Das Dunkle in einer Person
Ben war so schnell auf Rey zugesprungen, dass er ihren Sturz auf den Boden verhindern konnte. Mit einer Hand stützte er ihren Kopf, während ihre Lider bereits zu flattern begannen. Ihre Ohnmacht hatte nur ein paar Sekunden gedauert. ,,Ich bin okay", flüsterte sie.
,,Von wege. Du bist um ein Haar mit dem Gesicht auf den Boden geknallt, weißt du das überhaupt?" Er schlang seinen freien Arm unter ihre Knie und hob sie an, damit mehr Blut in ihren Kopf floss. ,,Vielleicht ist es ja keine große Sache, aber du musst dich untersuchen lassen."
Eine kurze Stille trat ein. ,,Und wirst du auf mich hören?"
,,... Wahrscheinlich nicht." Rey versuchte zu lächeln.
Ein dunkler Schatten lag auf seinem Gesicht, und Ben fühlte sich von ihren Worten getroffen wie von einem tatsächlichen Hieb. Wie üblich versuchte Rey die Starke zu spielen. ,,Du musst dich ausruhen. Wirst du wenigstens das versuchen?" Er sprach jetzt sanfter.
Rey starrte zur Decke hinauf. ,,Ich kenne meine Grenzen." Gerade als Ben protestierend den Mund öffnete, fuhr ihm Rey dazwischen. ,,Und wage es bloß nicht etwas anderes zu sagen."
,,Rey, komm schon." Er setzte sich neben ihr auf den Boden. ,,Du bist schwanger. Wie willst du da deine Grenzen kennen?"
Ein Teil von ihr wollte sich ärgern über seine Sorge. Aber in erster Linie rührte es sie. Genau deshalb wusste nur Kaydel von ihrer Schwangerschaft - weil sie nicht behandelt werden wollte wie ein empfindliches Schmuckstück, das unter der geringsten Berührung zerbrechen konnte. Kaydel war klug genug gewesen, das nicht zu tun, und das hieß, Ben war der Erste, der so beschützend um sie herumwuselte. Eigentlich fand Rey das ganz süß. Im Moment konnte sie süß allerdings nicht gebrauchen. Sie musste taff und abgebrüht rüberkommen, zu allem bereit.
,,Ich schaff das schon."
Und was wenn du wieder zusammenklappst? Was passiert dann? Ihm fielen ein Dutzend weitere Einwände ein, aber er schaffte es nicht, mit ihr zu streiten, während sie noch immer ganz schwach war. ,,Du schläfst jetzt ein wenig, ja?"
,,Das werde ich. Versprochen. Ich muss ja schließlich in Form bleiben."
Ben wusste nicht, wer wen zuerst umarmte, aber sie hielten sich so lange aneinander fest, dass es auch egal war. Unschlüssig starrten sie einander nun an.
,,Das kann ich nicht machen", seufzte er. Bens Innerstes sträubte sich mit jeder Faser. ,,Dich hier alleine zurücklassen."
Rey schloss die Augen und atmete tief ein. War ihr schwindlig? Aber gerade als Ben sich zu ihr herüberlehnte, schlug sie die Augen wieder auf, und ihr Blick war klar und konzentriert. ,,Du musst."
Das verschlug Ben die Sprache. Er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. ,,Wenn wir das tun..."
,,Hast du Angst davor, Verantwortung für dein Tun zu übernehmen?", fuhr Rey ihn plötzlich an.
,,Nein, ich habe Angst, dass du dabei sterben könntest."
Sie lächelte über seine Worte. Rey fürchtete sich nicht vor dem Scheitern oder dem Tod, den sie ins Auge blicken könnte. Allmählich streckte sie ihre Finger nach seiner Wange aus, um sie zärtlich zu berühren. ,,Ben Solo - halb Skywalker, halb Vader, immer Solo."
Als Rey sich an die Schläfe fasste und zusammenzuckte, schrak Ben auf. ,,Bist du in Ordnung?"
,,Mir geht es gut. Ich habe nur Kopfschmerzen." Dann funkelte sie ihn an und zeigte mit dem Finger auf ihn. ,,Und hör endlich auf, wegen meines Zustands so überzureagieren. Klar?"
