Kapitel 21
H A R R Y
„Voilà."
Mit Genugtuung beobachtete ich, wie Adam einen ungeschickten Satz nach vorne machen musste, um das von Zayn geworfene Bündel aus Papieren und Geldscheinen davor zu bewahren, irreparabel in eine bräunliche Pfütze aus Regenwasser und Dreck zu segeln.
Seine Mundwinkel zuckten im Anflug eines zufriedenen Lächelns, während er die Dokumente und den Packen Geld flüchtig studierte und die braune Papiertüte dann einem seiner beiden Kollegen, die sich wie Bodyguards mit finsteren Gesichtern links und rechts hinter ihm posiert hatten, in die Pranken drückte.
„Also gut." Zayn trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Wie konnte dieser Mann so dermaßen ruhig sein? Adam hatte den Menschen, den Zayn liebte, mehr oder weniger in seiner Gewalt und wir befanden uns gerade mehr oder weniger dabei, die Erpresserforderung zu erfüllen, ganz der Willkür dieser zwielichtigen Leute ausgeliefert. Sie könnten das Geld und die Daten auf den Papierbögen einsacken, uns alle drei hier und jetzt erschießen und dann mit Bobby Horans Einsatzteam von innen heraus kurzen Prozess machen.
Nachdenklich kniff ich die Augen zusammen, während ich beobachtete, wie Adam und Zayn einander taxierten. Adam brauchte uns offenbar also noch für irgendetwas.
Mein Verdacht bestätigte sich keine fünf Sekunden später, als Adam gespielt peinlich berührt mit den Schuhen über den nassen Schotterboden der Baustelle scharrte, auf der wir uns weit außerhalb der Stadt im Industriegebiet wie eine bizarre Abordnung versammelt hatten.
Die letzte direkte Konfrontation war nur eineinhalb Tage her, aber mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Nach langen Diskussionen mit einem wütenden Louis, dessen Hass auf mich sich unwiederrufbar in ihm verfestigt zu haben schien, hatte Zayn sich schließlich innerlich zerrissen dafür entschieden, Adams materiellen Forderungen nachzukommen. Auch wenn das bedeutete, dass ab dem heutigen Tag sämtliche Einsatzkommandos in Gefahr waren, konnte ich seine Entscheidung nachvollziehen. Wir alle wussten, dass Adam absolut unbarmherzig war. Wenn er sagte, dass seine eingeschleusten Leute Niall bei Verweigerung seiner Forderung töten würden, würde seine Drohung auch wirklich wahrmachen.
„Ich bin untröstlich, Zayn, aber ich befürchte, es gäbe da noch eine Kleinigkeit, die ich dringend brauche." Er fletschte die Zähne zu einem Grinsen. „Und die kannst nur du mir liefern."
Von kaum erträglicher Nervosität geplagt kaute ich auf meiner Unterlippe. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Louis' Finger in Richtung seiner Pistole zuckten, die er unter seiner Jacke sorgfältig versteckt hinten in den Bund seiner Jeans geschoben hatte. Sein Kiefer war so angespannt, dass ich seine aufeinander malmenden Zähne wortwörtlich hören konnte.
Ich wusste, dass Louis meinen Blick auf sich spürte, doch er ließ sich nichts anmerken, seine Aufmerksamkeit vollkommen auf die abartige Verhandlung vor uns fokussiert.
Der Stich der Verletztheit traf mich unerwartet.
Hatte ich tatsächlich gedacht, Louis und ich könnten so etwas wie Freunde werden? Natürlich konnte man nicht gerade behaupten, dass wir uns wie zwei beste Kumpel so mir nichts, dir nichts gefunden hätten, aber tatsächlich hatte ich irgendwann im Laufe unseres Trips festgestellt, dass ich ihm vertraute. Das hätte mich eigentlich mehr als alles andere verstören sollen, immerhin war er ein gesuchter Verbrecher, der mich bei der erstbesten Gelegenheit als Geisel genommen hatte, aber merkwürdigerweise schien diese Tatsache für mich vollkommen in Ordnung zu sein. Niemals würde ich das laut zugeben, aber ich fühlte mich diesen Leuten mittlerweile so zugehörig, dass ich schon seit geraumer Zeit keinen Gedanken mehr daran verschwendete, wie ich mich am besten aus dem Staub machen könnte. Zayns Achtsamkeit dahingehend schien ohnehin beträchtlich nachgelassen zu haben.
