Vergangenheit im Schatten der Zukunft
Er spürte ihre Präsenz, noch bevor er sie sah. Ruhig verweilte er an Ort und Stelle, während sie quälend langsam aus dem dichten Nebel trat. Eine imposante Erscheinung befand er, dabei ließ er seinen Blick an ihr auf und ab wandern. Ihr schwarzes Gewand, welches eng an ihrer kurvigen Figur klebte und sie gänzlich einhüllte, raschelte geräuschvoll über den Boden. Der Alabaster Ton ihrer Haut leuchtete von innen heraus in der rötlichen Dunkelheit von Dathomir, die langen Gliedmaßen schienen nicht enden zu wollen. Ihre ungewöhnlichen violetten Augen, welche noch mit einem milchigen Schimmer versehen waren, richtete sie finster auf ihn. Ihr nachtschwarzes Haar trug sie aufgetürmt wie eine Krone auf dem Haupt. Weibliche Perfektion, das verkörperte Allya gewiss, nur ihr harter Gesichtsausdruck mochte nicht recht zu dieser Vorstellung passen. Die Lippen presste sie fest aufeinander. Den Bruchteil einer Sekunde musterten sie sich nur abschätzig, bevor es sie war, welche die Stille brach.
,,Es bedeutet nichts Gutes, wenn du auf Dathomir auftauchst Jacen Solo." Aus ihrer Stimme sprach die pure Ablehnung.
,,Ich weiß sehr wohl, dass ich hier nicht willkommen bin."
,,Wenn du es weißt, warum bist du dann hier?", entgegnete sie barsch.
Ihre harten Worte beeindruckten ihn nicht im Mindesten. Allmählich kam er näher, bis er dicht vor ihr zum Stehen kam. ,,Ich habe etwas, das dich auch interessieren könnte", flüsterte er dicht an ihrem Ohr.
Ihre Mundwinkel hoben sich. Diese kühne Verwegenheit war etwas, das sie an ihm mochte. Eine der wenigen Dinge, abgesehen von seinem äußeren Erscheinungsbild. Nun löste er etwas von seinem Nacken, was Allya neugierig den Kopf neigen ließ. Diese plötzliche Neugier ihrerseits kostete er förmlich aus, denn er ließ sich viel Zeit sein kostbares Gut in ihre Hände zu legen. Einen Moment ließ er seine Hand fest mit ihrer verschlossen, bevor er sie zurückzog, damit sie sich das, was sich nun in ihrer Hand befand ansehen konnte. Tatsächlich weiteten sich ihre Augen, als sie erkannte, was sie da in der Hand hielt. Es brauchte eine Weile, bis sie leise zu sprechen begann.
,,Du hast es geschafft." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, während sie zu ihm aufsah.
Ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Züge. ,,Ich habe dir einst gesagt, ich würde es schaffen."
Abrupt wurde ihr Blick unendlich traurig. ,,Zu welchem Preis?"
,,Du meinst ich wäre zu einem Monster geworden, doch du vergisst Hexe, dass ich schon immer eines war."
Mit diesen Worten lief er an ihr vorüber, als würden ihre Worte keinerlei Bedeutung für ihn haben. Als hätten sie keine Vergangenheit. Allya blieb alleine im Nebel zurück, wobei sie die Ampulle mit Ben Solos Blut an ihre Brust presste.
,,Die letzte Nachtschwester, Hexe von Dathomir zeigt Mitgefühl", begann eine vertraute Stimme aus dem Nebel sie zu verhöhnen.
Diese Stimme ließ ihren Puls augenblicklich in die Höhe schießen. Heiße Wut breitete sich unaufhaltsam in ihren Venen aus. ,,Zeig dich du Schlange", zischte sie.
Eine Silhouette kam gemächlich aus den Schatten geschlendert. Das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, doch Allya kannte ihn, vor ihr konnte er sich nicht verstecken. Wie sehr sie Jacen dafür hasste, dass er ihn mitgebracht hatte.
,,Ich weiß, was du vorhast Allya, doch das Band zwischen Jacen und dir ist längst zerbrochen und das weißt du. Er ist nicht mehr der Mann, den du kanntest nun ist er gänzlich Darth Caedus."
Er mochte Recht haben. ,,Und ich weiß, was du vorhast, seit dem Tag an dem er dich Abschaum als würdig erachtete dich als Schüler anzunehmen. Du willst ihn töten. Ich habe es vorausgesehen."
Langsam begannen sie sich zu umkreisen, dabei ließen sie sich keine Sekunde aus den Augen.
,,Wenn es nur so einfach wäre dich zu töten, damit du endlich den Mund hältst."
Sein Wunderpunkt. Die Wahrheit, die er versuchte zu verstecken. Jacen hatte ihre Warnung als Unsinn abgetan, schließlich glaubte er immer stärker zu sein, als sein demütiger Schüler. Er vertraute viel zu Blind auf die Stärke seiner Blutlinie. Seine Aroganz machte ihn blind für die Dinge, die um ihn herum geschahen. Doch sie sah es klar und deutlich.
,,Du bist mit ihm gekommen, damit ich ihn nicht beeinflussen kann."
,,Wer würde den Worten einer Hexe schon glauben schenken?" Seine Stimme war zwar ruhig, doch seine Hände zitterten unbewusst, seine Atmung ging schwer. Es handelte sich um kleine körperliche Veränderungen, die oft gar nicht wahrgenommen wurden, doch sie tat es.
,,Jacen tat es einst und davor hast du Angst."
,,Jacen Solo ist tot", brüllte er in Rage.
Allya wandte sich ab. Dieser Narr sollte dies ruhig glauben, sie wusste es besser. Sie würde es immer besser wissen. Bedächtig schritt sie zurück, wobei sie sich viel Zeit nahm, um in vergangenen Erinnerungen zu schwelgen.
,,Dathomir ist so verdammt trostlos", seufzte eine jüngere Version von Jacen. ,,Ich weiß, dass wir nur hier festgehalten werden, weil dieser Planet eine enorme Quelle der dunklen Seite besitzt."
Allya musterte Jacen mitfühlend. Er gehörte sicher nicht hierher, das stand außer Frage. Doch sie tat es. Sie war mit diesem Planeten verbunden. ,,Es ist meine Heimat. Ein Teil von mir. Mein Erbe."
Ruckartig wandte er ihr sein Gesicht zu. Eine Weile sah er sie stumm an. ,,Vielleicht wirst du eines Tages den Planeten mit mir verlassen, das hoffe ich zumindest."
Sie sah ihn an, blickte unter die Oberfläche bis tief in seine Seele. Was sah sie? Einen Träumer mit so vielen Hoffnungen und noch mehr Träumen. Dathomir würde ihn zerstören. Irgendwann musste er diesen vergifteten Ort verlassen und wenn er es tat, vielleicht würde sie es mit ihm tun.
Es war ein Traum zweier junger Menschen gewesen, die die Gefahren der Galaxie nicht kannten. Als es soweit war zerplatzte dieser Traum wie eine Seifenblase. Sie hatte ihn ziehen lassen und war hier geblieben. Die Erinnerung schmerzte sogar jetzt noch. Wenn sie damals gewusst hätte, was aus ihm werden würde, wäre sie mit ihm gegangen. Doch zu bereuen war nun zu spät.
Mit einer Sache hatte sein verhasster Schüler jedoch recht. Jacen hatte sich verändert. Die Dunkelheit, welche ihn nun umgab drang aus jeder seiner Poren. Diese Tatsache stimmte Allya traurig. Dieser Mann hatte nur noch ein Ziel vor Augen, die absolute Kontrolle über die Galaxie. Eine Galaxie nach seinen Vorstellungen. Ein neues Imperium.
,,Allya."
Als sie ihren Namen aus seinem Mund vernahm verkrampfte sich ihr Herz unwillkürlich. Seine Schritte kamen unaufhaltsam näher, also hob sie den Blick, um ihm emotionslos anzusehen. Plötzlich verschwamm die Umgebung um sie herum und sie sah nur noch ihn. Für sie war er immer noch Jacen und kein mächtiger Sith Lord, für den er sich ausgab. Wahrscheinlich würde sich das nie ändern.
,,Ich weiß, du bist wütend auf mich, aber wirst du mir helfen?"
Sein bittender Blick schmerzte. Rasch versuchte sie sich zu konzentrieren. ,,Warum konntest du deinen Bruder nicht überzeugen?"
Jacen seufzte tief, während sein Blick in die Ferne schweifte. ,,Es gibt ein Mädchen für das er Gefühle hat."
Ein Mädchen. Jetzt verstand sie.
,,Und du kannst nicht verstehen, warum er die Macht ablehnt, die du ihm geben würdest, wegen eines dummen Mädchens."
Wie auch. Sith strebten bekanntlich nicht nach Liebe.
Natürlich nahm er den Vorwurf in ihren Worten wahr. Er wusste warum sie so reagierte.
Unerwiderte Liebe. Es bedeutete, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte UND sich eine Beziehung mit ihm wünschte.
Doch er wollte, würde und konnte sein Leben einfach nicht mit ihr teilen. Sie aber liebte ihn trotzdem, war deswegen blockiert für andere Personen und konnte nicht aufhören, sich vorzustellen, was wäre, wenn. Mit anderen Worten: Wenn er von unerwiderter Liebe sprach, meinte er keine einfache Schwärmerei, sondern starke Zuneigung.
Frustriert trat er noch dichter an sie heran. Eine unangenehme Spannung baute sich zwischen ihnen auf. Er neigte sich etwas zu ihr hin, um in ihre Augen zu blicken. Diese sagten ihm alles, was er wissen musste. Wie sie es schon immer getan hatten. So viel Schmerz war in den Tiefen ihrer ungewöhnlichen Augen verborgen. Ihr Mund öffnete sich leicht, wobei ihre Unterlippe zu zittern begann. Die Luft zwischen ihnen wurde immer dünner.
,,Es ist unfair mir dein damaliges Verhalten vorzuwerfen. Ich wollte, dass du mich begleitest, doch du hast entschieden auf diesem Planeten zu verrotten, also gib mir nicht die Schuld."
Überrascht von seinen Worten wich sie einige Schritte zurück. Erinnerungen drängten sich an die Oberfläche. Erinnerungen, welche sie hasste. Die Bilder die sich vor ihren Augen abspielten überrannten sie förmlich. Diese schmerzliche Erfahrungen hatte sie all die Jahre ins seelische Off geschoben, um Ballast abzuwerfen. Das war gut so. Doch nun begann die verdrängten Bewusstseinsinhalte zu eitern und es machte sie krank.
Sie wurde verlassen, hatte Ziele nicht erreicht, gute Vorsätze gebrochen und hatte trotzdem die Kraft gefunden damit weiterzuleben. Bis jetzt. Eine verlorene Liebe, eine verpasste Gelegenheit, die bittere Kränkung, das erlittene Unrecht, die aufgestaute Wut, das namenlose Leid.
Es überflutete und überforderte sie, dass sie jegliche Erinnerung an das Geschehen verweigerte und aus dem aktiven Bewusstsein verbannen wollte. Um sich vor dem Schmerz des Erinnerns zu bewahren. Der Preis für dieses Rettungsmanöver war hoch. Sie erlebte sich als vollkommen hilflos, gefühlstaub, ausgebrannt.
Verdrängen war ein zweischneidiges Schwert. Es konnte eine Wohltat sein, unangenehme Erfahrungen, Gedanken oder Erinnerungen zumindest zeitweilig beiseitezuschieben, um nicht andauernd nur im Trüben zu fischen und offen zu bleiben für die schönen Seiten des Lebens. Es konnte aber auch krank machen, Belastendes aus dem Bewusstsein zu verbannen und unaufgelöst, unbewältigt, unbearbeitet wuchern zu lassen. Das rechte Maß zwischen Loslassen und Festhalten, zwischen Erinnern und Vergessen, zwischen dem Drang, Impulsen nachzugeben und der Notwendigkeit, sie zu unterdrücken, zwischen Vergegenwärtigen und Verleugnen. Jenes brauchte Allya nun, als sie in Jacens Augen sah.
Diese eine Erinnerung ... Eine Erinnerung, die sie nicht vergessen konnte, auch wenn sie es sich mehr als wünschte.
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