39 ༄
Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln und einigermaßen wieder klar denken zu können, denn diesmal forderte er wirklich alle meine Nerven mit dieser überraschenden Kehrtwende.
Zögerlich und so vorsichtig als handelte es sich bei ihm um einen kleinen verängstigten Vogel, legte ich ihm sanft eine Hand auf den Rücken und biss mir in die Unterlippe, als er erneut etwas Undeutliches murmelte, was ich jedoch nicht verstand. Seine Stimme klang so voller Trauer, dass sich jedes einzelne Haar an meinem Körper aufzustellen schien und ich selbst leise schlucken musste, als er sein Gesicht an dem dünnen Stoff rieb. Ich hatte ihn noch nie zuvor so erlebt und dieser Fakt war tatsächlich das Überforderndste an der ganzen Sache.
"Hey, Tae", murmelte ich beschwichtigend und strich sanft seinen Nacken hinauf, wobei ich erstmals an seine nackte Haut traf. Sie glühte förmlich unter meinen Fingerspitzen und als ich schlussendlich weiter hinauf fuhr, um mit diesen vorsichtig in sein rotes Haar einzutauchen, umfasste er meinen Oberschenkel stärker und wimmerte leise, was in mir mein schlechtes Gewissen nur noch verstärkte und es leise flüstern ließ: "Es tut mir leid. Ich hätte deine Trunkenheit nicht ausnutzen dürfen.
Leise seufzend streichelte ich sanft seinen Kopf und beruhigte mich selbst ein wenig, als sein Zittern langsam aber sicher verebbte. Meine Finger fuhren durch sein weiches Haar und zum ersten Mal bemerkte ich erstaunt, dass er es in einem unordentlichen Zopf zusammenhielt. Vereinzelnd hatten sich bereits einige Strähnen aus diesem gelöst und ich kam nicht drum herum, ihn vorsichtig zu öffnen und erneut durch sein festes Haar zu streichen wobei ich überrascht feststellte, dass es viel länger war, als ich angenommen hatte. In meinen Gedanken unterschied sich dieses nämlich nicht maßgeblich von meinem eigenen doch in Wahrheit reichte es ihm etwa bis zu den Schultern und breitete sich nun locker über diese aus.
Ich blinzelte und spürte, wie sich ein unwillkürliches Lächeln auf meinen Lippen ausbreitete, als ich weiter über sein Haar streichelte und immer mal wieder meine Finger in diesem vergrub. Seine Atmung flachte ab und nach einigen Sekunden löste sich auch sein fester Griff um mein Bein, als ich ihm sanft einige kürzere Strähnen, die ihm vereinzelnd ins Gesicht fielen, hinters Ohr strich und vorsichtig über seine glühende Wange fuhr die tatsächlich von einem feuchten Hauch benetzt war. Taehyung zog leise seine Nase hoch und räusperte sich etwas, sodass ich meine Hand schnell wieder zurück zog und mit dieser erneut über sein rotes Haar strich, was in der Dunkelheit wahrscheinlich viel eher der Farbe meines eigenen glich.
"Kann ich dir mehr über Schwäne erzählen?", fragte er dann mit einem Mal wieder vorsichtig in die Stille hinein. Seine Stimme klang immer noch leicht verschleiert, sodass ich diese kuriose Idee mit offenen Armen empfing. "Sicher", antwortete ich somit leise und nickte schwach, was er vermutlich überhaupt nicht sehen konnte, da sein Blick, allem Anschein nach, starr auf meine Knie gerichtet war. Er atmete warm aus und schmunzelte zum ersten Mal wieder leise, was mich erleichtert ebenfalls lächeln und aufhorchen ließ, als er anfing seine Frage in die Tat umzusetzen.
