Warten
Ich gehe die Straße entlang.
Allein und mit gesenktem Kopf.
Die Dunkelheit ummantelt mich.
Hüllt mich ein in ihre beruhigende Stille.
An einer Mauer lasse ich mich nieder.
Und nun sitze ich hier und warte.
Allein.
Aber ich weiß nicht auf wen.
Oder was.
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Er torkelt an mir vorbei.
Betrunken und schäbig gekleidet.
Mit einer Flasche in der Hand und einer Decke unter dem Arm.
Er rutscht an der Mauer herunter.
Nun sitzen wir hier und warten.
Zu zweit.
Aber wir wissen nicht auf wen.
Oder was.
___
Sie humpelt auf uns zu.
Langsam und mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht.
Eine Hand auf den Oberschenkel gepresst, die Andere nervös zitternd.
Schwerfällig lässt sie sich neben mir nieder.
Ächzend und gequält.
Und nun sitzen wir hier und warten.
Zu dritt.
Wissen aber nicht auf wen.
Oder was.
___
Er rennt auf uns zu.
Gehetzt und mit angstvollem Blick.
Keuchend hält er sich die Seiten.
Er schaut sich mehrmals um, doch die Nacht verbirgt vieles.
So auch ihn und seine geklaute Ware.
Und so auch uns.
Doch er hat uns entdeckt und setzt sich dazu.
Und nun sitzen wir hier und warten.
Zu viert.
Wir wissen aber nicht auf wen.
Oder was.
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Wir wissen nicht einmal wieso wir hier sind.
Doch ob Schicksal oder Zufall ist letztendlich egal.
Denn wir sind hier und warten.
Zu viert.
Gemeinsam.
Wissen aber nicht auf wen.
Oder was.
Und wieso.
___
Er trinkt einen Schluck aus seiner Flasche.
Seine Alkoholfahne weht zu mir herüber.
Wir warten.
___
Sie schluchzt leise auf.
Ihr Blut sickert aus ihrer Wunde auf den Gehweg.
Und wir warten.
___
Er zählt das geklaute Geld und betrachtet das nagelneue Handy.
Seine Angst ist ihm deutlich anzumerken.
Und wir warten immernoch.
___
Ich hebe den Kopf nach oben und blicke in den schwarzen Nachthimmel.
Staunend starre ich den Mond an.
Ich sitze hier und warte.
___
Aber vielleicht habe ich genau darauf gewartet.
Auf einen betrunkenen Mann, der auf der Straße lebt.
Auf ein Mädchen, das verletzt ist.
Und auf einen Jungen, der das erste Mal geklaut hat.
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Wir sitzen hier und warten.
Mitten in der Nacht.
Uns ist kalt.
Und wir sind müde.
Aber keiner geht.
Weder der Betrunkene,
noch die Verletzte,
noch der Dieb.
Und auch ich nicht.
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Und so werden wir hier noch sitzen, bis der Tag die Nacht verdrängt.
Bis das Licht das Dunkel erhellt.
Und bis statt dem Mond die Sonne auf uns niederblickt.
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Dann ist die Zeit gekommen, um zu gehen.
Denn nur wenn man geht, kann man irgendwann wieder kommen.
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Oder man bleibt.
Ohne Veränderung.
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Und wartet.
So wie wir.
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