Ein roter Sonnenuntergang
,,Rey, nein. Ich werde das nicht tun. Erinnerst du dich, dass ich sagte, dass ich dem Widerstand nie helfen werde", sagte er mit einem unnachgiebigen Blick.
Ihre Bitte hatte anfänglich Unglauben in ihm ausgelöst, doch nun wich es einem anderen Gefühl. Er fühlte sich von ihr betrogen. Seit dem Beginn ihrer gemeinsamen Reise, ihrer intensiveren Beziehung wusste Rey, dass er das Vermächtnis seiner Mutter verabscheute. An diese Ideale glaubte er nicht und er würde es nie tun. Ben Solo hatte sich geschworen für den zusammengewürfelten Haufen, der sich noch immer, wie als wäre es ein Rettungsring, an die Ideologie seiner Mutter festklammerte, keinen Finger zu rühren.
In Rey begann Sorge zu wachsen, während sie ihn aufmerksam beobachtete. Dieser Ausdruck auf seinem Gesicht war Rey nur allzu bekannt. Sie wusste genau, was er dachte. Die Wege des Widerstands waren veraltet und viel zu festgefahren, doch genau das war der Grund, warum sie Ben Solo brauchten. Er würde die Sicht eines Außenstehenden einbringen, seine Sicht. Hier konnte er etwas bewirken und verändern. War es nicht das, was er gewollt hatte? Warum verstand er das nicht? Oder verschloss er seine Augen vor dieser Möglichkeit, um sich nicht genauer mit dem Tod seiner Mutter auseinandersetzen zu müssen? Viel hatte er nicht darüber gesprochen, selbst mit ihr nicht. Ben hüllte sich wie üblich in Schweigen.
Aber sie spürte, dass er litt, auch wenn er dies niemals zugeben würde. Dazu stand sein Stolz ihm viel zu sehr im Weg. Für ihn waren Emotionen immer ein Anzeichen von Schwäche gewesen, auch wenn er diese Emotionen nie gänzlich abstreifen konnte. Es war die Bindung zu seinen Eltern gewesen, die dies nicht zugelassen hatte. Er hatte sich nie gänzlich darzubringen können sie zu hassen. Und nun war es sie, welche die verhasste Schwäche in ihm hervorbrachte. Aber Rey war Niemand, der leichtfertig aufgab.
,,Ben, bitte", flehte sie ihn förmlich an. Das Gespräch mit Poe war so gut gelaufen, aber nun war die härtere Nuss zu knacken.
,,Nein", blieb er hart, wobei er demonstrativ die Arme vor der Brust verschränkte.
Langsam kam sie auf in zu, umfasste seinen Unterarm. ,,Sag mir was ich tun kann, um dich zu überzeugen."
In diesem Augenblick fühlte sich Ben zurückversetzt an den Anfang ihrer Reise, als sich Rey schon einmal für den Fortbestand des Widerstands einsetzte, wobei sie sich seiner Gnade auslieferte. In dem Wissen nicht zu wissen, was passieren würde. Seine Handfläche legte sich auf ihren Handrücken jener Hand, die immer noch auf seinem Unterarm ruhte.
,,Nichts", entgegnete er schlicht.
Da kam Rey eine Idee in den Sinn. Ihre Mundwinkel hoben sich, was Ben mit wenig Begeisterung registrierte. Er ahnte, dass sie etwas im Schilde führte und das bedeutete nie etwas Gutes.
,,Wenn ich einen präzisen Schlag in einem Kampf gegen dich landen kann, wirst du dem Widerstand und mir helfen?"
An einen Sieg gegen ihn dachte sie erst gar nicht. Rey wusste, dass Ben in einem Zweikampf ohne Lichtschwert Einsatz oder der Macht stärker war. Für den Bruchteil einer Sekunde rang Ben um Fassung über die Dreistigkeit ihrer absurden Idee. Sie sah zu ihm auf. Ein Schmunzeln lag auf ihren Lippen. Diese Sache brachte ihn wirklich aus der Fassung. Rey liebte ihre unkonventionelle Idee jetzt schon. Allmählich ließ sie ihre Fingerspitzen seinen Arm hinauf wandern, wobei sie sich verschwörerisch auf der Unterlippe herumkaute.
