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Ein kleines Lächeln spiegelte sich auf meinen Lippen wieder, als meine Finger wie automatisch über die schwarzen und weißen Tasten des Flügels fuhren.
Die sanften Töne waren es, die mir nur allzu oft eine Tür in eine andere Welt ermöglichten. Eine Welt, in die ich so oft eintauchte um meinen erstickten Hoffnungen und Sorgen zu entfliehen. Eine, in der ich wahrlich träumen konnte, wenn es schon nicht in der Realität möglich war.
Das Klavierspielen stellte eines der wenigen Dinge dar, bei denen ich komplett aus der realen Welt fliehen konnte. Ich hatte es schon immer geliebt. Schon als kleines Kind hatte ich begeistert auf die Tasten gedrückt und mich immer wieder gefreut, wenn sie einen Ton von sich gaben. Es hatte schon damals etwas in mir ausgelöst, was ich nicht beschreiben konnte. Der einzige Unterschied zu früher war wohl, dass ich nun auf meine Hände und mein Gefühl vertrauen musste, anstatt auf meine Augen. Ich konnte mich schon gar nicht mehr daran erinnern wie die Noten aussahen, die ich damals mit solcher Mühe und Entschlossenheit auswendig gelernt hatte. Einzig und allein die Begeisterung, meines früheren Ichs, war mir erhalten geblieben, sowie auch das Talent.
Wie schon in der Vergangenheit, brauchte ich nie lange, um ein neues Stück einzustudieren, welches ich lernen wollte. Ich lauschte der Melodie und wusste meistens schon genau, welcher Ton mit welcher Taste verbunden war. Es war fast wie eine langsam dahintreibende Strömung, die mich Stück für Stück in sich aufnahm und mit einer sachten Welle aus Tönen und Klang den richtigen Weg wies. Anders konnte und wollte ich es auch gar nicht beschreiben.
Der anfänglich sanfte Fluss löste sich jedoch von einer Sekunde zur Nächsten in pure Luft auf, als plötzlich eine Stimme durch mein Zimmer schallte, die ich nach wenigen Augenblicken meiner Mutter zuordnen konnte.
"Ich spring nochmal schnell in den Supermarkt, wegen des Abendessens. Soll ich dir etwas mitbringen?" Augenblicklich entspannte ich mich wieder ein klein wenig und drehte meinen Oberkörper in die Richtung, in der ich sie vermutete. Tatsächlich gab es da nämlich eine Sache die ich wollte.
"Darf ich mitkommen?" Sofort konnte ich ihr Zögern spüren, was sich alsbald in ein lang gezogenes Seufzen verwandeln würde. Sie schien zu überlegen und ich witterte nach langer Zeit mal wieder meine Chance. "Ich.. ich würde auch bei dir bleiben, ich versprech's! Ich mache keinen Unsinn, ich will einfach nur mitkommen", versuchte ich noch einmal mein Glück.
"Jeongguk, mir wäre es lieber, wenn du..."
"Bitte Mum." Ich drehte mich nun ganz in ihre Richtung und setzte einen flehenden Ausdruck auf mein Gesicht. Dies war womöglich die einzige Chance überhaupt nochmal etwas von der Außenwelt mitzubekommen. Sie seufzte geschlagen und ich wusste beinahe sofort, dass ich gewonnen hatte. Das so etwas nochmal im heutigen Jahr passieren würde, grenzte wohl fast schon an ein Wunder, so ungewöhnlich war es. "Du bleibst bei mir verstanden?" Inmitten der nächsten Sekunden war ich auch schon auf den Beinen und mein Klavierdeckel geschlossen. Mein Grinsen glich wohl dem eines Kleinkindes, als ich vorsichtig zu meinem Schrank hastete, um mir ein neues Oberteil heraus zu suchen. Für manch einen schien meine Reaktion wohl schier übertrieben, aber für mich war es etwas Besonderes. Etwas, was viel zu selten geschah.
Meine Beine trugen mich in Windeseile die Stufen hinab, hinunter in den Flur des ersten Stockes, in welchem ich mir eigentlich, gut gelaunt wie ich nun war, die Schuhe anziehen wollte, wäre da nicht dieser eine bestimmte Blick in meinem Rücken gewesen, der mich für eine kurze Weile aufhielt. "Mum..", seufzte ich daraufhin langatmig, "wir gehen nur einkaufen und du bist bei mir. Was soll denn bitte passieren?"
Es nervte mich wirklich tierisch. Ich war doch kein kleines Kind mehr, auf das man jede Sekunde ein Auge werfen musste. Ja, ich war körperlich beeinträchtigt, aber noch lange nicht zu unfähig, um diese Hürde zu meistern, immerhin lebte ich seit meinem sechsten Geburtstag, also rund elf Jahre schon, in Dunkelheit und konnte damit umgehen.
Ich hörte, wie meine Mutter, schweigend und wohl ohne weiter darüber nachzudenken, wie sie mich nun doch zu Hause lassen konnte, die Tür öffnete und huschte schnell durch diese hindurch, sodass ich die angenehm frische Luft in meine Lungen ziehen konnte und energiegeladen auf die Pflastersteine trat, die vor der Haustür begannen sich aneinander zu reihen. Was so ein wenig Freiheit, wenn man es nun mal so nennen konnte, in mir auslöste, verglich sich am besten mit einem wilden brausenden Strom, anstatt dem langsam, dahintreibenden warmen Gewässer von vorhin.
Wir lebten in einer kleinen Siedlung, fernab des großen Treibens für welches Busan bekannt war. Wenn wir womöglich mitten im Stadtzentrum gelebt hätten, würden mich meine Eltern wohl kaum einen Fuß vor die Haustür treten lassen. Hier jedoch kannten sie die meisten Menschen und es war nicht viel los in dem kleinen Örtchen, sodass sie mich manchmal der Freiheit anvertrauen konnten, wenn auch mit reichlichem Widerwillen, so wie jetzt.
"Nicht so schnell Jeongguk! Du weißt doch.. die Straße.." Ich hörte ihre straffen Schritte hinter mir und drehte mich leicht zu ihrer, mal wieder viel zu besorgten, Stimme um. "Ja, eine Straße die vielleicht in jeder Stunde von nur einem Auto befahren wird. Ich erinnere dich liebend gerne daran, dass ich blind bin, nicht taub."
Ein Grinsen zierte daraufhin meine Lippen und ich konnte mir das leichte Schmunzeln nicht verkneifen, als ich mir ihren strengen Blick im Rücken vorstellte und mich schlussendlich bei ihr unterhakte.
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