Die von Louis ursprünglich auch, aber seit dem Zwischenfall mit Liams Alleingang ... Louis glaubte nach wie vor, dass ich ebenfalls etwas damit zu tun gehabt hatte.
Und diese Tatsache schmerzte mich in einem verblüffenden Ausmaß.
„Nun ..." Adam setzte sich gemächlich in Bewegung, um zwischen uns und seinen Schlägertypen auf und ab zu schlendern. „Wie du weißt, vermisse ich einige meiner engsten Freunde. Du weißt schon. Die, die du und dein nervtötender Polizistenliebling in den Knast habt wandern lassen."
Fast hätte ich frustriert aufgestöhnt. Ich hatte den Verdacht ja bereits angesprochen, aber dennoch inständig darauf gehofft, dass er sich nicht bewahrheiten würde. Es war klar, wohin diese neue Forderung führen würde – und wir konnten nichts dagegen tun, sofern wir nicht Nialls Leben aufs Spiel setzen wollten.
Zayns Hände ballten sich zu Fäusten, als ihm ebenfalls aufzugehen schien, was als nächstes kommen würde.
„Ich möchte meine Freunde zurück, Zayn. Das verstehst du doch sicherlich. Aber dazu muss ich irgendwie mit Bobby Horan kooperieren können."
Zayn biss die Zähne zusammen und stieß ein Schnauben aus. „Du hast Leute direkt an der Quelle. Ist das nicht Kooperationsgrundlage genug?"
Adam winkte ungeduldig ab. „Würde das funktionieren, stünden wir nun nicht hier. Ich muss diesem Idioten irgendetwas anbieten, das er mehr möchte als alles andere." Seine Augen funkelten unheilvoll. „Dich."
„Seid ihr bekloppt?", platzte es aus mir heraus, bevor ich mein loses Mundwerk unter Kontrolle bringen konnte. „Das ist vollkommener Schwachsinn. Wenn ihr glaubt, die Einsatzleitung lässt eine Horde gemeingefährlicher Häftlinge einfach so laufen, um einen einzigen anderen dafür einzubuchten, seid ihr dümmer als ihr ausseht."
Unwillkürlich zog ich den Kopf ein, als sich Adams mörderischer Blick das erste Mal an diesem Abend auf mich herabsenkte. Irgendetwas an der Art, in der er mich musterte, ließ mich frösteln. Berechnend. Kalt. Verächtlich.
„Harry Styles", sagte er schließlich gedehnt. „Das jüngste von Horans Schafherde. Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal persönlich unterhalten haben."
„Und ich glaube nicht, dadurch sonderlich viel verpasst zu haben." Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen, als mich auch schon ein wütender Ellbogenstoß von Louis zwischen die Rippen traf. Wenn mein Mund weiterhin ohne Absprache mit meinem Gehirn vorpreschte, würde uns Adam womöglich doch noch umlegen, einfach weil er von meiner großen Klappe genervt war.
Zu meiner Überraschung lachte Adam nur herzlich, und das offenbar ganz und gar ehrlich. „Gut, ich kann sehen, warum du ins Schema seines Teams passt. Und in das von Zayn." Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und beendete seinen fröhlich-lockeren Bekanntschafts-Exkurs mit einem resoluten Räuspern. „Sieht ganz so aus, als würdest du deinen Boss nicht so gut kennen, wie du es vielleicht denkst."
Seine Lippen verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. „Der Gute arbeitet immerhin mittlerweile ja sogar mit guten Bekannten von mir zusammen, um Zayn Malik in die Finger zu kriegen. Glaub mir, wenn ich ihm zusichere, dass sich seine Wege mit meinen Leuten nicht mehr kreuzen werden, wenn er sich auf einen ... netten Tausch einlässt, wird er sich den Deal sichern."
Zornig knirschte ich mit den Zähnen. „Du lügst. Die Horans würden niemals freiwillig mit Kriminellen zusammenarbeiten."
„Wirklich?" Adam schnippte einen Fussel von der Schulterpartie seines irritierend eleganten Mantels, bevor er in einer präsentierenden Geste die Arme ausbreitete. „Das lebende Beispiel steht vor dir. Ach, kommt schon. Der Deal wäre simpel. Ich sorge dafür, dass Zayn sich ausliefert und Horan ihn in seinem netten Kämmerchen im Kaufhaus einsperren kann, im Gegenzug ermöglicht der große Boss zwei guten Freunden von mir den Weg in die Freiheit. Ich freue mich, weil ich ein paar großartige Leute mehr habe und mich mit dir nicht mehr herumschlagen muss, Horan freut sich, seinen Lebenszweck erfüllen und dich aus dem Leben seines Sohnes streichen zu können. Wenn das mal keine Win-win-Situation ist!"