Ben zwang sich, sich zu entspannen. Doch bevor er etwas unsinniges erwidern konnte, was er mit Sicherheit wollte, denn er öffnete bereits den Mund, verschloss sie seine Lippen mit einem Kuss. An das überwältigende Gefühl seiner weichen Lippen, die sich im Einklang auf den ihren bewegten, würde sich Rey nie gewöhnen können. Ihre Finger, die sich in seine seidigen Locken gruben, während sie ihren Körper noch enger an seinen presste, um den ihm eigenen Duft seiner Haut einzuatmen. In diesen berauschenden Empfindungen ließ sie sich fallen wie auf ein Kissen.
,,Du schaffst es immer noch mich zu überraschen", sagte Ben mit belegter Stimme, wobei er mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr.
,,Das Schlimmste ist vorbei. Ich komme schon zurecht", versuchte Rey sowohl Ben als auch sich selbst zu überzeugen.
Seine Miene wurde ernst, als er nach ihrer Hand griff. ,,Manche Dinge ändern sich nie." Die Wärme seiner Hand war fort, als er sich erhob, um mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf sie den Raum zu verlassen.
Eine Weile nachdem Ben fort gegangen war, raffte sich nun auch Rey auf, um vom ungemütlichen Boden aufzustehen. Beim Aufstehen erfasste sie ein kurzer Schwindel, den sie vermochte abzuschütteln. Ein wenig zittrig ließ sie sich auf das Bett plumsen. Ihre Glieder schmerzten. Ihr Blick glitt zu ihrem flachen Bauch, den sie eine zeitlang stumm betrachtete. Eigentlich hatte Rey sich eine beginnende Schwangerschaft nicht so kräftezehrend vorgestellt. Irgendwie wurde ihr schon jetzt mulmig zumute, wenn sie an die nächsten Monate dachte, die vor ihr lagen. An einem bestimmten Zeitpunkt würde sie ihren Zustand nicht mehr verheimlichen können. Rasch schob sie das Gefühl so gut sie konnte beiseite.
Obwohl sich Finn lange für diesen Besuch gewappnet hatte, ging er den Weg doch mit bangem Herzen. Seitdem Rey zurückgekehrt war, hatten sie noch keinerlei Gelegenheit gehabt wirklich zu reden. Als er sein Ziel erreichte, hielt er einen Moment inne, um sein Hemd zu glätten, tat ein paar Atemzüge, dann trat er vor, damit die Türhälften aufglitten und ihn einließen.
,,Finn." Sie stand nicht auf um ihn zu begrüßen, was Finn resigniert zur Kenntnis nahm.
,,Ich bin hier, um mit dir zu sprechen", sagte er förmlich. Dann ergänzte er etwas leiser: ,,Wenn du mich sehen möchtest."
Abwartend sah er sie an. Er spürte, dass seine Handflächen feucht waren. Es hatte ihm nicht an Mut gefehlt ihr gegenüber zu treten, sondern an Verständnis. Nachdem er von ihren Gefühlen für Ren erfahren hatte, war es ihm wochenlang schwergefallen, sie auch nur direkt anzusehen. Doch wenn er sie jetzt ansah, sah er dieselbe Person, die er kennen und schätzen gelernt hatte.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Blick schien durch ihn hindurchzugehen, und Finn konnte sich nicht vorstellen, was sie sah. ,,Ich hätte nicht erwartet, dass du kommen würdest." Erleichterung erfasste ihn ihre Worte klangen nicht nach einer Abfuhr.
,,Weil ich viel zu schnell davongelaufen bin. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich habe in der Zwischenzeit als du fort warst darüber nachgedacht, wie sehr ich dich bewundere und mir ist klar geworden, dass ich dich noch immer für einen guten Menschen halte und das ich dich wirklich vermisst habe. Meine Worte waren ehrlich gemeint. Ich wollte, dass du das weißt, schließlich hatte ich auf der Feier nicht wirklich die Gelegenheit mit dir zu reden."
,,Ich verstehe." Rey sprach sanft, während sich ein Lächeln auf ihre Lippen stahl. ,,Ich habe dich immer verstanden."
,,Das bedeutet mir sehr viel." Finn kam nun auf sie zu, um ihre Hand zu drücken. ,, Es tut mir leid leid, wegen des Traras." Er ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder.
Rey musste lachen. ,,Du bist der Einzige in der Galaxis, der das, was geschehen ist als Trara bezeichnen würde."
