Kapitel 16
Z A Y N
Die ganze Zeit über, in der wir unterwegs waren, musste ich mir das Gestreite der anderen beiden anhören. Harry beschwerte sich über Louis Fahrweise, Louis' beschwerte sich über Harrys endlose Kommentare, Harry beschwerte sich, dass er von Rücksitz aus nichts sah, Louis beschwerte sich, dass Harry atmete, und so weiter und so fort. Wäre diese Sache hier nicht von solcher Wichtigkeit gewesen, hätte ich ihre Köpfe zuerst aneinander und dann gegen ein Fenster gehauen.
„Haltet mal beide die Fresse", herrschte ich sie an, bevor Louis sich die nächste Beschwerde einfallen lassen konnte. „Einer muss das Fluchtfahrzeug fahren. Wir lassen es ein kleines Stück zurück, damit sie nicht sofort wissen, dass wir mit dem Auto hier sind. Aber wenn es brenzlig wird, müssen wir sofort abhauen können. Falls ihr es nicht gemerkt habt, sind wir nur zu dritt, während Adam wahrscheinlich mit versammelter Mannschaft anrückt.
Die beiden sahen sich an, dann antwortete Louis ungerührt: „Entweder machst du es, Zayn, oder gar keiner. Wenn einer von uns im Auto zurückbleibt, sind wir wieder genauso weit wie zu Beginn der verdammten Diskussion. Ein verletzter Gangleader und ein einziger verteidigungsfähiger Mann sind zu wenig für einen Kampf gegen dreißig Mordmaschinen."
Am liebsten hätte ich eine bockige Schnute gezogen und die Arme verschränkt. Vor allem, weil er zu allem Überfluss recht hatte. Aber mal im Ernst: Eine Krisenversammlung mit dem Feind ohne den Anführer war doch wohl ein Witz. Das konnte ich nicht bringen. Wir hätten ihn einfach vor einen Lastwagen stoßen sollen, als wir noch die Gelegenheit dazu hatten. „Okay." Mein Seufzen kam aus tiefstem Herzensgrunde. „Wir stellen den Wagen eine Straße weiter ab. Also ..." Ich warf einen Blick aus dem Fenster. „Genau hier."
Wie auf Kommando vollführte Louis eine seiner berüchtigten Vollbremsungen, sodass Harry, der sich zeitgleich voller Elan abgeschnallt hatte, mit einem überraschten „Ufff" mit dem Gesicht voraus im Stoff der Fahrersitzlehne landete. Selbstverständlicherweise entging mir das Grinsen nicht, das Louis' Lippen umspielte, bevor ich kopfschüttelnd die Beifahrertür öffnete und mich mit wachsamem Blick auf die Straße drückte. Nirgends rührte sich etwas – die Luft schien rein zu sein, auch wenn mein Instinkt mir unweigerlich klarmachte, dass sich in unmittelbarer Nähe Gefahr befand. Aber was blieb uns schon anderes übrig? Ein Rückzieher wäre unakzeptabel.
„Alles klar, Z?" Louis' Waffe gab das vertraute Klicken von sich, als dieser sie entsicherte. „Fertig für das Wortgefecht?"
„Immer doch." Äußerlich gelassen tastete ich nach meiner eigenen Schusswaffe und spürte bei der Berührung des kalten Metalls sofort die Ruhe durch meinen Körper fließen. Es war eine seltsame Angewohnheit von mir, mich immer zu vergewissern, dass ich bewaffnet war – dieses Wissen gab mir die Sicherheit, mich immer und überall gegen jeden verteidigen zu können. Ohne eine Waffe fühlte ich mich entblößt und der Welt schutzlos preisgegeben. Das war ein weiterer Unterschied zwischen meinem Vater und mir: Für ihn bedeutete eine Waffe Mord und Verletzung, für mich Schutz und Sicherheit. Tja. Jedem das Seine.
Ich drehte mich zu Harry um, der in einigem Abstand hinter uns stehen geblieben war, als wollte er den Moment zwischen zwei langjährigen Freunden nicht zerstören. So ungern ich es zugab, dieser Junge wurde mir immer sympathischer. Für einen Polizisten aus dem Einsatzteam von Nialls Vater war er schwer in Ordnung. Solche Leute könnte ich in meiner Gang mehr als dringend gebrauchen.
Und Louis mochte ihn. Das war zwar seltsam, aber eine nicht übersehbare Tatsache. Louis war normalerweise zu jedem Polizisten ein Drohungen ausstoßender absoluter Vollmacho, aber irgendwie schien dieser Einsatzteamknirps seine Sympathie geweckt zu haben – auch wenn das angesichts der Zankerei auf den ersten Blick nicht so erschien, aber wer Louis kannte, wusste, dass er sich GANZ anders verhielt, wenn er jemanden wirklich nicht riechen konnte.
