Verborgene Ketten
Die Tür fiel ins Schloss, und die Stille in der Wohnung war beinahe unerträglich.
Ich blieb auf dem Boden sitzen, meine Knie an die Brust gezogen. Die Worte von Minhos Eltern wiederholten sich in meinem Kopf, wie ein unerbittlicher Echo. Sie wollten, dass ich ihn verlasse. Dass ich ihn loslasse. Für ihn. Für seine Zukunft.
Was wussten sie schon von uns?
Von dem, was wir zusammen hatten? Von dem, was wir gemeinsam durchgestanden hatten?
Aber je länger ich nachdachte, desto mehr krochen Zweifel in meinen Geist. Was, wenn sie recht hatten? Was, wenn ich Minho wirklich nur im Weg stand? Er hatte so viel Potenzial, so viele Möglichkeiten. Und ich... ich war nur Jisung.
Ein Künstler mit einem Berg von Unsicherheiten und einem Herzen, das manchmal viel zu groß für seinen eigenen Verstand war.
Ich musste raus.
Ich konnte hier nicht bleiben, eingeengt von diesen Gedanken und der Leere, die die Wohnung ausstrahlte. Hastig griff ich nach meiner Jacke, zog sie über und verließ die Wohnung, ohne wirklich zu wissen, wohin ich ging.
Die Stadt war lebendig, doch ich fühlte mich seltsam isoliert von allem um mich herum. Ich lief einfach, ließ meine Füße den Weg bestimmen, während mein Kopf mit einem Chaos aus Gefühlen gefüllt war.
Es war kühl, und der Wind wehte durch die Straßen, als ob er mich zwingen wollte, innezuhalten und nachzudenken. Aber ich wollte nicht nachdenken. Ich wollte einfach nur... weg.
Schließlich fand ich mich in einem kleinen Park wieder. Es war einer dieser Orte, die Minho und ich früher oft besucht hatten, als wir noch in den Anfängen unserer Beziehung waren. Wir hatten hier Stunden verbracht, miteinander gelacht, uns über Zukunftsträume ausgetauscht.
Jetzt fühlte sich der Ort schwer an, als ob die Erinnerungen mich erdrückten.
Ich ließ mich auf einer Bank nieder und starrte in die Dunkelheit.
Mein Handy vibrierte in meiner Tasche, und als ich es herausholte, sah ich Minhos Namen auf dem Bildschirm. Ich zögerte, bevor ich den Anruf annahm.
„Jisung?", kam seine Stimme, warm und vertraut, aber mit einem Hauch von Besorgnis.
„Hey", brachte ich schließlich heraus. Meine Stimme klang dünn, als ob sie nicht wirklich zu mir gehörte.
„Wo bist du? Ich bin gerade nach Hause gekommen, und du bist nicht da."
„Ich... ich bin nur spazieren", sagte ich ausweichend.
„Ist alles in Ordnung?"
Die Frage brachte mich fast zum Lachen.
War alles in Ordnung? Nein. Absolut nicht. Aber ich konnte ihm das nicht sagen. Nicht jetzt. Nicht nach dem, was passiert war.
„Ja", log ich. „Ich brauchte nur ein bisschen frische Luft."
Minho schwieg einen Moment, als ob er überlegte, ob er mir glauben sollte. „Okay. Aber komm bald nach Hause, ja? Ich will dich sehen."
„Ich bin gleich da", versprach ich, bevor ich das Gespräch beendete.
Ich saß noch einen Moment länger da, bevor ich schließlich den Weg zurück zur Wohnung einschlug.
Minho wartete bereits auf mich, als ich die Tür öffnete. Er stand in der Küche, ein Glas Wasser in der Hand, und drehte sich sofort um, als er mich hereinkommen hörte.
„Da bist du ja", sagte er, und ich konnte die Erleichterung in seiner Stimme hören.
„Ich habe mir Sorgen gemacht."
„Tut mir leid", murmelte ich und zog die Jacke aus.
„Was ist los, Jisung?", fragte er direkt, als er auf mich zukam. Seine Augen suchten meine, und ich fühlte mich, als ob er direkt in meine Seele blicken konnte.
„Nichts", sagte ich zu schnell.
„Das stimmt nicht."
Ich biss mir auf die Lippe und wich seinem Blick aus. Minho trat näher, nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich, ihn anzusehen.
„Jisung", sagte er sanft. „Rede mit mir."