,,Und deshalb magst du mich so, nicht wahr?"
Ihr Lächeln schwand. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf, während sie seine Hand fester drückte. Es war an der Zeit mit dem Lügen aufzuhören, zumindest was Finn betraf. Doch es fiel ihr schwerer als gedacht. Ein zweimal holte sie tief Luft, um ihren Mut nicht zu verlieren, wobei Finn sie verwirrt ansah.
,,Ich... ich weiß nicht", begann sie stockend. ,,... ob du mich nachdem gesagten noch genauso sehen wirst wie zuvor." Es war eine Sache, dass er nun ihrer Beziehung zu Ben Akzeptanz entgegenbrachte, doch eine Andere, ob er auch ein Kind billigen würde. Rey hatte bereits mit dem Gedanken gespielt den Widerstand frühzeitig zu verlassen, dass ihr kleines Geheimnis eines bleiben würde. Aber Finn schuldete sie Ehrlichkeit, auch wenn es bedeuten könnte, dass er sich gegen sie wenden könnte. Am Ende blieb es immer ihre Entscheidung... und die von Ben.
,,Rey dein Herumgedruckse macht mir Angst", sagte Finn in die Stille. ,,Es gibt nichts, was meine Meinung über dich noch ändern könnte."
,,Ich bin schwanger", sagte sie so schnell, dass Finn ihr erst nicht folgen konnte.
Nun herrschte eine absolute totenstille in dem Raum. Allmählich drangen ihre Worte bis zu seinem Gehirn vor. Sein Mund öffnete sich, doch fehlten ihm die Worte. Er blinzelte, wobei er ihr seine Hand entzog. Rey hatte es erwartet, aber der Schmerz war deswegen nicht geringer. Rasch kämpfte sie gegen die aufsteigenden Tränen an, als sie murmelte: ,,Ich hätte es dir nicht sagen sollen."
,,Ein Baby", sagte Finn wie in Trance. Das Kind eines Verbrechers, eines Mörders. Abrupt stand er auf. Die Gedanken, die sich in seinem Kopf breit machten, ertrug er nicht. ,,Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Er begann im Raum auf und abzulaufen. ,,Ich weiß nicht, was du erwartet hast wie ich reagieren sollte." Eine kurze Pause entstand, bevor er hastig fortfuhr: ,,Wie lange seid ihr nun ein Paar? Findest du nicht, dass ein Baby etwas überstürzt ist? Was wenn es zwischen euch nicht funktioniert?"
Von all seinen Fragen schwirrte ihr bereits der Kopf. In der gähnenden Leere ihres Kopfes suchte sie verzweifelt nach den passenden Antworten auf seine Fragen. Doch eigentlich war ihr bewusst, dass es jene nicht gab.
Währenddessen wütete Finn einfach weiter: ,,Hast du wirklich geglaubt, ich würde dir um den Hals fallen, um dir zu gratulieren, dass du das Kind eines verdammten Mörders austrägst." Mit jedem Wort wurde seine Stimme nur noch lauter. Über Reys Wangen rannen bereits Tränenströme, die ihr die Sicht raubten. Ihr wurde schmerzlich klar, dass ihre Entscheidung Finn ihr Geheimnis anzuvertrauen falsch gewesen war.
Diese Szene war in ihrer Ursprungsform ein Startpunkt und ein Endpunkt. Oder die Verbindung zwischen einem Gedanken oder einer Hoffnung, dass sich etwas in eine bestimmte Richtung entwickelt, aber sich ins Gegenteil kehrte.
Finns Nasenflügel begannen zu beben, was Rey ängstigte. Noch nie hatte sie den umgänglichen Finn in dem Zustand solch einer unberechenbaren Wut gesehen. Und sie konnte nicht abstreiten, dass sie der Grund dafür war. Nun bewertete er die Situation mit Sicherheit anders. Es gab doch etwas, was seine Meinung über sie änderte. Sie zwang ihn förmlich mit ihrem Handeln zu einer Entscheidung.
Warum musste sie immer die Dinge verändern, warum konnte sie nie etwas lassen, wie es war?!
Endlich richtete er seinen Blick wieder auf Rey. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals unter seinem undeutbaren Blick. Seine Lippen öffneten sich und die Worte, die daraus hervordrangen, ließen sie erstarren.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro