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Kapitel 2

𝕰in einziger Augenblick, und Viviens ganzer Abend war ruiniert.

Dabei hatte er so gut angefangen, fantastisch sogar. Sie hatte ihren einen sündhaft teuren Lippenstift, der sich wie pure Seide auf den Lippen anfühlte, zum ersten Mal seit Jahren wieder aufgetragen, obwohl er schon wenig später am Rand eines Glases voll mit dem süßesten Rotwein, den sie je gekostet hatte, verschmiert war. Vielleicht lag es an diesem Wein, dass sie so schnell angetrunken war, oder daran, dass sie bei jedem cleveren kleinen Witz, jedem Kompliment, das er ihr zumurmelte, ihr verlegenes Lächeln mit einem weiteren Schluck versteckte.

Dann hatte sie das kleine Schwarze aus ihrem Schrank hervorgekramt, das sie seit ihren Zwanzigern nicht mehr gesehen hatte, obwohl dieses schon wenig später auf Robs Schlafzimmerboden gelandet war.

"Du bist so schön," flüsterte er hinter ihr und strich ihr die Haare über die Schulter. Sicher zwei Stunden waren an diesem Nachmittag vergangen, bis sie den Versuch aufgegeben hatte, dass diese auch nur ansatzweise in Locken ihre Form hielten. "So wunderschön, Vivien."

Sie ließ die Augen zufallen und lehnte sich ihm mit einem Seufzen entgegen, als er anfing, sanfte Küsse ihren Nacken herabwandern zu lassen. Sein Weg machte einen plötzlichen Knick, und sie wusste genau, dass er neben ihren alten Narben - und der kleinen neuen, von vor zwei Tagen - entlang küsste, bis er bei dem tiefen Biss in ihrer linken Schulter angelangt war.

"Macht sie dir Probleme?", fragte er, als wäre er drauf und dran, ein ernstes Wort mit Viviens Schulter zu wechseln, sollte sie mit ja antworten.

"Das Narbengewebe spannt manchmal, vor Allem gegen Vollmond, aber eine gute Feuchtigkeitspflege und das ist kein Problem," antwortete sie und bemühte sich lieber, die komplizierte Schnürung ihres Kleides zu öffnen. Ihre Lotion-Routine war nun nicht unbedingt das sexieste Thema auf diesem Planeten. Ganz zu schweigen von ihrer monatlichen Verwandlung in ein felliges Biest, doch Rob hatte ihr schon ausführlich versichert, dass ihn das nicht störte.

"Was ist das denn?" fragte Rob überrascht, als er ihr mit seinen warmen Händen geholfen hatte, aus ihrem Kleid zu steigen.

"Meine Waffe," erklärte sie das Offensichtliche und löste das Holster von ihrem Oberschenkel, legte es auf dem Nachttisch ab. Immer in Reichweite.

"Woah," raunte er, offenbar beeindruckt. "Ich dachte, du bist Steuersekretärin. Wozu dann-?"

"Und wärst du wirklich ein Chefarzt, würdest du dir eine echte Rolex leisten können." Ertappt hielt seine linke Hand mit dem Imitat um ihr Gelenk dort inne, wo sie gerade ihre Taille herabgeglitten war. "Komm schon," seufzte sie und ließ sich vorwärts auf seine weiche Matratze sinken, warf ihm über die Schulter hinweg einen Blick zu. Du warst so perfekt, jetzt ruinier es nicht. "Können wir jetzt bitte nicht über die Arbeit reden?"

"Oh." Das strahlende Grinsen, das sie schon den ganzen Abend ganz wirr im Kopf machte, schlich sich zurück auf sein Gesicht, und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Sorry."

Sie schloss die Augen und konzentrierte sich ganz auf dieses wahnsinnige Kribbeln in ihrem Bauch. Das hatte sie schon viel zu lang nicht mehr gespürt.

Das Bett knarzte leise, und an ihrer rechten Seite senkte sich die Matratze. "Du bist so schön," wiederholte er leise und sie musste schmunzeln. Vorhin hatte er gar nicht aufhören können, ein neues, kreatives Kompliment nach dem anderen für sie zu finden.

Sie lächelte in sein Kissen, das nach seinem Parfüm roch, nach Leder und Vanille und etwas wie Rauch, und hörte zu, wie er den Gürtel öffnete, aus den Schlaufen zog, und seine Hose zu Boden fiel.

Rob strahlte so eine unglaubliche Wärme aus, dass sie ihn schon vorher spüren konnte, bevor seine warme Brust sich je gegen ihren Rücken presste. Mit den Fingern fuhr sie über die gezeichneten, stählernen Muskeln seines Unterarms, den er neben ihr in die Matratze stemmte. Er türmte über ihr, und sie hörte ihn nur atmen, konnte förmlich spüren, wie sein Blick ihren Körper entlang glitt, ein Schaudern folgte ihm. Was würde er als nächstes tun? Würde er weiter ihren Rücken herab küssen? Würde seine große, warme Hand ihre Hüfte greifen, ihren Oberschenkel?

Ihr Atem stockte.

Und die Schmetterlinge hielten in ihrem Flügelschlag inne, fielen tot mitten aus der Luft herab in eine schwere, dunkle Masse in ihrem Magen.

Ausgeliefert, zischte die Stimme in ihrem Kopf. Was tat er gerade? Wo lauerte sein Blick? Sie konnte es nicht wissen. Sie konnte nicht in seinen Augen ablesen, was er als nächstes tun würde, sie konnte- Sie konnte ihn nicht sehen, sie konnte ihn nicht beobachten. Sie konnte nur warten, was er tun würde. Ausgeliefert. Wehrlos ausgeliefert.

Sie musste hier weg. Sie musste sofort von ihm weg.

Ihr Gehirn arbeitete nur widerwillig und träge, alles schien nur milchig hinter einem dichten Nebel hervor. Der Alkohol. Sie hatte zugelassen, dass er sie betrunken machte, dass er sie abfüllte, damit sie sich nicht mehr wehren konnte-

Er war stärker als sie, das wusste sie. Wenn er nur wollte, könnte er ihre Arme greifen, sie über ihrem Kopf oder hinter ihrem Rücken festhalten oder ihren Kopf in die Kissen drücken und- und sie hatte keine Chance. Sie konnte ihm nicht entkommen.

Ausgeliefert. Verwundbar. Ausgeliefert!

"Lass mich los," sagte sie leise, und wusste, dass sie wie ein kleines Mädchen klang.

Er küsste ihren Nacken entlang. Wenn er sie nicht loslassen wollte, konnte sie ihn nicht dazu bringen.

Dummes Mädchen. Dummes, dummes Mädchen.

"Bitte lass mich gehen," wiederholte sie. Hätte der Wolf auf ihr Betteln gehört?

"Hm?", machte er, und sie hörte das Lächeln in seiner Stimme. Sie konnte ihn nicht abwehren. Er wusste es auch, und es amüsierte ihn, sie vorzuführen.

Einen Weg hatte sie doch.

"Ich sagte, lass mich los!" Sie warf mit aller Kraft den Kopf nach hinten, wo er mit einem dumpfen Geräusch mit seinem Gesicht zusammenprallte, doch bevor ihr eigener Schwindel sie eingeholt hatte, hatte sie schon auf den Nachttisch gegriffen.

"Vivien! Hey, was-!", keuchte Rob, die Augen schockiert aufgerissen, als sie ihm den Lauf gegen die Brust presste. Blut tropfte sein Gesicht herab, über sein Kinn und seine Brust bis auf das weiße Bettlaken.

Hektisch nutzte sie sein Zurückweichen, um die Beine von der Matratze zu schwingen, ihr Kleid und ihre Handtasche vom Boden zu reißen.

"Vivien, was ist denn?! Hab ich was-?"

"Fass mich nicht an!"

Rückwärts stolperte sie aus dem Raum, den Revolver zielsicher auf seine Brust gerichtet, wenn er nur eine falsche Bewegung machte- Doch er starrte ihr nur mit weiten, verblüfften Augen hinterher. Fast glaubte sie, er sah ehrlich verwirrt aus.

Drei Stockwerke stürzte sie blindlings durch das Treppenhaus des Apartmentkomplexes herab, bevor sie es überhaupt wagte, nur eine Sekunde inne zu halten und mit zitternden Händen das Kleid wieder über ihren Körper zu zerren. Dann rannte sie auf nackten Füßen weiter, ohne einen Blick zurück.

Erst der stechende Schmerz in ihren Beinen und Seiten zwang sie irgendwann, stehen zu bleiben, und plötzlich fand sie sich an einer spärlich beleuchteten Straßenecke in irgendeinem Vorort eines Vororts von Vegas wieder, im strömenden Regen in einem kurzen schwarzen Kleid und klammerte sich an den Mast einer Straßenlaterne, während sie um Luft rang.

...Was zur Hölle war gerade passiert?!

Wenigstens hatte sie an ihre Handtasche gedacht. Mit tauben Fingern fischte sie ihr Handy daraus hervor, und hatte den Chat mit Camille geöffnet, bevor sie überhaupt darüber nachdenken musste. Die letzten fünf Nachrichten, alle von Vivien, in denen sie Cam zum Schluss hin förmlich anbettelte, sich zu melden, füllten den Bildschirm bis ganz oben, und die kleine Notiz Empfangen darunter lachte ihr hönisch entgegen. Trotzdem tippte sie ihre Nachricht, so schnell es ihre Finger zuließen. Die konnte sie nicht ignorieren. Sie wusste einfach, dass Cam sie nicht ignorieren würde. Sie hatte es geschworen, egal, was war...

SOS.

Bitte, Cam. Ich brauche dich.

Bitte.

[Gelesen: 2:47 am]

[1 Foto - 4:03 am]

-

"Nein," knurrte Izaiah, bevor er überhaupt den zweiten Fuß ins Büro gesetzt hatte. "Das kann nicht dein verdammter Ernst sein. Was zur Hölle macht sie noch hier?!"

Clubs - Kassandra, Vivien hatte sich doch angewöhnen wollen, sie bei ihrem richtigen Namen zu nennen - Kassandra sah von der Tasse Tee auf, die sie gerade Freya hatte reichen wollen.

"Oh, Verzeihung," zischte sie. "Tut mir leid, dass ihr mich gekidnappt habt. Ich kann dank euch nirgendwo anders hin."

"Das kann nicht dein Ernst sein," wiederholte Izaiah sich nur und sah Vivien finster an.

Hades hatte neugierig die Nase durch den Türpalt zum Schlafzimmer geschoben, in dem er sich in letzter Zeit fast durchgehend verkroch, doch als er Izaiahs Ton hörte, verschwand er wieder im dunklen Zimmer.

"Ist es," erwiderte sie und biss die Zähne zusammen. Genau vor dieser Diskussion hatte es ihr gegraut. "Die Silberfaust weiß, dass sie sie verraten hat. Und ungestraft gehen lassen können wir sie auch nicht, da stimmst du mir ja wohl zu."

"Verdammt, Viv! Ich bin für dich hier, nur für dich, weil du die verfickte Mitleidsschiene fahren musstest, und jetzt willst du mich zwingen, ausgerechnet mit Clubs zusammen zu arbeiten?!"

"Reiß dich zusammen, Cooke." Kassandra rollte mit den Augen. "Es geht um Ruiz. Ich bin auch nicht scharf drauf."

"Mich zusammenreißen?!", knurrte Izaiah. Er machte einen Schritt vorwärts, doch dann klammerte er sich mit einer Hand am Türrahmen fest und musste tief durch die Nase atmen. Vivien war heimlich froh, dass sein Bein ihm offenbar Probleme machte, andernfalls war sie sich nicht sicher, ob sie ihn aufhalten könnte, wenn er jetzt auf Kassandra losginge. "Du kannst Sahra fragen, wie das aussieht, wenn ich mich zusammenreiße. Nochmal wird mir das nicht gelingen, glaub mir."

"Das wird Sahra ihr nicht sagen können," merkte Vivien leise an. "Sie liegt seit einem Monat downtown im Koma."

Vor zwei Wochen hatte sie sie einmal besucht. Sie war mittags gekommen, doch als sie den Blick endlich von dieser bleichen, eingefallenen Hülle eines Menschen in Sahras Bett hatte losreißen können, war der Himmel vor dem Krankenhaus schon längst pechschwarz gewesen.

