Ein Schritt
Rey betrachtete Bens Profil, während dieser die Augen geschlossen hatte. Seine Gesichtszüge wirkten mehr als angespannt. Die Kiefermuskeln waren zum Zerreißen gespannt. Seit ihrem Aufbruch von Mustafar hatte er kein Wort mehr gesprochen. Auch Rey hätte am liebsten ihre Gedanken abgeschaltet, doch sie schaffte es einfach nicht, egal wie sehr sie sich bemühte. Ständig kehrten ihre Gedanken zurück zu dem Massaker, das sie angerichtet hatte. Die Schreie. Die toten verstümmelten Körper. Das Blut. Die grauenhaften Bilder hatten sich unweigerlich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie hatte sich nicht wie sie selbst gefühlt, sondern fremdgesteuert. Einfach von Zorn und Schmerz verzerrt. Sie hatte der Dunkelheit in sich bereitwillig Platz gemacht, um ihr die Führung zu überlassen. Ein kalter Schauer durch lief ihren Körper und ließ sie frösteln.
,,Hör auf darüber nachzudenken. Du kannst es sowieso nicht mehr ändern", vernahm sie seine ruhige, tiefe Stimme.
Wenn es doch nur so einfach wäre.
Von Schuldgefühlen geplagt schlug sie die Lider nieder. Rey hielt ihre Lider auch dann noch geschlossen, als sie seine Schritte vernahm, die auf sie zukamen. Wortlos stand er nun vor ihr, was die stickige Luft in dem winzigen Cockpit zum Sieden brachte. Rey spürte eine plötzliche Hitze in sich aufwallen, nur davon ausgelöst, dass er vor ihr stand. Unruhig begann sie auf ihrer Unterlippe zu kauen. Seine kühlen Fingerspitzen berührten ihre erhitzte Wange, was Rey die Augen aufreißen ließ. Sofort versank sie in den Tiefen seiner braunen Augen.
,,Siehst du, es ist so leicht nicht darüber nachzudenken", murmelte er, wobei sich seine Mundwinkel hoben.
Alleine seine Stimme bescherte ihr Herzrasen. Ihr Atem beschleunigte sich, während sie versuchte sich an seine eben gesagten Worte zu erinnern. ,,Du... du bist geschickt im Ablenken", stammelte sie in vollkommener Verwirrung. In diesem Augenblick wusste sie nicht, wo ihr der Kopf stand. Seine Fingerspitzen fuhren federleicht und träge die Linien ihrer Lippen nach. Diese Berührung ließ Rey erschauern. Sie war Wachs in seinen Händen, ihm völlig verfallen. Jede seiner Bewegungen folgte sie gebannt mit den Augen. Langsam, so als wollte er sie foltern, wanderten seine Fingerspitzen weiter ihren Nacken hinab. Ein unwiderstehliches Kribbeln breitete sich in jedem Zentimeter ihres Körpers aus. Es fühlte sich an, als stünde sie in Flammen. Ihre Finger gruben sich in die Lehne des Sitzes, in dem sie saß. Allmählich beugte er sich zu ihr hinab. Sein Atem streifte ihr Gesicht, was ihr jeglichen klaren Gedanken raubte. Rey dachte in erwartungsvoller Spannung, dass er sie endlich küssen würde, doch das tat er nicht.
,,Weißt du, wie lange ich mir diesen Moment schon ausgemalt habe", flüsterte er dicht an ihrem Ohr. Ihr kam es so vor, als würde er diesen Augenblick auskosten. Ihre Augen waren weit aufgerissen, die Wangen angespannt, der Mund leicht geöffnet. Der Blick, mit dem sie ihn ansah, flehte ihn förmlich an. Aber Ben zog die fieberhafte Spannung noch weiter in die Länge, als er etwas von ihr abrückte. Sofort fehlte ihr die Wärme seiner Nähe, die durch Kälte ersetzt wurde, sodass sie kurz zitterte.
Die Intensität in seinem Blick, als er sie ansah, kam einem lodernden Feuer gleich. Und verdammt, sie wollte sich daran verbrennen. Er streckte ihr seine Hand entgegen, die sie ohne zu zögern ergriff. Endlich zog er sie dicht an seinen Körper, sodass sie sein Herz aufgeregt Schlagen hören konnte. Einen langen Moment sahen sie sich einfach nur in die Augen.
,,Ich genieße jede Sekunde mit dir. Das solltest du wissen."
Dies brauchte er nicht zu sagen, denn sie konnte es durch ihre besondere Verbindung spüren. Das Einzige, an das sie denken konnte, waren seine Lippen. Es war ihr nur zu bewusst, dass er ihre Gedanken lesen konnte, doch sie schämte sich dafür nicht. Eine Tatsache, die sie nie mehr leugnen würde, war wie sehr sie Ben Solo wollte.