"Es sind majestätische Vögel, die für ihre Eleganz und Anmut bekannt sind und mit ihrem stolzen Auftreten und ihrem charakteristischen weißen Gefieder die Aufmerksamkeit vieler Menschen auf sich ziehen. Mit ihren langen, eleganten Hälsen und kräftigen Flügeln sieht es manchmal sogar so aus, als würden sie über die Wasseroberfläche tanzen. Ihre Grazie lässt den See zu einer Bühne der Schönheit werden." Der Ältere stoppte für einen Moment und fing erst wieder an zu sprechen, als ich langsam wieder anfing sein längeres Haar zu streicheln. "In vielen Kulturen und Sagen repräsentieren sie Liebe, Harmonie und-"
"Schönheit?", versuchte ich seinen Satz langsam zu vervollständigen und erhielt ein zustimmendes leises Brummen als Antwort. "Ihre Erscheinung in Kunstwerken und Poesie spiegelt die Faszination wider, die sie seit jeher auf die menschliche Vorstellungskraft ausüben. Sie sind die lebendigen Symbole der Anmut und Eleganz. Reine Poesie in Bewegung", säuselte er verträumt und streichelte sanft über die Haut meiner Beine, als ich begann behutsam seinen Nacken zu massieren. "Sie gleiten wie königliche Monarchen über ihr Reich und tanzen wie sanfte Gedichte über das Wasser; wie ein Tänzer, der die Wasserbühne beherrscht. Ihre Hälse sind wie elegant geschwungene Bögen, die den Himmel berühren und ihre Flügel gleichen denen eines Engels. Es sind wahrlich göttliche Geschöpfe.. strahlende Sterne am Himmel des Glaubens", wisperte er leise und drehte sich nach diesen Worten wieder auf den Rücken, um in mein Gesicht sehen zu können.
Trotz des Alkohols hatte er nicht seine Gabe verloren mit Worten umgehen zu können und dies schien mich in jenem Moment mehr zu überraschen, als diese an sich. Es klang wunderschön und fast schon wie ein Liebesgeständnis an jenen Vogel, was mich etwas zum Schmunzeln verleitete und ein fragendes Geräusch in meinem Schoß auslöste. "Das klingt fast wie eine Ode", meinte ich daher lächelnd und strich ihm sanft einige Strähnen aus der Stirn. "Wie eine Aussprache der Verehrung an jenen Schwan, der dich als erster seiner Art verzaubert hat."
"Das hast du schön gesagt." Seine eigene Hand schien sich zu heben denn wenige Augenblicke später spürte ich, wie er auch mir einige Strähnen aus dem Gesicht strich und zärtlich mit den Fingerspitzen über meine Wange fuhr. Auch sie fühlten sich fast wie glühende Kohlen an und prickelten angenehm warm auf meiner Haut, als sie sich ihren Weg suchten. Sie bewegten sich über meinen Wangenknochen und leisteten seinem Blick Gesellschaft der diesen zu folgen schien, woraufhin ich zeitgleich meine Augen schloss. Ein kleines Schmunzeln kam von ihm und mich durchfuhr ein warmer Schauer, als er angenehm sanft mit seiner Hand meinen Hals hinabfuhr und wieder zu summen anfing.
Dieses Summen, was er einzig der Musik zu schenken schien, wirkte fast schon hypnotisierend, als er dieses durch leise Worte ersetzte und ließ mich für einen kurzen Moment vergessen. Die Wut meiner Eltern, unsere kleine Reise und der Fakt, dass Taehyung betrunken und singend auf meinem Schoß lag, schien in jenem Moment vollkommen nebensächlich und all dies machte Platz für dieses Brennen in mir, das dank dieser kuriosen Situation ausgelöst wurde. Heiß folgte es seiner Berührung und Stimme, als wollte es mich geradeheraus aus dieser ausgefallenen Realität führen und mir eine neue Welt repräsentieren. Eine Welt, in der nur dieser Moment existierte und die die Wirklichkeit hinter einem dünnen Schleier zu verbergen versuchte.
Sein leises Lachen riss mich schlussendlich wieder aus meiner Versunkenheit und benommen schüttelte ich etwas den Kopf, um mich vollständig aus meiner Trance zu wecken. "Dir gefällt das, oder?", meinte er neckisch und stupste mir grinsend gegen die Wange. Ich kam nicht drum herum, verlegen meinen Kopf aus seiner Richtung zu drehen, als ich sein Handgelenk ergriff, dieses wieder hinunter drückte und gedämpft meinte: "Wir sollten jetzt schlafen gehen. Du fängst schon wieder an komisches Zeug zu reden."