,,Du kannst diesen Vorschlag doch gar nicht ablehnen", flüsterte sie. Obschon sie sich um Bescheidenheit bemühte, konnte er fast spüren, wie die Selbstzufriedenheit von ihr ausstrahlte. Rey glaubte wirklich, dass sie bereits gewonnen hatte, doch so einfach würde er es ihr nicht machen. Er würde kämpfen, doch nicht mit Fäusten, sondern mit Worten.
Abrupt doch bestimmt schob er sie sanft von sich. ,,Oh doch, kann ich."
Ihre Gesichtszüge entgleisten, wobei sich Ben ein Lächeln nicht verkneifen konnte. Der Schock stand ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. ,,Du bist verrückt, wenn du dachtest, dass ich gegen dich kämpfen würde."
Als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte, machte sie einen wütenden Schritt auf ihn zu und hob drohend den Zeigefinger. Ihr Blick furchtlos auf ihn gerichtet, was ihn erschreckender Weise wieder zurück auf die Starkiller-Basis versetzte. Die Bilder in seinem Kopf waren wieder so präsent, dass seine Hand unwillkürlich zur Narbe in seinem Gesicht wanderte.
,,Das störte dich auf der Starkiller-Basis auch nicht."
Da waren die Worte, die er gefürchtet hatte. Der Konter war ein meisterlicher Tiefschlag. Ben suchte nach Worten, während er den Mund öffnete und wieder schloss, doch er fand keine. Er konnte es nicht leugnen, er hatte gegen sie gekämpft, um sie zu testen. Hatte ihre Fähigkeiten am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die Schmach seiner Niederlage lag noch nicht allzu weit zurück. Natürlich hätte er seine Verletzungen, die ihn geschwächt hatten, vorschieben können, um seine Niederlage zu rechtfertigen. Doch das hatte er nicht. Ben würde Reys Stärke und ihren Mut sich ihm entgegenzustellen nicht kleinreden. Dennoch schmerzte ihn die Niederlage noch immer tief, schließlich hatte er sich fälschlicherweise für überlegen gehalten. Am Ende hatte er mit Entsetzen feststellen müssen, dass sie ihm ebenbürtig war.
Sie sah wie verschiedene Emotionen über seine Gesichtszüge huschten. Rey wusste, dass es gemein gewesen war, seine Schwäche für sie gegen ihn zu verwenden, doch er war es, der sie erst dazu brachte. Er brachte sie dazu, wütend auf ihn zu werden, obwohl sie es nicht wollte. Sie hasste es, wenn sie sich stritten oder gar verletzten. Sei es körperlicher Natur oder seelischer. Jede neue Konfrontation würde neue Narben und Blauflecken hinterlassen. Vielleicht war es an ihr einen Schritt auf ihn zuzugehen, um ihm zu zeigen, dass sie ihn verstand. Zumindest versuchte sie seine Gründe zu verstehen, was nicht immer leicht war, weil er sie an seinem Schmerz nicht teilhaben ließ.
,,Vielleicht solltest du dich mit deiner Bitte an Baze wenden", sagte er tonlos.
In dieser Sekunde vergass sie die Idee einer Entschuldigung. Ihr Gehirn schaltete einfach ab, als sie zum Schlag ausholte. Doch wie üblich reagierte Ben blitzschnell und fing ihre Hand ab, bevor sie ihn überhaupt berühren konnte. Eine Intensität lag in seinem Blick, die ihre Haut in Flammen setzte. Einen Moment sahen sie sich nur stumm an.
Ein tiefer Seufzer entwich ihm schließlich. ,,Was willst du damit beweisen?" Eine Verletztheit schwang unterschwellig in seiner Stimme mit, die Rey Schuldgefühle bescherte. ,,Warum ist dir all das so wichtig?", fragte er mit einer ausschweifenden Geste seiner Hand. Sie wusste, dass er den Widerstand meinte. Rey schluckte schwer unter seinem fortwährendem Blick. Es war an der Zeit sich einzugestehen, dass sie einen fatalen Fehler begangen hatte.
,,Weil ich Baze vertraut habe und ich denke, es war ein Fehler, ein großer Fehler. Meinetwegen könnte der Widerstand auseinanderbrechen. Ich habe es an Kaydel und Poe erkannt."