Als ich ihm die Andeutung eines Lächelns schenkte, entging mir der Ausdruck des Unglaubens in seinen Augen nicht (WOOOOW, Zayn Malik, der gefürchtete Gangleader konnte lächeln!), bevor er dieses mit einem Nicken zögerlich erwiderte. Hatte ich nun mit einem Polizisten Frieden geschlossen? Offensichtlich, denn Louis fletschte die Zähne zu einer seiner breiten Grinsversionen und hätte mir aus Versehen kumpelhaft genau auf die schmerzende Schulter geschlagen, wäre ich nicht in Deckung gegangen. „Louis, ich bin zur Zeit aus Zucker!"
„Na dann." Anzüglich wackelte er mit den Augenbrauen. „Dann hat Niall wenigstens was Süßes zu schlecken."
„Du bist ein absoluter Hornochse." Fast hätte ich mir an die Stirn gefasst. „Lass uns gehen. Bevor dieser Armleuchter meint, wir kommen nicht mehr."
Als wir an gefordertem Treffpunkt angekommen waren, standen wir für eine Weile blöderweise in der Weltschicht herum, bevor jemand so plötzlich aus einer finsteren Ecke hervorsprang, dass wir alle drei im Reflex unsere Waffen zückten und sie auf den Neuankömmling richteten. Dieser gab schallendes Gelächter von sich, während er beschwichtigend die Hände mit den Handflächen nach vorn in die Höhe hob und ins Licht der Straßenlampe trat.
Adam. Wer sonst.
„Woah. Keine Panik, Zaynie. Kein Grund, mich mit euren mittelmäßigen Pistölchen zu bedrohen." Scheinbar desinteressiert scharrte er mit seinen zerlatschten Turnschuhen am Boden. „Wir sind doch alle aus freien Stücken und mit friedlichen Absichten hier, oder?" Seine Stimme troff nur so vor Verachtung und Spott. Wäre Niall hier, hätte er mir jetzt leise „Arschloch" ins Ohr geraunt.
„So ein Arschloch", kam es prompt von Harry, der mit Louis einen Schritt hinter mir stand, und ich musste mir trotz der ernsten Lage ein Grinsen verkneifen. Langsam sollte ich mir wirklich um meinen Geisteszustand Sorgen machen.
„Dessen bin ich mir sicher." Ich trat einige Schritte vor, um nicht den Anschein zu erwecken, ich versteckte mich in der Rückendeckung meiner Gefährten. „Dann sprich. Was ist der Grund, dass du dich zum Entschluss einer friedlichen Verhandlung aufraffen konntest?"
Adam zuckte die Schultern. „Ich habe keinen Bock mehr, euch wie die feigen Schweine, die ihr seid, zu verfolgen. Am Ende wird noch irgendjemand erschossen." Seine Augen funkelten gefährlich. „Und zwar richtig."
Ich versuchte, die Andeutung auf seinen Mordversuch auf Niall zu ignorieren, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich innerlich vor Wut zu kochen begann. Ich hatte keineswegs vergessen, dass dieser Mensch, der genau in dieser Sekunde vor mir stand, Niall zu töten versucht hatte. „Schön." Meine Stimme klang so herausgewürgt wie sie tatsächlich war. „Was ist also dein Vorschlag?"
Adam zeigte wieder seine überraschend weißen Zähne. „Das Geld, das dein Vater hinterlassen hat."
Ich schmälerte die Augen. Niemals ging es Adam nur um Geld, auch wenn eine Herausgabe des Erbes einen erheblichen Einschnitt in die Finanzen der Gang darstellen würde. Unauffällig ließ ich den Blick zwischen den dunklen Umrissen der Gebäude herumwandern. Ebenso unmöglich war es, dass Adam allein hergekommen war, wie es den Anschein hatte. Gewiss lauerten in jeder Ecke ein paar seiner Leute, die zweifellos die Waffen auf uns gerichtet hielten. „Das ist nicht alles, stimmt's? Typen wie du kriegen nie genug."
„Typen wie ich wissen eben, wie man sich vernünftige Ziele setzt." Mein Gegenüber zog langsam ein Messer aus der Hosentasche, ließ es aufschnappen und beobachtete, wie sich das fahle Licht in der Klinge spiegelte. „Und das wissen treue Gangmitglieder zu schätzen." Er warf einen abschätzigen Blick auf Harry. „Du musst dich ja mittlerweile mit Polizisten verbünden. Armselig, Zayn. Armselig."
„Lieber bin ich armselig als ein Killer." Ich verzog keine Miene. „Deine Mannschaft besteht vermutlich zu neunundneunzig Prozent aus geldgierigen, blutrünstigen Verbrechern. Sie eifern ihrem Anführer nach."
„Sind wir hergekommen, um zu verhandeln, oder um die Moral unserer Gangs zu analysieren?", gab Adam gelangweilt zurück. „Du hast recht – das Geld ist nur Nebensache. Ich möchte Rache. An den Polizisten, die mich lebenslang in den Knast wandern lassen wollen."
Er wollte sich an Nialls Vater rächen? Dann hatte er sich also eine andere Zielscheibe gesucht, oder wie? „Wie sollen wir dir dabei bitteschön helfen?"