Der Mann schmunzelte erneut und richtete sich dann quälend langsam wieder von meinem Schoß auf, wodurch ich erstmals bemerkte, wie taub meine Beine aufgrund seines Gewichtes waren. Vorsichtig rieb ich sie und zog dann, ohne den Älteren weitere Beachtung zu schenken, die Decke über meinen Körper, ehe ich mich zurück ins Kissen legte und ihm den Rücken zukehrte. Seine Blicke hafteten für einige Sekunden auf mir, bis er sich schlussendlich mit einem tiefen Seufzen ebenfalls niederlegte und etwas die Decke anhob, um diese in gleicher Weise über sich zu ziehen. Ich spürte wie das Kissen hinter mir leicht einsank und trotz der Beobachtung des Älteren, gelang es mir tatsächlich kurzweilig zur Ruhe zu finden.
Dies währte jedoch nicht lange, denn gerade als ich fast dabei war meinem Wachzustand zu entfliehen, merkte ich plötzlich eine feine Berührung an meinem Haar, was mich etwas zusammenzucken und genervt murren ließ: "Hör auf damit und schlaf jetzt endlich; vorhin bist du doch auch fast im Stehen eingeschlafen." Mit diesen Worten zog ich die Decke etwas höher und wollte mich gerade wieder entspannen, als er vollkommen unerwartet näher an meinen Rücken heran rutschte und vorsichtig einen Arm um meinen Oberkörper legte. Ich ließ es zu, da ich an sich nichts gegen seine körperliche Nähe hatte, im Gegenteil, sie gab mir ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme und dennoch irritierte sie mich in dieser Nacht mehr als alles andere.
Es vergingen mehrere Minuten in denen ich eigentlich der festen Überzeugung war, dass er nun endlich schlief. Sein Atem ging regelmäßig und sein Arm lag leicht an meiner Taille auf und dennoch schaffte er es mich vom Gegenteil zu überzeugen, als er leise meinen Namen flüsterte. Sein heißer Atem traf gegen meinen Nacken und trotz des Schauers der mich durchzog, schaffte ich es einigermaßen Ruhe zu bewahren und gerade noch so ein genervtes Seufzen zu unterdrücken. "Können wir unsere Positionen tauschen?"
"Tae es wäre schön wenn wir jetzt einfach schlafen könnten.."
"Bitte, ich kann nicht schlafen, wenn mein Rücken frei ist."
Tief einatmend, um nicht vollends durchzudrehen, drehte ich mich langsam zu ihm um und hob missmutig eine Augenbraue an, als er nichts anderes tat, als mich wie eingefroren zu betrachten. Erst als ich Anstalten machte ihm wieder den Rücken zuzukehren, löste er seinen Arm und drehte sich schwerfällig auf die andere Seite, wodurch ich seinen Bewegungen folgte und näher an seine Kehrseite heran rutschte. Mein rechter Arm folgte seinem Beispiel und als ich seinen Oberkörper gerade mit diesem umschloss, zog ich ihn auch schon wieder etwas näher an mich heran und lehnte meine Stirn gegen sein Haar, was ihn tatsächlich zu entspannen schien. Er strich über meinen Arm und drückte diesen dann sanft gegen seine Brust, sodass ich die langsamen Schläge seines Herzens deutlich unter meiner Haut spüren konnte. Sie wirkten fast hypnotisierend in ihrem rhythmischen Tanz und erfüllten uns beide mit einer Entspannung, als diesmal meine eigene, seufzende Stimme uns am Schlafen hinderte.
"Wenn du das nächste Mal etwas auf dem Herzen hast, das du loswerden möchtest, erlaube mir bitte derjenige zu sein, dem du dich anvertraust, anstatt den Alkohol als Ausweg zu wählen."
Er atmete zittrig aus und drückte meinen Arm noch etwas enger an seine Brust. Der Duft seines Haares umgab mich und vermischte sich mit der süßlichen Droge die immer dünner zu werden schien, umso länger ich ihr ausgesetzt war.
Es war kein Moment in dem ich eine Antwort erwartet hätte. Abgesehen von der leisen Musik herrschte erstmals Stille in dem Raum, als wir vom sanften Flüstern der Nacht umfangen wurden und ich mir nach einigen Minuten sicher sein konnte, dass er eingeschlafen war. Sein Griff wurde lockerer und sein Atem flacher und obwohl ich meine Worte ernst meinte, war ich mir mit einem Mal nicht mehr ganz so sicher, ob ich mir seine Sorgen überhaupt zu den meinen machen wollte.
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