Eigentlich hatte Rey gedacht Ben würde ihr nun an den Kopf werfen, dass er es gewusst hatte und sie gewarnt hatte, doch das tat er nicht. Er tat etwas vollkommen untypisches. Allmählich streckte er seine Hand aus, um seine Handfläche zart gegen ihre Wange zu legen. Automatisch schmiegt sie ihre Wange noch mehr in seine Handfläche. Die Wärme dieser Geste durchflutete jeden noch so winzigen Teil ihres Körpers. Beinah erleichtert seufzte sie auf.
,,Wie kannst du dir nur immer wieder alle Lasten der Galaxis aufbürden?"
Rey schlug ihre Lider nieder, denn sie wusste keine Antwort auf seine Frage. Vielleicht lag es an ihrem Naturell Dinge reparieren zu wollen. Vielleicht lag es daran, dass sie den Widerstand als ihre Familie ansah. Die Einzige, die sie je gekannt hatte. Doch nun war Ben ihre Familie geworden. Der Vater ihres Kindes. Die Liebe, nach der sie sich so lange verzehrt hatte. Er gab sie ihr. Er gab ihr alles, was er zu geben vermochte.
Und was tat sie?
Sie drängte ihn zu Dingen, von denen er nicht überzeugt war. Es waren ihre Überzeugungen, die sie ihm aufdrängen wollte. Aber er musste doch sehen, dass er viel mehr von seiner Mutter hatte als er sich eingestehen wollte. Rey verlangte ja nicht, dass er den Widerstand anführte, sondern lediglich, dass er Poe unter die Arme griff. War ihm das wirklich zuwider?
Einen letzten Versuch wagte Rey als sie ihm bittend in die Augen sah. Unter diesem Blick schmolz seine hartnäckige Abwehr, wie ein Eis in der Sonne.
,,Warum glaubst du plötzlich dich in Baze geirrt zu haben?", fragte er schnell, um sich von ihrem Blick abzulenken. Sein Blick ging ins Nichts.
,,Er machte Andeutungen."
Ben kniff die Augen zusammen. ,,Andeutungen?" Welche Andeutungen?"
,,Über die Jedi, über die Sith und über..." , Rey zögerte kurz, bevor sie viel zu schnell sagte: ,,Über dich."
Für Ben war das keine große Überraschung. Er vermutete dies schon seit ihrer ersten Begegnung auf Tatooine. Doch für Rey war es eine erschreckende Neuigkeit gewesen. Wahrscheinlich, weil ihre Machtsinne nicht so austrainiert waren wie es die seinen waren. Ben hatte für solche Dinge ein feinfühliges Gespür entwickelt.
,,Ich habe es vermutet, seit er den Namen meines Vaters erwähnte."
Ihre Augen weiteten sich. ,,Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?"
,,Weil ich es für belanglos hielt, da ich dachte wir sehen ihn nie wieder. Leider war dem nicht so."
Etwas blitzte in ihren Augen auf. Womöglich eine Erkenntnis. Eine schirre Aufregung ergriff von Reys Körper Besitz, die sie im Raum auf und ab gehen ließ. Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten. ,,Denkst du, es hat etwas mit Han Solo zu tun?"
Desinteressiert zuckte Ben mit den Schultern. ,,Ich habe keine Ahnung, was mein Vater für krumme Dinger in seinem Leben gedreht hat oder wem er dabei in die Quere gekommen ist."
Rey fand die Vorstellung aufregend in der Vergangenheit herumzuwühlen. Viel zu aufregend für Bens Geschmack. Ihm wäre es lieber alte Dinge ruhen zu lassen. Er hatte keinen Bedarf Nachforschungen über die Dinge, die sein Vater getan hatte, anzustellen. Um Rey von der Sache mit Han Solo abzulenken, sagte er widerwillig: ,,Ich werde dem Piloten helfen den Widerstand wieder auf Kurs zu bringen."
Erstaunt blieb Rey mitten im Raum stehen, um zu ihm herumzufahren. Ihre Bitte, die sie an ihn gerichtet hatte, hätte sie beinah vergessen. ,,Wirklich?"