Ben war erstaunt, wie offenherzig Rey ihre Gedanken mit ihm teilte. So viel hatte sie ihm bereits gegeben und zu noch viel mehr war sie bereit. Nun hielt er es nicht mehr länger aus. In einem Wimpernschlag überwand er die winzige Distanz zwischen ihren Lippen, um die Vollkommenheit ihrer Verbindung zu zelebrieren. Haut war nicht mehr die Grenze, sie waren nicht mehr weiblichen und männlichen Geschlechts, sie fühlten sich außerhalb ihrer Körper, etwas oberhalb vielmehr, und schwebten irgendwie, Seele an Seele, in einer undeutlichen Zeitdimension. Die Galaxie schien stillzustehen.
Wie viel Zeit wirklich verstrichen war, konnte keiner der beiden schlussendlich sagen. Nun lagen sie Haut an Haut. Seine Finger fuhren zart ihr Rückgrat auf und ab, während sie in seinen Augen versank.
,,Ich hätte mir niemals träumen lassen mit dir einmal auf dem harten Boden des Falken zu landen."
Seine Worte brachten Rey doch wirklich zum Lachen. Ben konnte tatsächlich witzig sein. ,,Ich auch nicht", kicherte sie. Einen Moment später verflog ihr kindischer Schalk und sie wurde wieder ernst. Ihr Blick lag auf seinem Gesicht, während sich ihr Herz nun tonnenschwer anfühlte. Die Frage zu stellen fiel ihr schwer doch sie musste es wissen.
,,Ben, was hast du nun vor?"
Kaum hatte sie ihren Satz beendet schon korrigierte er sie. ,,Wir. Ich lass dich mit Sicherheit nicht mehr aus den Augen." Er stützte sich auf seinen Ellbogen ab, um sie besser ansehen zu können. ,,Wir bitten um die Hilfe deiner Freunde."
Erstaunt starrte sie ihn an. Sie dachte an einen Scherz, aber Bens Miene blieb unverändert. Nicht die kleinste Regung seiner Mundwinkel. Seinen Gesichtszügen sah man an, dass ihm die Worte sichtlich schwergefallen waren. ,,Wenn mir eines bewusst geworden ist, ist es das, dass wir es nicht alleine schaffen. Und ich lasse meinen Stolz sicher nicht dein Todesurteil sein."
,,Wir werden zum Widerstand zurückzukehren? Du und ich?"
Ben nickte, was Rey ihr Glück kaum fassen ließ. Sie würde alles bekommen, was sie sich gewünscht hatte. Ihre Freunde, die zu ihrer Familie geworden waren und Ben.
Da kamen ihr ihre letzten Worte an Finn in den Sinn: Wir werden uns wiedersehen. Daran glaube ich.
Ich liebe dich mehr als Worte je ausdrücken könnten, projizierte sie in seinen Kopf. Seine Mundwinkel hoben sich bedächtig, bevor er zärtlich ihre Stirn mit seinen Lippen berührte.
Diese Geste genügte ihr. Es wäre ihr lieber gewesen, dass sie ihre Zweisamkeit noch eine Ewigkeit auskosten hätten können, den Moment noch ausdehnen könnten, doch die harte Realität, die sich Leben nannte, holte sie wie immer viel zu schnell ein. Er war bereits aufgestanden, um sich anzukleiden, um ihr danach die Hand entgegenzustrecken. Also erhob sie sich mit Bens Hilfe, um dem Widerstand eine Nachricht zukommen zu lassen. Eine gewisse Furcht wohnte ihr inne als sie an die nächsten Schritte dachte. Eine Angst vor der Ablehnung ihrer Freunde, da sie sie abrupt verlassen hatte, weil sie ihr Herz über die offensichtliche Vernunft gestellt hatte... wegen Ben. Unwillkürlich zitterten ihre Finger, was Ben natürlich nicht verborgen blieb.
,,Sie werden dich nicht hassen."
Eigentlich schämte sie sich für diesen Gedanken, denn sie glaubte ja auch nicht daran, aber dennoch erwiderte sie: ,,Woher willst du das wissen?"
,,Weil du du bist", entgegnete er schlicht, bevor er sie mit ihren Gedanken alleine ließ, um sich um die Steuerung und Wartung des Falken zu kümmern.
Der verbleibende Rest des Widerstand nun unter der Führung von Poe Dameron hatte sich auf den Planeten Kashyyyk zurückgezogen. Die Heimatwelt der Wookiees. Die grüne Welt im Mytaranor-Sektor des Mittleren Rands lag an gleich vier viel genutzten Hyperraumrouten und war Standort einer wichtigen HoloNet-Relaisstation. Ein Großteil des Planeten war von üppigen Wäldern bedeckt mit mächtigen Wroshyrbäumen. Die Bäume erreichten schwindelnde Höhen. Die Bereiche, in die kein Tageslicht mehr drang, wurden von seltsamen Kreaturen heimgesucht. Der Vorschlag, diesen Planeten als vorübergehende Basis zu nutzen, war von Chewie gekommen. Poe hatte sich diesen Gedanken eine Weile durch den Kopf gehen lassen, schließlich hatte er sich wegen seiner strategischen Lage dazu entschlossen diesen Planeten auszuwählen. Sie hatten einfach kurzerhand einen Wroshyrbaum in eine gut funktionierende Widerstandsbasis verwandelt. Der Baum mit seinen ausgehöhlten Stämmen, die, wie Felshöhlen, Schutz vor den Elementen und den vielen Raubtieren boten. Auf diese Meisterleistung war Poe wirklich stolz.
