgendwann sicher, jedes Motorrad wie mein eigenes zu kennen, und ich hatte keinen einzigen Anhaltspunkt.
Das war doch alles ne beschissene Idee! Verschwendete Zeit.
Frustriert wollte ich schon wieder umdrehen als zwei laute Motorräder unweit durch die Ziellinie fuhren. Jubelnd wurden sie von der Menge begrüßt, die nur darauf gewartet hatte. Der Sieger drehte noch eine Extrarunde, um seinen Ruhm weiter auszukosten, ehe er sich seinen Helm vom Kopf riss und von Freunden eingekreist wurde.
Der Verlierer hingegen hielt gar nicht erst an, fuhr einfach weiter, ohne sich seiner Niederlage zu stellen, und damit direkt auf mich zu. Überrascht eilte ich zur Seite und machte dem Fahrer am Straßenrand Platz.
„Kein Grund gleich Leute umzufahren, nur weil du nicht verlieren kannst", fuhr ich ihn sauer an und wollte es dabei belassen und gehen, letztlich hatte er mich aufgrund des Motorenlärms eh nicht verstanden, wurde aber aufgehalten.
„Halt einfach die Schnauze und steh mir nicht im Weg!"
Überrascht konnte ich es mir nicht verkneifen das Gesicht zu verziehen. „Was hast du gerade gesagt?" Wie konnte er es wagen so mit mir zu sprechen? „Du hast mich schon verstanden, Arsch", war seine simple Antwort. „Besser ein Arsch als ein Verlierer."
Sauer stieg er von seiner schwarzen Maschine ab, kam drohend auf mich zu und verzog das Gesicht zu einer hässlichen Fratze, die glücklicherweise durch den Helm nicht ganz zu sehen war.
„Pass auf wie du mit mir sprichst!" „Sonst was?" „Du denkst auch, dass hier nur anständige Typen herumlaufen, oder?", fragte er genervt und schubste mich leicht an der Schulter zurück. „Ein paar Jugendliche, die harmlose Motorradtreffen haben und sich ihr Taschengeld mit Rennen verdienen, hm?" Seine Miene verfinsterte sich. „Aber ich sag dir mal was, es wird niemanden jucken, wenn ich dich mit einer Tracht Prügel auf den Boden der Tatsachen zurückhole."
Ich spürte das verräterische Zucken meiner Mundwinkel als ich ihn einfach nur weiter anstarrte. „Was du nicht sagst." Ja, vielleicht war ich mit der Zeit wirklich verrückt geworden, aber seine Drohung ließ meine Stimmung irgendwie aufhellen.
Er war einfach nicht ernst zu nehmen. Und damit dezent unterhaltsam.
Meine Reaktion schien ihn aber nur weiter aufzustacheln. Seine Augen hatten bereits etwas Aggressives, doch jetzt loderten sie regelrecht, wollten mich durchbohren. Mich einschüchtern.
Ich hielt seinem Blick jedoch stand.
Er war etwas kleiner als ich, seine Stimme ließ darauf schließen, dass er nicht älter als ich sein konnte und seine Körperhaltung erinnerte mich viel mehr an einen kleinen, übermütigen Hund, der Fremden am liebsten in die Hacken biss. Er war kein Gegner für mich. Genauso wenig wie sein Motorrad. Selbst ein Linienbus hätte die Yamasaki überholen können. Kein Wunder, dass er verloren hatte.
Verächtlich ließ ich meinen Blick weiterwandern. Entdeckte gezackte Aufkleber, die das Bike irgendwie aufwerten sollten.
Bis ich an einem komischen Symbol hängenblieb. Irgendwo hatte ich das doch schon mal gesehen. Nur wo?
„Denkst wohl du kannst mich schlagen, was?", lachte er. Meine Blicke waren dem Wichser nicht entgangen. Gerade noch konnte ich ein Auflachen unterdrücken. „Ich bitte dich, wie hast du es mit dem Ding überhaupt hierher geschafft? Da müsste ich mir ja nicht einmal Mühe geben."
Nach einem Moment des Schweigens zog er sich schließlich den Helm vom Kopf und hielt mir die Hand hin. „Schön. Ich bin Tyler, merk dir das, damit du weißt wie du mir gratulieren kannst, wenn ich dich besiegt habe." Ich schlug seine Hand weg. „Jackson", murrte ich halbherzig. „Überleg dir schon mal wie viel du mir überhaupt zahlen kannst, wenn du wieder verlierst. Wir sehen uns beim Start."
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