Ben neigte seinen Kopf zu einem Nicken. Augenblicklich verschwand Reys verunsicherter Blick und ihre Mundwinkel hoben sich. Innerlich rieb sich Ben die Hände. Die Ablenkung hatte bestens funktioniert.
,,Wir sollten uns sofort mit Poe zusammensetzen, um die Lage zu besprechen", sprach Rey eifrig, sodass Ben schon jetzt der Kopf zu schwirren begann. Bevor er überhaupt die Chance hatte, irgendwelche Einwände hervorzubringen schob ihn Rey sanft Richtung Tür. Er war es leid gegen ihre leidenschaftliche Sturheit anzukämpfen, also ließ er es einfach geschehen.
Die Gänge der Basis waren verwaist, was auf eine sehr späte Stunde des Tages hindeutete. Normalerweise herrschte hier ein reges Treiben, doch nun herrschte nur vollkommene Stille. Das einzige Geräusch, welches zu hören war, waren ihre Schritte. Insgeheim verfluchte sich Ben gerade, dass er Reys Bitte nun doch Folge leistete. Er hatte keinerlei Ahnung von solchen Dingen und wie er nun genau von Hilfe sein sollte. Bei der Ersten Ordnung war Hux der strategische Planer und Denker gewesen. Beinah war er versucht gewesen, Rey Hux als Hilfe für Poe vorzuschlagen, doch wann immer er versuchte irgendetwas zu sagen, würgte ihn Rey ab. Unzufrieden mit der Situation, in der er sich befand, trottete er ihr mit hängenden Schultern hinterher, wie ein verlorenes Hündchen.
Schließlich endeten sie vor der Bürotür des Piloten. Ohne Umschweife öffnete Rey die Tür, um den Blick auf Poe freizugeben, der hinter seinem Schreibtisch saß mit einem Nudelkarton. Ben konnte es nicht fassen. Gerade sog sich der Pilot genüsslich eine Nudel in den Mund. Am liebsten wäre Ben der Szenearie entflohen, doch das käme ja schon einem Scheitern gleich, obwohl er es nicht einmal versucht hatte. Rasch straffte er die Schultern.
Endlich sah Poe von seinen Nudeln auf. Überraschung lag auf seinen Gesichtszügen, als er Ben entdeckte. Beinah hätte er sich verschluckt. Kurz hustete er, bevor er sich räusperte. ,,Das ging ja schneller als gedacht." Schnell schob er den Nudelkarton beiseite, während Rey und Ben sich auf die Stühle vor dem Schreibtisch setzten. Schon jetzt fühlte sich Ben mehr als unwohl in seiner Haut. Der Drang den Rückzug anzutreten war verdammt groß. Rasch erinnerte er sich daran, dass er es für Rey tat und ausschließlich für sie. Der Widerstand war ihm nach wie vor gleichgültig.
Geräuschvoll kramte Poe in der Schublade des Schreibtisches und beförderte einen dicken Stapel Papier hervor, welches er auf den Tisch knallte. Ben zuckte zusammen, während er verwirrt den Stapel vor sich betrachtete.
,,Das ist alles, was ich in der kurzen Zeit auftreiben konnte", erklärte er, da ihm Bens Blick nicht entgangen war.
Worüber zur Hölle sprach er da? In Bens Kopf spielten sich nur Fragezeichen ab. Sein Blick wanderte unauffällig zu Rey, die mit ernster Miene dasaß. Was wurde hier für ein Spiel gespielt? Allmählich kam Ben der Gedanke, dass Rey ihn über einiges im Dunkeln gelassen hatte oder zumindest an geflunkert hatte.
Mit einem aufmunternden Lächeln schob Poe Ben den Stapel zu. Zögerlich griff er danach, um die ersten Zeilen zu überfliegen, doch er kam nicht weit. Ein Absatz ließ ihn innehalten. Er las ihn erneut, damit er sicher war. Sein Gesicht wurde blass und er erstarrte.
Währenddessen stand Jacen auf einer Klippe auf Dathomir. Sein Blick in die Ferne gerichtet. In dieser Sekunde ging eine scharlachrote Sonne unter. Seine Mundwinkel hoben sich, denn er erkannte die Bedeutung.
Es war ein Vorbote... Nur für was?
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