Izaiahs Gesicht blieb regungslos. Fast wäre es selbst Vivien entgangen, doch für einen winzigen Moment wanderte sein Blick zur Seite, als würde er etwas ansehen, das nicht da war. "Sie hat sie umgebracht," sagte er schließlich und hinkte entschlossen zur Küchenzeile, um die Kaffeemaschine anzuwerfen. "Sie hat sie einfach erschossen. ...June und ihren eigenen kleinen Bruder. Einfach ermordet. Ich hätte sie umgebracht und es nicht bereut."

"Ich bin mir sicher, auf ihre eigene Weise dachte sie, sie würde ihren Bruder damit erlösen," sagte Kassandra. "Ihn beschützen."

Izaiah starrte sie vernichtend an. "Und Junis war eins von den notwendigen Opfern, von denen ihr so gern gesprochen habt, ja?!"

Benommen starrte Vivien auf den dunklen Fleck im Laminat, der unter dem neuen Teppich vor der Couch hervorschaute.

"War ich es, die die beiden getötet hat, oder Spades?", verteidigte Kassandra sich zischend.
"Es war deine Schuld. Ohne dein verdammtes Gift wäre das alles nicht passiert. Du hast hunderte von Leben auf deinem Gewissen- wenn du so etwas überhaupt besitzt. Und vor Allem das von zwei Menschen, die mir alles bedeutet haben. Denk nicht für eine Sekunde, dass du bei mir das Opfer spielen und auch nur auf einen Tropfen Vergebung hoffen kannst. Sei froh, wenn ich dich leben lasse, Hexe." Er rieb sich über den Mund und wandte den Blick ruckartig von ihr ab, um Vivien anzustarren. "Können wir jetzt endlich zur Sache kommen?"

-

Das Foto präsentierte Vivien ihnen auf einem Handybildschirm, über dessen gesamte Diagonale sich seit gestern Morgen ein riesiger Riss streckte.

Drei Stunden nach dem spektakulären Scheitern ihres Abends mit Rob hatte Vivien vor zwei Tagen tränenüberströmt, triefend nass und zitternd vor dem Büro gestanden. Es war Kassandra gewesen, die ihr die Tür geöffnet hatte.

Sie hatte genau einen Blick auf sie geworfen, bevor sie sie schon ins Warme gezogen und mit Fragen gelöchert hatte. Hat dir jemand etwas angetan, Park?

Ich weiß nicht. ...Nein?

-Ja, doch, vor langer Zeit, und jetzt sucht es mich wieder heim.

Vivien war sich so sicher gewesen, dass sie Fortschritte gemacht hatte. Sie hatte das Haus wieder allein verlassen können, war nicht in helle Panik ausgebrochen, wenn jemand sie eine Sekunde zu lang ansah oder ihr einen Zentimeter zu nah kam.

Jede Sitzung aufs Neue trichterte Dr. Townsend ihr ein, dass der Weg der Erholung nicht linear verlief, dass Rückschläge völlig normal und manchmal sogar etwas Gutes waren, aber darunter stellte Vivien sich eher etwas wie Albträume oder Panikattacken vor. Nicht, ihrem Date, von dem sie mittlerweile überzeugt war, dass er wahrscheinlich keinen einzigen böswilligen Gedanken gehegt hatte, die Waffe vorzuhalten und stundenlang zu Fuß auf der Flucht durch Vegas zu irren.

Etwas war in dieser Nacht geschehen, irgendetwas hatte sie in Kassandras Augen gesehen, als sie ihr diese Frage gestellt hatte. Noch bevor die Sonne aufging, hatte sie ihr die elektronische Fußfessel, über Kontakte von Hank besorgt, wieder abgenommen und sich geschworen, sie ab jetzt bei ihrem Vornamen zu nennen.

Als sie nach einigen fruchtlosen Versuchen das Schlafen aufgegeben hatte, hatte sie am nächsten Morgen schließlich ihr Handy wieder angeschaltet, Robs panische Nachrichten gekonnt ignoriert und hektisch die von Cams Nummer geöffnet - und prompt schreiend das Handy im hohen Bogen von sich geworfen.

