Verbindungen
Als die Schritte verklangen ragte ein großgewachsener Mann mit einem blonden Pferdeschwanz und interessiert aufblitzenden blauen Augen vor ihrer Nische auf. Der Rest seines Körpers war von einem schwarzen Umhang eingehüllt. Nun stützte er die Hände provokativ auf der Tischplatte neben Ben ab. Den Bruchteil einer Sekunde musterten sich die beiden Männer abschätzig. Allmählich überkam Rey ein ganz mieses Gefühl. Eine Spannung, die sie nicht zu leugnen vermochte, lag urplötzlich in der Luft. Ein kleiner Funke würde reichen, um die Spannung zum implodieren zu bringen.
,,Wie können wir dir helfen?", fragte Ben ruhig.
,,Du erinnst mich an jemanden, den mein Vater einmal kannte", sprach der Fremde mit einer tiefen, rauen Stimme.
,,Ach tue ich das?", entgegnete Ben desinteressiert, während er auf das Glas vor sich starrte.
Der Fremde nickte nur, während er Ben noch ein wenig intensiver musterte.
,,Und an wen erinnere ich dich, wenn ich fragen darf?", fragte Ben schließlich, als der Fremde keine Intention zeigte weiter zu sprechen oder zu gehen.
Der Fremde neigte den Kopf. ,,Han Solo. Sagt dir der Name etwas?"
Unerwartet beschleunigte sich Reys Puls, um unangenehm in ihren Ohren zu pochen. Sie musste sich zusammen reißen, um nicht bei der Erwähnung dieses Namens zusammenzuzucken. Hastig versuchte sie die aufkommenden Erinnerungen zu unterdrücken. Ihre Reaktion blieb dem Fremden nicht verborgen.
Nun neigte er noch etwas mehr den Kopf, um an Ben vorbeizusehen, um Rey einer genaueren Betrachtung zu Unterziehen.
,,Nette Begleitung hast du da."
Augenblicklich versteift sich Ben. Unauffällig schob sie unter dem Tisch ihre Hand auf Bens Oberschenkel und drückte sanft zu.
,,Darf ich sie mir für ein kurzes Tänzchen ausleihen?", fuhr der Fremde unbeirrt fort.
Da war er, der Auslöser, der den Funken entfachen würde.
Einen Moment hielt Rey unbewusst die Luft an und wartete auf Bens Reaktion. Eine Welle heißen Zorns drang aus jeder noch so kleinen Pore von Bens Körper. Ein, zwei Mal atmete er tief ein und aus, während seine Handfläche sich unauffällig unter dem Tisch auf Reys Handrücken legte. Dies schien ihn etwas zu beruhigen.
,,Wenn meine Begleiterin einverstanden ist. Sie ist nicht meine Sklavin, falls du das gedacht haben solltest. Sie kann tun und lassen was sie will."
Zwar klang er ruhig, doch in seinem Inneren brodelte es nach wie vor unaufhörlich.
Die Mundwinkel des Fremden hoben sich. ,,Sehr schön."
Der Blick des Fremden glitt nun wieder zu Rey, die seiner interessierten Musterung standhielt.
Langsam streckte der Fremde ihr seine Hand entgegen, wobei er keine Sekunde den Blick von ihr abwandte. In seinen Augen lag eine Aufforderung. Unschlüssig, was sie tun sollte, starrte sie die Hand an. Rey wagte es nicht einen Blick zu Bens Gesicht zu riskieren, doch Ben nahm ihr die Entscheidung ab, denn er erhob sich, um Rey aus der Nische zu lassen. Er sagte kein Wort, als sie an ihm vorüber ging. Unbeholfen ergriff sie die Hand, die der Fremde ihr noch immer anbot, während dieser ihren Handrücken mit den Lippen berührte. Allmählich führte er Rey auf die Tanzfläche.
Beinah fassungslos starrte Hux Ben an, der nun wieder schweigend in der Nische Platz nahm. Hux zog die Brauen zusammen. ,,Was soll das Ren? Warum überlässt du diesem Typen das Mädchen?", zischte er leise über den Tisch.
,,Damit wir keine weitere Aufmerksamkeit erregen. Es gibt keinen Spielraum für Fehler", schnappte Ben. Noch immer glitt sein Blick aufmerksam über die Menge, während er jegliche Emotion aus seinem Gesicht verbannte.
Währenddessen starrte Hux noch immer Ren an. Seine Stirn lag in Falten. Eigentlich hegte Ren weder Mitleid noch Sympathien für irgendwen - mit Ausnahme der Schrottsammlerin. Warum hackte er dem Fremden dann nicht einfach den Kopf mit seinem Lichtschwert ab, oder erwürgte ihn mithilfe der Macht. Dieses Verhalten war ungewöhnlich für Ren. Eine Kleinigkeit, gewiss, aber auch Kleinigkeiten waren von Belangen. Kylo Ren oder Ben Solo war die Ausnahme bei allem. Er agierte außerhalb der Regeln. Ohne jede Disziplin. Hux Blick wanderte von Ren zu Rey und dem seltsamen Fremden, der ihn in eine noch beunruhigendere Stimmung versetzte, als es Ren je gekonnt hätte. Etwas war faul an diesem Kerl.