Im nächsten Moment wurde sein Blick steinhart. „Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit, Malik. Morgen Nacht um die gleiche Zeit werde ich wieder genau hier stehen. Tauchst du nicht auf, stirbt dein Lover. Kommst du der Forderung nach, ziehe ich meine Leute aus dem Team ab und der Rest deiner Möchtegern-Gang kann in Frieden sein Dasein fristen."
„Ihr gottverdammten Wichser!" Louis machte einen zornigen Satz nach vorne, die entsicherte Pistole in den Händen, doch Zayn packte ihn in einem schnellen Reflex am Arm und zerrte ihn zurück. Ungläubig sah Louis zwischen ihm und dem noch immer dreckig lächelnden Adam hin und her. Seine Hände bebten vor Adrenalin, das ihm zweifelsohne in kräften Stößen durch die Adern pumpte. „Das kann doch nicht dein Ernst sein. Zayn! Dieser miese, hinterhältige, dreckige ..."
Adam gähnte gelangweilt.
Louis packte Zayn an den Schultern, während seine weit aufgerissenen Augen dessen Gesicht nach irgendeiner Regung absuchten, die verriet, dass er einen Plan hatte, wie er sich aus diesem Teufelspakt winden konnte. „Zayn. Das ist nicht akzeptabel."
Zayns Blick ließ den von Adam nicht los. „Vierundzwanzig Stunden", entgegnete er nur. Die Ruhe in seiner Stimme klang wie die vor einem schrecklichen Sturm. „Du wirst von mir hören."
Mit diesen Worten löste er scheinbar ungerührt Louis' Griff von seinen Schultern, wobei er dessen Verzweiflung vollends ignorierte, drehte sich um und stapfte im Licht der Scheinwerfer von Adams Wagen zurück zu unserem eigenen Fahrzeug.
Schweigen machte sich breit.
Zayn sagte nichts, als er sich anschnallte, den Motor anließ und den Wagen von der Baustelle auf die Straße stadteinwärts lenkte. Er sagte auch nichts, als Louis' eindringlicher Blick schon längst Löcher in seine Haut gebohrt haben musste.
Die Ernüchterung war greifbar.
„Wo fahren wir hin?", wagte ich es schließlich, die beißende Stille zu unterbrechen.
Zayn umfasste das Lenkrad fester. „Zur Zentrale der Horans."
„WAS?", schrien Louis und ich unisono.
Louis sah aus, als hätte er seinem besten Freund am liebsten den Hals umgedreht und ihn anschließend vorsichtshalber noch erschossen. „Spinnst du jetzt komplett? Wenn du da auch nur einen Fuß über die Schwelle setzt, sitzt du dein Leben lang hinter Gittern!"
Zayn schüttelte bitter lachend den Kopf. „Hast du ihn nicht gehört? Die Gitter kriege ich so und so. Dann tue ich es lieber mit Würde und ohne den Nebeneffekt, dass Adam ein paar mordslustige Schoßhündchen direkt aus dem Knast zugespielt bekommt."
Ungerührt überfuhr er eine rote Ampel auf einer verlassenen Kreuzung. „Ich warne ihn vor Adams Maulwürfen, sage ihm, wo er morgen Nacht Adam finden und verhaften kann, und liefere mich aus. Dann hat diese Sache ein Ende. Ein für allemal."
Sogar in der Dunkelheit der nächtlichen Stadt konnte ich sehen, wie er zitternd Luft holte. „Niall ist ohne mich ohnehin besser dran. Ich bringe ihn nur ständig zwischen die Fronten. Es wird höchste Zeit, dass ich mich meinem Karma stelle."
"Komm mir nicht mit Karma!", brüllte Louis ihn an.
Vollkommen von diesem Statement erschlagen lehnte ich mich auf dem Rücksitz zurück. Den entbrennenden Streit auf den beiden vorderen Sitzen blendete ich komplett aus, ebenso die Tatsache, dass Louis seinem besten Freund mitten unterm Fahren einen spontanen Faustschlag ins Gesicht versetzte und anschließend tatsächlich in wütende, frustrierte Tränen ausbrach.
Wenn die Malik-Gang nicht zuvor schon erledigt gewesen war, dann war sie es spätestens jetzt endgültig.
Zayn Malik würde noch heute Nacht verhaftet werden.
Und es gab wohl nichts, was irgendjemand nochdagegen tun könnte
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Get ready for action *-*
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