Sie brauchte sich das Bild selbst nicht noch einmal anzusehen. Es hatte sich schon längst in ihre Netzhaut eingebrannt. Jedes Mal, wenn sie in den vergangenen Stunden die Augen geschlossen hatte, hatte in der Dunkelheit Cams glasiger Blick zu ihr aufgesehen, während eine Hand ihren Kopf an den Haaren zurück zerrte.

Ich brauche auch etwas. Wenn sie meinen Männern nicht sagt, wo die Proben sind, dann müsst ihr sie uns bringen. Sonst lass ich sie noch mehr abschneiden.

Und dann war da Cams Hand, die eine aktuelle Zeitung und eine Karo-Ass-Spielkarte hochhielt, und zwischen den Fetzen von Verbänden, die von ihr hingen, sah man noch-

Ein wildes Biest in ihr brüllte auf und wehrte sich gegen diese Erinnerung, rüttelte gegen die Käfigstäbe ihres Brustkorbs, und in der letzten Milisekunde hielt sie sich davon ab, ihr Handy mit voller Gewalt auf den Fliesenboden zu schmettern.

Izaiah sah sie blass an. "Haben sie ihr-"

"Ja." Sie ließ sich wenig elegant auf das Sofa fallen, als ihr schwarz vor Augen wurde.

"Es scheint aber schon ein paar Tage her zu sein," meldete Freya sich kleinlaut zu Wort. "Soweit ich das erkennen kann. Offenbar keine Infektion..."

"Oh scheiße," seufzte er und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. "Was machen wir jetzt?"

ICH WEIß ES NICHT, VERDAMMT, brüllte die Stimme in ihr die Wahrheit hinaus, doch sie nahm nur einige tiefe Atemzüge. Ein, Agent Park. Halten. Aus, halten. Gut. Nochmal. "Ich weiß es nicht, Izaiah," sagte sie schließlich ruhig. "Ich hab dich zurückgeholt, weil ich nicht mehr weiter weiß. Weil ich dich brauche."

"Schön," murrte er. "Okay, ich helfe dir. Das und nicht mehr, klar? ...Also, was wissen wir?"

"Ich habe auch so eine Karte bekommen," klinkte Freya sich ein, bevor Vivien sich entschieden hatte, wo sie mit dem Erzählen beginnen sollte. "Letzte Woche. Zusammen mit Doctor Everetts Leiche."

Deutlich gefasster als Vivien sie in den letzten Tagen je erlebt hatte, fischte die junge Praktikantin die in Plastik eingetütete Spielkarte aus dem Beweiskarton, der neben dem Sofatisch stand, und schob sie über die Tischplatte Izaiah entgegen.

Bringen Sie mir die gestohlenen Proben zurück oder Sie sind die nächste, Freya Green, stand auf der Rückseite unter dem Namen des Gerichtsmediziners, auch das wusste Vivien, ohne noch einmal hinsehen zu müssen. 717 Mesa Drive, fragen Sie nach einem Freund von Nate.

"Dr. Everetts Leiche?", fragte Izaiah perplex.

"Sie haben ihn... gefoltert. Und als sie gemerkt haben, dass er es ihnen nicht verraten wird, haben sie ihn zu Tode geprügelt. Oder vielleicht war es noch nicht ihre Absicht, ihn umzubringen, ich weiß es nicht. Es war..." Sie schluckte und Kassandra legte ihr eine beruhigende Hand auf die Schulter. "Es war langsam und qualvoll, das weiß ich." Ihre großen, glänzenden Augen erinnerten sie für einen Moment so heftig an Moth, dass Vivien schlecht wurde.

Izaiahs Blick verdunkelte sich, als hätte er gerade genau das gleiche gedacht. "Sind wir uns sicher, dass es Diamonds ist?"

"Natürlich ist er es," sagte Kassandra und gestikulierte ungläubig auf die Spielkarte. "Und selbst wenn er es nicht wäre, der Weißdorn darf niemandem mehr in die Hände fallen."

"Ich frage mich, wer wohl Schuld daran ist, dass er überhaupt irgendjemandem in die Hände fallen konnte," zischte Izaiah.