Ich wollte es nicht, aber die Worte brachen aus mir heraus, bevor ich sie zurückhalten konnte.
„Deine Eltern waren hier."
Minho erstarrte, und ich konnte sehen, wie sich sein Gesicht verhärtete. „Was haben sie gesagt?"
„Sie wollen, dass ich dich verlasse", flüsterte ich,
und meine Stimme brach am Ende.
Er zog mich sofort in eine Umarmung, hielt mich fest, als ob er mich nie wieder loslassen wollte.
„Das ist Unsinn", sagte er entschieden. „Das wird nicht passieren."
Aber die Zweifel in meinem Kopf ließen sich nicht so leicht vertreiben. „Vielleicht haben sie recht", murmelte ich gegen seine Brust.
„Vielleicht wäre es wirklich besser für dich, wenn-"
„Hör auf", unterbrach er mich, seine Stimme scharf.
„Hör auf, so etwas zu sagen. Du bist das Beste, was mir je passiert ist, Jisung. Niemand - nicht einmal meine Eltern - wird uns das wegnehmen."
Seine Worte ließen die Tränen endlich frei fließen, und ich klammerte mich an ihn, als ob er der einzige Anker in einer stürmischen See war.
„Ich liebe dich", flüsterte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch.
„Ich liebe dich auch", antwortete er, ohne zu zögern. „Und nichts wird das ändern."
Minho hielt mich noch immer fest in seinen Armen und ich ließ zu, dass die Welt um uns herum für einen Moment verschwamm. Sein Herzschlag war ein beruhigender Rhythmus gegen meine Wange, ein stummer Beweis dafür, dass er hier war - bei mir, mit mir und nicht irgendwo anders, wo seine Eltern es sich vielleicht wünschten.
„Ich hasse das", murmelte ich schließlich, die Worte schwer, als ob sie sich durch die dichte Luft zwischen uns kämpfen mussten.
„Was genau?", fragte er, leise und geduldig.
„Das Gefühl, dass ich nicht gut genug für dich bin", gestand ich.
„Dass ich dich von irgendetwas abhalte, was du verdienst."
Minho lehnte sich ein Stück zurück, gerade so weit, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. Seine Augen waren ernst, aber da war auch diese unerschütterliche Wärme, die er immer mit sich brachte.
„Jisung", begann er, und ich konnte sehen, wie er nach den richtigen Worten suchte.
„Das ist nicht wahr. Du bist nicht nur gut genug für mich - du bist alles, was ich brauche. Alles, was ich jemals brauchen werde."
Ich wollte ihm glauben.
Gott, ich wollte ihm so sehr glauben. Aber da waren die Stimmen in meinem Kopf, die immer lauter wurden, die Erinnerungen an das, was seine Eltern gesagt hatten, die Zweifel, die sich wie ein Gift ausbreiteten.
„Aber deine Eltern-"
„Sind nicht in meiner Haut, in meinem Leben oder in meinem Herzen", unterbrach er mich.
„Sie verstehen uns nicht, Jisung. Sie sehen nicht, was ich sehe, was wir haben."
Er strich mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, seine Berührung beruhigend.
„Es wird nicht leicht, ich weiß das. Aber ich habe noch nie im Leben etwas so sehr gewollt wie dich. Und ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand - selbst meine Familie - uns auseinanderbringt."
Seine Worte waren wie ein Anker, der mich zurückholte, der mich daran erinnerte, dass ich nicht allein war in diesem Kampf.
Und vielleicht war das alles, was ich brauchte, um durchzuhalten.
Wir standen noch eine Weile dort, im Halbdunkel der Wohnung, bevor Minho schließlich sanft meine Hand nahm.
„Komm", sagte er.
„Lass uns schlafen gehen. Morgen ist ein neuer Tag, und wir werden ihn zusammen angehen. Wie immer."
Ich nickte, und obwohl die Zweifel nicht ganz verschwunden waren, fühlte ich mich ein kleines bisschen leichter.
Minho führte mich ins Schlafzimmer und wir legten uns nebeneinander ins Bett. Seine Arme um mich fühlten sich wie ein Schutzschild an, und ich ließ mich von der Wärme seiner Nähe einlullen.
„Ich lasse dich nicht los, Jisung", flüsterte er, gerade als ich die Augen schloss.
„Niemals."
Und in diesem Moment glaubte ich ihm. Zumindest erstmal.
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