Gerade überflog er einige neue Nachrichten, um herauszufinden was die Sith und der klägliche Rest der Ersten Ordnung vorhatten. Es war ziemlich ruhig geworden in der Galaxis, viel zu ruhig, was Poe beunruhigte. Ein energisches Pochen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Schwungvoll wurde die Tür aufgerissen und Kaydel streckte ihren Kopf herein, wobei Poe fast vor Schreck mit samt seinem Stuhl umgekippt wäre. ,,Hast du einen Moment?" Ein breites Grinsen lag auf ihrem Gesicht, welches Poe nicht zu deuten wusste. Freute sie sich etwa ihn zu sehen? Er tat es auf jeden Fall - immer. Mit schnellen Schritten hatte sie den kleinen Raum durchquert, um ihre Handflächen auf den Holztisch zu legen. Noch immer verstand Poe nicht, was sie in so eine gute Laune versetzte, doch seine Neugier war geweckt.
,,Es ist großartig", sagte sie voller Begeisterung.
Poe runzelte verwirrt die Stirn. ,,Was ist großartig?"
Ihr Lächeln wurde noch breiter, während sie sich noch weiter über den Tisch zu ihm vorbeugte. ,,Sie werden zurückkommen."
Beinah hätte er vergessen zu atmen, so nah war sie ihm. Um einen klaren Gedanken fassen zu können, lehnte er sich etwas in seinem Stuhl zurück. ,,Wer?"
Kaydel rollte mit den Augen. ,,Du Dummkopf. Natürlich Rey und Ben. Sie hat Kontakt zu uns aufgenommen und um die Koordinaten gebeten."
Das Rey zurückkam überraschte ihn nicht, aber Ren. ,,Hatte Ren nicht gesagt, er würde sich dem Widerstand nicht anschließen?", wunderte sich Poe über dessen Sinneswandel. Connix legte ihren Kopf schief und schien ernsthaft über seine Worte nachzudenken. ,,Rey sagte nicht, ob sie sich dauerhaft dem Widerstand anschließen würden." Eine kurze Pause entstand, bevor sie hinzufügte: ,,Egal. Sie kommen zurück. Das ist das Einzige, was zählt."
Aus ihrer überschwänglichen Freude heraus drückte sie Poe einen Kuss auf die Wange, um dann auch schon aus dessen Büro zu laufen. Einen perplexen Poe zurücklassend, der die Wange berührte, die sie eben geküsst hatte. Beim hinausgehen wäre Kaydel beinah noch mit Finn zusammengestoßen, der ebenfalls auf dem Weg zu Poe war. Sie strahlte ihn an.
,,Hey Finn. Poe hat gute Neuigkeiten."
,,Ok", war das einzige, was Finn in seiner Verwirrung über ihr seltsames Verhalten herausbrachte. Einen Moment sah er noch ihrer kleiner werdenden Gestalt nach, bevor er durch die Tür trat.
,,Was für ein Tag", murmelte Poe.
,,Was sind den die so guten Neuigkeiten, dass Kaydel am Ausrasten ist?"
Poe sah Finn spitzbübisch an.
,,Nein", brachte Finn ungläubig hervor, wobei Poe sich zufrieden noch tiefer in seinen Stuhl sinken ließ. ,,Doch. Rey kommt zurück."
Rey kommt zurück, wiederholte Finn in seinem Kopf. Noch immer konnte er es nicht fassen. Es war fast ein ganzer Monat vergangen, seit Rey sie so überstürzt verlassen hatte. Eigentlich hatte Finn geglaubt, sie nie wiederzusehen, dass sie sich mit ihm verstecken würde. Doch Rey würde wirklich zurückkommen. Was sie wohl dazu bewogen hatte? War die unsinnige Flamme dieser irrwitzigen Verbindung womöglich erloschen? Dieser Gedanke ließ seine Mundwinkel in die Höhe schnellen. Sag ihr nicht, du hättest es ihr gesagt, machte er sich in Gedanken eine Notiz. Rasch wollte er sich zum Gehen wenden. Es gab noch so viel zu erledigen, bevor sie ankam. Beinah hätte er Poes letzten Worten nicht gelauscht, die ihn abrupt innehalten ließen.
Was hatte Poe Finn wohl noch zu sagen?
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