"Du willst es nicht verstehen, oder, Cooke? Es war Nates verdammte Idee, und er hat mich einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich habe mein Bestes getan, um den Schaden zu begrenzen," wiederholte sie und sprach so langsam und betont, als würde sie gerade versuchen, einem Grundschüler die Kommasetzung beizubringen.

"Oh, herzlichen Dank, dass du Moth schneller umbringen wolltest! Verzeih mir, du Heilige, ich würde dir ja die Füße küssen, wenn mein gottverdammtes Bein nicht wäre-!"

"Cam hatte die Proben, die man aus dem Apartment sichern konnte, Everett und Freya gegeben," warf Vivien laut dazwischen, um sie auf das eigentliche Thema zurückzusteuern, beor Izaiah sich vielleicht doch noch für die körperliche Konfrontation emtschied. "Damit sie mit Kollegen aus der Toxikologie daran forschen können."

Demonstrativ zog Freya für einen Moment die drei kleinen dunklen Fläschchen aus der Tasche ihrer Strickjacke, dann ließ sie sie wieder darin verschwinden. "Wir haben gute Fortschritte gemacht. Wir können selbst bei sehr geringer Konzentration mittlerweile den Weißdorn in Proben nachweisen, und das sehr verlässlich. Die Lage stabilisiert sich."

"Wie Kassandra sagte, gelangt er jetzt wieder in die falschen Hände, könnte das katastrophal enden. Sie wären ja praktisch gezwungen, damit in die Offensive zu gehen, wenn sie nicht mehr aus dem Verdeckten einfach nur Blutkonserven vergiften könnten, und dann..."

Izaiah legte den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke, als müsste er sich sammeln. "...Was sagt Joanne dazu?"

"Das ist unser zweites Problem," gab Vivien zaghaft zu. "Sie kann ich auch nicht erreichen."

-

Vor fünf Jahren war Félix gegangen, hatte den Ehering und seine Schlüssel morgens auf dem Kaffeetisch liegen lassen, und keine Woche später war auch Camille aus dem großen Haus in ein Apartment gezogen, dessen Zweitschlüssel von der ersten Minute an mit unangestrittener Selbstverständlichkeit bei Vivien lag. Doch selbst mit dem Team - oder den spärlichen Resten davon - hinter ihr im Hausflur und dem schrecklichen Bild von Cam vor ihrem inneren Auge zögerte sie, bevor sie ihn im Schloss drehte. Es fühlte sich so falsch an.

Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Vielleicht, dass Camille im offenen Wohnzimmer mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa saß, während sich vor ihr die Akten und Berichte türmten. Oder, dass sie in der Küche stand und ihr einen Kaffee anbot. Doch egal, wie oft sie den Blick durch das Zimmer wandern ließ, Camille wollte einfach nicht magisch darin auftauchen. Stattdessen herrschte gespenstische Stille in dem Apartment. Die Luft roch abgestanden und muffig. Izaiah verzog das Gesicht und machte sich daran, die Fenster zu öffnen, als wäre seine Wohnung nicht in einem tausendmal schlimmeren Zustand. Im Vorbeigehen murmelte er etwas vor sich hin.

"Was?", fragte sie, doch er schüttelte nur den Kopf.

"Nichts."

Tatsächlich lag auf dem Sofatisch ein kleiner Stapel aus Aktenheftern, daneben standen zwei Whiskeygläser, in denen der letzte Schluck jedoch schon längst am Boden eingetrocknet und von einer dünnen Schicht Staub bedeckt war. Zwei Kaffeetassen auf der Bar war es ähnlich ergangen. Joanne hatte sie nach Hause gebracht, erinnerte Vivien sich, nach dem Disaster in der Silberfaust-Zentrale.

Im Kühlschrank fand sie nur ein paar Flaschen Bier und einen Takeout-Karton mit pelzigem Innenleben.

"Sie war wohl eher auf einer flüssigen Diät," kommentierte Kassandra und äugte das gut gefüllte Flaschenregal.