„Ganz einfach." Adam warf das Messer hoch, ließ es in der Luft einen Looping beschreiben und fing es dann geschickt wieder auf, ohne sich dabei einen Finger abzuschneiden. Hätte ich ihm gar nicht zugetraut. „Du hast vor laaaanger Zeit von diesem Horanidioten als Gegenzug zur Freilassung seines Sohnes eine Liste aller Einsatzzentralen gefordert. Die du auch erhalten, aber nicht benützt hast. Da du sie ja ohnehin nicht brauchst, sollte es dir keine Schwierigkeiten bereiten, sie an mich weiterzureichen, stimmt's?"
Ich wusste ja nicht, womit ich gerechnet hatte, aber auf keinen Fall mit einer solchen Forderung. Doch keinesfalls durfte ich mir anmerken lassen, wie sehr er damit den Boden unter meinen Füßen zum Beben gebracht hatte. „Ach. Und was hab ich davon, wenn ich sie dir überlasse?"
Adam seufzte. „Was soll ich dir alles aufzählen? Keine Verfolgungsjagden mehr. Ich lasse deinen beschaulichen kleinen Haufen voll und ganz in Ruhe. Klingt das nicht super? Und ..." Er wog den Kopf hin und her. „... ich ziehe meine Leute von deinem geliebten Freund ab."
Auf meiner Stirn bildeten sich tiefe Falten. „Erzähl keinen Scheiß. Wie willst du bitte Leute auf Niall angesetzt haben, wenn ihr nicht mal wisst, wo er sich befindet?" Ich konnte nicht verhindern, dass Triumph in meiner Stimme mitschwang.
Wie ein strenger Vater wackelte Adam mit dem Zeigefinger. „Weißt DU denn, wo er sich in diesem Augenblick befindet?"
„Sehr wohl."
„Ich hoffe es. Für dich. Mr Superhoran hat nämlich ein paar neue Leute eingestellt, von denen einige einen ... nicht ganz so sauberen Lebenslauf haben. Sie haben ein klares Ziel vor Augen: Seinen Sohn. Wenn du mir die Liste übereignest, ziehe ich meine Undercoverleute ab und ihr könnt in Frieden euer schönes Leben leben."
„Ich werde keine Bedingung erfüllen, die mir nichts bringt und nur irgendwelche Leute terrorisiert." Meine Hände waren so fest zu Fäusten geballt, dass sich die Fingernägel in die Handflächen gruben. „Deine mickrigen Undercoveragenten können keinen Finger rühren, da sie genauso wenig Ahnung wie sein Vater haben, wo sich Niall befindet."
Adam trat noch näher, bis er nur noch ein paar Schritte von mir entfernt war; gleichzeitig spürte ich, wie Harry und Louis näher an mich heranrückten, die Hände an den Griffen ihrer Pistolen. „Ist das so? Dann frage ich dich ein weiteres Mal: Weißt DU, wo Niall Horan jetzt gerade ist? Hmm?"
Irgendetwas in seiner Stimme ließ in meinem Kopf alle Alarmglocken schellen. „Verarsch mich nicht." Selbst in meinen Ohren klang dieser Befehl lahm und kraftlos. „Du weißt von ..."
„Ich weiß von nichts, ist klar. Ich wage allerdings zu behaupten, dass ich mehr weiß als du. Was würdest du tun, wenn das Einsatzteam seines Vaters eure Unterkunft gefunden hätte? Wenn sie ihn mitgenommen hätten?" Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Tragisch, dass sein großer Beschützerfreund nichts davon weiß." Im nächsten Moment wurde sein Gesichtsausdruck wieder hart wie Stahl. „Ich habe meine sicheren Quellen, Zayn. Und was hast du? Nicht mehr als eine Vermutung. Vermeintlich sicheres Wissen."
Mit jedem einzelnen seiner Worte war meine Körpertemperatur um etliches gefallen. Furcht machte sich in mir breit, als ich den selbstsicheren Ausdruck auf seinem Gesicht sah, als sei er sich wirklich hundertprozentig sicher, dass ich keine Ahnung hatte, was im Moment vor sich ging. Ohne den Blick von meinem Erzfeind zu nehmen raunte ich meinen Gefährten aus den Mundwinkeln zu: „Wir verschwinden. Jetzt. Sofort." Wütend fixierte ich Adam, der daraufhin zu lachen begann. „Wir sprechen uns wieder, du selbstgefälliges Arschloch."
Mit diesen Worten drehten wir uns wie auf Befehl um und liefen die Straße hinauf in Richtung unseres Autos – zu meiner Überraschung blieb Adam an der Stelle stehen und lachte, ohne uns seine Killer auf die Fersen zu hetzen.
Irgendetwas war geschehen, das ihn triumphieren ließ.
Und das offenbar mit Niall zu tun hatte.
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Yayyy, I'm back again.
Hat hier irgendjemand Interesse daran, seine Geschichte bei einem Award anzumelden? Ich könnte hier TheOrionAwards vorschlagen, die von zwei Freunden und mir ins Leben gerufen wurden :-) Ich bin bei der Organisation, Bewertung und Platzeinteilung aktiv dabei und freue mich im Namen des AwardTeams natürlich über jeden Teilnehmer :D
Liebe Grüße,
Andi
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