Beinah unsanft zog der Fremde sie tiefer in die tanzende Menge von verschwitzten Körpern. Seine Hände platzierte er auf ihren Hüften, während er begann sie im Takt der Musik zu bewegen. In der Nähe des Fremden fühlte sich Rey zunehmend unwohler. Die Art, wie er sie ansah, verursachte bei ihr Gänsehaut. Irgendetwas verbarg dieser Mann. Rey erhoffte sich es herauszufinden. Unwillkürlich beugte er sein Gesicht ihrem entgegen, um ihr etwas zu zuflüstern.
,,Du lebst gefährlich kleine Schrottsammlerin. Ich hoffe, das weißt du."
Seine tiefe Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch sie hatte seine Worte genau verstanden. Es war der Tonfall, in welchem er die Worte sprach, der Rey augenblicklich erstarren ließ. Seine Augen durchbohrten sie förmlich, sodass sie den dringenden Drang verspürte Distanz zwischen der potenziellen Gefahr und sich zu bringen. Leider hielt er sie so fest an den Hüften, dass sie nicht entkommen konnte. Beinah verzweifelt sah sie ihm in die Augen. Ihr Herz hämmerte unangenehm gegen ihren Brustkorb. Er wusste, wer sie war. Einen Moment drehte er sie um die eigene Achse, bevor er sie wieder dicht an sich zog.
,,Dieser Planet muss dich sehr an deine Heimat erinnern", sprach er weiter, als würde er sie mit seinen Worten foltern wollen. Am liebsten hätte sie geschrien, so laut, dass ihre Lungen gebrannt hätten, dass er aufhören sollte, doch aus irgendeinem Grund konnte sie es nicht.
Denn erneut versetzten seine Worte ihr einen unerwarteten Stich ins Herz. Die Sonne war genauso gnadenlos, der Sand genauso tückisch und der Wind genauso staubig und trocken wie auf Jakku. Schnell verdrängte Rey die aufkommenden Gedanken, um sich zu konzentrieren.
,,Bist du ein Kopfgeldjäger?", kam schwach über ihre Lippen. In dem Versuch ihn von sich abzulenken.
Seine Mundwinkel hoben sich flüchtig, bevor er beiläufig mit den Schultern zuckte. Seine behandschuheten Fingerspitzen fuhren über Reys Wange. Ein unerwartetes Prickel überzog nun ihre Haut, dort wo er sie berührt hatte. ,,Wenn ich dich hätte töten wollen, hätte ich es bereits getan. Aber alles und jeder ist käuflich."
Diese Aussage beruhigte sie keinesfalls. Eine unangenehme Gänsehaut überzog ihre Arme, ausgelöst durch seine viel zu intime Berührung.
,,Was möchtest du dann von mir?"
Aus der Ferne beobachtete Ben das Schauspiel mit Argusaugen. Seine Hände ballten sich unter dem Tisch zu Fäusten. Ein Gefühl ergriff von ihm Besitz, dass er nicht benennen konnte. Ein Brennen durchzog seine Brust. Dieses Gefühl fühlte sich an wie Salzsäure auf der Haut. Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Dieser Dreckskerl war Rey viel zu nah... viel... viel zu nah.
Wie hatte er nur so dumm sein können dies zuzulassen?
Weil er nicht damit gerechnet hatte, wie besitzergreifend er reagieren würde. Je länger er zusah, desto bewusster wurde es ihm. Vielleicht war es an der Zeit mit Rey über die unklare Situation ihrer Beziehung zu sprechen. Es war zwar unübersehbar, dass sie füreinander mehr als nur Freunde waren. Sie hatten es einander auch mehr als einmal gesagt, doch nie darüber gesprochen, was sie nun waren. Waren sie ein Paar?
Nervös trommelte er mit den Fingern auf dem Tisch. Das Gefühl verebbte einfach nicht. Sein Blick huschte unruhig über die Menge, doch landete er immer wieder bei Rey und dem Fremden. Ob er es wollte oder nicht. Es fühlte sich noch schlimmer, noch bedrohlicher an, wie bei diesem Verräter. In diesem sah Rey nur einen guten Freund, aber bei diesem Kerl konnte Ben einfach nicht einschätzen, was Rey empfand. Durch die Verbindung spürte er gar nichts, als würde Rey ihn absichtlich blockieren. Es war nur ein Verdacht, doch dieser ängstigte ihn. Er hatte Angst davor Rey zu verlieren, wo er sie doch gerade erst für sich gewonnen hatte. Irgendwann ertrug er es einfach nicht mehr länger. Im Bruchteil einer Sekunde war er aufgesprungen und stürmte die Tanzfläche.
So viel zu keine weitere Aufmerksamkeit erregen, dachte sich Hux, während er sich zurücklehnte, um das unterhaltsame Schauspiel zu beobachten.
,,Das reicht!", knurrte Ben, wobei er Rey dem Fremden förmlich entriss.
,,Ben du tust mir weh", versuchte Rey seine Aufmerksamkeit zu erlangen, doch der schmerzhafte Druck um ihr Handgelenk wich nicht. Im Gegenteil. Ben brannte vor Zorn. Etwas unbändiges begann in ihm zu erwachsen, etwas, was Rey ängstigte. Die dunkle Seite in ihm gewann wieder an Macht, weil er sich seinen Gefühlen und dem Zorn hingab. Er ließ sich vollkommen von diesen Emotionen leiten, was ihn gefährlich machte.
,,Ben", flüsterte sie erneut, in Der Hoffnung zu ihm durchzudringen.
Doch noch immer ignorierte er sie, während er den Fremden fixierte.
,,Wir können jetzt mit dem Theater aufhören und du kannst uns endlich verraten, was du wirklich willst, schließlich hast du nicht umsonst den Namen Han Solo erwähnt", sprach Ben gefährlich leise, wobei er einen Schritt auf den Fremden zu machte. Einen Moment sahen sie sich nur stumm in die Augen. Die Luft zwischen den beiden Männern wurde immer dünner. Ein falscher Schritt, eine falsche Bewegung.
,,Mos Eisley zieht seit Langem Raumfahrer, Diebe, Schmuggler und Schurken aller Art und Spezies an und ist stolz, dass sich nirgendwo mehr Abschaum und Verkommenheit versammelt als hier. Also was suchen das meistgesuchte Mädchen der Galaxie und Ben Solo in der Cantina?"
,,Nichts bestimmtes", fuhr Rey dazwischen, bevor Ben auch nur den Mund aufmachen konnte. Mit allen Mitteln wollte sie eine Eskalation der Situation verhindern, also übernahm sie nun das Ruder, auch wenn es Ben nicht zu gefallen schien. Zum Glück begann er vor dem Fremden keinen Streit, auch wenn Rey spürte, dass es dazu kommen würde.
Der Blick des Fremden blieb bei Ben, während er sprach: ,,Süße, lügen ist nicht gerade deine Spezialität. Ich gebe euch nun einen gut gemeinten Rat, verschwindet von hier, bevor die Hölle los bricht. Es gibt noch mehr Menschen, die wissen, wer ihr seid und die sind nicht so nett wie ich."
Ben seufzte tief, als er sich ohne ein Wort abwandte. Sein Blick glitt zu Hux, mit dem er ohne Worte kommunizierte, denn Hux erhob sich, um die Cantina rasch zu verlassen. Er gab es zwar nur ungern zu, doch dieser Kerl hatte recht. Es war dumm gewesen, ausgerechnet hier aufzutauchen. Seine Füße setzten sich in Bewegung. Er wartete nicht auf sie, denn ein Gefühl sagte ihm sie würde ihm noch nicht folgen. Sie hatte hier noch etwas zu erledigen. Es schmerzte tief in seinem Inneren, doch er ließ es geschehen.
Unschlüssig starrte Rey auf Bens Rücken, doch sie konnte ihm nicht folgen. Abermals wandte sie sich zu dem Fremden um.
,,Warum hilfst du uns?"
Den Bruchteil einer Sekunde sah er sie nur an. ,,Vorerst behalte ich meine Motive lieber für mich." Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schon wandte er sich ab, um davonzugehen und in der Menge zu verschwinden.
,,Warte!", rief Rey.
Tatsächlich hielt er inne, um über die Schulter zu ihr zurückzusehen.
,,Verrätst du mir wie du heißt?"
Seine Mundwinkel hoben sich.
,,Baze. Wir werden uns wiedersehen und nun geh."
Ein Tumult brach in der Cantina aus. Nur einen Augenblick sah sie ihm noch stumm an, bevor sie Ben und Hux folgte. Rey kämpfte sich mit den Ellbogen durch die dichtgedrängte Menge bis zum Ausgang. Ein letztes Mal sah sie zurück, doch sie hatte ihn in der Menge verloren. Hastig schlüpfte sie hinaus ins Freie.
Baze, ein ungewöhnlicher Name. Wer er wohl war und was er wollte?
Ein unbestimmtes Gefühl sagte Rey tatsächlich, dass sich ihre Wege bald wieder kreuzen würden. Ob das Gefühl gut oder schlecht war vermochte sie noch nicht zu sagen.
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