Vivien funkelte sie an. Sie hatte in den letzten Wochen schon so viele von ihren abschätzigen Kommentaren geduldet, um etwas wie den Frieden zu waren, aber jetzt war es wirklich genug. "Wenn du unseren Schutz nicht mehr willst, darfst du dich jederzeit draußen auf die Straße stellen und warten, dass deine Freunde dich holen kommen!"

"Was denn? Die Frau hat ein Problem, das kann wohl jeder sehen, der Augen im Kopf hat-"

Am liebsten hätte Vivien sich die Ohren zugehalten und wie ein kleines Mädchen lauthals zu schreien angefangen, um sie zu übertönen, doch stattdessen schob sie sich grob an der Hexe vorbei in Cams Bad. Energisch schloss sie hinter sich ab, und ließ sich auf den Toilettendeckel sinken, hielt die Handgelenke unter eiskaltes Wasser.

Ganz nüchtern betrachtet hatte Kassandra recht. Natürlich hatte sie recht. Dass Camille ein Problem mit Alkohol hatte, schon seit Jahren, das konnte wohl selbst ein Blinder sehen.

Aber es fühlte sich falsch an, es so auszusprechen. Zuerst hatte Kassandra nicht ansatzweise das Recht-! Und außerdem... Seit fast 18 Jahren arbeitete sie mit dieser Frau zusammen. Seit fast 18 Jahren war Camille ihr Fels in der Brandung. Wenn sie ins Wanken geriet, was sollte das dann für Vivien bedeuten?

Und jetzt war ihre ganze Welt zerrüttet und Camille war nicht einmal mehr da. Vivien hätte sie auch sturzbetrunken lieber an ihrer Seite, wenn das hieß, dass sie sie mit ihren scharfen Augen anschauen und besser als jeder andere verstehen, oder ihr einfach nur den Rücken stärken würde. Hauptsache, sie wäre da.

Sie hatte ein Taxi genommen, um sie zum letzten Vollmond in ihren Wald weit abseits der Stadt zu bringen. Sich ganz allein, mit steifen Fingern und schmerzenden Gelenken aus ihren Klamotten geschält, als die Sonne blutrot am Horizont versank, einfach darauf vertrauen müssen, dass sie und ihr Handy unter dem Baum liegen bleiben würden.

Als sie wieder zu Bewusstsein gekommen war, war sie lang auf dem kühlen Stein liegen geblieben, hatte sich irgendwann nur qualvoll auf die Seite gedreht und erfolglos versucht, den Geschmack von Blut in ihrem Mund auszuspucken.

Die Sonne hatte schon lang am Himmel gestanden, als ihr endlich eingefallen war, dass Camille nicht kommen würde. Dass sie sie nicht in eine Decke wickeln und, ohne Protest zu akzeptieren, zurück zum Wagen tragen würde. Dass im Büro nicht Junis und Moth warteten, um sie wieder zusammenzuflicken. Nein, sie hatte ihren gebrochenen Fuß ganz allein gerichtet (sie war noch immer überrascht, dass sie nicht wie Izaiah durch die Gegend humpelte), ihre Kleidung allein wieder aufgelesen und sich elendig langsam wieder hineingezwängt, und war allein bis zur Landstraße gelaufen, um ein Taxi zurück zu nehmen. Im Büro hatten Freya und Kassandra sie zwar besorgt gemustert und Hades hilflos zu winseln angefangen und war aufgebracht um sie herumgetänzelt, doch ihre verbleibenden Schrammen und blauen Flecken hatte sie im Bad auch ganz allein versorgt.

Sie konnte das. Sie konnte sich um sich selbst kümmern. Jeden Morgen stand sie pünktlich auf, sie ging mit Hades raus, ging joggen, putzte ihr Apartment und das Büro makellos, nahm an jedem Treffen ihrer Yoga-Gruppe teil. Sie kümmerte sich um Junis' Nachlass, um den der Delgados, um die Einheit, um die Sache mit Freya und Kassandra. Sie ging auf Dates, hatte Sex, sah sich im Spiegel tief in die Augen und schrie sich ihre Affirmationen entgegen. ICH BIN STARK. ICH KANN DAS SCHAFFEN. ICH HABE ALLES UNTER KONTROLLE.

Irgendwann musste schließlich sicher der Tag kommen, an dem sie sich das selbst glaubte.


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